Ausländerpolitik in Europa Neuere Entwicklungen in Belgien, Frankreich, der Schweiz, in Österreich, Luxemburg, den Niederlanden und in der Bundesrepublik Deutschland | APuZ 32/1984 | bpb.de
Ausländerpolitik in Europa Neuere Entwicklungen in Belgien, Frankreich, der Schweiz, in Österreich, Luxemburg, den Niederlanden und in der Bundesrepublik Deutschland
Martin Frey
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Zusammenfassung
Eines der Probleme, die gegenwärtig sowohl die staatlichen Behörden wie die Öffentlichkeit der meisten Industrieländer in hohem Maße beschäftigen, ist die sogenannte Ausländerfrage. Vor dem Hintergrund einer anhaltend hohen Arbeitslosigkeit, unzureichenden sozialen und schulischen Infrastrukturen und einer sich schwierig gestaltenden kulturellen Eingliederung waren in den letzten Jahren in den meisten europäischen Immigrationsländern Bestrebungen dominierend, die Zahl der Ausländer nicht weiter steigen zu lassen oder sie sogar zu verringern. Hierbei zeigte sich, daß die Ausländer in ihren Wanderungsentscheidungen nicht mehr allein auf die Arbeitsmarktlage reagieren, wie dies noch in den sechziger Jahren der Fall war; bedingt durch die verlängerte Verweildauer in den Aufnahmeländern, insbesondere aber aufgrund des umfangreichen Familiennachzugs, ist heute davon auszugehen, daß ungachtet der weiteren Entwicklung der Beschäftigungssituation ein erheblicher Teil der ausländischen Bevölkerung auf lange Frist, wenn nicht gar für immer in den derzeitigen Aufenthaltsländern verbleiben wird. Obgleich das Bekenntnis zur Förderung der Integration und zur Verbesserung der sozialen und rechtlichen Stellung der seit langem anwesenden Ausländer inzwischen zum Standardpostulat praktisch aller Regierungen geworden ist, sind langfristig angelegte, kohärente gesellschaftspolitische Konzepte, die geeignet wären, diese Zielsetzung in die Praxis umzusetzen, bislang allenfalls ansatzweise erkennbar. Noch überwiegen in den meisten Ländern restriktive Ad-hoc-Maßnahmen. Zu einem bedeutenden Faktor der Ausländerpolitik ist unterdessen die in allen europäischen Ländern zunehmende Ausländerfeindlichkeit geworden. Zu Sorgen Anlaß geben dabei nicht nur die verstärkten rassistischen und allgemein fremdenfeindlichen Aktivitäten sowie die steigende Zahl gewalttätiger Ausschreitungen gegenüber Ausländern, sondern mehr noch die weite Bevölkerungskreise zunehmend erfassenden Vorbehalte und Überfremdungsängste.
I. Einleitung
Eines der Probleme, die gegenwärtig sowohl die staatlichen Behörden als auch die Öffentlichkeit der meisten europäischen Industrieländer in hohem Maße beschäftigen, ist ohne Zweifel die sogenannte Ausländerfrage. Vor dem Hintergrund einer tiefgreifenden und langanhaltenden Struktur-und Beschäftigungskrise, unzureichenden schulischen und sozialen Infrastrukturen und einer sich zunehmend schwieriger gestaltenden kulturellen Eingliederung sind nicht nur in der Bundesrepublik, sondern ebenso in fast allen Nachbarländern verstärkte Bemühungen feststellbar, zumindest einen Teil jener Ausländer loszuwerden, um die man noch in den sechziger Jahren teilweise vehement konkurriert hatte.
Bei allen nationalen Besonderheiten sind die derzeitigen Gemeinsamkeiten in bezug auf die anstehenden Probleme und vorgeschlagenen bzw. bereits ergriffenen Maßnahmen im ausländerpolitischen Bereich keineswegs überraschend, wenn man den Verlauf der europäischen Wanderungsprozesse in den letzten 25 Jahren betrachtet. Von einer Ausländerpolitik im engeren Sinne kann «bis Ende der sechziger Jahre in keinem der Länder gesprochen werden. Kennzeichnend für diese Periode war vielmehr eine ausgesprochene Enthaltsamkeit der Regierungen. Staatlicherseits wurden allenfalls die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die Wirtschaft möglichst reibungslos ausländische Arbeitskräfte importieren konnte, wobei für den Umfang allein ökonomische Kriterien ausschlaggebend waren. Bereits damals geäußerte Warnungen über mögliche langfristige soziale und gesellschaftliche Implikationen wurden lange Zeit mit dem Hauptargument vom Tisch gewischt, daß es sich bei der Ausländerbeschäftigung lediglich um ein temporäres konjunkturelles Phänomen handle.
Selbst als sich in der zu heute vergleichsweise leichten Wirtschaftskrise der Jahre 1966/67 in einigen Ländern deutlich zeigte, daß die Ausländerbeschäftigung keineswegs so konjunkturreagibel war, wie man allgemein angenommen hatte, wurden daraus politischerseits keine Konsequenzen gezogen. Statt dessen folgte in allen Länder Ende der sechziger/Anfang der siebziger Jahre erst die eigentliche Expansionsphase der Ausländerbeschäftigung. Zweifel an dem allein an ökonomischen Vorteilen ausgerichteten europäischen Wanderungssystem kamen erst auf, als zu Beginn der siebziger Jahre mit der Zunahme der Aufenthaltsdauer und dem verstärkten Familiennachzug die menschlichen Probleme und die Engpässe in der sozialen Infrastruktur unübersehbar wurden, und man in einigen Ländern konstatieren mußte, daß man jegliche Kontrolle über die Wanderungsströme verloren hatte (vor allem in Frankreich, aber auch in anderen Ländern). Wenn auch mit unterschiedlicher Intensität, nun wurden in den meisten Ländern erste Maßnahmen ergriffen, um zumindest den gravierendsten sozialen Mißständen zu begegnen. In Anbetracht der jahrelangen Versäumnisse waren die eingeleiteten Maßnahmen jedoch kaum in der Lage, mit den sich verschärfenden Problemen Schritt zu halten, zumal die grundsätzliche Dominanz arbeitsmarktpolitischer Zielsetzungen noch nicht in Frage gestellt wurde.
Erst als sich im Laufe des Jahres 1974 im Anschluß an die internationale Energiekrise in allen Ländern ein spürbarer Konjunktur-einbruch bemerkbar machte, gelangte die Ausländerpolitik an einen Wendepunkt. Obgleich die in jener Zeit von fast allen Regierungen verfügten Anwerbe-bzw. Zuwanderungsstopps als „vorübergehende konjunktur-bedingte Maßnahmen" ausgegeben wurden, handelte es sich dabei — wie sich später herausstellen sollte — um grundlegende politische Weichenstellungen die im Hinblick auf die vorangegangenen strukturellen Veränderungen der Migrationsprozesse (Zunahme des Familiennachzugs, Verlängerung der Aufenthaltsdauer, steigender Anteil ausländischer Kinder und Jugendlicher) längst überfällig waren. Hinzu kam, daß nun in voller Deutlichkeit bewußt wurde, daß einmal in Gang gesetzte Wanderungsprozesse nicht so einfach aufzuhalten waren
Im Laufe der Jahre hatte sich aber nicht nur die Struktur der ausländischen Wohnbevölkerung geändert, sondern auch die Funktion der Ausländerbeschäftigung. Dies zeigte sich nicht zuletzt darin, daß trotz allgemeiner Verschlechterung der Beschäftigungslage zunächst Massenentlassungen von ausländischen Arbeitskräften ausblieben und in einigen Ländern sogar zu Beginn der Krise die Arbeitslosenquoten für Ausländer hinter der allgemeinen Entwicklung zurückblieben. Eine der Hauptursachen dafür war, daß die ausländischen Arbeitskräfte in den hochentwickelten Industrieländern längst nicht mehr allein dazu dienten, die im Zuge des rapiden Wirtschaftswachstums geschaffenen zusätzlichen Arbeitsplätze zu besetzen; immer häufiger und in immer größerem Umfang war auf sie zurückgegriffen worden, um jene unattraktiven Arbeitsplätze zu besetzen, für die es zusehends schwieriger geworden war, einheimische Arbeitskräfte zu gewinnen. Die Dauerarbeitslosigkeit vieler einheimischer Arbeitnehmer hat diese Tendenz in letzter Zeit etwas geändert. Noch immer gibt es aber zumindest in einigen Ländern Gewerbezweige — allen voran das Fremdenverkehrsgewerbe z. B. in Österreich und der Schweiz —, die weiterhin einen Bedarf an ausländischen Arbeitskräften haben
Die Veränderungen in der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer (hierzu gehört auch, daß viele Unternehmen ab Ende der sechziger Jahre aus betriebswirtschaftlichen Gründen zunehmend auf die anfänglich praktizierte Rotation verzichtet hatten) sowie die mittlerweile stattgefundene Familienzuwanderung beschränkten in erheblichem Maße die traditionellen Steuerungsinstrumente, zumal sich in vielen Ländern die illegale Arbeitskräfte-zuwanderung verstärkte.
Durch die jahrelange Unterschätzung, vielfach aber auch bewußte Verharmlosung der entstandenen Probleme verfügte jedoch kaum eine der Regierungen über langfristige kohärente Lösungskonzepte. Mit Ausnahme von Schweden reagierten die Regierungen und Behörden auf die wachsenden Schwierigkeiten überwiegend mit restriktiven Ad-hoc-Maßnahmen. Erst als deren Erfolglosigkeit (z. B. Zuzugsbeschränkungen in „überlastete“ Gemeinden, Arbeitsmarktzugangsbeschränkungen für nachziehende Familienangehörige) immer offensichtlicher wurde, begannen einige Länder damit, sich verstärkt um die Integration der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familien in die Gesellschaft zu bemühen. Zwar weigerten sich einige weiterhin, sich als „Einwanderungsland" zu bezeichnen, gingen in ihren Überlegungen aber immerhin davon aus, daß ein großer Teil der anwesenden Ausländer zumindest auf lange Zeit, wenn nicht gar für immer, in den Aufnahme-ländern verbleiben wird. Dem wiederholten Bekenntnis zur Förderung der Integration und zur Verbesserung der sozialen und rechtlichen Stellung der seit langem anwesenden Ausländer, das inzwischen zum Standardpostulat geworden ist, folgten meist nur bescheidene Initiativen, um diese Zielsetzung in die Praxis umzusetzen. Selbst dort, wo es an Quantität nicht mangelt — und tatsächlich gibt es sogar eine oft kaum mehr übersehbare Vielzahl an Initiativen, Förderungsmaßnahmen und Projekten —, fehlt bislang ein kohärentes gesellschaftspolitisches Konzept, das geeignet wäre, die komplexen Probleme einer allmählichen Lösung zuzuführen.
Gänzlich falsch wäre es indessen, die Schuld an der derzeitigen Situation allein den Politikern zuschreiben zu wollen. Kontroversen über den richtigen ausländerpolitischen Weg gibt es nicht nur zwischen politischen Parteien; auch Wissenschaft und Forschung waren bisher nicht in der Lage, weithin anerkannte Lösungsansätze zu entwickeln. Dasselbe gilt für die Ausländer und ihre Vereinigungen, ganz besonders aber für die Regierungen der Heimatländer. Zwar sind letztere derzeit angesichts gravierender Arbeitsmarktprobleme kaum an der Rückkehr ihrer Staatsbürger interessiert, lassen auf der anderen Seite aber kaum eine Gelegenheit aus, den temporären Charakter des Auslandsaufenthalts zu betonen. Entsprechend skeptisch reagieren sie mitunter auf Maßnahmen, die zu einer Festigung des Aufenthalts und einer verstärkten Integration der Ausländer beitragen sollen. Hinzu kommt, daß die Ausländerproblematik in ganz besonders starkem Maße von langfristigen Entwicklungen geprägt „und in sozioökonomische Strukturwandlungen eingebettet ist, deren . Sachzwänge'... unmittelbar kaum zu modifizieren sind“ Gerade diese Rahmenbedingungen sind es, die die Ausländerpolitik vor allem in den letzten Jahren in der Bundesrepublik ebenso wie in den übrigen europäischen Industrieländern ganz entscheidend predeterminiert haben. Insgesamt ungünstige Verteilungsbedingungen, ein ungewohnt hohes Arbeitslosenniveau, Kürzungen im sozialen Leistungssystem sowie weithin düstere Zukunftsperspektiven haben dazu geführt, daß zur Zeit ein Eintreten für die berechtigten Interessen und Belange der ausländischen Bevölkerung eher unpopulär ist, restriktive Schritte dagegen von der jeweiligen einheimischen Bevölkerung begrüßt werden.
II. Ausländerpolitik in verschiedenen Staaten Europas
Im folgenden soll kurz darauf eingegangen werden, in welchem Umfang und welcher Weise sich das . Ausländerproblem" in einzelnen Staaten stellt und welche Schritte sie unternommen haben, dieses zu bewältigen. Der vorhandene Raum zwingt dazu, sich auf die wichtigsten Aspekte zu konzentrieren. 1. Belgien Nach Jahren einer kontinuierlichen Zunahme scheint sich die Ausländerzahl in Belgien nunmehr einigermaßen stabilisiert zu haben. Ende 1982 waren es 891 244 — 12 492 weniger als Ende 1980, jedoch 5 514 mehr als im Vorjahr. Der Anteil an der Gesamtbevölkerung beträgt gegenwärtig rund 8, 9%; allerdings sind es in Flandern nur 4, 1%, in Wallonien 12, 4% und in Brüssel fast 25% 9%; allerdings sind es in Flandern nur 4, 1%, in Wallonien 12, 4% und in Brüssel fast 25% 6). Von der sich drastisch verschlechternden Beschäftigungslage sind auch in Belgien in überproportionalem Maße die ausländischen Arbeiter betroffen. Im September 1982 registrierte man 61 887 vollunterstützte ausländische Arbeitslose. Die Arbeitslosenquote der Ausländer dürfte zur Zeit somit bei über 20% liegen.
Die extremen Ungleichgewichte am Arbeitsmarkt und in den öffentlichen Finanzen, die die wirtschaftliche Lage Belgiens seit Jahren kennzeichnen, veranlaßten die Regierungen, den mit Wirkung vom 1. August 1974 verfügten Immigrationsstopp konsequent beizubehalten. Da auch hier der weiterhin gestattete Familiennachzug zu einer anhaltend starken Nachfrage nach ersten Arbeitserlaubnissen führte, wurden durch Erlaß vom 5. Oktober 1979 zusätzliche Zuwanderungsbeschränkungen zur Bekämpfung des Mißbrauchs bei der Anwendung der Bestimmungen über die Familienzusammenführung verordnet 7).
Das in Belgien in den siebziger Jahren in der ausländerpolitischen Diskussion jedoch bei weitem am meisten interessierende Thema war zweifellos die von Gewerkschaften, kirchlichen Gruppen und einer Reihe anderer Organisationen seit langem geforderte Reform des Ausländerpolizeigesetzes von 1952, das den Behörden einen extrem breiten Ermessensspielraum gewährte. Nach fast zehnjährigen öffentlichen Auseinandersetzungen und langwierigen parlamentarischen Debatten wurde am 15. Dezember 1980 ein neues Ausländergesetz verabschiedet 8). Das am l. Juli 1981 in Kraft getretene Gesetz versucht den Zustand rechtlicher Unsicherheit weitgehend zu beseitigen und gewährt den Ausländern einen insgesamt besseren Rechtsschutz. So räumt es dem Ausländer nach fünfjährigem ununterbrochenem Aufenthalt einen Rechtsanspruch auf eine Niederlassungsbewilligung ein. Ferner können bestimmte Ausländer-gruppen (z. B. jene mit einem zehnjährigen Aufenthalt) nürmehr bei gravierender Beeinträchtigung der Landessicherheit des Landes verwiesen werden; zugleich erhalten zugelassene Ausländer ein Rekursrecht gegen alle Entfernungsmaßnahmen. Darüber hinaus regelt das Gesetz das Beschwerdeverfahren und schafft eine beratende Ausländerkommission, die u. a. als Berufungsinstanz fungiert
Nach einer ebenfalls sehr langen, 1966 begonnenen Debatte verabschiedete der Senat am 30. Juli 1981 ein Gesetz zur Ahndung bestimmter, aus Rassismus und Ausländerfeindlichkeit begangener Handlungen Kein Erfolg beschieden war dagegen den verschiedenen, von lebhaften öffentlichen Kampagnen unterstützten parlamentarischen Vorstößen zugunsten der Einführung des Kommunal-wahlrechts. Eine dafür erforderliche Verfassungsänderung lehnte das belgische Parlament am 14. November 1978 mit 142 gegen 25 Stimmen ab Dennoch versuchen neuerdings wieder einige Organisationen, das öffentliche Interesse auf diese Frage zu lenken
Die Erfolgsaussichten derartiger Bestrebungen dürften angesichts des sich nachdrücklich verschlechternden ausländerpolitischen Klimas äußerst gering sein. Anläßlich des Wahlkampfes zu den Kommunalwahlen vom 12. Oktober 1982 wurden die verstärkten Aktivitäten rassistischer, fremdenfeindlicher Gruppierungen allenthalben sichtbar. Seit September 1981 verweigerten zudem immer mehr Gemeinden Ausländern aus Nicht-EG-Staaten den weiteren Zuzug
Vor diesem Hintergrund bekräftigte der Premierminister in einer Regierungserklärung am 16. März 1983 das uneingeschränkte Festhalten am Immigrationsstopp. Zugleich kündigte er Maßnahmen an, um den Zuzug von Ausländern in „überlastete" Gemeinden, die Familienzusammenführung und die Inanspruchnahme von Sozialhilfe durch Ausländer zu beschränken. Außerdem machte er deutlich, daß die Regierung in der Einbürgerung ein vorrangiges Instrument sieht, um die Integration der Ausländer in die belgische Gesellschaft zu erleichtern
Einige der beabsichtigten Schritte wurden noch im Laufe des Jahres verwirklicht. So können Kinder ausländischer Arbeitnehmer gemäß einer Verordnung vom 27. Juli 1983 zukünftig nur dann eine unbefristete Arbeitserlaubnis erhalten, wenn sie mit ihren Eltern, spätestens jedoch sechs Monate nach dem letzten Elternteil nach Belgien eingereist sind Bereits am l. März 1983 war zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung für Staatsangehörige Marokkos, Tunesiens und des Senegal die Visumspflicht wieder eingeführt worden. Weitere Einschränkungen betrafen die Gewährung der Sozialhilfe sowie die Zulassung ausländischer Studenten
Besonders heftige Reaktionen seitens der Ausländer und der sie unterstützenden Organisationen, aber auch einiger Juristen rief vor allem ein am 10. Juni 1983 vom Ministerrat verabschiedeter Gesetzentwurf hervor, der im wesentlichen darauf abzielte, den fortgesetzten Familiennachzug der zweiten Generation sowie die Freizügigkeit der Ausländer in Belgien zu beschränken. Vorgesehen war u. a. die Reduzierung des Nachzugalters von 21 auf 18 Jahre und die Aufhebung des automatischen Rechts auf Ehegattennachzug für Ausländer der zweiten Generation. Ferner sollte der Justizminister ermächtigt werden, für bestimmte Gemeinden Ausländerzuzugssperren verhängen zu können. Auf letzteres drängten vor allem einige Gemeinden des Brüsseler Raumes, die schon jetzt Ausländerquoten von über 40% aufweisen Ungeachtet der Proteste wurde der Entwurf am 22. März 1984 mit den Stimmen der Regierungsparteien ohne wesentliche Änderungen verabschiedet
Ebenfalls diskutiert wird seit Beginn des Jahres die Gewährung von Rückkehrprämien. Im Januar vereinbarten das Gesundheitsministerium und das CIM (Comit Intergouvernemental pour les migrations) die Durchführung eines Unterstützungsprogramms für die freiwillige Rückkehr von abgelehnten Asylsuchenden und bedürftigen Ausländern. Für das Projekt, das vorerst noch experimentellen Charakter haben soll, wurde ein Betrag von 7 500 000 FB zur Verfügung gestellt Die Li-beralen, einer der Partner der Regierungskoalition, streben allerdings an, auch jenen Ausländern eine Rückkehrprämie anzubieten, die seit mehr als drei Jahren in Belgien arbeitslos sind 2. Frankreich Einen ähnlich hohen Stellenwert wie in der Bundesrepublik nimmt die Ausländerfrage in der innenpolitischen Diskussion in Frankreich ein, zumal auch dort trotz verschiedenster Begrenzungsmaßnahmen die Ausländer-zahl keinen nennenswerten Rückgang nahm, vielmehr seit Anfang der achtziger Jahre sogar noch beträchtlich zugenommen hat. Ende 1982 wurden 4 459 068 Ausländer gezählt, 212 074 mehr als im Jahr davor. Der Ausländeranteil beträgt damit 8, 2% Dagegen hat die Ausländerbeschäftigung deutlich abgenommen. Allein in der Automobilindustrie waren von den 385 000 Arbeitsplätzen, die zwischen 1976 und 1981 abgebaut wurden, vorher 225 000 mit ausländischen Arbeitern besetzt Ende 1983 wurden schließlich 275 647 ausländische Arbeitsuchende gezählt, 5% mehr als ein Jahr davor (die Zahl der Arbeitsuchenden insgesamt stieg lediglich um 10, 6%) 24).
Die im Juli 1974 mit der Verhängung eines Immigrationsstopps eingeleitete neue Ausländerpolitik hatte ursprünglich die Zielsetzung, einerseits die Stellung der sich rechtmäßig in Frankreich aufhaltenden Ausländer schrittweise zu verbessern, andererseits unter allen Umständen ein weiteres Anwachsen der Ausländerzahl zu verhindern Abgesehen davon, daß die konkreten Integrationsbemühungen von Beginn an eher bescheiden blieben, überwogen als Folge der Arbeitsmarkt-entwicklung spätestens in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre eindeutig die restriktiven Elemente. So wurde durch Dekret vom 10. November 1977 die Familienzusammenführung für drei Jahre suspendiert und nur noch solche Familienmitglieder zugelassen, die ausdrücklich darauf verzichteten, eine Arbeit aufzunehmen Der Zielsetzung der Reduzierung der Ausländerzahlen entsprach auch das im Juni 1977 gestartete Programm der Rückkehrhilfen (aide de retour), das zunächst arbeitslosen, ab Oktober des Jahres den meisten ausländischen Arbeitern, die seit mindestens fünf Jahren in Frankreich gelebt haben, bei Verzicht auf ihre Sozialversicherungsansprüche im Falle der Rückkehr eine pauschale Abfindung von 10 000 FF anbot Unter Inanspruchnahme dieser Prämie verließen bis Ende 1981 insgesamt 93 999 Ausländer Frankreich, darunter 13 354 Arbeitslose Weitere einschneidende Restriktionsmaßnahmen konnte die damalige Regierung nurmehr teilweise durchsetzen. Hierzu gehörte allerdings das heftig umstrittene „Loi Bonnet" vom 10. Januar 1980, das im wesentlichen die Gründe erweiterte, die herangezogen werden können, um einen Ausländer aus-zuweisen oder ihm die Einreise nach Frankreich zu verweigern
Die nach den Wahlen vom Mai/Juni 1981 gebildete sozialistische Regierung bemühte sich unverzüglich darum, die bisherige Ausländer-politik auf neue Grundlagen zu stellen, wobei sie die Zielsetzung einer strikten staatlichen Kontrolle der Zuwanderung keineswegs aufgab. Anders als ihre Vorgängerin versuchte sie jedoch, die Legalität von Restriktionsmaßnahmen eindeutig sicherzustellen und vorhandene administrative Ermessensspielräume soweit wie möglich einzuschränken. Daneben legte die neue Regierung ein stärkeres Schwergewicht auf die Integration der in Frankreich lebenden Ausländer, die Stärkung ihrer rechtlichen Stellung sowie die solidarische Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern. Ihr besonderes Interesse galt darüber hinaus der konsequenten Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und des unrechtmäßigen Aufenthaltes.
Hierzu gehörte auch die über die Grenzen Frankreichs hinaus bekanntgewordene Lega-lisierungsaktion, in deren Rahmen vor dem 1. Januar 1981 nach Frankreich eingereisten Ausländern bei Nachweis eines Arbeitsplatzes bis zum 15. Februar 1982 die Möglichkeit gegeben wurde, ihren Aufenthalt legalisieren zu lassen. Bei Abschluß der Aktion waren insgesamt 149 707 Anträge eingegangen, von denen 126 096 positiv entschieden wurden
Während diese Aktion vornehmlich der Vergangenheitsbewältigung galt, bildeten die ebenfalls 1981 verabschiedeten drei Gesetze über die Einreise-und Aufenthaltsbedingungen die illegale Beschäftigung und die Vereinsfreiheit der Ausländer die engere rechtliche Grundlage der neuen Ausländer-politik. Hauptpunkte dieser Gesetze waren die Beschneidung der Befugnisse von Verwaltungsbehörden, die Verschärfung der Strafmaßnahmen gegenüber Arbeitgebern, die Ausländer rechtswidrig beschäftigen, die Gewährung der Vereinigungsfreiheit sowie der Ausbau des Rechtsschutzes (z. B. richterliche Überprüfung von negativen Aufenthaltsbescheiden). Darüber hinaus können Ausländer, die in Frankreich geboren oder vor dem 10. Lebensjahr eingereist sind, die sich seit mindestens 15 Jahren in Frankreich aufhalten oder mit einem französischen Staatsbürger verheiratet sind — von wenigen Sonderfällen abgesehen — nicht mehr ausgewiesen werden. Schließlich wurde mit Runderlaß vom 25. November 1981 die Rückkehrhilfe abgeschafft. Ergänzt wurden die rechtlichen Maßnahmen durch Inangriffnahme einer Vielzahl von Initiativen und Projekten, die darauf abzielen, allmählich die sozialen Mißstände abzubauen und die notwendigen Voraussetzungen für eine gleichberechtigte Integration zu schaffen
Daß die Implementation und der Erfolg einer mit besten Absichten versehenen Politik nicht allein vom Willen der Verantwortlichen abhängt, bekam die sozialistische Regierung alsbald zu spüren. Vor dem Hintergrund tie-fer sozialer Konflikte im Zusammenhang mit den Umstrukturierungsmaßnahmen in krisen-betroffenen Industrien sowie einer generell ungünstigen Arbeitsmarktlage nahmen die Oppositionsparteien (darunter insbesondere die rechtsextreme „Front National", die seit langem durch rassistische Parolen Schlagzeilen macht) das Andauern der illegalen Zuwanderung sowie den verstärkt einsetzenden Zustrom von Asylsuchenden zum willkommenen Anlaß, um die ohnehin vorhandene Unzufriedenheit in weiten Teilen der französischen Bevölkerung nachhaltig zu schüren. Die zunehmende Fremdenfeindlichkeit, die bei den Arbeitskämpfen in den Talbot-Werken Anfang 1984 in gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen entlassenen ausländischen und arbeitswilligen einheimischen Arbeitern kulminierte erklärt zu einem erheblichen Teil auch den spektakulären Erfolg der „Front National” bei der Europawahl am 17. Juni 1984, die 10, 2% aller Stimmen auf sich vereinigen konnte
Mit zunehmender Dauer kam die Regierung nicht umhin, den wachsenden Widerständen gegen ihre Ausländerpolitik in der einheimischen Bevölkerung Rechnung zu tragen. Verschiedene, vom Ministerrat am 31. August 1983 beschlossene Maßnahmen hatten dann auch das hauptsächliche Ziel, die illegale Zuwanderung noch konsequenter als bisher zu bekämpfen. Nachdem bereits 1982 ein Beherbergungsausweis bei kurzfristigen Verwandtenbesuchen sowie • außerordentlich verschärfte Grenz-und Ausweiskontrollen eingeführt worden waren, wurde nun u. a. die Möglichkeit der „provisorischen“ Abschiebung geschaffen, gegen deren Vollzug ein Einspruch keine aufschiebende Wirkung hat. In dem Bestreben, dem öffentlichen Druck zu begegnen, hat sich die sozialistische Regierung mittlerweile zu Vorgehensweisen drängen lassen, die die Linksparteien in der Opposition aufs heftigste gebrandmarkt hatten An die Politik der alten Regierung erinnert schließlich auch die grundsätzliche Wiederaufnahme der Rückkehrförderung, zu der sich die Regierung am 4. April 1984 vor allem unter dem Eindruck der Massenentlassungen ausländischer Arbeiter in der Automobilindustrie sowie der unbefriedigenden Erfahrungen mit Umschulungsmaßnahmen entschlossen hat Von entsprechenden früheren Maßnahmen unterscheidet sich die neue Initiative allerdings dadurch, daß sie auf Vereinbarungen mit den Sozialpartnern und den Heimatländern beruht Einen Anspruch auf Rückkehrhilfen haben nach den bisher bekannten Regelungen unverschuldet beschäftigungslos gewordene Ausländer, die seit mindestens sechs Monaten arbeitslos sind, endgültig in ihre Heimat zurückkehren wollen und deren letzter Arbeitgeber eine besondere Vereinbarung mit dem Office national dimmigration getroffen hat Die Leistungen setzen sich zusammen aus dem kapitalisierten Arbeitslosengeld (zwei Drittel des Anspruchs), Abfindungszahlungen des bisherigen Arbeitgebers, staatlichen Beihilfen (maximal 20 000 FF) sowie Zuschüssen zu den Reise-und Umzugskosten (maximal 10 000 FF). In den günstigsten Fällen sind Entschädigungssummen bis zu insgesamt 100 000 FF möglich
Entsprechenden Bekundungen zufolge hält die Regierung nichtsdestoweniger an dem Ziel fest, die Integration zu fördern und die Rechtsstellung der anwesenden Ausländer zu festigen. In diesem Zusammenhang wurde die Einführung einer einheitlichen zehnjährigen Aufenthaltsberechtigung sowie die Verschärfung der Strafbestimmungen für rassistische Vergehen angekündigt Selbst an der in der Bevölkerung nicht besonders populären Absicht soll festgehalten werden, den Ausländern das kommunale Wahlrecht zu gewähren Als Erweiterung der Partizipationsmöglichkeiteh ist der im Juni 1984 geschaffene „Conseil national des populations immigres“ anzusehen, indem die Ausländer sechs Mitglieder stellen 3. Schweiz Bedeutend länger als in den übrigen Ländern steht die „Fremdarbeiterfrage" in der Schweiz im Mittelpunkt der innenpolitischen Diskus-sion. Obwohl die Schweiz ihren Ausländerbestand seit 1974 um gut 13% auf 925 926 Personen bis Ende 1983 reduziert hat, ist der Ausländeranteil mit 14, 4% noch immer beträchtlich höher als in vergleichbaren Industrieländern
Nachdem der Bundesrat vor dem Hintergrund mehrerer ab 1970 zur Abstimmung gelangter ausländerfeindlicher Volksinitiativen zu Beginn der siebziger Jahre die Einreisebestimmungen sukzessive verschärft und 1974 für ausländische Arbeiter einen faktischen Zuzugstopp erlassen hatte verstärkten sich in der Folgezeit die Bemühungen, die vorrangig quantitativen Zielsetzungen durch eine qualitative Ausländerpolitik zu ergänzen
Die aktuelle schweizerische Ausländerpolitik basiert auf den in den „Richtlinien zur Regierungspolitik in der Legislaturperiode 19751979“ formulierten beiden Hauptpfeilern; danach soll einerseits der Ausländerbestand soweit abgebaut werden, bis ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Bestand der schweizerischen und dem der ausländischen Wohnbevölkerung erreicht ist und andererseits die gesellschaftliche Eingliederung verbessert wird, indem Ausländern mit zunehmender Aufenthaltsdauer eine verbesserte Rechtsstellung eingeräumt wird
Weniger als Folge restriktiver Bestimmungen, sondern hauptsächlich aufgrund des Beschäftigungseinbruchs verzeichnete die ausländische Wohnbevölkerung seit Ende 1974, als sie mit 1 064 526 Personen und einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von 16, 8% einen Höchststand erreicht hatte, einen erheblichen Rückgang. Ende 1980 wurden nurmehr 882 836 Ausländer gezählt. Obwohl man sich offiziell entschieden gegen den Vorwurf wendet, die Schweiz habe „Hunderttausende von arbeitslosen Ausländern . exportiert'bzw. weg-oder ausgewiesen", wird eingeräumt, daß die Krise unter den Ausländern eine allge-meine Verunsicherung ausgelöst hat, die viele veranlaßte, auch ohne konkrete behördliche Veranlassung in die Heimat zurückzukehren
Durch die Abnahme des Ausländerbestandes entspannte sich das ausländerpolitische Klima immerhin soweit, daß es möglich schien, die Rechtsstellung der Ausländer zumindest partiell zu verbessern. Diese Zielsetzung lag dem am 19. Juli 1981 von der Bundesversammlung verabschiedeten neuen Ausländergesetz zugrunde, durch das die Ausländerpolitik gesetzlich verankert und vor allem der Rechtsschutz der Ausländer verbessert werden sollte Obwohl das Gesetz letztlich als eine Mittellösung zwischen extremen Positionen gelten konnte, ergriff die „Nationale Aktion für Volk und Heimat“ das Referendum. In der dadurch notwendigen Volksabstimmung am 6. Juni 1982 wurde das Gesetz trotz der von allen großen Parteien ausgegebenen Ja-Parole von den Schweizern mit rund 690 000 gegen 680 000 Stimmen knapp verworfen
Der neuerliche Stimmungsumschwung, der sich bereits durch die überaus deutliche Ablehnung der fremdenfreundlichen „MitenandInitiatve" in der Volksabstimmung vom 5. April 1981 angedeutet hatte, wurde verursacht durch die wieder steigenden Ausländerzahlen sowie den starken Zustrom von AsylsuchendenS Zwar ersuchten am 21. März 1983 rund 120 Organisationen den Bundesrat, trotz der Ablehnung des Gesetzes weiterhin für eine Verbesserung der Rechtsstellung der Ausländer einzutreten, Oberwasser haben gegenwärtig aber eindeutig die Überfremdungsgegner, zumal sich die Ausländerpolitik des Bundesrates zunehmend in die Defensive gedrängt sieht. In dieser Situation präsentierte die „Nationale Aktion" am 11. August 1983 den Textvorschlag für einen neuen fremden-feindlichen Zusatz zur Bundesverfassung unter dem Titel „Volksinitiative für die Begrenzung der Einwanderung"
Wie stark derzeit die Vorbehalte gegenüber Ausländern in der schweizerischen Bevölkerung sind, erfuhr der Bundesrat Ende 1983, als ein weiteres ausländerpolitisches Reformvorhaben scheiterte. In der Volksabstimmung vom 4. Dezember 1983 haben Volk und Stände mit 55,2% Nein-Stimmen eine Vorlage verworfen, die eine erleichterte Einbürgerung für junge Ausländer der zweiten Generation, Flüchtlinge und Staatenlose ermöglichen sollte. Immerhin gab es bei derselben Abstimmung eine Mehrheit dafür, Mann und Frau beim Erwerb des Schweizer Bürgerrechts gleichzustellen
In der Asylfrage, die seit 1983 in wachsendem Umfang die ausländerpolitische Diskussion in der Schweiz in stark emotionaler Weise bestimmte, hat der Gesetzgeber das erst 1980 in Kraft getretene Asylgesetz in einigen Punkten verschärft Nach einer am l. Juni 1984 in Kraft getretenen Neuregelung kann auf eine persönliche Anhörung des Bewerbers zukünftig verzichtet werden, wenn das Asylgesuch „offensichtlich unbegründet“ ist
Im übrigen setzte der Bundesrat in der Fremdarbeiterregelung mit gewissen Verschärfungen die seit Jahren verfolgte restriktive Zulassungspolitik fort. Zu erwähnen sind aber auch gewisse Liberalisierungen: eine Verkürzung der Frist für den Familiennachzug von 15 auf 12 Monate sowie die Gewährung der Niederlassung für Italiener nach fünf Jahren. Ferner wurden Mann und Frau in bezug auf den Nachzug von Familienangehörigen gleichgestellt 4. Österreich Nach den jüngsten Volkszählungsergebnissen ist die Zahl der in Österreich lebenden Ausländer zwischen 1971 und 1981 um rd. 80 000 auf 291 448 gestiegen. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung dürfte derzeit etwa 3, 9% betragen Die Anzahl der ausländischen Be-schäftigten belief sich Mitte April 1984 auf nurmehr 138 556; dies stellt eine deutliche Reduzierung gegenüber dem Höchststand vom November 1973 (250 775) dar Trotz eines leichten Rückgangs waren im Februar 1984 noch rund 13 000 Ausländer arbeitslos. An Bedeutung verloren hat dagegen der Zustrom von Flüchtlingen. Ließen sich 1981 noch 34 557 Einreisende als Flüchtlinge registrieren, so waren es 1982 lediglich 6 314 Personen
Konsequenter noch als die Schweiz verfolgt die österreichische Regierung seit Jahren eine an der jeweiligen Arbeitsmarktlage ausgerichtete restriktive Zulassungspolitik. Gestützt auf das am 1. Januar 1976 in Kraft getretene . Ausländerbeschäftigungsgesetz“ wird das Ziel verfolgt, das Schutzbedürfnis der inländischen Arbeitnehmer auf dem 'Arbeitsmarkt mit den Bedürfnissen der Wirtschaft nach Arbeitskräften sowie mit den allgemeinen gesamtwirtschaftlichen Interessen in Einklang zu bringen. Aufgrund der Entspannung auf dem Arbeitsmarkt sowie des erhöhten inländischen Arbeitskräfteangebots verlangten die arbeitsmarktpolitischen Schwerpunkt-programme in den letzten Jahren regelmäßig einen Abbau der Ausländerzahlen
Ohne den grundsätzlichen Vorrang arbeitsmarktpolitischer Ziele in Frage zu stellen, enthielt der Erlaß vom 29. September 1982 zur Durchführung der Ausländerbeschäftigung immerhin die Feststellung, daß „mit zunehmender Dauer der Beschäftigung von Ausländern im Inland ... im allgemeinen ein Integrationsgrad erreicht (wird), der zur Folge hat, daß sozial-humanitären Gesichtspunkten immer mehr Gewicht zukommt“ Nach wie vor wird allerdings Familienangehörigen von in Österreich beschäftigten Ausländern für den Fall ihres Nachzugs auf dem Arbeitsmarkt generell keine bevorzugte Stellung eingeräumt
Obwohl die Ausländerzulassung in Österreich kaum als liberal eingestuft werden kann, hat sich auch in Österreich die Stimmung zusehends gegen die Ausländer entwickelt. Während 1971 nur 24% der österrei-eher der Meinung waren, daß „die Gastarbeiter den Österreichern die Arbeitsplätze wegnehmen", stimmten bei einer entsprechenden Umfrage im Sommer 1982 bereits 56% dieser Aussage zu Für rechtsradikale und deutschnationale Kreise sind dabei nicht nur die Arbeitsplätze bedroht, sondern die ganze abendländische Kultur und die Sicherheit der Republik. So hat eine der NDP nahestehende „Bürgerinitiative" vor einiger Zeit zu einem Volksbegehren für ein Bundesgesetz „betreffend den Schutz Österreichs vor Überfremdung und Unterwanderung" aufgerufen 5. Luxemburg In vieler Hinsicht erheblich anders stellt sich die „Ausländerfrage" in Luxemburg. Obgleich bei der Volkszählung vom März 1981 immerhin 95 878 Ausländer gezählt wurden — dies entspricht einem Anteil an der Gesambevölkerung von 26, 3% —, sind ausländerfeindliche Tendenzen in Luxemburg kaum zu spüren. Auch wenn seit Anfang 1978 die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte im wesentlichen suspendiert ist, gibt es in Luxemburg einen weitgehenden Konsens darüber, daß man schon aus demographischen Gründen langfristig auf eine beträchtliche Zahl von ausländischen Arbeitern angewiesen sein wird. Trotz der Wirtschaftskrise hat die Ausländerbeschäftigung auch in jüngster Zeit noch zugenommen. Immerhin stellen die Ausländer in der Industrie insgesamt die Mehrheit der beschäftigten Arbeitnehmer
Der besonderen Lage Rechnung tragend, hatte die Regierung im März 1975 unter Einbeziehung der Ausländer eine „Nationale Einwanderungskonferenz" organisiert, um künftig die Bedürfnisse und legitimen Forderungen von Ausländern und Einheimischen miteinander besser in Einklang zu bringen Die sich dieser Konferenz anschließenden verstärkten Integrationsbemühungen führten im Juli 1977 zur Schaffung eines „Conseil National dimmigration“, in dem die Ausländer 8 der 22 Mitglieder stellen. Von diesem Organ, das die Regierung in allen die Ausländer betreffenden Fragen berät, sind in den letzten Jahren eine Reihe bedeutsamer Impulse ausgegangen
Im Mittelpunkt der Diskussion standen in den letzten Jahren vor allem die schulischen Probleme der Ausländerkinder sowie die Frage, ob Ausländern das kommunale Wahlrecht eingeräumt werden soll. Durch eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit war es der . Association de Soutien aux Travailleurs Immigrs" zu Beginn der achtziger Jahre gelungen, die meisten großen Parteien zu einer positiven Haltung in der Frage des Ausländer-wahlrechts zu bewegen Dies hat sich inzwischen grundlegend geändert, so daß in absehbarer Zeit nicht mit der Verwirklichung des Ausländerkommunalwahlrechts gerechnet werden kann. Zwar ist man sich in Luxemburg einig, daß ein derart großer Bevölkerungsteil nicht auf Dauer von jeder politischen Partizipation ausgeschlossen werden kann, statt des Wahlrechts wird jedoch von breiten Kreisen als ein erster Schritt der Ausbau kommunaler Ausländerbeiräte favorisiert Hierzu wird gegenwärtig ein Gesetzes-projekt beraten, das vorsieht, Gemeinden mit einem Ausländeranteil von mehr als 20% zu verpflichten, beratende kommunale Ausländerkommissionen einzurichten 6. Niederlande Die Situation in der Niederlanden unterscheidet sich insofern von der anderer Staaten, als es dort nicht allein um die Probleme derjenigen Ausländer geht, die im Zuge der Arbeitskräftewanderung ins Land gekommen sind, sondern auch um die der ethnischen Minderheiten (Surinamer, Antiilenen, Molukker), deren Anwesenheit und Status eine Folge kolonialer Vergangenheit der Niederlande ist. Folgt man dem Staatsangehörigkeitskriterium, gab es Ende 1982 in den Niederlanden 542 597 Ausländer; dies entspricht einem Bevölkerungsanteil von 3, 8%. Dabei ist zu berücksichtigen, daß ein erheblicher Teil der ethnischen Minderheiten die niederländische Staatsangehörigkeit besitzt. Schätzungen gingen davon aus, daß bereits Ende 1980 insgesamt 732 260 Personen in den Niederlanden lebten, die fremder ethnischer Abstammung waren
Nachdem bis Ende der siebziger Jahre gegenüber jeder dieser Gruppen eine besondere Politik verfolgt worden war, geht man nunmehr davon aus, daß es eines Gesamtkonzeptes bedarf, um die vielfältigen, häufig identischen Probleme der verschiedenen ethnischen und kulturellen Minderheiten zu lösen. Einen ersten Niederschlag fand die neue Betrachtungsweise im Februar 1979, als dem Innenminister die Koordination der Minderheiten-politik übertragen wurde. Entscheidende Anstöße für die Erarbeitung einer neuen Minderheitenpolitik gingen jedoch vor allem von einer 1979 vorgelegten wissenschaftlichen Analyse aus
So machte sich die Regierung u. a. die Auffassung zu eigen, daß große Teile der Immigranten sich niedergelassen haben und vermutlich auf Dauer im Lande verbleiben werden. Zugleich erkannte sie an, daß die Niederlande zu einer multi-ethnischen und multi-kulturellen Gesellschaft geworden sind Entsprechend zielt die in einem im September 1983 veröffentlichten Grundsatzdokument definierte Politik, die sich bewußt nicht nur auf ausländische Arbeiter, sondern auf ethnische Minoritäten insgesamt bezieht darauf ab, eine Gesellschaft zu schaffen, in der die in den Niederlanden lebenden Minoritäten, sowohl individuell wie als Gruppe, einen gleichberechtigten Platz und volle Entwicklungsmöglichkeiten haben. Um dies zu erreichen, sollen vorrangig die folgenden Einzelziele verfolgt werden: Schaffung von Bedingungen, die den Minoritäten die Emanzipation und Partizipation am Gesellschaftsleben erlauben; Förderung der gegenseitigen Akzeptanz und Anpassung aller Bevölkerungsgruppen; Verringerung des sozialen und wirtschaftlichen Rückstandes der Minoritäten; Verhinderung von Diskriminierung und, sofern erforderlich, deren entschiedene Bekämpfung sowie Verbesserung der rechtlichen Stellung von Mitgliedern der Minderheitengruppen
Damit diese Politik erfolgreich sein kann, hält es die Regierung für dringend erforderlich, daß sich die gesamte Gesellschaft der Verantwortung für die Minoritätenfrage bewußt wird. Ebenso läßt sie keinen Zweifel daran, daß die Verwirklichung dieses anspruchsvollen Konzeptes eine Fortführung der restriktiven Einwanderungspolitik zwingend voraussetzt In Ergänzung will sie zudem Möglichkeiten prüfen, wie die freiwillige Rückkehr erleichtert werden kann
Als Ausdruck der neuen Minderheitenpolitik, über deren Grundzüge es zwischen den großen Parteien keine prinzipiellen Meinungsverschiedenheiten gibt, ist schließlich auch die mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossene, am 17. Februar 1983 verkündete neue Verfassung zu verstehen; Artikel 130 sieht vor, daß Ausländern das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen gewährt werden kann. Gegenwärtig sind Vorarbeiten im Gange, die Kommunalwahlgesetze entsprechend zu ändern.
Inwieweit das durchaus beachtenswerte Konzept in die Praxis umgesetzt werden kann, wird — ähnlich wie in Frankreich — in starkem Maße von der Entwicklung der Rahmenbedingungen abhängen. Auch in den Niederlanden haben die hohe Arbeitslosigkeit sowie die wachsenden Infrastrukturprobleme in den städtischen Ballungsgebieten, in denen sich die Ausländer konzentrieren, zu einem spürbaren Anwachsen der Ausländerfeindlichkeit geführt. Zwar ist es seit 1976 nicht mehr zu direkten gewalttätigen Ausschreitungen gegen Ausländer gekommen, dafür jedoch verzeichneten , Anti-Ausländer-Listen" bei den Kommunalwahlen alarmierende Stimmengewinne. Der vornehmlich mit ausländerfeindli-eben Parolen operierenden „Centruum Partij" gelang es bei den Parlamentswahlen im September 1982 sogar, ein Mandat in der Zweiten Kammer zu erringen. Ihr Stimmenanteil von seinerzeit 0, 8%. ist bei der Europawahl im Juni 1984 auf mehr als 5% gestiegen 7. Dänemark, Norwegen, Schweden Eine weitaus geringere Brisanz als in den bisher behandelten Staaten hat die Ausländer-frage in den Skandinavischen Ländern. Eine der Ursachen dafür ist zunächst einmal sicher der zahlenmäßig geringere Umfang der ausländischen Bevölkerungsanteile. Ende 1982 wurden in Dänemark 103 052, in Norwegen Ende 1983 94 443 Ausländer gezählt. Der Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung betrug damit in beiden Ländern nur etwas mehr als zwei Prozent Die ausländische Bevölkerung in Schweden, die seit 1977 eine leicht fallende Tendenz aufweist, belief sich Ende 1983 auf 397 140 Personen (4, 8 % der Gesamtbevölkerung). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß seit 1978 mehr als 120 000 Ausländer die schwedische Staatsbürgerschaft erhielten. Die Bedeutung der Einbürgerung zeigt sich auch darin, daß Ende 1982 immerhin 635 129 Personen oder 7, 6 % der Bevökerung im Ausland geboren waren. Die Zahl der Personen mit ausländischer Abstammung wurde sogar auf 997 000 geschätzt (dies entspräche fast 12 % der Bevölkerung)
Zu berücksichtigen ist ferner, daß ein erheblicher Teil der Ausländer aus Ländern kommt, die dem 1954 geschaffenen Gemeinsamen Nordatlantischen Arbeitsmarkt angehören. Ähnlich wie in der Europäischen Gemeinschaft genießen die Bürger dieser Staaten das Recht auf Freizügigkeit. Gerade was die Rechtsstellung dieser Bürger in anderen Mitgliedstaaten anbetrifft, ist man innerhalb des Nordischen Rates jedoch deutlich weiter als in der EG (z. B. kommunales Wahlrecht, gegenseitig eingeräumte äußerst kurze Fristen für die Einbürgerung).
Die zumindest zu anderen Staaten vergleichsweise geringeren Probleme sind sicherlich auch ein Ergebnis der dort verfolgten Auslän-derpolitik, deren Grundlagen Anfang der siebziger Jahre in Schweden entwickelt worden waren und die inzwischen in wesentlichen Teilen von Norwegen und Dänemark übernommen wurden.
Nach den im Mai 1975 vom schwedischen Riksdag verabschiedeten einwanderungspolitischen Richtlinien, die sich auf Empfehlungen einer 1968 eingesetzten Einwanderer-kommission stützten, versteht sich Schweden als ein Einwandererland. Entsprechend ist es ein Hauptziel der schwedischen Politik, den Einwanderern die gleichen Rechte, Pflichten und Möglichkeiten wie schwedischen Bürgern einzuräumen. Daneben soll es den Einwanderern überlassen bleiben, in welchem Ausmaß sie Sprache und Kultur ihrer Heimat bewahren wollen. Von der Einwandererpolitik sollen ferner Impulse zur Förderung der Solidarität und Zusammenarbeit zwischen Schweden und Einwanderern ausgehen Die Definition als „Einwandererland''bedeutet aber keineswegs offene Grenzen. Vielmehr wird eine restriktiv gehandhabte Zulassungspolitik praktiziert. Grundsätzlich sollten zu Zeiten der Hochkonjunktur nur soviel Einwanderer zugelassen werden, wie auch während einer Rezession behalten werden können.
Ebenso wie Schweden verfolgen Norwegen, wo seit dem 1. Februar 1975 ein Einwanderungsstopp gilt, und Dänemark (Anwerbestopp seit Herbst 1973) eine restriktive Zulassungspolitik. Einreisen dürfen in der Regel nur engste Familienangehörige, Flüchtlinge und Asylsuchende Durch die Gewährung des Anspruchs auf eine Niederlassungsbewilligung bzw. Daueraufenthaltserlaubnis nach relativ kurzen Aufenthaltszeiten sowie eines umfangreichen Rechtsschutzes haben alle drei Länder in den vergangenen Jahren den rechtlichen Status der Einwanderer sukzessive verfestigt
Die stärker auf Akzeptanz verschiedener Eth nien und gegenseitigen Respekt ausgerich tete Ausländerpolitik kommt nicht zuletz darin zum Ausdruck, daß nach Schweder (1975) nun auch Dänemark (1981) und Norwe gen (1983) den Ausländern das aktive unc passive Wahlrecht bei Kommunal-und Be zirkstagswahlen gewährt haben
Trotz vielfältiger Förder-und Unterstützungsmaßnahmen sowie einer umfangreichen Aufklärungsarbeit in Richtung der einheimischen Bevölkerung gibt es auch in diesen Ländern einige Probleme im Zusammenhang mit dem ausländischen Bevölkerungsanteil. So ist beispielsweise in Schweden die Arbeitslosenquote der Ausländer seit einigen Jahren fast doppelt so hoch wie die der einheimischen Arbeitnehmer In den Sommermonaten 1982 häuften sich in Schweden sogar Zeitungsberichte, die von feindseligen, bisweilen gewalttätigen Angriffen auf einzelne Einwandererfamilien und von Schlägereien zwischen Gruppen von einwandererfeindlichen Jugendlichen und jugendlichen Einwanderern handelten Im Gegensatz zu anderen Ländern scheint es sich hier tatsächlich um Einzelfälle zu handeln. Eine aufgrund ähnlicher Ereignisse im Frühjahr 1978 eingesetzte „Diskriminierungskommission''hat in einer landesweiten Erhebung jedenfalls festgestellt daß sich die Einstellung der Schweden seit 1969 ganz bedeutend in Richtung auf eine größere Toleranz gegenüber den Einwanderern und auf größeres Verständnis für die Verhältnisse der eingewanderten Minderheiten verändert hat 8. Bundesrepublik Deutschland Geradezu entgegengesetzt verlief in den letzten Jahren die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland. Hier war die ausländer-politische Diskussion entscheidend geprägt durch die seit September 1977 zu verzeichnende erneute Zunahme der ausländischer Wohnbevölkerung. Bei anhaltend schlechter Beschäftigungslage und fortbestehendem Anwerbestopp stieg die Ausländerbevölkerung bis September 1982 um 718 635 (+ 18, 2 %) auf 4 666 917, im wesentlichen als Folge eines verstärkten Familiennachzugs und eines erheblich gestiegenen Zustroms von Asylbewerbern Die zwischenzeitlich ergriffenen Restriktionsmaßnahmen waren insoweit wirksam, als zunächst die Zahl der Asylsuchenden deutlich abnahm (von 107 818 im Jahre 1980 auf 19 737 im Jahre 1983) und sich seit geraumer Zeit der Familiennachzug spürbar abschwächte. Sichtbares Ergebnis dieser Entwicklung sind die neuesten Ausländerzahlen; diesen zufolge lebten Ende September 1983 noch 4 534 863 Ausländer in der Bundesrepublik; das entspricht einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von 7, 2 %
Keine Entspannung ist dagegen auf dem Arbeitsmarkt zu registrieren. Mit 1 679 665 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hatte die Ausländerbeschäftigung Ende März 1983 den seit 1970 tiefsten Stand erreicht Gleichzeitig hält sich die Arbeitslosenquote der Ausländer seit Dezember 1981 beständig über der Zehn-Prozent-Marke. Bei einer Gesamtarbeitslosenquote von 10, 2% waren Ende Februar 1984 immerhin 303 723 oder 15, 2 % der ausländischen Arbeitnehmer als Arbeitslose registriert
Vor diesem Hintergrund waren Bund und Länder seit Jahren in besonderer Weise darum bemüht, den weiteren Zustrom aus dem Ausland nachhaltig zu bremsen, zumal ihrer Auffassung nach andernfalls jede Integrationspolitik scheitern muß. Dieser Zielsetzung folgend beschloß das Bundeskabinett am 2. Dezember 1981 Empfehlungen „zur sozial-verantwortlichen Steuerung des Familiennachzugs von Ausländern", die von den Ländern nach und nach übernommen wurden.
Danach dürfen nurmehr Kinder einreisen, wenn beide Elternteile in der Bundesrepublik wohnen und die Kinder das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Außerdem können Ausländer der zweiten Generation einen Ehegatten aus dem Ausland nur nachholen, wenn sie selbst mindestens acht Jahre hier gelebt haben, über 18 Jahre alt und wenigstens ein Jahr verheiratet sind
Im übrigen gelten bis heute im wesentlichen die bereits am 3. Februar 1982 beschlossenen ausländerpolitischen Grundpositionen auch wenn die neue Regierung gewisse Akzentverschiebungen vorgenommen hat. Gemäß den Regierungserklärungen vom 13. Oktober 1982 und 3. Mai 1983 verfolgt die neue Bundesregierung in ihrer Ausländerpolitik folgende drei Hauptziele: Integration der seit langem bei uns lebenden ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familien, Begrenzung des weiteren Zuzugs sowie Förderung der Rückkehrbereitschaft
Während das Integrationsziel weniger umstritten ist, stießen verschiedene in den beiden anderen Bereichen beabsichtigte Maßnahmen auf zum Teil heftigen Widerstand, zumindest aber auf Bedenken. Dies gilt insbesondere für die von einigen CDU-Politikern angestrebte Herabsetzung des Höchstnachzugsalters für Kinder von derzeit 16 auf 6 Jahre. Politischer Widerstand seitens der FDP, aber auch verfassungsrechtliche Bedenken sowie humanitäre Aspekte scheinen dieses Thema vorläufig aus der Diskussion gebracht zu haben
Bereits verwirklicht hat die neue Bundesregierung ihre Vorstellungen hinsichtlich einer stärkeren Förderung der Rückkehrbereitschaft Den Beschlüssen des Kabinetts vom 22. Juni 1983 folgend, verabschiedete der Bundestag am 28. November das „Gesetz zur Förderung der Rückkehrbereitschaft von Ausländern". Danach konnten Ausländer, die durch eine Betriebsstillegung arbeitslos geworden oder von Kurzarbeit betroffen waren, im Falle ihrer endgültigen Rückkehr (die allerdings die gesamte Familie einschließen mußte) bis zum 30. Juni 1984 einen Antrag auf Gewährung einer Rückkehrhilfe stellen, deren Höhe sich auf 10 500 DM zuzüglich 1 500 für jedes mitausreisende Kind belief. Darüber hinaus hatten die Ausländer in der Zeit vom 1. Oktober 1983 bis 30. Juni 1984 die Möglichkeit ihre Beiträge zur Rentenversicherung ohne die übliche Wartezeit von zwei Jahren erstattet zu bekommen. Zum Abbau von „Rückkehrhemmnissen''sieht das Gesetz ferner zeitlich unbegrenzte Regelungen vor, wie etwa Abfindungen unverfallbarer Anwartschaften aus der betrieblichen Altersversorgung, die vorzeitige Verfügung über staatlich begünstigte Spareinlagen oder den Beratungsanspruch Bis zum Stichtag sind 140 000 Anträge auf Rentenerstattung sowie 16 833 Anträge auf Rückkehrbeihilfen gestellt worden. Insgesamt dürften auf diese Weise bis Ende September rund 300 000 Ausländer die Bundesrepublik verlassen
Gestützt auf die von der Bund-Länder-Kommission „Ausländerpolitik" am 13. Februar 1983 vorgelegten Empfehlungen wird derzeit an einer Reform des Ausländergesetzes gearbeitet
Für die zukünftigen Lebensbedingungen der ausländischen Bevölkerung in der Bundesrepublik ist derzeit nicht nur die staatliche Ausländerpolitik entscheidend, sondern ebenso eine zunehmende Ausländerfeindlichkeit. Be-trachtet man die voraussichtliche Entwicklung des Erwerbspotentials in Verbindung mit wenig günstigen Arbeitsmarktprognosen, kann man kaum auf eine Trendwende hoffen, sondern muß — falls nicht ganz entschiedene Gegenmaßnahmen ergriffen werden — mit einer weiteren Zunahme der Spannungen rechnen.
III. Fazit und Ausblick
Wie die vorstehende Übersicht zeigt, ist die „Ausländerfrage" kein singuläres Problem eines einzelnen Landes, sondern ein internationales Problem. Dennoch scheinen gerade diesbezüglich länderübergreifende Lösungsversuche eher die Ausnahme zu sein, sieht man einmal von den Verhandlungen zwischen den einzelnen Herkunftsländern und bestimmten Aufnahmeländern ab. Obwohl die Freizügigkeit der Arbeitskräfte zu einem konstitutiven Element der Europäischen Gemeinschaft gehört, sind Initiativen auf dieser Ebene in den letzten Jahren äußerst bescheiden ausgefallen. Immerhin bemüht sich die Kommission derzeit darum, im Rahmen der Vereinten Nationen an der Ausarbeitung eines internationalen Übereinkommens zum Schutz der Rechte der Wanderarbeitnehmer und ihrer Familien teilzunehmen Ansonsten dominiert — ähnlich der nationalen Ebene — gegenwärtig eher das Bemühen, bei einer eventuellen Erweiterung der Gemeinschaft keine neuen Wanderungsprozesse in Gang zu setzen. In diesen Rahmen fallen insbesondere die Bestrebungen einiger Mitgliedstaaten, jenen Teil des Assoziierungsabkommens mit der Türkei nicht in Kraft treten zu lassen, der für türkische Staatsbürger mit Wirkung vom 1. Januar 1986 die Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft vorsieht.
Was die Ausländerpolitik in den einzelnen Ländern anbetrifft, kristallisieren sich folgende Schwerpunkte heraus:
— Im Vordergrund steht in allen Ländern das Ziel, die weitere Zuwanderung auf ein Mindestmaß zu begrenzen, wenn möglich jedoch eine Reduzierung der ausländischen Bevölkerung zu erreichen. Da die Arbeitskräftezuwanderung ohnehin bereits seit langem suspendiert ist, geht es hierbei vor allem um die Beschränkung der Familienzusammenführung. Während man den Familiennachzug der ersten Generation kaum in Frage stellt, wird in einer Reihe von Ländern die Frage diskutiert, inwieweit es möglich ist, den Ehegattennachzug der zweiten Generation zu beschränken. Damit soll vor allem erreicht werden, daß die ehemalige Anwerbung nicht zu einem Zuwanderungsprozeß über Generationen hinweg führt.
— Unterschiedlich ist der Stellenwert, den die Rückkehrförderung in den einzelnen Ländern einnimmt Eine Förderung der Rückkehrbereitschaft mittels finanzieller Anreize versuchen vor allem Frankreich und die Bundesrepublik. Grundsätzlich diskutiert wird die Frage aber auch in anderen Ländern, ohne daß es dort bislang zu konkreten Schritten gekommen ist — Eine stärkere Integration, insbesondere der seit langem im Aufnahmeland anwesenden Ausländer, gehört zwar inzwischen zu den Zielsetzungen aller Regierungen, die Anstrengungen, die in dieser Richtung in den einzelnen Ländern unternommen werden, weichen jedoch stark voneinander ab. Während einige Länder (z. B. Schweden und die Niederlande) eine auf einem langfristigen Konzept basierende gezielte Minoritätenpolitik verfolgen, ist man in anderen Ländern bislang kaum über fragmentarische Ansätze hinausgekommen. Ein Problem, das alle Länder gleichermaßen beschäftigt, ist vor allem die Zukunft der zweiten Generation.
— Zu einem bedeutenden Faktor der Ausländerpolitik ist unterdessen die in allen Ländern zunehmende Ausländerfeindlichkeit geworden. Anlaß zu Sorgen geben dabei nicht nur die verstärkten rassistischen und allgemein fremdenfeindlichen Aktivitäten sowie die steigende Zahl gewalttätiger Ausschreitungen gegenüber Ausländern, sondern mehr noch die in breiten Bevölkerungskreisen verbreiteten Vorbehalte und Überfremdungsängste. Eine verstärkte Aufklärungsarbeit kann zwar eine gewisse Abhilfe schaffen, entscheidend wird jedoch sein, wie sich die wirtschaftliche Lage in der Zukunft entwickelt.
Martin Frey, Dipl. -Volkswirt, geb. 1954; Studium der Volkswirtschaftslehre und der Politikwissenschaft in Bonn, zwischenzeitlich hauptamtlicher pädagogischer Mitarbeiter in der außerschulischen politischen Bildung, z. Zt wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bonn. Veröffentlichungen: Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland. Ein statistischer Überblick, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 25/82; (Mitherausgeber), Ausländer bei uns — Fremde oder Mitbürger, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 186, Bonn 1982.
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