Eine neue Moral für Deutschland? Die Bewegung für Moralische Aufrüstung und ihre Bedeutung beim Wiederaufbau 1947— 1952
Gabriele Müller-List
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Zusammenfassung
In den ersten Nachkriegsjahren hatte die von dem Amerikaner Frank Buchman 1938 gegründete Bewegung lür Moralische Aufrüstung in Deutschland größte Popularität. Hauptziele der Bewegung waren nach 1945: Verkündung einer christlich fundierten Ideologie angesichts der allgemeinen Desillusionierung, Abbau der Klassenunterschiede, Versöhnung der Kriegsgegner und Schaffung einer westeuropäischen Zusammenarbeit mit einem integrierten Deutschland. Bei den jährlich stattfindenden Weltkonferenzen in Caux, bei Theateraufführungen, auf Kundgebungen und in Schulungen durch die Mitarbeiter Buchmans suchte man die Ideen der Moralischen Aufrüstung zu verbreiten. Dabei bemühte man sich besonders um die Gewinnung von einflußreichen Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft. Der Erfolg der Bewegung läßt sich allerdings schwerlich anhand konkreter Sachverhalte nachweisen. Um so deutlicher ist hingegen die Mitwirkung der'Moralischen Aufrüstung bei der Schaffung einer Atmosphäre der Verständnis-und Gesprächsbereitschaft, gerichtet auf Interessenausgleich und politischen wie sozialen Frieden. Ihr größtes Verdienst für Deutschland besteht darin, nach dem Zusammenbruch 1945, in einer Zeit größter wirtschaftlicher Not und allgemeiner Unsicherheit, Hilfe geboten zu haben bei der Suche nach einer neuen Identität zunächst auf persönlicher, aber auch auf politischer und wirtschaftlicher Ebene. Als erstes nach dem Kriege haben Frank Buchman und seine Mitarbeiter die Deutschen als gleichberechtigte Gesprächspartner anerkannt und mit ihnen nach neuen Wegen gesucht heraus aus dem Chaos dieser Zeit Ohne die Gegensätze zwischen Kapital und Arbeit auflösen zu können, hat die Bewegung dennoch durch ihren intensiven Einsatz gerade im Bereich der Wirtschaft entscheidend zum Abbau von Vorurteilen und zum Ausgleich der sozialen Gegensätze beigetragen. Mit zunehmender politischer und wirtschaftlicher Stabilisierung verringerten sich die Aktivitäten der Moralischen Aufrüstung in Deutschland, die dann auch bei der Bevölkerung bald an Popularität verlor. Ihren Zielen entsprechend wandte sich die Bewegung nun verstärkt neuen Aufgabengebieten zu, vor allem in Afrika, Südamerika und Asien.
I. Die Anfänge der Bewegung
Eine ausreichende Gesamtdarstellung der Moralischen Aufrüstung (Moral Re-Armament, abgekürzt MRA), sei es vom historischen, theologischen oder soziologischen Standpunkt aus, fehlt bisher. Auch folgender Beitrag kann nur einen Teilaspekt behandeln, ohne die gesamte Entwicklung zu erfassen und den Anspruch einer abschließenden Wertung erheben zu können
Gegründet wurde die Bewegung 1938 von Frank N. D. Buchman (geboren am 4. Juni 1878 in Pennsburg, Pennsylvanien, gestorben am 7. August 1961 in Freudenstadt), dessen Vorfahren um 1750 aus dem Schweizer Kanton St. Gallen nach Amerika ausgewandert waren. Im Anschluß an sein Studium war Buchman zunächst als evangelisch-lutherischer Pfarrer vorwiegend im sozialen und karitativen Bereichtätig; so gründete er 1904 in Phila Juni 1878 in Pennsburg, Pennsylvanien, gestorben am 7. August 1961 in Freudenstadt), dessen Vorfahren um 1750 aus dem Schweizer Kanton St. Gallen nach Amerika ausgewandert waren. Im Anschluß an sein Studium war Buchman zunächst als evangelisch-lutherischer Pfarrer vorwiegend im sozialen und karitativen Bereichtätig; so gründete er 1904 in Philadelphia Bas erste lutherische Jugendheim in den USA. Von Differenzen mit seinen Vorgesetzten zermürbt, verlagerte Buchman nach mehreren großen Reisen das Schwergewicht seiner Ar-beit nach Europa, insbesondere nach Großbri-tannien.
1921 entstand unter seiner Initiative iie sogenannte Oxford-Gruppenbewegung. Deren Ziel war es, aus christlichem Geist heraus einen sittlichen Wandel der Menschen zu weichen 2). Bald zählte die Bewegung Tau-sende von Anhängern. Ihr Wirkungsbereich dshnte sich zunehmend auch auf andere europäische, aber auch außereuropäische Länder aus.
Angesichts der zunehmenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage und der Radikalisierung des politischen Lebens gründete Frank Buchman 1938 die Moralische Aufrüstung. Auf einer Vortragsveranstaltung in der East Ham Town Hall in London am 29. Mai 1938 rief Buchman seinen Zuhörern zu: „Forget all about Frank Buchman and that one day he had a quiet time and now you have a movement in fifty-two countries. Britain and the world must re-arm morally." 3) Bei Buchmans Bewegung handelte es sich nun nicht länger nur. um eine Art Erweckungsbewegung, „revivalist movement" 4), sondern jetzt wollte Buch-man mit seiner MRA auch Einfluß nehmen auf das aktuelle politische Geschehen. Als sozial-ethische Bewegung mit christlicher, allerdings gänzlich undogmatischer Orientierung sucht die MRA durch sittliche Änderung (change) des einzelnen den politischen und sozialen Frieden in der Welt herbeizuführen. Im Geiste des Christentums sollen die Gefahren des Atheismus, des Materialismus und vor allem des Kommunismus überwunden werden. Dazu bedarf es (nach den Methoden der Erwekkungsbewegung) der Selbsterneuerung des einzelnen im Sinne der vier moralischen Grundsätze: absolute Ehrlichkeit, absolute Reinheit, absolute Selbstlosigkeit und absolute Nächstenliebe.
In einer täglichen Besinnung (quiet time) sollen göttliche Weisungen erlangt werden, die anschließend in einer Gruppe (team) ausgetauscht werden. Durch öffentliche Bekenntnisse soll die Ideologie der MRA verbreitet werden Buchmans Verhältnis zum Nationalsozialismus ist noch nicht völlig geklärt Von einigen Seiten des Nationalsozialismus war Buch-man anfangs durchaus angetan, so von allen Bemühungen, die die Erneuerung des nationalen Verantwortungsbewußtseins und der „Sittlichkeit" anstrebten Außerordentlich umstritten ist nach wie vor Buchmans Begegnung mit einzelnen herausragenden Persönlichkeiten des Hitler-Regimes wie beispielsweise mit Himmler Während besonders die Anhänger und Freunde Buchmans Verhalten als Bekehrungsversuch werten wird anderweitig der Einwand erhoben, Buchman habe anfangs eine durchaus positive Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus eingenommen, vor allem im Hinblick auf dessen Kampf gegen den Kommunismus
Unbestritten ist jedoch die zunehmende Behinderung der Bewegung (Telefonüberwa. chung, Reiseverbote u. a.) durch den Sicherheitsdienst. Schon 1934 hatte die Gestapo Material gegen die Gruppe zusammengetragen, um es einige Jahre später zu verwenden Buchman rückte im Verlauf der politischen Entwicklung in Deutschland ganz vom Nationalsozialismus ab. Die Kriegsjahre verlebte er in den Vereinigten Staaten.
Nachdem Buchman während des Krieges seine Arbeit in den USA weitergeführt hatte, richtete sich nach 1945 seine Aufmerksamkeit wieder ganz auf Europa, in erster Linie auf Deutschland. Die Hauptziele der MRA waren nach dem Kriege:
1. Verkündung einer christlich fundierten Ideologie in der allgemeinen Desillusionierung dieser Zeit;
2. Abbau der Klassenunterschiede und der Aggressivität zwischen Unternehmern und Gewerkschaftlern wie Arbeitern durch Änderung des einzelnen und gemeinsame Gespräche;
3. Versöhnung Deutschlands mit seinen Kriegsgegnern;
4. Westeuropäische Zusammenarbeit und Integration Deutschlands
Dabei ging die MRA von der Auffassung aus, Zusammenbruch und Chaos der vergangenen Jahre seien entstanden, weil bei der Führung des Staates der göttliche Wille nicht berücksichtigt wurde. Eine Gesundung sei nur möglich, wenn auch in Politik und Gesellschaft ethische Maßstäbe dem Handeln zugrunde gelegt werden und die Führung Gottes wirksam werden kann. Nur in einer solchen „inspirierten Demokratie" könne die Idee der Demokratie dem Menschen nützlich werden
Auf den verschiedensten Wegen suchte die MRA ihre Gedanken zu verbreiten. Eine Besonderheit dabei waren die Aufführungen der Schauspielgruppe. Mit ihren Theaterstücken „Der gute Weg" (The good Road) und „Der vergessene Faktor" (The Forgotten Factor) zogen sie ab 1948 von Stadt zu Stadt So gastierten sie 1948 mit ihrem Stück „Der gute Weg" auf Einladung des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Karl Arnold im Düsseldore Opernhaus. Bei der Begrüßung Frank Buch mans und seiner Mannschaft am 19. Oktobe 1948 erklärte der damalige Minister für Erna rung und Landwirtschaft in Nordrhein-West falen, Dr. Heinrich Lübke: „Wir freuen uns, daß Sie — trotz allem, was in den vergangenen Jahren geschah — der schwer ringenden Bevölkerung an Rhein und Ruhr die Botschaft des Friedens und der Liebe aus der übrigen Welt bringen wollen..denn wir brauchen für unsere Arbeit Ihre Hilfe ... Hier ist der Existenzkampf besonders hart und scharf, und wir wissen, daß eine wirkliche Demokratie als Lebensform nicht gedeihen kann, wenn auf wirtschaftlichem Gebiete der Kampf aller gegen alle tobt... Wir haben die Tyrannei bei uns in reinster Form kennengelernt und sehnen uns nach einer Regierung, die sich von Gott führen läßt, nach einer . inspirierten Demokratie'." Auchder spätere DGB-Vorsitzende Hans Böckler, Vorsitzender des DGB der britischen Zone, zeigte der MRA, gegenüber wohlwollende Unterstützung, wenn auch gepaart mit einiger Skepsis: „Sie kennen mich als den Mann, den Sie noch gewinnen müssen und der alle Achtung hat vor dem Tun, das Sie beseelt, der freilich durch mehr als 50jährige Tätigkeit als Gewerkschaftsmann im Leben so viel abgeschliffen wurde und das Leben von seiner rauheren Seite kennengelernt hat, nicht zu prophezeien wagt, daß Ihr unabsehbarer Idealismus Sie ans Ziel bringen wird ... Und eines vergessen Sie vor allem nicht, nicht gutes Leben allein und Predigten, und seien sie der höchste Idealismus, bessern die Menschen. Die Menschen in ihrer großen Masse sind doch allermeist Produkte der Verhältnisse, in denen sie leben, Produkte der Umgebung und Erziehung ... Gutes Leben und gute wirtschaftliche und politische Verhältnisse, sie machen aus den Menschen unserer Tage vielleicht einmal Menschen, wie Sie sie in Ihrem Idealismus wünschen und die Sie zu formen beabsichtigen ... Wir sind nicht nur einig im Wollen und stehen uns hier ganz nahe, nein, wir sind vor allen Dingen auch einig in der Art, wie wir die Unvollkommenheit der Menschen betrachten und zu überwinden trachten."
Neben Theateraufführungen und lokalen Kundgebungen waren jedoch die sogenannten Weltkonferenzen von erheblich größerer Bedeutung. 1946 hatte Frank Buchman in Caux am Genfer See ein ehemaliges Luxushotel erwerben können, das seit Jahren leerstand Finanziert wurde dieses Projekt wie auch die Konferenzen — die Kosten für die Konferenz 1949 betrugen ca. zwei Millionen Schweizer Franken — zu einem großen Teil durch private, aber auch staatliche Spenden. So spendeten Frankreich und Schweden Bestecke für Tausende Personen. Stahlarbeiter aus Sheffield stifteten 80 Kaffee-und Teekannen und Unternehmer des Ruhrgebiets sandten 200 Tonnen Kohle nach Caux. Hinzu kamen besondere Fiskalrechte wie die Befreiung von Bundessteuern, die der 1946 gegründeten Stiftung für Moralistische Aufrüstung gewährt wurden In Caux fanden ab 1947 jährliche Konferenzen statt, an denen Gäste vieler Nationen teilnahmen.
III. Einflußnahme auf Politik und Wirtschaft
Die Frage, inwieweit die Arbeit der MRA kon-krete Auswirkungen auf die politische und gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland hatte, soll im folgenden näher untersucht wer'len Angesichts der wirtschaftlichen Not ins) folge der Kriegseinwirkungen und der von den Alliierten geforderten und durchgeführ-ten Demontagen in der Industrie stand natürlich das Ruhrgebiet als industrielles Zentrum Deutschlands im Mittelpunkt des Interesses. Für politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen war dort der geeignete Ausgangspunkt. „The rise of democratic Socialism naturally attracted the attention of a movement whose tactic had always been to capture key men everywhere; so, particularly since the war, there has been a determined attempt by MRA to Infiltrate into the Labour and Trade Union movements of the West." Bevor allerdings Gewerkschaftsfunktionäre und Betriebsräte, aber auch Unternehmer und Politiker von der MRA erreicht werden konnten, waren durch den Besatzungszustand verursachte Schwierigkeiten zu überwinden, so vor allem die Reisebeschränkungen. Erst nach der Intervention Buchmans bei dem amerikanischen Militärgouverneur General Lucius D. Clay 1947 erhielten führende deutsche Persönlichkeiten in größerer Zahl eine Reiseerlaubnis Für seine Unterstützung der MRA gab General Clay folgende Begründung: „I just have a directive from Washington lying on my desk, saying What is your Programme for filling the ideological vacuum. What is your positive answer?'Gentlemen, it seems to me that you have come at the right time with the right answer."
Die Konferenzen in Caux boten den Deutschen erstmals Gelegenheit, gleichberechtigt in einer verständnisbereiten Umgebung mit Vertretern anderer Nationen zusammenzutreffen und die aktuellen Probleme zu diskutieren. So äußerte sich denn auch Friedrich Glum, von 1946 bis 1952 Ministerialdirigent in der Bayerischen Staatskanzlei und selbst’Gast in Caux, über die Bedeutung der MRA: „Man kann über Caux denken, wie man will, diese Zusammenkünfte sind politisch, so scheint mir, außerordentlich nützlich gewesen. Denn hier wurden Persönlichkeiten aus der Politik, der Journalistik, der Wirtschaft, der geistigen Welt... zusammengebracht."
In einer Zeit des politischen Umbruchs und wirtschaftlicher wie sozialer Not war es nicht schwer, die Menschen für die Ideen der MRA zu gewinnen. Neben der Idee der nationalen Verständigung glaubte Buchman vor allem auch die Konflikte in der Wirtschaft beseitigen zu können, wenn bei Kapital und Arbeit Verständigungsbereitschaft geweckt werde: „Nur ein neuer Geist in Menschen kann einen neuen Geist in die Wirtschaft bringen. Die Wirtschaft kann zum Vorkämpfer einer neuen Ordnung werden, in welcher der Dienst am Volk an die Stelle der Selbstsucht tritt und in welcher die Wirtschaftsplanung auf der Führung Gottes aufgebaut ist. Wenn Arbeiterschaft, Direktion und Kapital Partner unter Gottes Führung werden, dann wird die Wirtschaft ihren eigentlichen Platz im Leben des Volkes finden."
So fand denn auch im Rahmen der Weltkonferenz 1948 (vom 15. Juli bis 3. Oktober), an der rd. 5 000 Vertreter aus 44 Staaten teilnahmen, eine erste Sondertagung für die Industrie statt Thema war die Auswirkung der Moralischen Aufrüstung im Kohlebergbau. Vertreter der Unternehmer, der Bergarbeitergewerkschaften und der staatlichen Kohlenämter aus den Industriezentren Deutschlands, Frankreichs, Belgiens, Hollands und Großbritanniens beschäftigten sich mit den Ideen der MRA. Auch in den folgenden Jahren gab es anläßlich der Weltkonferenzen besondere Tagungen für die Industrie. Eine der wichtigsten fand 1950 statt. Auf Anregung führender Persönlichkeiten aus Industrie und Gewerkschaften wurde die Weltkonferenz 1950 am 16. Juni mit einer zehntätigen Industriekonferenz eröffnet Zu den 53 Mitgliedern des Komitees für die Sonderkonferenz gehörten auch neun Deutsche, unter ihnen Otto Springorum, Ge-neraldirektor der Gelsenkirchener Bergwerks AG, Hans Bilstein, Vorsitzender des Gesamt-verbandes der metallindustriellen Arbeitgeberverbände Deutschlands, Friedrich Springomm, Direktor der Mannesmannröhrenwerke, Hüttenwerk Hückingen, und Ernst Scharnowsky, erster Vorsitzender der Unabhängigen Gewerkschaftsorganisation von Groß-Berlin.
Das besondere Bemühen der MRA richtete sich auf die Änderung der kommunistischen Gewerkschafter und Arbeiter. Auf keiner Tagung fehlte der Bericht von ehemaligen Kommunisten, die ihre „Bekehrung" durch die MRA schilderten. So heißt es im Bericht über die Sonderkonferenz für die Industrie 1952, die sich insbesondere mit dem Schumanplan und der Mitbestimmungsfrage beschäftigte: . Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende der Zechen Rheinpreußen ... Max Bladeck, war führendes Mitglied der KPD im Ruhrgebiet. Er berichtete, daß die Kommunistische Partei jede Gelegenheit ausgenutzt hatte, um Einfluß auf die Industrie des Ruhrgebietes zu gewinnen ... Max Bladeck hat der Kommunistischen Partei 26 Jahre angehört. Als er im Jahre 1948 der Moralischen Aufrüstung begegnete, erklärte er: , Die Moralische Aufrüstung kann die Synthese zwischen den beiden festgefahrenen Welten des Kommunismus und des Kapitalismus sein.'Nach seiner Rückkehr aus Caux im Jahre 1949 wurde Bladeck mit mehreren seiner Parteigenossen aus der Partei ausgeschlossen ... Über das neue Betriebsverfassungsgesetz sagte Bladeck: In der Rheinpreußen Zeche hatten wir es zum Teil schon vorher eingeführt.'... „Als ich noch Kommunist war', fuhr Bladeck fort, . waren von 14 Betriebsräten 9 Kommunisten. Heute sind 5 Leute der Moralischen Aufrüstung und nur noch ein Kommunist im Betriebsrat.'Seitdem ist der Prozentsatz der Kommunisten in den Betriebsräten der Ruhr-Kohlengruben von n auf 25 % gesunken. Hubert Stein, ein Mitged des Hauptvorstandes I. G. Bergbau, der schreibt das Verdienst an dieser Entwicklung er Moralischen Aufrüstung zu. Bladeck be-
chtet, daß 300 Betriebsratsmitglieder, die in dux in der Moralischen Aufrüstung geschult Mrden waren, einen von den Kommunisten geplanten Generalstreik im März vorigen Jahres verhindern konnten. Sie erklärten sich sehr heftig gegen einen solchen Streik, weil er zwar mit einer wirtschaftlichen Frage heute beginne, aber morgen zu einem politischen Streik werden kann, der das Ende der Demokratie herbeiführen könnte. Die Moralische Aufrüstung bedeutet für uns die Entscheidung zwischen Leben und Tod,'fuhr Bladeck fort, , ich kämpfe mit allem, was ich habe, für die Moralische Aufrüstung, denn sie geht weiter und tiefer als der Kommunismus und ist gegen niemand, aber für Änderung in jedermann.
Ähnliche Berichte gab es auch von Unternehmerseite. Ebenfalls auf der Sonderkonferenz 1952 erklärte der Direktor der Gelsenkirchener Bergwerks-AG, Hans Dütting, der nach seinem Aufenthalt in Caux im Jahre 1949 die Ideen der MRA in seinem Betrieb eingeführt hatte: „Wir begannen, unser Geschäft und unseren Betrieb so zu führen, daß wir auch nicht das Geringste mehr zu verbergen hatten. Das führte dazu, daß wir unseren Arbeitervertretern ganz von'selbst immer mehr Aufschlüsse gaben. Der Erfolg war ein außerordentliches Wachsen des gegenseitigen Vertrauens zwischen Arbeiterschaft und Betriebsführung.
Ich habe monatlich eine besondere Sitzung mit allen Betriebsratsvorsitzenden, etwa 25 Mann zusammen. In der Zusammenarbeit mit diesen Männern herrscht wirklich absolute Ehrlichkeit. Jede Seite weiß, daß keiner in diesem Gremium eine Unwahrheit sagt.
Auf dieser Grundlage arbeiten wir nun weiter. Selbstverständlich hat die Anwendung der vier moralischen Grundsätze durch die Betriebsführung auch ihre materiellen Folgen. Wenn wir auf diese Weise zwischen Arbeiterschaft und Unternehmertum gute Verhältnisse schaffen, brauchen wir für die Zukunft nichts zu befürchten. Darüber hinaus würde das Vertrauen natürlich auch von einem Land zum anderen übergreifen. Und das ist die weitere Aufgabe, die wir als Unternehmer haben."
IV. Die Konferenzen in Caux
Die nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Zahl der deutschen Teilnehmer an den Konferenzen in Caux, aufgegliedert nach Bundesländern
Deutsche Teilnehmer bei Konferenzen der MRA in Caux in den Jahren 1948 bis 1952
Bemerkenswert zahlreich war Nordrhein-Westfalen vertreten. Waren 1948 die Anteile der nordrhein-westfälischen und der bayerischen Teilnehmer mit 28, 5% bzw. 26, 6% fast gleich hoch, so kamen 1950 mehr als die Hälfte aller Teilnehmer aus Nordrhein-Westfalen. Es ist anzunehmen, daß hierbei vorrangig das Ruhrgebiet von Bedeutung war. Entsprechend der Taktik der MRA, zur Verbreitung ihrer Ideen zunächst Persönlichkeiten in Schlüsselpositionen zu gewinnen, verwundert es nicht, daß man besonders dem Ruhrgebiet als dem industriellen Zentrum Deutschlands besondere Wichtigkeit zumaß. Hinzu kam, daß Bonn 1949 Bundeshauptstadt und politisches Zentrum Deutschlands wurde, was das Interesse der MRA an einer Arbeit in Nordrhein-Westfalen noch weiter verstärkte.
Insgesamt wurde die höchste deutsche Teilnahme im Jahre 1949 erreicht. Bei 414 deutschen Gästen im Vorjahre hatte sich 1949 deren Zahl mehr als verdreifacht. Dies hängt zusammen mit den Restriktionen, denen die Deutschen durch die Besatzungsmächte nach 1945 unterworfen waren. Hatten 1947 und auch noch 1948 vor allem die Reisebeschrän-kungen viele Personen an der Teilnahme gehindert, so waren mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 solche Schwierigkeiten weitgehend ausgeräumt. Um so erstaunlicher ist dann jedoch auf den ersten Blick der langsame, aber kontinuierliche Rückgang der deutschen Teilnehmerzahl. Für das Jahr 1952 ist nur knapp die Hälfte (660) der Teilnehmer des Jahres 1949 (1364) verzeichnet. In den Folgejahren, die hier nicht näher untersucht werden, ging der Anteil der Deutschen noch weiter zurück. Mit der zunehmenden Konsolidierung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse verlor die MRA in Deutschland an Bedeutung. Die Vermutung liegt nahe, daß nicht zuletzt die Möglichkeit, das Elend des Nachkriegsdeutschlands für wenige Wochen mit der in jeder Hinsicht angenehmen Atmosphäre in Caux zu tauschen, ein wesentliches Moment für die Anziehungskraft der Bewegung darstellte. Dennoch erschöpft sich nicht allein darin die Bedeutung der MRA für den deutschen Wiederaufbau. Ihre ideellen und daraus resultierenden praktischen Erfolge sind durchaus nicht zu verkennen, wie im folgenden näher dargestellt werden soll.
Eine Rolle bei der sinkenden Bedeutung der MRA spielten auch die Angriffe gegen die Bewegung, die sich etwa ab 1950 von verschiedenen Seiten aus verstärkten. Besonders bei der katholischen Kirche hatte die starke Beteiligung christdemokratischer Politiker und der CDU nahestehender Persönlichkeiten an den Tagungen der MRA Argwohn geweckt. Schon 1948 hatte Konrad Adenauer an der Konferenz in Caux teilgenommen Später beauftragte er den CDU-Bundestagsabgeordneten Paul Bausch, die Bundesregierung bei Tagungen der MRA zu vertreten. Anläßlich der Weltversammlung der MRA vom 1. bis 12. Juni 1951 schrieb der Bundeskanzler an Buchman: „Ich wünsche der Weltversammlung aufrichtig und herzlich einen starken und nachhaltigen Erfolg, denn ich bin mit Ihnen der Überzeugung, daß die äußeren Beziehungen der Menschen und Völker zueinander erst dann ganz gefestigt sein können, wenn eine innere Bereitschäft dazu vorhanden ist. Die . Moralische Aufrüstung'hat sich in dieser Hinsicht große und bleibende Verdienste erworben. Das deutsche Volk erkennt dankbar die Hilfe an, die ihm aus dem Wirken der . Moralischen Aufrüstung'zugeflossen ist. Die . Moralischen Aufrüstung'hat bald nach Beendigung des Krieges dem deutschen Volk die Hand gereicht und ihm geholfen, wieder mit den anderen Völkern in Verbindung zu treten. Im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hat sich die . Moralische Aufrüstung'eifrig um das Zustande-kommen guter Beziehungen zwischen den Sozialpartnern bemüht. In der letzten Zeit ist es nach manchen schwierigen Verhandlungen möglich gewesen, bedeutsame internationale Abmachungen zu treffen ich glaube, daß auch hierbei der Geist der . Moralischen Aufrüstung'unsichtbar, aber wirksam dazu beigetragen hat, bei den Verhandlungsteilnehmern das Gegensätzliche zu überbrücken und in der Suche nach dem gemeinsamen Guten den friedlichen Zwecken zu dienen, auf die alles menschliche Streben gerichtet sein sollte...“
Zwar erkannten die beiden großen christlichen Kirchen das Bemühen der MRA grundsätzlich an, nahmen aber teilweise erheblichen Anstoß an der Nichtbeachtung der dogmatischen Grundsätze des Glaubens. Nachdem u. a.der Kölner Kardinal Frings zu Pfingsten 1950 scharfe Kritik an der MRA geübt hatte, erfolgte im Juli 1951 eine erste offizielle Stellungnahme der katholischen Kirche, die im März 1955 wiederholt wurde. Darin wurde zwar kein Verbot für die Teilnahme von Katholiken an der MRA ausgesprochen, aber vor möglichen Unklarheiten gewarnt. Eine Teilnahme von Priestern und Ordensleuten war nur mit besonderer Genehmigung möglich. Führende Stellen in der MRA durften auch von Laien nicht übernommen werden
Kritik an der MRA wurde auch seitens der Sozialdemokratie geübt. Während sich Kurt Schumacher kritisch-neutral verhielt, stand besonders Fritz Heine, Pressechef der SPD und Herausgeber des Neuen Vorwärts, Frank Buchman und seiner Bewegung gänzlich ab-lehnend gegenüber. Zwar wurde von der Parteiführung keine offizielle Stellungnahme abgegeben in bezug auf die Teilnahme von Parteimitgliedern an MRA-Veranstaltungen, aber man empfahl dennoch indirekt ein kritisch-distanziertes Verhalten.
Bemerkenswert ist auch die Haltung der Presse. Hatten anfangs die positiven Stimmen überwogen, die die MRA priesen als die internationale Organisation, die als erste wieder mit den Deutschen als gleichberechtigten Partnern das versöhnende Gespräch suchte, so mehrten sich später die kritischen Äußerungen
Trotz dieser teilweise scharfen Anfeindungen konnte die MRA bei ihren Konferenzen in Caux eine überraschend hohe Zahl führender Persönlichkeiten — Politiker, Gewerkschaftler, Unternehmer, Journalisten — zu ihren Gästen zählen
Die hervorragende Bedeutung Nordrhein-Westfalens wurde zum Anlaß genommen, die nordrhein-westfälischen Teilnehmer gesondert auf ihre Berufe hin zu untersuchen:
Die Berufsgliederung der nordrhein-westfälischen Teilnehmer bei den Konferenzen der MRA 1949 bis 195239) Die Übersicht macht deutlich, wie sehr sich die MRA um den Unternehmensbereich bemühte. 1949 waren von den Konferenzteilnehmern aus Nordrhein-Westfalen dieser Gruppe 43, 1% der Teilnehmer zuzurechnen, darunter 18, 2% Unternehmer und 24, 9% Betriebsräte. Wie zahlreiche Zeugnisse belegen, hat nicht zuletzt die MRA dazu beigetragen, Unternehmer-und Betriebsvertreter bzw. Gewerkschafter an einen Tisch zu bringen und durch intensives Bemühen zum sozialen Frieden beizutragen. Bis 1951 und vor allem 1952 sanken die Werte für Betriebsräte und Unternehmer ab; dafür stieg der Anteil der Studenten von 1949 bis 1952 fast um das Doppelte. Unter den Studenten waren vielfach Vertreter studentischer Organisationen, auch studentischer Presse, die geeignete Vermittler der Ideen Frank Buchmans und seiner Bewegung zu sein schienen.
V. Einsatz im Ruhrgebiet
Vertieft wurden die Bemühungen der MRA durch die Arbeit sogenannter Teams von MRA-Mitarbeitern in den einzelnen Regionen. So waren in den Jahren 1948 bis 1952 verschiedentlich MRA-Teams auch im Ruhrgebiet tätig. Neben den bereits erwähnten Theateraufführungen fanden vor allem auch Versammlungen und Kundgebungen statt Auf einer Pfingstkundgebung am 28. Mai 1950 in Gelsenkirchen, an der rund 12500 Personen teilnahmen, stand auch der Konflikt zwischen Kapital und Arbeit im Betrieb zur Debatte. Hierzu erklärte der Direktor der Gelsenkirchener Bergwerks-AG., Bergassessor Hans Dütting: „Wir haben versucht, in Betrieb und Büro, bei Verhandlungen und Diskussionen die Grundsätze der Moralischen Aufrüstung anzuwenden. Das erste Ergebnis war eine erstaunliche Besserung der Zusammenarbeit mit unseren nächsten Mitarbeitern. Dann begannen wir, unser Arbeitervertreter über unsere Pläne zur Verwirklichung dieser Ideologie zu unterrichten. Zuerst fanden wir Mißtrauen und abwartende Haltung. Als dann aber wirklich eine gewisse Änderung im Verhalten des Unternehmers festzustellen war, wuchs das Interesse an der Moralischen Aufrüstung und gleichzeitig das Vertrauen zum Unternehmer. Vielleicht gab ich selbst den stärksten Anstoß zu Änderung des beiderseitigen Verhaltens, als ich offen über eine Fehlentscheidung von mir in personellen Dingen sprach und sie mit Hilfe der Betriebsräte wieder in Ordnung brachte.
Wir finden uns mehr und mehr auf der Basis der gleichen Ideologie, und daher haben wir auch keine Sorge vor der Auswirkung des erwarteten Mitbestimmungsgesetzes, denn wenn wir absolut ehrlich und selbstlos sind, kann die Mitbestimmung für uns kein Problem sein. Ein Unternehmer, der in seiner Arbeit die vier absoluten Grundforderungen wirklich anwendet, gibt seinen Arbeitern mehr, als irgendein Gesetz es verlangen kann. Wir sind sicher, auf diesem Weg wirklich bessere, befriedigendere Lebens-und Arbeitsverhältnisse zu schaffen, und zwar für den Arbeiter wie für den Unternehmer, im Privat-wie im Staatsunternehmen.
Aber das ist nicht die einzige Aufgabe des Unternehmers. Wir müssen darüber hinaus die Initiative ergreifen, daß diese Ideologie durch die ganze Welt geht und Einigkeit zwischen allen Völkern und Kontinenten schafft." Als Betriebsratsvorsitzender der Gelsenkirchener Bergwerks-AG. bestätigte Paul Dikus diese Ausführungen: „Vor einem Jahr, glaube ich, hätten wir uns beide für verrückt erklärt, wenn ich gesagt hätte, daß Assessor Dütting und ich hier in diesem Raum gemeinsam sprechen werden. Was ist denn die große Weltkrise, in der wir uns befinden? Doch nur eine Krise des Mißtrauens. Die Leute der Moralischen Aufrüstung sehen die Besserung der Verhältnisse von dem Gesichtspunkt aus: Wenn ich mich ändere, dann ändern sich die Verhältnisse.'Im Betrieb ändern sich die Verhältnisse ganz wesentlich. Es braucht die Furcht um den Ausgang des Kampfes um das Mitbestimmungsrecht gar nicht so groß zu sein Wenn wir, jeder an seiner Stelle, nach den Grundsätzen der Moralischen Aufrüstung leben, dann haben wir eine Antwort gefunden auf den Haß, der vorläufig noch in der Welt lebt."
Auf den Einfluß Buchmans läßt sich — zumindest teilweise — auch das „Experiment" zurückführen, das der Direktor der Duisburger Kupferhütte, Ernst Kuss, der 1949 an der Konferenz in Caux teilgenommen hatte und mit der MRA in gutem Kontakt stand, in seinem Betrieb durchführte. In der Duisburger Kupferhütte wurde die Gewinnbeteiligung eingeführt; der Vorsitzende des Betriebsrats saß als gleichberechtigtes Mitglied im Vorstand Kuss berief sich auf seine christliche Einstellung und sah in seinem Verhalten eine Möglichkeit, auch seine Arbeiter, unter denen etliche Kommunisten waren, zu „christianisieren". Von seinem Erfolg beeindruckt war besonders Peter Wilhelm Haurand, Direktor der Metall-fabrik Halver, der entscheidend am Zustande-kommen des Entschlusses des Bochumer Katholikentages vom September 1949 zur Mitbestimmung mitgewirkt hatte Im Ruhrgebiet führten Mitarbeiter der MRA Schulungskurse (training courses) für die Bergarbeiter durch. Wie sich dieses Bemühen konkret auswirkte, zeigt ein Bericht des MRA-Mitarbeiters S. C. an Frank Buchman:
" Tomorrow there will be a meeting in Gelsenkirchen of the fifty Betriebsräte from the Ruhr dosest to us, a meeting summoned by Paul Dikus, chairman of the 250 000 miners in the Gelsenkirchen group. I had thought of sending news of this meeting as soon as it had taken place, but last night a small preparation meeting for it which was led by Paul Dikus, was so revolutionary that I just feit I had to send a few lines on it." 468)
S. C. schildert die Situation in der Zeche Nordstern, die innerhalb der Gelsenkirchener Bergwerks AG am stärksten von Kommunisten beherrscht sei. Von zwei kommunistischen Betriebsräten seien auch die Aktivitäten für einen erneuten Streik ausgegangen. C. berichtet, wie diese Gefahr gemeinsam von dem Betriebsratsvorsitzenden Paul Dikus und Hans Dütting, dem Direktor der Gelsenkirchener Bergwerks AG., abgewehrt worden ist:
" As Dikus came in and sat down he said, 'Now we must see how Moral Re-Armament really works. Today I would have lost my temper but for the training these fellows have given me. It was a difficult Situation when the strike Committee came along and thumped the table. Af-ter I had spent time with them I had to go off to Essen to negotiate with the Central management of all the Gelsenkirchen Company. Then to see Dütting this afternoon.'At this point Paul, who has been a rather slow-moving, quiet-spoken fellow in his dealings with us hitherto, became tremendously roused, waved his arms with great emphasis and said, 'I say to you, this thing is revolution. A year ago I considered Dütting a damnable fellow. Now we are real colleagues in our work together. Every time we are together to negotiate is an enriching time in my life. Every worker is able to be on a level of equality now with Hans Dütting. Here there is no longer a spirit of Classwar — here we have an atomic power of reconciliation. I have always hated dogmatism and theorizing, but what Dütting has shown us in Moral Re-Armament is not theory, but theory and practice going hand in hand. ’ He then went on to talk about a meeting recently where Dütting told the Works Councils members the full figures of the financial Situation of the firm and took them completely into his confidence. That I repeat, was the meeting of my life. Dütting told us things we have always wanted to know. He laid all the cards on the table. It is something entirely new. And look at all the other things that are happening — all the houses that are being built, all the new social amenities for the workers. I teil you, it is a practical application of Moral Re-Armament. In den meisten Fällen wohnten die MRA-Mitarbeiter in deutschen Familien. Führende Politiker, Unternehmer und Gewerkschafter, aber auch Arbeiterfamilien boten ihre Gastfreundschaft an. Auch Veranstaltungen wurden häufig aus privaten Spenden finanziert. So bemühte sich der Verleger und CDU-Bundestagsabgeordnete Gerd Bucerius, für den Besuch der Schauspieltruppe und die Aufführung des Dramas „Der vergessene Faktor" in Hamburg vom Hamburger Senat 10000 DM zu erhalten. Er selbst sagte eine Spende von 1000 DM zu
Neben den größeren Veranstaltungen gab es in weitem Umfange persönliche Kontakte, um bereits bestehende Verbindungen zu vertiefen und neue Freunde für die MRA zu gewinnen. Vorzugsweise bemühte man sich dabei um die Unterstützung einflußreicher Persönlichkeiten aus dem politischen und wirtschaftlichen Bereich. So berichtet S. C.: 'The Minister of the Interior, Dr. Lehr, has continued his initiative... Then, on Saturday, March 3, the Minister is giving a private luncheon in the Industrie-klub in Düsseldorf, of which he is President, at which he expects four or five of the Federal Cabinet, half-a-dozen top industrialists, and 10— 12 representatives of Moral Re-Armament. ” Und im Bericht des MRA-Mitarbeiters M. F. heißt es: “ We are buzy preparing the Landtagsmeeting. Katzenberger is hoping that Arnold will come. Springorum is coming and of course all our best spokesmen from the Ruhr. There is some chance that Böckler or Föcher may come. Sydney met Springorum and six other Barons yesterday. They were discussing how they could best contribute to our work ... They feel now that they would rather do it personally getting a large number of their friends to make regulär contributions."
VI. Resümee
Die vorangegangenen Zeugnisse weisen einerseits auf die Popularität hin, die die MRA in den Nachkriegsjahren in Deutschland genoß. Andererseits deuten sie auch die Erfolge an, die sie insbesondere in der Wirtschaft erzielte. Das Jahr 1952, das als Endpunkt dieser Untersuchung gewählt wurde, ist zwar nicht als das Ende der MRA-Tätigkeit in Deutschland zu betrachten, stellt aber dennoch einen gewissen Abschluß dar. Die politische und wirtschaftliche Lage in der Bundesrepublik hatte sich zunehmend konsolidiert. Zu nennen sind auf außenpolitischem Gebiet die erfolgreichen Bemühungen des Bundeskanzlers um Revidierung des Besatzungsstatuts bis zu seiner Suspendierung am 26. Mai 1952 und besonders der Vertrag über die Montanunion, der am 18. April 1951 unterzeichnet wurde. Innenpolitisch waren vor allem das Montanmitbestimmungsgesetz vom 21. Mai 1951 und das La-stenausgleichsgesetz vom 14. August 1952 Meilensteine auf dem Weg zu wirtschaftlichem und sozialem Frieden. Zwar lassen sich in diesem Zusammenhang die Erfolge der MRA nicht anhand von Fakten aufzeigen, doch ist ihre geistige Mitwirkung bei der Schaffung einer Atmosphäre der Verständnis-und Gesprächsbereitschaft, gerichtet auf Interessenausgleich und politischen wie sozialen Frieden, sicherlich von Bedeutung gewesen. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Karl Arnold sieht dann auch die MRA als die geistige Bedingung, die erst ein inte-griertes Europa ermögliche Auf die Bedeutung der MRA beim Schumanplan soll an die-ser Stelle nicht näher eingegangen werden. Denn beweisen läßt sich die häufig aufgestellte Behauptung eines Zusammenhangs zwischen der Entstehung des Schumanplans und der Person Frank Buchmans wohl schwer-lich Zweifellos hat jedoch die MRA dazu beigetragen, ein gemeinsames europäisches Bewußtsein zu schaffen und die Gegensätze abzubauen.
Das größte Verdienst hat sich die MRA aber wohl erworben, indem sie nach 1945, in einer Zeit des völligen Zusammen-bruchs, Hilfe geboten hat bei der Suche nach einer neuen Identität zunächst auf persönlicher, aber auch auf politischer und wirtschaftlicher Ebene. Selbst wenn vermutlich einige der zahlreichen Gäste der MRA in Caux zu-nächst weniger aus ideellen Gründen an den Konferenzen teilgenommen haben, darf die Gesamtwirkung der Tätigkeit Buchmans und seiner Mitarbeiter nicht unterschätzt werden. Als erste haben nach dem Krieg Frank Buch-man und seine Mitarbeiter die Deutschen als gleichberechtigte Gesprächspartner aner-
kannt und mit ihnen nach neuen Wegen ge-sucht heraus aus dem Chaos dieser Zeit. Wenn die MRA auch die Gegensätze zwischen Kapital und Arbeit nicht auflösen konnte, so hat sie doch durch ihren intensiven Einsatz gerade in diesem Bereich ganz entscheidend zum Abbau von Vorurteilen und zum Ausgleich der sozialen Gegensätze beigetragen.
Ihre religiöse Offenheit, der Verzicht auf theologische Dogmen, ermöglichte es der MRA, einen weiten Personenkreis anzusprechen und für ihre Ideen empfänglich zu machen, trug aber gleichzeitig dazu bei, eine Kooperation mit den christlichen Kirchen zu erschweren, wenn nicht gar unmöglich zu machen. Es ist anzunehmen, daß diese mangelnde Zusammenarbeit mit dazu beitrug, daß die MRA in den fünfziger Jahren an Einfluß verlor. Nachdem sich die Bewegung in den ersten Nachkriegsjahren konkret und gezielt um die Lösung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme bemüht hatte, trat nach Erfüllung dieser Aufgabe ein Zustand der „Erstarrung" ein, wie es Schjorring nennt, wobei sich auch die fehlende Kooperation mit den großen christlichen Kirchen auswirkte. Den Verdiensten der MRA in der Phase des Wiederaufbaus vermag dies jedoch keinen Abbruch zu tun. Mit ihrer gänzlich unkonventionellen Art, ihrer — wenn auch kurzfristigen — Popularität und ihrem Einfluß in Politik und Wirtschaft stellt die MRA jedenfalls eine bemerkenswerte Erscheinung der Nachkriegszeit dar.
Gabriele Müller-List, Dr. phil., geb. 1951; Studium der Geschichte und Germanistik an der Universität Bonn; seit Januar 1980 wiss. Mitarbeiterin bei der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien in Bonn. Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Sozialgeschichte; z. Z. Arbeit an einem Projekt zur Montanmitbestimmung.
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