Zwei Formen des öffentlichen Datenbedarfs werden im vorliegenden Beitrag unterschieden: Daten für den individuellen Verwaltungsvollzug und solche zur Beschreibung, Erklärung, Planung und Gestaltung der gesellschaftlichen Wirklichkeit (statistische Daten). Im wesentlichen erfolgt dabei eine Beschränkung auf personen-bzw. bevölkerungsbezogene Daten. Grundsätzlich ist eine enge Zweckbindung Voraussetzung für die Zulässigkeit der Erhebung. Beispiele sind die Datenerhebung im Mcldewesen, für die Sozialhilfe, die Rentenversicherung, die Arbeitsvermittlung und die Besteuerung. Der Datenbedarf ist um so größer und differenzierter, je mehr der Staat bei seinen Maßnahmen bemüht ist, die Verwirklichung sozialer Prinzipien, Einzelfallgerechtigkeit, aber auch Schutz vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme von Leistungen miteinander zu verbinden. An Beispielen aus den Bereichen Bevölkerungs-und Arbeitsmarktentwicklung, Alterssicherung, Gesundheitswesen, Einkommens-und Vermögensverteilung und Wohnungswesen wird veranschaulicht, welche Arten von Daten gebraucht und welche Einsichten mit ihnen gewonnen werden. Auch hier wird deutlich, daß der Datenbedarf tendenziell um so größer und differenzierter ist. je mehr er dazu geeignet sein soll.den Anforderungen an den modernen Rechts-und Sozialstaat Rechnung zu tragen.
I. Einleitung
Fast fünf Jahre lang ist in der Bundesrepublik Deutschland heftig und kontrovers eine öffentliche Diskussion über Nutzen und Risiken einer Volkszählung geführt worden, die teilweise irrationale Züge angenommen hatte. Sie fand schlagartig ein Ende, als die Zählung vorüber und damit das Ausmaß der gestellten Fragen jedermann unmittelbar einsichtig geworden war. Als 18 Monate später die ersten Ergebnisse verlauteten, wurden diese mit Interesse, aber ohne besondere Emotionen zur Kenntnis genommen. Die Frage nach dem Datenbedarf des Staates sowie den Methoden und Risiken der Bedarfs-deckung bleibt gleichwohl relevant und gewinnt eher noch an Bedeutung. Sie kann nun wieder
II. Gesellschaftliche Entwicklung und Datenbedarf
Abbildung 2
Abb. 2: Wohnbevölkerung und Erwerbspersonen in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2000 Alter in Jahren in 1000 in 1000 Quelle: Eigene Vorausrechnung unter vereinfachten Annahmen
Abb. 2: Wohnbevölkerung und Erwerbspersonen in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2000 Alter in Jahren in 1000 in 1000 Quelle: Eigene Vorausrechnung unter vereinfachten Annahmen
Fast alles Leben auf der Erde ist gekennzeichnet durch eine beinahe unablässige Aufnahme und Verwertung von Informationen. Auf diese Weise wird eine ständige — passive oder aktive — Anpassung an die jeweilige Umwelt ermöglicht. Nur so ist Leben erhaltbar und entwicklungsfähig. Das läßt sich über die gesamte Entwicklungsgeschichte des Lebens auf der Erde verfolgen. Dabei sind die Fähigkeiten zur Informationsaufnahme und diejenigen zur verhaltenssteuemden Informationsverwertung in der Regel kunstvoll aufeinander abgestimmt. Das einzellige Augentierchen Euglena besitzt nichts als einen Pigmentfleck, der einen Schatten durch den winzigen Körper wirft (Informationsaufnahme) und eine Geißel, deren permanente Bewegungen von jenem Schatten so beeinflußt werden, daß sich das Tierchen zum Sonnenlicht hin ein wenig vorteilhafter bewegt als bei reinen Zufallsbewegungen (Informationsverwertung) Je höher ein Organismus entwickelt ist, desto differenzierter ist seine Fähigkeit zur Informationsaufnahme einerseits und zur lebenserhaltenden oder lebensfördernden Reaktion darauf andererseits. Die scharfen Adleraugen korrespondieren genau mit der Fähigkeit des rasanten Sturzfluges auf ein Beutetier. Das eine wäre ohne das andere nutzlos. Bei höheren Tieren sorgt ein kompliziertes ererbtes oder durch erste Lebenseindrücke geprägtes Programm mit mehr Nüchternheit diskutiert werden. Dazu sollen in diesem Beitrag zunächst einige grundsätzliche Gedanken vorgetragen und dann durch eine systematische Auswahl von Beispielen staatlichen Datenbedarfs konkretisiert und illustriert werden.
Die Beispiele werden sich weitgehend auf den Bedarf an personenbezogenen Daten beziehen. Besondere Beachtung soll der Frage gewidmet werden, ob in einem freiheitlich-demokratischen Rechts-und Sozialstaat mit marktwirtschaftlicher Ordnung der Datenbedarf tendenziell reduziert werden kann oder ob er im Gegenteil sogar permanent wächst. lebenszeitlich dafür, daß bestimmte Formen von komplexen Sinnesreizen bestimmte lebenswichtige Reaktionen auslösen; wir bezeichnen das als intuitives Verhalten. Auch hier entsprechen sich Sinnesorgane und Verhaltensfähigkeiten in ihrem Komplexheitsgrad wechselseitig. Der Mensch schließlich als das am höchsten entwickelte Lebewesen ist nicht nur auf besonders feinsinnige Weise imstande zu sehen, zu hören, zu fühlen usw.; Sprache und Verstand versetzen ihn in die Lage. Informationen auch in höchst vielfältiger Weise überindividuell zu vermitteln, zu verarbeiten und durch entsprechend differenziertes Handeln zu verwerten. .
Dieser Zusammenhang gilt noch mehr für menschliche Gemeinschaften: Familie, gesellschaftliche Gruppen, Unternehmen, Staat. Hier sind Informationsaufnahme-und Informationsverwertungsorgane nicht mehr ererbt oder durch Erziehung und Erfahrung erworben; sie müssen in ganz bestimmter, dem jeweiligen Komplexheitsgrad der Gemeinschaft entsprechender Weise organisiert werden. Die Sammlung, die Verarbeitung und die Verwertung von Informationen wird zu einer eigenständigen Funktion der Gemeinschaft, die für deren Erhaltung und Weiterentwicklung eine fundamentale Bedeutung hat. ja lebensnotwendig ist. Diese Bedeutung wächst folglich im Entwicklungsprozeß mit fortschreitendem Komplexheitsgrad der Gesellschaft. So gesehen ist das Schlagwort von der Infor3 mationsgesellschaft — wenngleich etwas überpointierend — keineswegs unbegründet.
Das Anwachsen einer kaum noch überschaubaren Informationsfülle, das durch die rasanten Fortschritte der Informations-und Kommunikationstechnik gerade gegenwärtig enorm gefördert wird, birgt freilich auch Risiken. Dabei ist das Datenschutzrisiko noch nicht einmal das größte. Viel bedeutsamer ist die Gefahr irrationaler Auswahl, irrtümlicher oder gezielt falscher Verwertung und Verbreitung und das Ziehen fehlerhafter Schlußfolgerungen. Die Furcht scheint nicht unbegründet, daß eine Überfülle von Informationen die notwendige Abstimmung von Informationsgewinnung und Informationsverwertung mehr behindert als erleichtert. Deshalb bedarf es einer rationalen und sinnvollen Organisation, um diese Funktion optimal zu erfüllen. Es bedarf einer institutionalisierten, zugleich aber auch kontrollierten und auf permanente Verbesserung angelegten Informations-Infrastruktur, die nicht minder wichtig ist als die Verkehrs-oder die Energieversorgungs-Infrastruktur.
Nun ist der Informationsbegriff sehr umfassend und vielschichtig. In diesem Beitrag geht es nur um eine bestimmte, gesellschaftlich freilich besonders wich, tige Art von Informationen, nämlich um Daten im Sinne von Angaben über Personen, Sachen, Institutionen, Ereignisse oder dergleichen, die sich als solche erfassen, speichern und weiterverarbeiten lassen, einschließlich der Ergebnisse solcher Weiterverarbeitungen. Das bisher allgemein über Informationen Gesagte gilt jedoch auch hier.
Daß ein modernes Gemeinwesen, das aus bloßer Lebenserfahrung heraus nicht mehr überschaubar ist, der systematischen Datensammlung und -ausWertung bedarf, wird kaum jemand bestreiten. Noch vor einer näheren Konkretisierung des Datenbedarfs (darum wird es in den Abschnitten III und IV gehen) lassen sich schon im vorhinein einige allgemeine Aussagen — oder zumindest nicht unbegründete Vermutungen — über die Beziehungen zwischen Freiheit, Demokratie, Rechts-und Sozial-staatlichkeit sowie Wettbewerbswirtschaft einerseits und Datenbedarf andererseits formulieren.
Umfang und Differenzierungsgrad des Datenbedarfs hängen, wie gesagt, vom Komplexheitsgrad einer Gesellschaft und deren natürlicher, sozialer und ökonomischer Umwelt ab. Dieser aber wächst ganz offensichtlich in einer auf Freiheit und Demokratie angelegten Gesellschaftsform besonders stark. Die Freiheit der persönlichen Lebensgestaltung, die Ausbildung partikularer Interessen und Interessenvertretungen und die Einwirkung der Bürger und der sozialen Gruppen auf die staatliche Entwicklung eröffnen fortwährend mehr Handlungsmöglichkeiten des einzelnen, der Gruppe und auch des Staates Das beginnt bei der zeitlichen und räumlichen Planung und Gestaltung von Partnerschaftsbeziehungen und Familien. Individuelle Freiheit führt hier zu immer neuen und differenzierteren Partnerschafts-und Familienstrukturen. Die Freiheit bei der Wahl der Ausbildung und der Erwerbstätigkeit führt zu einer zunehmenden Differenzierung von Ausbildungsmöglichkeiten und Erwerbstätigkeitsformen mit immer variantenreicheren Übergangswegen. Alte Berufsbilder lösen sich auf, und ein häufiger Wechsel von Tätigkeitsfeldern wird teils durch den technischen Fortschritt erzwungen, teils durch Aus-und Weiterbildung ermöglicht. Steigende Realeinkommen fördern die Flexibilität und damit den Variantenreichtum von Entscheidungen in bezug auf Wohnung, Arbeitsstätte, Vermögensbildung, ja die Lebensgestaltung schlechthin. Damit wächst das Bedürfnis nach immer mehr und verschiedenartigeren Gütern und Dienstleistungen und entsprechenden Produktionsanlagen und -prozessen.
Das alles verlangt nach Orientierung, macht diese aber zugleich immer aufwendiger und schwieriger. Orientierung in komplexen Gesellschaften bieten vor allem allgemeine Wertvorstellungen und soziale Normen, an deren Ausbildung die sozialen Gruppen, nicht zuletzt die Parteien, maßgeblich beteiligt sind, sowie Einsichten in bestehende demographische, ökonomische und soziale Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge (Theorien), die zu gewinnen und ständig zu überprüfen vor allem Aufgabe der Wissenschaft ist. Aufjeden Fall bedarfes der objektiven umfassenden und hinreichend differenzierten Daten über die bestehenden Verhältnisse und deren Entwicklung. Ohne diese geraten Wertvorstellungen nur allzu leicht zu Utopien, und Theorien bleiben realitätsferne Hypothesen. Erst recht setzt konkretes Handeln nach allgemeinen Wertvorstellungen und unter Nutzung der gewonnenen Einsichten und Erkenntnisse immer die Kenntnis der jeweils gerade gegebenen relevanten Fakten, also Daten, voraus.
Darum bemüht sich schon der private Haushalt, soweit es seine persönlichen Verhältnisse angeht. Soziale Gruppen, Vereine, Kirchen und Gewerkschaften schaffen sich ihr eigenes Registrierungsund Rechnungslegungssystem. Von nicht zu überschätzender Bedeutung sind die Informationssysteme der Unternehmen. Dann aber fehlt es noch immer an Daten über die Gesamtbevölkerung, die Gesamtwirtschaft, die gesellschaftlichen Lebensbedingungen und Lebensverhältnisse. Selbst wenn dem freiheitlich-demokratischen Staat gar keine eigenständigen Gestaltungsfunktionen zugewiesen wären, hätte er zumindest die Aufgabe einer gesellschaftlichen Datengrundversorgung für die Bürger, für die von diesen gebildeten sozialen Gruppen, für die wirtschaftlichen Institutionen sowie für die, die als Mittler zwischen Bürger, Gruppen und Staat fungieren, die Medien, und nicht zuletzt für die zum Nutzen aller tätige Wissenschaft.
Tatsächlich hat aber gerade der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat moderner Prägung eine ganze Menge eigener Gestaltungsfunktionen. Sie lassen sich an der Bezeichnung aller Bundes-und Landes-ministerien und zahlreicher anderer Behörden und Verwaltungen ablesen. Es geht um äußere und innere Sicherheit, um Wirtschaft und Finanzen, um die Beziehungen zu anderen Staaten und supranationalen Organisationen, um Verkehr und Wohnungsbau, um Familie und Gesundheit, um Arbeit und soziale Sicherung, um Wissenschaft und Bildung, um die Erhaltung des Geldwertes und der Umwelt und vieles andere. Auf die starke Kompetenzverteilung bei einem föderativen Staatsaufbau wie dem der Bundesrepublik Deutschland muß besonders hingewiesen werden. Hierzu gehören nicht nur die besonders ausgeprägten Länderzuständigkeiten und die erforderliche Abstimmung zwischen Bund und Ländern, sondern auch die den Gemeinden vom Grundgesetz zugewiesenen Rechte und Pflichten. Zu beachten ist ferner, daß zum Staat nicht nur die Gebietskörperschaften, sondern auch die Deutsche Bundesbank, die Bundesanstalt für Arbeit, sämtliche Zweige der Sozialversicherung und alle diejenigen öffentlichen Einrichtungen zählen, deren Träger staatliche Institutionen sind, wie Schulen, Krankenhäuser, Verkehrs-und Versorgungseinrichtungen. Daran wird deutlich, wie vielschichtig der staatliche Datenbedarf in einem Gemeinwesen wie dem unseren ist.
Das alles gilt erst recht, wenn man bedenkt, daß in einem solchen Staat alle wesentlichen Entscheidungen in einem oftmals langwierigen Prozeß entwikkelt und begründet werden und nach ihrer Realisierung kontrollierbar sein müssen. Daraus resultiert die Verpflichtung des Staates, die zu eben solchen Zwecken notwendigen Daten nicht nur für sich selbst, sondern für die gesamte Öffentlichkeit bereitzustellen. Was aber sind das für Daten, die Staat und Öffentlichkeit brauchen? Das Bundesdatenschutzgesetz, das sich allerdings nur mit personenbezogenen Daten befaßt, definiert diese als „Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer be-stimmten oder bestimmbaren natürlichen Person“ Für juristische Personen, Sachen oder Ereignisse könnte man sie analog definieren als Merkmale solcher Objekte oder Ereignisse. Entscheidend bliebe dabei zunächst einmal der Bezug jeweils auf ein ganz bestimmtes Individuum, Objekt oder Ereignis. Wie der Begriff der Daten schon besagt handelt es sich jeweils um eine Mehrzahl davon, möglicherweise sogar eine große Vielzahl. In Begriffen wie Datenverarbeitung und Datenübertragung sind ganz schlicht Gesamtheiten von gleichartigen, aber dennoch individuell unterschiedenen Informationen gemeint.
Für Datenbedarf, Datennutzung und Datensicherung ist es von ganz zentraler Bedeutung, ob der individuelle Bezug für die Zweckerfüllung notwendig ist oder nicht. Das erste trifft bei jeder Art von Verwaltungsmaßnahmen zu, die sich gerade auf das betreffende Individuum, Objekt oder Ereignis beziehen. Die Erhebung personenbezogener Daten, die stets einen Eingriff in das informationeile Selbstbestimmungsrecht bedeuten, für solche Zwecke ist deswegen auch einer strengen Zweck-bindung unterworfen. Das heißt, sie darf nicht auf Vorrat vorgenommen und dann nach Bedarf für beliebige Zwecke personenbezogen benutzt werden Hier stellt sich also das Problem der Datensicherheit in voller Schärfe; denn der Individualbezug muß notwendigerweise erhalten bleiben, solange der Zweck nicht endgültig erfüllt ist. Dem diesbezüglichen Datenbedarf ist Abschnitt III gewidmet.
Völlig anders liegen die Dinge, wenn es um summenhafte, aggregierte Informationen über die jeweiligen Gesamtheiten geht, insbesondere deren zahlenmäßigen Umfang und deren Zusammensetzung nach vielerlei Merkmalen sowie um die vielfältigsten Beziehungen zueinander. Auch hierbei erfolgt die Erhebung zwar stets individuell bzw. fallbezogen. Das Individuum wird aber sogleich zum bloßen Merkmalsträger ohne eigene Identität. Diese ist für die Zweckerfüllung irrelevant. Selbst wenn es nur eine einzige Person einer bestimmten Kategorie gibt (z. B. einen hundertjährigen Mann in einem bestimmten Gebiet), interessiert nicht mehr das Individuum als solches, sondern nur noch die Tatsache, daß es gerade eine Einheit in dieser Kategorie gibt. Hier geht es also um Statistik. Solche Datenerhebungen sind Gegenstand des Abschnitts IV.
III. Datenbedarf für den personenbezogenen Verwaltungsvollzug
Ein solcher staatlicher Datenbedarf bestünde gar nicht, wenn sich der Staat ganz auf die Setzung von Rahmenregeln des Gesellschaftslebens beschränken würde. Das ist jedoch selbst bei äußerster Liberalität kaum denkbar. Schon die Durchführung von Wahlen, die Förderung von Familien, die Verfolgung von Straftaten und vieles andere verlangen Maßnahmen, die jeweils ganz bestimmte Personen oder Familien betreffen. Zwar gehört es durchaus in die öffentliche Auseinandersetzung, ob und in welchem Maße auf diese Weise in die individuellen Lebensläufe einzugreifen ist; dennoch gibt es in dieser Hinsicht kaum öffentliche Diskussionen oder ein erkennbares Akzeptanzproblem. In bezug auf die Datenerfassung könnte freilich ohnehin nur strittig sein, welche individuellen Daten für den jeweiligen Zweck erforderlich und wie lange sie dafür aufzubewahren sind. Aber auch darüber wird kaum öffentlich gestritten. Das hat einen einfachen Grund: Die meisten der staatlichen Maßnahmen begünstigen die jeweils Betroffenen, und wo das nicht zutrifft, wie bei der Besteuerung, ist die Einsicht in die Notwendigkeit fest etabliert. Eine Ausnahme bildet die Datenbeschaffung und Datenspeicherung zum Zwecke polizeilicher Ermittlungen; darüber gibt es sogar ganz heftige Auseinandersetzungen.
An einigen Beispielen soll dieser Datenbedarf etwas näher veranschaulicht werden. Von zentraler Bedeutung ist hier das staatliche Meldewesen. Es unterliegt einer bundeseinheitlichen Rahmenregelung, wird durch Landesgesetze genauer bestimmt und ist stark dezentral organisiert. Auf der Ebene der Gemeinden wird jeder Einwohner mit Name, Anschrift, Geschlecht, Geburtstag und -ort, Familienstand, gegebenenfalls früherer Anschrift und einigen weiteren Merkmalen registriert. Dieses Meldewesen entspringt nicht nur einem allgemeinen Bedürfnis des Staates, zu wissen, welcher Personenkreis ihm mit ganz bestimmten Rechten und Pflichten zugeordnet ist — und für den er eine bestimmte Verantwortung übernommen hat —, sondern ganz konkreten staatlichen und öffentlichen Einzelaufgaben. Es bildet die Grundlage für die Ausstellung von Personaldokumenten, die Erstellung von Wahlunterlagen, die Organisation der Einschulung der Schulpflichtigen und der Kontrolle der Schulpflicht, der Einberufung zu Bundeswehr oder Zivildienst, der Versendung der Lohnsteuer-karten und anderem mehr. Es ist zugleich ein Instrument zur Auffindung gesuchter Personen (etwa nach einem Unfall oder einem Verbrechen) oder zur Bestätigung der Fortdauer eines Pensionsanspruchs. In allen Fällen, in denen Rechtsfolgen an die Existenz eines Wohnsitzes geknüpft sind (Vergabe von Studienplätzen, Bestimmung der Aufenthaltsdauer bei Ausländern, insbesondere bei Einbürgerungen), ist die melderechtliche Registrierung unverzichtbar. Es gibt sogar ein öffentliches Interesse daran, daß Privatpersonen bei Vorliegen eines berechtigten Interesses über das Meldewesen die Anschrift einer gesuchten anderen Privatperson ausfindig machen können. Hier besteht ein konkreter, für den Verwaltungsvollzug notwendiger Bedarf an Einzeldaten.
Die im Meldewesen erfaßten Einzeldaten sind ganz auf die genannten Zwecke beschränkt. Angaben etwa über den erlernten Beruf oder die ausgeübte Erwerbstätigkeit fehlen völlig. Nicht einmal der Haushalts-und Familienzusammenhang ist aus den Melderegisterdaten ableitbar, sofern er nicht für die Ausstellung der Lohnsteuerkarten erforderlich ist.
Die Daten des Meldewesens bilden zugleich eine wichtige Grundlage für andere Verwaltungsstellen und -maßnahmen. So sind z. B. schon innerhalb der Gemeinden sowohl die Wohnungs-als auch die Sozialämter darauf angewiesen. Vor allem die letzteren brauchen darüber hinaus noch eine ganze Menge weiterer Daten, wenn sie ihrer Aufgabe gerecht werden wollen. Die Gewährung von Sozialhilfe setzt voraus, daß zuvor die Art der Anspruchsberechtigung (Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe in besonderen Lebenslagen) geprüft und gegebenenfalls die Höhe der Leistung festgesetzt wird. Sozialhilfe ist weder eine festbezifferte Leistung, die stets unbesehen gezahlt wird, noch unterliegt sie einer freien Ermessensentscheidung. Deshalb sind eine ganze Reihe von Informationen laufend notwendig, die sich nicht nur auf die antragstellende Person, sondern den ganzen Haushalt und möglicherweise andere unterhaltsverpflichtete Personen beziehen.
Hier wird ein für den staatlichen Datenbedarf überaus wichtiger Aspekt deutlich: Je mehr Gesetzgeber und/oder Verwaltung bemüht sind, Einzelfallgerechtigkeit, Vermeidung von Willkür und Schutz vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme sozialer Leistungen miteinander zu verbinden, desto mehr individuelle Informationen — eben Daten — sind für den Verwaltungsvollzug notwendig.
Ein geradezu klassisches Beispiel dafür liefert die gesetzliche Rentenversicherung. Die Realisierung des Versicherungsprinzips in einer dynamischen Wirtschaft als primäres und die des sozialen Ausgleichs als sekundäres Ziel verlangen eine Fülle von Lebensdaten zur Feststellung von Rentenansprühen. Sie beziehen sich praktisch auf das gesamte Erwerbsleben vorn 16. Lebensjahr an bis zum Eintritt des Versicherungsfalles. Monat für Monat oder Jahr für Jahr sind die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, der erzielte Brutto-lohn, empfangene Sachzuwendungen, bestimmte Arten von im Ausland ausgeübten Tätigkeiten. Ausbildungs-und Arbeitslosigkeitszeiten, abgelegte Prüfungen und anderes mehr festzuhalten. Um zu vermeiden, daß dies alles erst beim Eintritt eines Versicherungsfalles erhoben und nachgewiesen wird, was dann oftmals gar nicht mehr in vollem Umfang möglich ist, gilt es heute als außerordentlicher Fortschritt, daß alle diese rentenversicherungsrelevanten Daten soweit wie möglich laufend nachgewiesen und bei den Versicherungsträgern gespeichert werden. Soweit das in der Vergangenheit noch nicht geschehen ist. wird es Zug um Zug nachgeholt, bis für alle aktiven Versicherten eine vollständige Rentenbiographie gespeichert ist. Dabei ist das Rentenversicherungsrecht keineswegs auf Dauer festgeschrieben. Kommen neue technische oder wirtschaftliche Entwicklungen oder veränderte sozialpolitische Wertvorstellungen ins Spiel, dann werden neue Regelungen kodifiziert, die wiederum neue oder andere Daten über die Versicherten oder ihre Ehepartner oder Kinder verlangen. Ein Beispiel dafür war die Neuregelung des Hinterbliebenenrentenrechts im Jahre 1985 mit der Neueinführung von Anrechnungsvorschriften, ein anderes die Einführung von Kindererziehungszeiten. Da Rentenrechtsänderungen zudem in aller Regel Übergangszeiten notwendig machen, in denen teils frühere Regelungen, teils die neuen zur Anwendung kommen, läßt sich erahnen, welche Informationsfülle für die Gestaltung und Erhaltung eines ökonomisch ausgewogenen und sozial gerechten Rentenversicherungsrechts nötig sind. Hierbei hat es noch nie ein Akzeptanzproblem in bezug auf die Berechtigung des Staates zur Datenerfassung gegeben.
Unbestritten ist ferner der Datenbedarf für die Arbeitsvermittlung. Arbeitslose lassen sich nur vermitteln, wenn ihre Personalien und eine Reihe weiterer individueller Daten dem Arbeitsamt zur Verfügung stehen. Ganz besonders datenintensiv ist die Erhebung der Lohn-und Einkommensteuer. Auch für diesen Zweck wird eine Vielzahl von personenbezogenen Daten keineswegs aus Neugier oder überkommener Routine verlangt, sondern aus dem Bestreben des Gesetzgebers heraus, individuell nach der Leistungsfähigkeit zu besteuern und dabei zusätzlich eine Reihe politischer, ökonomischer oder sozialer Nebenziele mit zu verwirklichen und überdies nach Möglichkeit Mißbrauch zu verhindern. Die Reihe der Beispiele ließe sich fortsetzen. Zu verweisen ist etwa auf die Standesämter, die Gerichte, die Schulen, die Krankenkassen, die Krankenhäuser, die Gas-und Elektrizitätswerke und viele andere staatliche oder halbstaatliche Stellen mit einem Bedarf an Daten zur Erfüllung ihrer Funktionen.
In allen genannten Beispielen handelt es sich um personenbezogene Daten. Der Bedarf an Daten über Betriebe und Unternehmen für den Verwaltungsvollzug ist ebenfalls groß. Zu einem erheblichen Teil ergibt er sich aus bestimmten Schutzbedürfnissen heraus. Beispiele sind die Gewerbeaufsicht, die Bankenaufsicht, die Versicherungsaufsicht. Aber auch die Förderung bestimmter Wirtschaftszweige, etwa der Landwirtschaft, des Bergbaus oder der Stahlindustrie läßt sich oftmals nicht ohne individuelle Daten über die betroffenen Unternehmen erreichen. Dabei ist der Datenbedarf um so größer, je mehr Einzelfallgerechtigkeit und Effizienz der Maßnahmen angestrebt werden.
Alle diese Betrachtungen sollten nicht nur zeigen, aus welchen konkreten Anlässen heraus für den Verwaltungsvollzug eine Erhebung von Daten und deren laufende Aktualisierung notwendig sind. Es sollte darüber hinaus deutlich werden, daß das Verfügen über Daten erst die Chance eröffnet, die allgemeinen staatlichen Ziele so in die Tat umzusetzen. daß die individuellen Verhältnisse möglichst sachgerecht berücksichtigt werden können.
IV. Der Bedarf an statistischen Daten zur Erklärung und Gestaltung der gesellschaftlichen Wirklichkeit
1. Zielsetzungen der Statistik Vom Bedarf für den auf den Einzelfall abgestellten Verwaltungsvollzug grundsätzlich zu unterscheiden ist der Bedarf an statistischen Daten zur Beschrei-bung, Erklärung, Planung und Gestaltung der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Hier interessieren nicht mehr die Einzeldaten für bestimmte Perso-nen, Objekte oder Ereignisse als solche, obwohl sie ür die statistischen Zwecke durchaus erst einmal erhoben werden müssen. Das Ziel sind vielmehr summenhafte, aggregierte und nach vielerlei Merkmalen differenzierte Aussagen, und selbst da richtet sich das Interesse nur selten auf eine einzelne Zahl, sondern mehr auf Einsichten, die erst eine Vielzahl solcher Daten nach mehr oder weniger intensiver methodischer Auswertung vermitteln. Mit dem Verzicht auf den Einzelfall, auf das Individuelle einer Person, eines Objekts oder eines Ereignisses wird aber etwas ganz Wesentliches gewonnen: ein (wenngleich nur zahlenmäßiger) Überblick über die Gesamtheit einer Bevölkerung, einer Wirtschaft, einer Gesellschaft, deren Zusammensetzung nach einer Vielzahl relevanter sachlicher und regionaler Merkmale und ihrer Veränderungen im Zeitablauf. Und mehr noch: Durch geeignete methodische Auswertungen werden Zusammenhänge und Abhängigkeiten, Gesetz-oder Regelmäßigkeiten des wirtschaftlichen und sozialen Geschehens sichtbar, die am Einzelfall nie erkennbar sind. Damit sind zugleich die beiden grundlegenden Zielsetzungen der Statistik angesprochen: die Beschreibung von Zuständen und Abläufen (z. B. einer Bevölkerung und ihrer laufenden Veränderungen) und die Gewinnung und Überprüfung von Gesetz-oder Regelmäßigkeiten (z. B. über die Geburtenhäufigkeit, die Sterblichkeit und die regionale Mobilität).
Schon die Beschreibung von Zuständen und Abläufen in Wirtschaft und Gesellschaft ist in einer hoch-entwickelten freiheitlich-pluralistischen Gesellschaft alles andere als eine einfache Aufgabe Die dafür benötigten Begriffe müssen sinnvoll gebildet und gleichwohl statistisch operational sein, sie sollen modernen Entwicklungen Rechnung tragen und gleichwohl über die Zeit hinweg vergleichbar sein. Sie müssen in ihrem sachlichen, regionalen und zeitlichen Differenzierungsgrad um so weiter gehen, je verschiedenartiger die tatsächlichen Lebensverhältnisse sind, je mehr Eigenverantwortlichkeiten den regionalen Untergliederungen — wie Ländern und Gemeinden — zugewiesen sind und je rascher sich die Verhältnisse verändern. Und je mehr vom Staat erwartet wird, auf einen Ausgleich unterschiedlicher Lebensbedingungen von sozialen Schichten oder weniger entwickelten Regionen hinzuwirken, desto anspruchsvoller ist der statistische Datenbedarf. Die Grenzen liegen freilich dort, wo durch eine zu weit gehende Differenzierung die Fallzahlen zu klein werden.
Die Gewinnung und Überprüfung statistischer Gesetz-oder Regelmäßigkeiten als zweite Zielsetzung dient nicht nur einem allgemeinen Erkenntnisinteresse. Sie ist notwendig zur Erklärung bemerkenswerter, insbesondere unerwarteter Vorgänge, zur Vorausschätzung künftiger Entwicklungen und zur zielgerichteten Einflußnahme auf diese Entwicklung, also generell zur politischen Gestaltung des Gemeinwesens. Wenn es hier an hinreichend differenzierten Daten mangelt, sind Fehleinschätzungen und Fehlurteile und damit auch Fehlentscheidungen unvermeidlich. Die Folgekosten sind dann oftmals weit höher als die der Datenbeschaffung. In vielen Fällen lassen sich Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge sogar nur durch einen Rückgriff auf die Individualebene, d. h. auf Daten, die sich auf Einzelpersonen oder Haushalte beziehen (Mikrodaten), befriedigend aufklären. Auch dann ist aber nicht die Identität dieser Personen oder Haushalte von Interesse, sondern allein, daß sie Träger bestimmter Merkmale sind, die sich in bestimmten Situationen in bestimmter Weise verhalten 2. Demographische Veränderungen und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen Im folgenden werden einige konkrete Aufgabenstellungen und der damit verbundene Datenbedarf von Staat und Öffentlichkeit näher betrachtet. Im Zentrum aller staatlichen Aktivitäten steht die Bevölkerung. Sie ist Kultur-, Wirtschafts-, Siedlungs-, Rechts-und politische Gemeinschaft. Es besteht deswegen ein geradezu elementarer Bedarf an Daten über die Größe und Struktur der Bevölkerung und der sie bildenden Familien und Haushalte, ihre laufenden Veränderungen durch Geburten, Sterbefälle, Wanderungen, Eheschließungen und Ehelösungen sowie über die Faktoren, die diese Veränderungen bestimmen. Da solche Veränderungen im allgemeinen nur langsam vor sich gehen und nur allmähliche Veränderungen der Bevölkerungsstruktur bewirken, finden sie oft nicht das ihnen gebührende Interesse. Der scharfe Geburtenrückgang seit Mitte der sechziger Jahre, dessen Auswirkungen zuerst in den Kindergärten und Schulen deutlich erkennbar wurden und dessen langfristige Folgen für die spätere Alterssicherung seit über zehn Jahren mit Sorgen diskutiert werden, hat die Bedeutung demographischer Veränderungen für die gesamte Gesellschaft aber wieder einmal stärker ins öffentliche Bewußtsein gebracht. Gewiß ist es keine staatliche Aufgabe, in den Bevölkerungsprozeß regulierend einzugreifen, doch gehen von diesem so vielfältige mittel-und langfristige Wirkungen auf viele Lebensbereiche aus, daß seine eingehende Beobachtung und Analyse allein notwendig ist, um unerwünschte Folgen abzumildern oder eine frühzeitige Anpassung herbeizuführen.
Zwei Abbildungen mögen die Bedeutung dieses Vorgangs veranschaulichen. Abbildung 1 (äußere Linien) zeigt den Altersaufbau der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1986. Wie man sieht, steht die sogenannte Alterspyramide auf einem überaus schmalen Sockel. Selbst der sehr schwache Jahrgang 1945 ist heute noch stärker als jeder einzelne Jahrgang der jetzt unter 14jährigen Kinder. Die heute 20-bis 25jährigen entstammen dagegen den starken Geburtsjahrgängen um 1964. Allein daraus wird unmittelbar einsichtig, warum wir vor wenigen Jahren noch eine exorbitante, kaum zu befriedigende Lehrstellennachfrage hatten und warum sich diese inzwischen fast in ihr Gegenteil verkehrt hat. Wir finden ferner eine Erklärung für die seit einigen Jahren anhaltende Überfüllung der Universitäten, stellen aber auch — vielleicht mit Verwunderung — fest, daß sich die Rentenversicherung aus demographischer Sicht zur Zeit in einer relativ günstigen Lage befindet: Die Gruppe der über 65jährigen Männer ist überaus schwach vertreten; die Zahl der Frauen im Rentenalter ist zwar weit größer, der Geburtenausfall des ersten Weltkrieges entlastet aber, und im übrigen sind die Rentenansprüche dieser Frauen wegen ihrer frühe-ren geringeren Erwerbstätigkeit verhältnismäßig niedrig.
Daß die demographische Entwicklung allein für solche Betrachtungen nicht ausreichend ist, zeigt gegenwärtig die Tatsache, daß die Überfüllung an den Universitäten noch nicht, wie man hätte erwarten können, abnimmt, sondern sich sogar verstärkt hat. Es sind dafür eben noch weitere Daten heranzuziehen, besonders über das Übergangsverhalten der nachwachsenden Generation von der Ausbildung in den Beruf. Wiederum ist auf die Tatsache zu verweisen, daß die wachsende Entscheidungsfreiheit und die Diversifizierung von Ausbildungsmöglichkeiten die Einsicht in die Zusammenhänge erschwert und zusätzliche Daten zur Erklärung notwendig macht.
Die aktuelle Altersstruktur bietet zugleich einen Ansatz für demographische Prognose-oder Modell-9 rechnungen Da jeder Jahrgang jährlich ein Jahr älter wird, rückt die Alterspyramide Schritt für Schritt nach oben, so daß sich die künftige Alters-struktur recht gut abschätzen läßt. Abbildung 2 (äußere Linien) zeigt das Ergebnis einer solchen Vorausrechnung bis zum Jahre 2000 Die Universitäten werden bis dahin schließlich doch wesentlich entlastet werden. Auf dem Arbeitsmarkt rücken die sehr schwach besetzten Jahrgänge nach, und etwa ab 1995 überschreiten jene Jahrgänge die Alters-grenze, die aufgrund der Bevölkerungspolitik der dreißiger Jahre von Jahrgang zu Jahrgang stärker geworden sind. Von daher läßt sich eine Entlastung auf dem Arbeitsmarkt erwarten. Sie ist aber mit einer zunehmenden Belastung der Rentenversicherung, ja der Alterssicherung überhaupt, verbunden. Hier sind natürlich weitere Faktoren in Rechnung zu stellen: Zuwanderungen aus dem Ausland, Veränderungen im Ausbildungs-und Erwerbsverhalten, Arbeitszeitverkürzungen, technische Entwicklungen usw. Sie lassen sich aber aufgrund weiterer Daten beobachten und bei Erklärungen. Voraus-rechnungen und beim politischen Handeln berücksichtigen. Unabhängig von allen Arbeitsmarkt-und Versicherungsfragen läßt sich aus dem gegenwärtigen Altersaufbau ersehen, daß schon in den neunziger Jahren die Zahl der hochbetagten und damit oft pflegebedürftigen Frauen zunehmen wird. Diese Erwartung wird noch verstärkt, wenn man die gegenwärtige stetige Erhöhung der Lebenserwartung berücksichtigt. Seit 1970 sinkt nämlich, was wieder anhand statistischer Zahlen nachweisbar ist. die Sterblichkeit in allen Altersjahren und vor allem im Rentenalter in einem ganz beachtlichen Ausmaß. 3. Die Notwendigkeit erwerbsbezogener Daten Wie man sieht, ist allein der Altersaufbau einer Bevölkerung von außerordentlicher Bedeutung für deren in nächster und in fernerer Zukunft zu erwartende Chancen und Risiken. Er reicht dafür aber bei weitem nicht aus. Schon eine genauere Analyse der Geburten-und der Sterblichkeitsentwicklung verlangt darüber hinaus nicht nur eine jährliche Registrierung von Geburten und Sterbefällen, sondern deren Differenzierung nach erklärenden Merkmalen — wie Geschlecht, Alter, Familienstand, Ehedauer, Todesursache und anderes mehr — und darüber hinaus noch in entsprechender Weise gegliederte Bevölkerungsbestandszahlen. Zu einer tiefgründigeren Analyse würden u. a. zusätzlich noch erwerbsbezogene Merkmale gehören. Das adäquate Verfahren sind zudem nicht Quer
Schnitts-, sondern Längsschnittsanalysen, bei denen der ganze Lebenszyklus von Frauenjahrgängen untersucht wird Soll dies gar auf der Basis von Mikrodaten geschehen, dann sind sie überhaupt nur durchführbar, wenn die Daten jeweils für ein und dieselbe Frau oder Familie über die Zeit hinweg zusammenführbar sind. Sollen dann noch die soziale Lage und die Lebenseinstellung der Personen oder Familien als Bestimmungsfaktoren berücksichtigt werden, wächst der Datenbedarf exorbitant. Nun ist die demographische Entwicklung, wie schon angedeutet, für andere Lebensvorgänge -etwa Schulbesuch, Arbeitsmarkt und Alterssicherung — immer nur eine Determinante. Gehen wir nur einen Schritt weiter und fügen in den Altersaufbau von Abbildung 1 zusätzlich für jeden Alters-jahrgang die Erwerbsbeteiligung, gemessen am Anteil der Erwerbspersonen (Erwerbstätige + Erwerbslose), an der Gesamtpersonenzahl — die so-genannte Erwerbsquote — ein, so wird die Alters-struktur des Erwerbspersonenpotentials (ohne stille Reserve) sichtbar (siehe die schwarze Fläche in Abbildung 1). Stellen wir dieser Graphik die entsprechende für das Jahr 2000 gegenüber, wobei die altersspezifischen Erwerbsquoten der Einfachheit halber unverändert angenommen sind (siehe Abbildung 2), dann ergibt sich ein ganz anderer Altersaufbau des Erwerbspersonenpotentials, was wiederum nicht ohne Folgen bleiben kann, Dominieren heute die 45-bis 50jährigen zahlenmäßig stark, während die ebenfalls stark besetzten Altersgruppen zwischen 20 und 25 Jahren noch auf ihre Berufschancen warten, so werden um das Jahr 2000 die 30-bis 40jährigen ein überaus starkes zahlenmäßiges Gewicht haben, wohingegen es an Nachwuchs in vielen Berufen fehlen dürfte.
Ein nächster Schritt müßte die eingehendere Untersuchung der Determinanten der Erwerbsbeteiligung sein, um zum einen soziale Problemlagen sichtbar zu machen und zum anderen Ansatzpunkte für eine Verbesserung der zunächst sehr einfachen Modellrechnung über das künftige Erwerbspersonenpotential zu gewinnen. So wären besonders bei den nachrückenden und den ausscheidenden Jahrgängen die vorhandenen Qualifikationen und Berufe zu berücksichtigen. Bei den Frauen verlangt die Analyse eine Verknüpfung der erwerbswirt-schaftlichen Daten mit solchen der Familie oder des Haushalts. Man sieht, wie rasch dann der Datenbedarf wächst, um wieviel informativer die Ergebnisse dann aber auch werden. 4.
Probleme der sozialen Wohlfahrt Am letzten Beispiel erkennt man noch eine andere Eigenart des Datenbedarfs. Es genügt nicht, einmal die erwerbsstatistischen Daten zu erheben und ein andermal die familiären; erst die Kombination beider Arten erlaubt die erforderlichen Einsichten in die sozialen Problemlagen und ihre Hintergründe. Die künftigen Probleme der Alterssicherung lassen sich ebenfalls nicht allein aufgrund weniger demographischer und erwerbswirtschaftlicher Merkmale hinreichend analysieren oder gar einer sachgerechten Lösung zuführen. Wie kompliziert die Ermittlung von Rentenansprüchen im Einzelfall ist. wurde schon in Abschnitt III gezeigt. Zwar müssen nicht alle Details auch bei Vorausrechnungen und Problemlösungsansätzen berücksichtigt werden. Aber einige davon dürfen doch nicht vernachlässigt werden. z. B. die von den aktiven Versicherten bisher schon erworbenen Rentenanwartschaften und die entsprechenden beiderseitigen Anwartschaften bei Ehepaaren sowie die Anrechnung von Kindererziehungszeiten. Vor allem aber darf nicht übersehen werden, daß ein durchaus vergleichbares demographisch bedingtes Problem auch bei der Beamtenversorgung zu erwarten ist, über das bisher noch kaum in der Öffentlichkeit diskutiert wurde. Schließlich sind die betrieblichen und die privaten Altersversorgungssysteme zu berücksichtigen, wenn man sich ein Urteil über die künftige Belastung der nachwachsenden Generation und die Versorgungsstruktur der älteren Menschen verschaffen will. Abermals zeigt sich, daß ein freiheitliches, vielgestaltiges System nicht weniger, sondern mehr Daten braucht als ein schematisierendes Plansystem, und zwar gerade dann, wenn es zugleich sozial ausgewogen und finanziell tragbar gestaltet sein soll.
Von wesentlich anderer Art sind die Datenprobleme im Bereich des Gesundheitswesens. Zunächst einmal gehört die Gesundheit zu den sensibelsten Bereichen individueller Lebensbedingungen. Man könnte sich fragen, ob sie einer statistischen Erfassung überhaupt zugänglich sein sollte. Bei näherer Betrachtung kommt man jedoch bald zu einem anderen Urteil. Im Hinblick auf anstekkende Krankheiten mag ein öffentliches Interesse noch am ehesten einsichtig sein. Da Arbeitsausfall infolge Krankheit, Frühinvalidität, physische und psychische Behinderung und vor allem die ärztliche Versorgung selbst außerordentliche, vom einzelnen kaum tragbare Kosten verursachen, gehört es zu den Aufgaben des Staates, nicht nur diese Kostenübernahme auf eine sozial tragbare Weise zu regeln, sondern sich auch ein Bild über die Entwicklung dieser Kosten und ihrer Determinanten zu verschaffen. Ebenso sind das Ausmaß medizinischer Versorgung (Ärzte nach Facharztgruppen, Apotheken, Arzneimittelmarkt) Lebensbedingungen, über deren Stand und Entwicklung Staat und Öffentlichkeit einer regelmäßigen Berichterstattung bedürfen, um Überkapazitäten oder Versorgungslücken frühzeitig erkennbar zu machen. Es ist zu beklagen, daß die Reform des Gesundheitswesens in jüngster Zeit, die vor allem der Kostendämpfung dienen sollte, fast ausschließlich an ganz bestimmten Einzelregelungen diskutiert worden ist, ohne die gesamtgesellschaftlichen quantitativen Zusammenhänge dabei besonders zu beachten. Wenig Beachtung hat eine Neuregelung gefunden, die unmittelbar mit statistischem Datenbedarf zu tun hat. Um die Verschreibungshäufigkeiten der Kassenärzte überschaubar zu machen und gegebenenfalls in Grenzen zu halten, werden künftig Stichprobenerhebungen bei zwei Prozent der Ärzte in jedem Quartal durchgeführt, bei denen die ärztlichen und die ärztlich verordneten Leistungen arzt-und versichertenbezogen erfaßt und ausgewertet werden Eine Art ganz besonders sensiblen Datenbedarfs ist schließlich die für die epidemiologische Forschung. Hier geht es darum, Diagnosen und Therapien einschließlich ihrer Wirkungen im Kontext mit anderen Merkmalen von Patienten individuell über die Zeit hinweg zu verfolgen. Das könnte bisher kaum bekannte Zusammenhänge über individuelle Einflußfaktoren von Krankheiten und Therapiewirkungen, über Langzeit-und Nebenwirkungen von Medikamenten und anderes erforschbar machen. Auf diesem Gebiet steht die Bundesrepublik hinter anderen hochentwickelten Ländern allerdings deutlich zurück.
Ein weiteres Feld staatlichen und öffentlichen Interesses sind Einkommens-und Vermögensverteilung. Auch hier ist die Sensibilität gegenüber statistischen Erhebungen groß; zur Beurteilung der Lebensverhältnisse und ihres Wandels sind sie aber nun einmal unentbehrlich. Es ist nicht einzusehen, warum eine Gesellschaft nicht ebensowohl eine positive Entwicklung der allgemeinen materiellen Wohlfahrt dokumentieren wie soziale Ungleichheiten und relative oder gar absolute Notlagen aufzeigen sollte. Weder die „neue Armut“ noch die Zumutbarkeit von Eigenvorsorge für Alter und Krankheit werden ohne Einkommensdaten sichtbar. Im übrigen darf man nicht übersehen, daß immer mehr staatliche Begünstigungen (Kindergeld, Sparförderung, Bafög usw.) an Einkommens-grenzen gebunden sind — und um deren finanzielle und soziale Bedeutung abzuschätzen, sind Daten über Einkommens-und Vermögensverteilungen erforderlich.
Mit einer bloßen Einkommenserhebung ist es jedoch nicht getan. Einkommensdaten sind nur im Zusammenhang mit zahlreichen anderen Merkmalen aussagefähig. Insbesondere hat die Armutsforschung gezeigt, daß nur durch eine Kombination einer ganzen Reihe von Kriterien Armut definiert und analysiert werden kann, was nicht nur die Erfassung dieser Kriterien in einer Erhebung, sondern auch die Verfügbarkeit anonymisierter Einzeldaten voraussetzt An diesem Beispiel wird sichtbar, daß ein bestimmter Datenkomplex nicht notwendig nur ein einziges Bedürfnis befriedigen muß. Einsichten in bestimmte Aspekte der Einkommensverteilung braucht der Finanzminister zur Vorausschätzung des Steueraufkommens und zur Vorbereitung einer Steuerreform, der Arbeitsminister zur Neugestaltung des Hinterbliebenenrentenrechts, der Wirtschaftsminister zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage und Aussichten, der Innenminister zur Regelung von Bafög und Sozialhilfe, die Wissenschaft zur Untersuchung von Wohlfahrtslagen und Wohlfahrtsdefiziten sowie zur Untersuchung von Transfersystemen und Transferwirkungen. was wiederum der Beurteilung der gesellschaftlichen Entwicklung durch Staat und Öffentlichkeit dient.
Nehmen wir einen letzten Bereich eines personen-oder haushaltsbezogenen Datenbedarfs: das Wohnungswesen. Daß eine staatliche Wohnungsbauförderungspolitik Daten über Wohnungsbestände und Wohnungsbedarf benötigt, braucht keine nähere Begründung. Globaldaten reichen dafür nicht aus; Neubau-und noch mehr Sanierungsförderungsmaßnahmen können ohne sehr differenzierte Daten über Wohnungsstrukturen und Wohnungsstrukturbedarf zu immensen Fehlinvestitionen verleiten.
Gerade dieses Beispiel verdeutlicht noch eine ganz andere wesentliche Besonderheit des Datenbedarfs für Staat und Öffentlichkeit: Eine Gegenüberstellung von Wohnungsbestand und Wohnungsbedarf macht überhaupt nur in regionaler Differenzierung einen Sinn, und zwar bis hinunter zumindest auf die Gemeindeebene. Ähnliches gilt für den Arbeitsmarkt, für die Gesundheitsversorgung, für Schulund Hochschulbauten usw. Fast alle benötigten Daten werden in starker regionaler Differenzierung gebraucht, wenn sie ihren Zweck voll erfüllen sollen. Das gilt in einem föderalistischen Staat noch viel mehr als in einem stärker zentralistisch ausgerichteten Staatswesen.
Stark regionalisierte Daten haben auch eine gesamtwirtschaftliche Bedeutung. Raumordnungspolitik sucht nach sozio-ökonomisch bedeutsameren Einteilungen, als es die administrativen sind: Stadtregionen, Raumordnungsregionen, siedlungsstrukturelle Kreistypen. Diese lassen sich nur durch stark differenzierte Regionaldaten bilden. Und wenn Raumordnungspolitik darauf gerichtet sein soll, auf gleichwertige Lebensbedingungen in den Regionen hinzuwirken, ist ein Indikatorensystem notwendig, das für jede Region in vergleichbarer Weise die Lage auf dem Arbeitsmarkt, die Verdienstmöglichkeiten. die Wohnungsverhältnisse, die medizinische Versorgung, die Umweltbedingungen und anderes mehr beschreibt.
Mit dem hier aufgeführten Datenbedarf ist immer noch nur ein Teil dessen, was Staat und Öffentlichkeit brauchen, angesprochen, nämlich der personen-, familien-oder haushaltsbezogene Bedarf. Der darüber hinausgehende Datenbedarf sei nur mit einigen Stichworten erwähnt. Er bezieht sich vor allem auf wirtschaftliche Vorgänge, wie Produktion und Investition, auf Güter-, Geld-und Kapitalmärkte, auf die außenwirtschaftlichen Verflechtungen und auf die Unternehmen aller Wirtschaftszweige sowie die wirtschaftlichen Verbände. Aber auch Wahlen, Rechtspflege, Bildung und Kultur sind Bereiche mit einem gesamtgesellschaftlichen Datenbedarf. Umweltgefährdung und Umweltschutz kommen hinzu. Selbst wenn der Staat sich in allen diesen Bereichen mit Eingriffen in die freie Entwicklung weitgehend zurückhalten wollte, wird er es teils aus sozialen, teils aus rechtsstaatlichen Gründen oder aufgrund internationaler Rahmenbedingungen oder um der Erhaltung eines freien Wettbewerbs oder der Umwelt willen nicht tun können. Im übrigen besteht dieser Bedarf nicht nur als Voraussetzung staatlicher Planung und Gestaltung. sondern eben auch als Voraussetzung einer freien Urteilsbildung auf Seiten der Bürger. Die häufige Verwendung globaler Indikatoren — wie der gesamtwirtschaftlichen Wachstumsrate, der Inflationsrate oder des Leistungsbilanzsaldos — darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese sich auf eine Vielzahl von Daten unterschiedlichster Art stützen und nur unter Berücksichtigung der sektoralen, funktionalen und regionalen Zusammenhänge sachgerecht interpretiert werden können.
V, Wege zur Deckung des statistischen Datenbedarfs
Auf die Datenbeschaffung für den personen-oder einzelfallbezogenen Verwaltungsvollzug braucht hier nicht eingegangen zu werden. Sie wird von den jeweiligen Verwaltungsstellen selbst vorgenommen. Die Datenspeicherung erfolgt zunehmend in zentralen Rechenzentren. Über die Datensicherheit wachen die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder. Solche Verwaltungsstellen besorgen in aller Regel die Aufbereitung und Auswertung ihrer Daten für statistische Zwecke. Soweit ein öffentliches Interesse daran besteht, wird es durch Veröffentlichung der Ergebnisse befriedigt.
Angesichts des großen und ständig wachsenden Datenbedarfs und seiner gesamtgesellschaftlichen Bedeutung reicht das jedoch bei weitem nicht aus. Es bedarfeiner systematischen und effizienten Organisation, die eine dauerhafte Datenbeschaffung, eine hohe Dualität und Verläßlichkeit, regionale und zeitliche Vergleichbarkeit der Daten, gleichwohl Anpassungsfähigkeit an neuere Entwicklungen und nicht zuletzt eine systematische Abstimmung zwischen den Begriffen und Verfahrensweisen der verschiedenen Statistikbereiche gewährleistet. Während in anderen Ländern wesentliche Teile der Da-13 tenbeschaffung von den sachlich zuständigen Ministerien oder Behörden wahrgenommen werden, liegt diese Aufgabe in der Bundesrepublik Deutschland weitgehend in den Händen der amtlichen Statistik, bestehend aus dem Statistischen Bundesamt und den Statistischen Ämtern der Länder, ergänzt durch die statistischen Ämter vieler großer Gemeinden. Als staatliche Einrichtungen mit der Funktion gesamtgesellschaftlicher Datenversorgung sind daneben vor allem die Deutsche Bundesbank und die Bundesanstalt für Arbeit zu nennen.
Die amtliche Statistik hat aber auch ihre Grenzen. Allein die Bindung aller ihrer Erhebungen an qualifizierte Rechtsgrundlagen (Gesetze oder eigens durch Gesetz zugelassene Rechtsverordnungen) und die neuerdings stark zunehmende Reglementierung ihrer Erhebungsmodalitäten schränken ihre Flexibilität stark ein. Hinzu kommt, daß sie zur Wahrung der Amtlichkeit ihrer Ergebnisse tunlichst die Beschaffung von Informationen über Einstellungen und Meinungen vermeidet. Solche weichen Daten gehören jedoch ebenfalls zur umfassenden Informationsversorgung.
Neben der amtlichen Statistik hat sich deswegen eine Vielzahl von anderen, teils staatlich, teils privat finanzierten Datenproduzenten etabliert, die mittlerweile einen beträchtlichen Teil des gesellschaftlichen Datenbedarfs decken. Sie ergänzen die Datenbereitstellung durch die amtliche Statistik, stützen sich zum Teil auf deren Ergebnisse bei der Anlage oder Adjustierung ihrer Stichproben und übernehmen in methodischer Hinsicht oftmals eine Vorreiterrolle, aus der auch die amtliche Statistik Nutzen zieht. Alle zusammen stellen eine statistische Informations-Infrastruktur dar, die zu den bedeutsamsten Lebensgrundlagen der Gesellschaft gehört
Sie wird von dieser heute allerdings nicht in ihrem vollen Wert geschätzt. Das mag zum einen daran liegen, daß ihre Produkte als öffentliche Güter jedermann zur Verfügung stehen und scheinbar nichts kosten. Es liegt zum zweiten wohl auch daran, daß sich bei der Datennutzung jedermann für sachkundig hält, obwohl dazu nicht nur statistische Begriffs-und Methodenkenntnisse, sondern ebenso Erfahrung im Umgang mit statistischen Zahlen und Sachkunde auf dem jeweiligen Anwendungsgebiet gehören. Ebenso spielt es wohl eine Rolle, daß die subjektive Orientierung an Einzelfällen, seien sie nun selbst erlebt oder durch Medien verbreitet, in Verbindung mit eigenen Vor-und Werturteilen das Bemühen um objektive, umfassende und zugleich hinreichend differenzierte Wirklichkeitserkenntnis nur allzu leicht verdrängt. Es könnte sich auf die Dauer als fatal erweisen, wenn die Fülle der täglich auf uns einströmenden Informationen unterschiedlichster Art und zudem die Furcht vor den neuen, letztlich ja effizienteren Informationsverarbeitungstechniken den Blick für eine realistische Beurteilung und Gestaltung der gesellschaftlichen Wirklichkeit verzerren oder verschleiern würden.
Grohmann, Heinz, Dr. rer. pol., geb. 1921; Professor emeritus; 1970— 1987 Professor für Statistik an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt; 1975— 1981 Sachverständiger beim Sozialbeirat; seit 1985 Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats für Mikrozensus und Volkszählung. Veröffentlichungen u. a.: Die Entwicklung eines Bevölkerungsmodells zur Beurteilung der Finanzierung der dynamischen Rente, Berlin 1965; Die Deckung des Datenbedarfs von Wissenschaft und Verwaltung. Tendenzen bei Erhebungsmethodik. Antwortverhalten und Datenschutz, in: Karl Furmaniak/Ulrich Weihe (Hrsg.), Volkszählung 1987. Informationsertrag und künftige Entwicklung des Informationsbedarfs, München 1988, S. 167 ff.