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Technischer Wandel und Arbeitnehmerbeteiligung in Europa | APuZ 19/1989 | bpb.de

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APuZ 19/1989 Artikel 1 Wozu brauchen Staat und Öffentlichkeit Daten? Der Einsatz von Computern in der Demokratie Informationsprobleme von Parlament und Regierung Der Computer im Amt Technischer Wandel und Arbeitnehmerbeteiligung in Europa

Technischer Wandel und Arbeitnehmerbeteiligung in Europa

Dieter Fröhlich/Dieter Fuchs/Hubert Krieger

/ 22 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Im Sinne des von der Europäischen Kommission eingeleiteten sozialen Dialogs sollen durch Arbeitnehmerbeteiligung die technische Modernisierung der Betriebe gefördert und ihre innerbetrieblichen Wirkungen gesteuert werden. Zu diesem Thema plant die Europäische Gemeinschaft eine Befragung in allen EG-Mitgliedsstaaten. Für die Bundesrepublik, Großbritannien, Frankreich, Italien und Dänemark liegen erste Befragungsergebnisse von jeweils 2 326 Managern und Arbeitnehmervertretern vor. Die Daten zeigen, daß das bisherige Ausmaß der Beteiligung von Arbeitnehmervertretern bei der Technikeinführung gering ist. Die Arbeitnehmerbeteiligung konzentriert sich vor allem auf die operativen Phasen der Technikeinführung. Sie ist besonders gering in den Phasen der Technikplanung und -auswahl. Im Urteil sowohl der befragten Manager wie der Arbeitnehmervertreter hat die praktizierte Beteiligung vielfach positive Effekte auf betriebliche Entscheidungsprozesse, auf die Nutzung von Mitarbeiterqualifikationen. auf das gegenseitige Verständnis der betrieblichen Akteure, auf die Technikakzeptanz und andere Bereiche. Für die Zukunft wünschen sowohl große Teile der Manager als auch der Arbeitnehmer den Ausbau von Beteiligungsprozeduren.

I. Partizipation in Europa: Erste Ergebnisse des „sozialen Dialogs“

Schaubild 1:

Bisherige Arbeitnehmerbeteiligung bei der Einführung Neuer Technologien (in Prozent) Quelle: Befragung in 5 EG-Ländern, 1987.

Manager: N 2. 477; Arbeitnehmervertreter: N -2. 477.

Internationale Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten verlangt heute und in absehbarer Zukunft die Entwicklung und den Einsatz neuer Informationstechnologien in der Produktion und im Dienstleistungsbereich. Diese Technologien haben Rückwirkungen auf die Länder, die sie einsetzen: Sie verändern die Lebens-und Arbeitsbedingungen der Bevölkerung. Art und Reichweite dieser Veränderungen sind heute noch nicht genau abzuschätzen, und diese Situation der Unsicherheit über die Konsequenzen der neuen Informationstechnologien läßt Raum zu großen Hoffnungen, aber auch zu Befürchtungen.

Schaubild 9: Art und Zeitpunkt künftiger Arbeitnehmerbeteiligung bei Technikeinführung -

Arbeitnehmervertreter % 60 r 50 40 -30 20 10 0 l • . I Planung Keine Beteiligung Verhandlung Ml] Nur Information • Volle Mitbestimmung Quelle: Befragung in 5 EG-Ländern, 1987. 2. 477 Arbeitnehmer*. Auswahl Implementation Phasen der Technikeinführung Nachbewertung Konsultation

Die strategische Bedeutung der technologischen Innovation und ihre unbestimmten sozialen Folgen haben bei den politischen Akteuren und bei den Sozialpartnern auf europäischer Ebene verstärkte Initiativen ausgelöst. Die Europäische Kommission implementiert weitreichende Programme der Technikentwicklung und -anwendung und fördert einen innereuropäischen Technologie-Transfer UNICE, der Zusammenschluß der europäischen Arbeitgeberverbände, betont die Notwendigkeit einer zügigen und flexiblen Anwendung der neuen Technologien. Dagegen verweist der europäische Gewerkschaftsbund (EGB) auf soziale Risiken und die Notwendigkeit der Arbeitnehmerbeteiligung bei der Einführung neuer Technologien. um denkbare negative Entwicklungen der Arbeits-und Lebensbedingungen einzuschränken.

Alle drei Beteiligten — EG-Institutionen. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften — stimmen darin überein, daß eine effiziente Anwendung der neuen Informationstechnologien dann am erfolgreichsten ist, wenn sie in einen breiten sozialen Konsens eingebettet ist. Sozialer Konsens ist aber nur erreichbar, wenn beide Tarifparteien von den mittel-und langfristig positiven Auswirkungen der technologischen Innovationen auf ihre Klientel überzeugt sind.

Dieses Problembewußtsein hat in der Europäischen Gemeinschaft einen politischen Ausdruck gefunden: Das Thema „Arbeitnehmerbeteiligung bei der Einführung neuer Technologien“ wurde, neben dem Thema der Flexibilisierung der Arbeitszeit und der Produktionsstrukturen, ein zentraler Gegenstand im sozialen Dialog, den Jaques Delors, der Präsident der EG-Kommission, initiierte und der im November 1985 in Val Duchesse erstmals stattfand. Grundgedanke des sozialen Dialogs ist, die europäische Entwicklung in schwierigen Bereichen der Wirtschafts-und Sozialpolitik durch eine aktive Beteiligung der Tarifparteien voranzutreiben. Die EG-Kommission wirkt hierbei eher vermittelnd und überläßt die Erstinitiative den Gewerkschaften und den Arbeitgebern.

Als Ergebnis dieses Dialogs wurde im März 1987 eine gemeinsame Erklärung der Sozialpartner in Val Duchesse verabschiedet. In diesem Dokument erkennen die Sozialpartner „the need to make use of the economic and social potential offered by technological innovation in Order to enhance the competitiveness of European firms and to strengthen economic growth thus creating one of the necessary conditions for better employment and, taking particular account of progress in the field of ergonomics, for improved working conditions . . ."

Beide Seiten stimmen darin überein, daß bei technologischen Veränderungen in den Unternehmen und Betrieben mit weitreichenden Auswirkungen auf die Beschäftigten die Arbeitnehmer und/oder ihre Vertreter informiert und konsultiert werden sollen, und zwar in Übereinstimmung mit den Gesetzen. Vereinbarungen und Verfahrensweisen, die in den jeweiligen Ländern der Europäischen Gemeinschaft gelten. Diese Information und Konsultation „must facilitate and should not impede the introduction of new technology, the final decision being exclusively the responsibility of the employer or of the decision-making bodies of the firm. It is understood that this prerogative does not exclude the possibility of negotiation where the parties take a decision to that effect . . .“. * Diese politische Entwicklung bildet den Hintergrund der im folgenden dargestellten Forschungsergebnisse der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens-und Arbeitsbedingungen in Dublin Zentrales Thema der Studie sind der gegenwärtige Umfang, die Effekte und die künftig gewünschte Intensität von Arbeitnehmerbeteiligung bei der Einführung neuer Technologien in der Europäischen Gemeinschaft. Dabei wird überprüft, inwieweit die Vorstellungen der EG-Kommission sowie der europäischen Verbände von Arbeitgebern und Arbeitnehmern den Motiven, dem Handeln und den Erfahrungen der Akteure in den Unternehmen entspricht. Geplant ist eine Umfrage in allen zwölf Mitgliedsländern der EG. In fünf Mitgliedsländern — Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und Dänemark — ist die Umfrage (mit knapp 5 000 Interviews) bereits erfolgt. Gegenstand unserer Analyse sind die Befragungsergebnisse aus diesen fünf Ländern.

II. Neue Informationstechnologien: Potentiale 000 Interviews) bereits erfolgt. Gegenstand unserer Analyse sind die Befragungsergebnisse aus diesen fünf Ländern.

Schaubild 2: Art und Zeitpunkt von Arbeitnehmerbeteiligung bei Technikeinführung -Manager • Keine Beteiligung Verhandlung 111111111 • 2 Nur Information Volle Mitbestimmung Quelle: Befragung in 5 EG-Ländern, 1987; 2. 477 Manager. • Konsultation E=

II. Neue Informationstechnologien: Potentiale für erweiterte Arbeitnehmerbeteiligung

Schaubild 3: Art und Zeitpunkt von Arbeitnehmerbeteiligung bei Technikeinführung -Arbeitnehmervertreter • Keine Beteiligung Verhandlung lllllllll • Nur Information Volle Mitbestimmung • Quelle: Befragung in 5 EG-Ländern, 1987; 2. 477 Arbeitn. Vert. Konsultation Elil

Die politische Diskussion über die Erweiterung der Arbeitnehmerbeteiligung in Europa wurde durch eine veränderte Sicht von Technologieentwicklung und -einsatz beeinflußt: Lange Zeit herrschte in der Theorie ein deterministisches Denken vor. wonach Technikanwendung in den Unternehmen einer eigenen, unveränderlichen Logik folgt, nur eine einzige optimale technische Lösung erlaube und dementsprechend auch absehbare Wirkungen für das Unternehmen und die Beschäftigten habe. Diese traditionelle Sicht der Technik wurde anfangs umstandslos auf die neuen Informationstechnologien übertragen. Auf der Grundlage dieses Determinismus formierten sich dann zwei Ansichten, die die Konsequenzen der neuen Technologie optimistisch oder pessimistisch beurteilten.

Zahlreiche Gewerkschaften und viele Arbeitnehmer teilten die pessimistische Sichtweise und standen den neuen Technologien ablehnend gegenüber. Angesichts ihrer großen Effizienz befürchtete man vor allem Arbeitsplatzverluste, Lohneinbußen, Dequalifizierung und verschärfte Kontrolle der Arbeit. Die Gewerkschaften und die betrieblichen Interessenvertreter sahen ihre Aufgabe vor allem in der Eingrenzung und Abwehr dieser befürchteten Negativwirkungen. Dieser reaktive Politikansatz ließ den Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretem naturgemäß wenig Handlungsspielraum.

Seit einigen Jahren setzt sich nun eine neue Bewertung von Technik und Technikeinsatz durch: Forschungsergebnisse und praktische Erfahrungen haben verdeutlicht, daß der Einsatz von Technik nie so deterministisch verlief und so eindeutige Auswirkungen hatte, wie gemeinhin angenommen 4). Vielmehr konnte nachgewiesen werden, daß dieselbe Technik oft sehr unterschiedlich eingesetzt wurde. was dann auch zu unterschiedlichen Wirkungen für die Beschäftigten führte. Galt dies bereits für die älteren Technologien, so trifft dies insbesondere auf die neuen Informationstechnologien zu. Sie enthalten ein großes Potential verschiedenartiger Anwendungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Formen der Arbeitsorganisation und der Qualifikationsentwicklung und -anwendung 5). Die neue Technik eröffnet größere Gestaltungsspielräume für alle Beteiligten, wobei die Gestaltungsspielräume mit zunehmender Komplexität der verwendeten Informationstechnologie tendenziell wachsen

Für das Management, für die Gewerkschaften und für die betrieblichen Arbeitnehmervertreter bedeutete diese Erkenntnis eine Erweiterung ihrer Handlungsmöglichkeiten: Die Planung, die Auswahl und die Einführung neuen Technologien kann zum Gegenstand eigener betrieblicher Politik werden. Aus der Sicht der Beschäftigten eröffnet sich die Möglichkeit der Einbeziehung einzelner Arbeitnehmer und ihrer kollektiven Interessenvertretung in Prozesse der Gestaltung der Technikanwendung, die zu wünschenswerten und konsensfähigen Arbeitsbedingungen führen.

Auch innerhalb der Arbeitgeberverbände und des Managements setzte eine Debatte über Arbeitnehmerbeteiligung bei der Einführung neuerTechnologien ein: Der Einsatz komplexer und teurer Informationstechnologie ist in der Regel mit großen Unsicherheiten über ihr Funktionieren und ihre ökonomischen und arbeitsorganisatorischen Auswirkungen behaftet. So zeigen die Forschungsergebnisse und praktischen Erfahrungen:

— Der Planungsprozeß ist normalerweise langwieriger als erwartet.

— Die Einführung der neuen Technologien ist in der Regel mit großen technischen und organisatori-sehen Problemen verbunden, die meist nicht vorab gelöst werden können.

Diese Schwierigkeiten haben in zahlreichen europäischen Unternehmen dazu geführt, technologische Innovation faktisch als einen Lernprozeß zu behandeln, dessen erster Schritt darin besteht, die Problemstellung aus der Sicht der Betroffenen zu definieren. Betroffen sind dabei die unterschiedlichsten Hierarchieebenen und Abteilungen eines Unternehmens, Managementpositionen und normale Arbeitnehmer. Der Ansatz, technische Innovation als Lernprozeß aller Beteiligten zu behandeln, verweist auf die Bedeutung frühzeitiger und intensiver Einbeziehung von Beschäftigten für eine erfolgreiche Technikeinführung. Das Wissen, die Erfahrung und die Intelligenz der Arbeitnehmer gehen somit als Produktivfaktor in den Planungs-, Gestaltungs und Implementierungsprozeß der Technik ein.

Aus Sicht des Managements sprechen weitere Gründe für die verstärkte Mitsprache von Arbeitnehmern und ihrer Interessenvertretungen im Prozeß der gegenwärtigen technologischen Innovationen: Zentrale Unternehmensziele bei der Einführung neuer Informationstechnologien sind die Verbesserung der Produktqualität und der Flexibilität der Produktion. Diese Ziele werden durch qualifizierte und motivierte Mitarbeiter, die sich mit der Technologie und mit wichtigen Unternehmenszielen identifizieren, am besten erreicht Kooperative industrielle Beziehungen und ein gutes Betriebsklima erhalten somit den Charakter eines zusätzlichen Produktionsfaktors. Die Einbeziehung von Arbeitnehmern und der betrieblichen Interessenvertretung in strategisch wichtige Entscheidungsprozesse bei technischen Innovationen könnte diese kooperativen industriellen Beziehungen fördern.

III. Untersuchungsmethode

Schaubild 4: Wirkung der Arbeitnehmerbeteiligung auf Entscheidungsprozesse und Nutzung vorhandener Qualifikationen -Manager • verschlechtert gleich Quelle: Befragung in 6 EG-Ländern, 1987; 2. 477 Manager I I verbessert

In der ersten Untersuchungsphase, über die hier berichtet wird, wurde die Beteiligung von Arbeitnehmern bei der Einführung moderner Informationstechnologien durch eine mündliche Befragung von Managern und Arbeitnehmervertretern in den vier großen Mitgliedsländern der Europäischen Gemeinschaft (Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien) und in Dänemark erhoben. Insgesamt wurden 4 654 Interviews durchgeführt. Damit ist diese Befragung die bei weitem größte Untersuchung, die zum Thema Arbeitnehmerbeteiligung in Europa jemals durchgeführt wurde. Die Interviews verteilen sich je zur Hälfte auf Manager und auf Arbeitnehmervertreter in 1 768 Firmen. Im Durchschnitt wurden pro Firma zwei Manager, überwiegend aus dem MittelManagement, befragt. Die Zahl der Arbeitnehmervertreter pro Firma entspricht spiegelbildlich der Zahl der befragten Manager. Durch die national unterschiedlichen Regelungen von Arbeitnehmervertretung in Europa ist die Gruppe der befragten Arbeitnehmervertreter relativ heterogen. In der Bundesrepublik handelt es sich ausschließlich um Betriebsräte.

Die Studie konzentriert sich auf fünf Wirtschaftsbranchen: Im Produktionsbereich wurden der Maschinenbau und die Elektroindustrie, im Dienstleistungsbereich Banken, Versicherungen und der Einzelhandel untersucht. Dabei erfolgte die Auswahl der Betriebe nach dem Zufallsprinzip, wobei drei wichtige Einschränkungen galten: Es wurden nur Betriebe erfaßt, die neue Informationstechnologien anwenden, die eine bestimmte Beschäftigtenzahl aufwiesen (im Einzelhandel beispielsweise mehr als 50 Beschäftigte) und die eine institutionalisierte Interessenvertretung hatten. So sind in der deutschen Auswahl Firmen ohne Betriebsrat nicht enthalten.

Der Zugang zu den Firmen erfolgte über den Personalchef. Inwieweit hierdurch eine Selbstauswahl von Betrieben mit positiven Erfahrungen hinsichtlich der neuen Technologien und der Arbeitnehmerbeteiligung stattfand, ist mit den eigenen Daten nicht zu entscheiden. Ein Abgleich unserer Daten mit einer Untersuchung des Arbeitsministeriums in Großbritannien, die diese mögliche Verzerrung mit Sicherheit nicht hat, zeigt eine auffallende Parallelität beider Untersuchungsergebnisse Dies ist ein deutlicher Hinweis auf eine unverzerrte Auswahl der Fünf-Länder-Studie. Die Untersuchung wurde durch Harris (London) und GfK (Nürnberg) koordiniert und zwischen Februar und Mai 1987 durchgeführt.

IV. Intensität der Partizipation in Europa

HB verschlechtert Schaubild 5: Wirkung von Arbeitnehmerbeteiligung auf Entscheidungsprozesse und Nutzung vorhandener Qualifikationen -

Arbeitnehmervertreter gleich verbessert Quelle: Befragung in 6 EG-Ländern, 1987; 2. 477 Arbeitnehmerv.

Ein zentrales Ziel dieser Untersuchung ist die Bestandsaufnahme, die Beschreibung des Umfangs bisheriger Arbeitnehmerbeteiligung bei der Einführung von Informationstechnologien in Europa. Ein methodisches und inhaltliches Problem besteht hier in der Vielfalt unterschiedlicher nationaler Beteiligungsmodelle und historisch gewachsener Regelungen in den Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Einige wichtige Trennungslinien in den Modellen und den Inhalten von Arbeitnehmerbeteiligung sollen vorweg erwähnt werden: — Es gibt institutionalisierte Formen der Arbeitnehmervertretung, durch die Partizipation entweder gesetzlich oder tarifvertraglich geregelt sind. Ihnen stehen andere Beteiligungsformen gegenüber, beispielsweise ad-hoc Maßnahmen, kurzfristige oder auf einzelne Aufgaben bezogene Partizipationsregelungen in Form von task-forces. Projektgruppen, Qualitätszirkeln oder Arbeitsgruppen. — Länder unterscheiden sich nach eher tarifvertraglichen (Dänemark, Italien, Großbritannien) oder nach eher gesetzlichen Regelungen (Niederlande. Bundesrepublik). Bei tarifvertraglichen Regelungen können stark zentralisierte Abkommen vorherrschen (Dänemark, Italien), während wir in Großbritannien und Irland eher Betriebsvereinbarungen vorfinden. — Auch die Inhalte der verschiedenen Regelungsformen variieren beträchtlich. Hier lassen sich eher prozedurale und eher substantielle Inhalte unterscheiden. Prozedurale Vereinbarungen regeln Form und Ablauf der Arbeitnehmerbeteiligung, während sich substantielle Vereinbarungen auf Probleme der Arbeitsorganisation, Arbeitssicherheit, Arbeitsbedingungen, Qualifikation. Lohnniveau etc. beziehen.

Wenn im folgenden Überblick über einige Aspekte der Arbeitnehmerbeteiligung in fünf EG-Staaten referiert wird, müssen wir uns dieser Vielfalt von Partizipationsregelungen und der manchmal unterschiedlichen Bedeutungsinhalte bewußt bleiben. Der Versuch einer ersten europäischen Situationsanalyse hat mit diesem Normalproblem des interkulturellen Vergleichs zu leben. Dies gilt gleichermaßen für den Versuch, für die Intensität von Arbeitnehmerbeteiligung ein einheitliches Maß zu finden, das die Vielfalt innerhalb Europas analytisch erfaßt. Gewisse Schwierigkeiten einer präzisen arbeits-und tarifvertraglichen Zuordnung sowie der genauen Interpretation der einzelnen Beteiligungsformen lassen sich in dieser komparativen Perspektive natürlich nicht vermeiden.

Im Rahmen dieser Untersuchung wurden fünf Niveaus der Beteiligung von Arbeitnehmervertretern unterschieden: — keine Arbeitnehmerbeteiligung: Das Management plant und implementiert die neuen Technologien ohne jedwede Arbeitnehmerbeteiligung.

— Information: Das Management informiert die Arbeitnehmervertreter schriftlich oder in gemeinsamen Treffen.

— Konsultation: Es werden gemeinsame Komittees eingerichtet, in denen die Arbeitnehmervertreter nicht nur durch das Management informiert werden, sondern auch selber Stellung nehmen und bei unterschiedlicher Auffassung vom Management eine Begründung erwarten können. — Verhandlungen: In gemeinsamen Verhandlungskommissionen auf betrieblicher oder überbetrieblicher Ebene werden vertraglich bindende Resultate erarbeitet. — Volle Mitbestimmung: Die Arbeitnehmervertreter haben ein Vetorecht. Entscheidungen bedürfen der Zustimmung beider Parteien.

Befragt man nun Manager und Arbeitnehmervertreter in fünf EG-Staaten nach der Intensität der Arbeitnehmerbeteiligung im Sinne der hier vorgestellten Definition, so ergeben sich zwei zentrale Ergebnisse (vgl. Schaubild 1):

— Das Ausmaß faktischer Beteiligung bei der Einführung neuer Technologien ist gering.

— Beide Befragtengruppen nehmen diese Situation fast identisch wahr.

Nach Angabe von 14 Prozent der Manager fehlt in den Firmen jedwede Arbeitnehmerbeteiligung. Die Hälfte der Manager (51 Prozent) informiert die Arbeitnehmervertreter über die technische Innovation. 16 Prozent der Manager berichten von Konsultationen, sechs Prozent von Verhandlungen, und in 13 Prozent der Fälle wird volle Mitbestimmung praktiziert. Mit anderen Worten: Formen der Arbeitnehmerbeteiligung mit größeren Konsequenzen sind verhältnismäßig selten. Die zumeist praktizierte Beteiligung hat ihren Schwerpunkt lediglich in der Form der alleinigen Informierung der Arbeitnehmervertreter über technische Veränderungen durch das Management.

Der Antwortvergleich von Managern und Arbeitnehmervertretern in Schaubild 1 zeigt nur minimale Unterschiede. Die Antworten sind so gut wie dek-kungsgleich. Aus methodischer Sicht ist dies ein deutlicher Hinweis auf die Qualität der erhobenen Daten. Die Ergebnisse können deshalb als eine gute Annäherung an die faktischen Verhältnisse in den untersuchten Firmen akzeptiert werden. Technologische Innovationen haben Prozeßcharakter. Die Einführung neuer Technologien durchläuft einen längeren Zeitraum und mehrere Phasen. Für die empirische Analyse eines solchen Innovationsprozesses unterscheiden wir die folgenden vier Phasen: -Planungsphase: Hier fällt die grundsätzliche Entscheidung über die technische Innovation. In diese Entscheidung fließen Überlegungen über die durch die neue Technikeinführung anzustrebenden Unternehmensziele ein. -Phase der Technikauswahl: Auf der Grundlage der in der Planungsphase getroffenen Entscheidungen wird die zur Zielerreichung geeignete Technik ausgewählt. — Ifnplementationsphase: Die ausgewählte Technik wird im Betrieb installiert. Diese Phase ist insofern problematisch, da die neue Technik in die bestehende Betriebsorganisation eingebunden oder eventuell eine neue Organisationsform entwickelt werden muß. Durch die Neuartigkeit gerade der Informationstechnologie, auf die sich bewährte Organisationsschemata meist nicht ohne weiteres übertragen lassen, ist diese Phase im allgemeinen gekennzeichnet als ein Experimentierstadium mit Lösungsversuchen. Dabei müssen die Produktion und der Geschäftsbetrieb solange mit konventionellen Mitteln weitergeführt werden, bis die neue Technik den Beteiligten beherrschbar erscheint. — Phase der Nachbewertung: Hier ist die neue Technologie installiert, und es werden Optimierungen im Betriebsablauf vorgenommen und kurzfristig auftretende Störungen behoben. Auch erfolgt hier die Beurteilung der neuen Situation im Lichte der ursprünglichen Investitionsüberlegungen.

Betrachten wir die vier Phasen im Überblick, so erweisen sich die ersten beiden Zeitabschnitte der Investitionsplanung und der Technikauswahl als die strategischen, die Implementations-und die Nachbewertungs-Phase als die operationalen Phasen der Innovation. In den strategischen Phasen fallen die Grundsatzentscheidungen, die den Rahmen für spätere arbeitsorganisatorische Lösungen schon weitgehend vorgeben. Von den beiden operationalen Phasen ist im betrieblichen Alltag vor allem das Implementationsstadium von Bedeutung. Hier bewegen sich Entscheidungen in einem zwar wichtigen, durch die Festlegungen in den vorangegangenen Phasen jedoch bereits stark eingeengten Rahmen von Detaillösungen.

In jeder dieser vier Phasen ist Arbeitnehmerbeteiligung möglich. Die empirische Analyse zeigt ein typisches Muster der Intensität von Arbeitnehmer-beteiligung in den vier Innovationsphasen (vgl. Schaubilder 2 und 3): Intensivere Beteiligungsformen finden wir am ehesten in den beiden operationalen Phasen. Sie sind vergleichsweise selten in den Phasen der Technikplanung und -auswahl. Nach den Auskünften beider Befragtengruppen lassen sich die beiden strategischen Phasen durch eine Kombination von fehlender Beteiligung und alleiniger Informierung charakterisieren: Für die Planungsphase geben 35 Prozent der Manager keine Arbeitnehmerbeteiligung an; 44 Prozent informieren ihre Belegschaften und Arbeitnehmervertreter. Somit umfassen Konsultationen, Verhandlungen und Mitbestimmungsprozeduren nur 21 Prozent aller Beteiligungsformen in der Planungsphase. Die befragten Arbeitnehmervertreter zeichnen ein fast identisches Bild über die Planungsphase. An diesem Punkte zeigt sich, daß strategische Entscheidungen über technische Innovationen in den fünf EG-Ländern weiterhin ein Vorrecht des Managements sind.

Noch geringer ist die Beteiligung von Arbeitnehmervertretern in der Phase der Technikauswahl. Zwar entfallen auch hier 19 Prozent der Beteiligungsformen auf Konsultationen, Verhandlungen und Mitbestimmung. Jedoch ist — nach Manager-Auskunft — der Anteil von Nicht-Beteiligung mit 48 Prozent besonders hoch und geht zu Lasten der Informierung der Beschäftigten. Die befragten Arbeitnehmervertreter geben sehr ähnliche Informationen. nur sind diese noch etwas negativer: Allein 57 Prozent geben an, in dieser Phase nicht in Entscheidungen einbezogen zu werden, und nur 16 Prozent verweisen auf Formen der Konsultation, Verhandlung und Mitbestimmung.

Dieses Analyseergebnis verdeutlicht zwei Sachverhalte: Die Auswahl der für den Betriebszweck geeigneter Technologien verlangt technische Expertise und ist die Stunde der Ingenieure und anderer Experten. Andererseits verfügen die Arbeitnehmervertreter in der Regel nicht über das notwendige, hochspezialisierte Technikwissen. Insofern ergänzen sich beide Sachverhalte und erklären so die Tatsache geringer Arbeitnehmerbeteiligung in der Phase der Technikauswahl.

In den beiden operationalen Phasen verändert sich das Bild beträchtlich. Die Nicht-Beteiligung von Arbeitnehmervertretern geht deutlich zurück und macht Platz für die intensiveren Beteiligungsformen. Zwar bleibt auch hier das bloße Informieren nach Aussage beider Befragtengruppen die häufigste Beteiligungsform. Aber der Anteil von Konsultationen wächst kontinuierlich und erreicht in der Nachbewertungsphase einen Wert von 28 Prozent (Arbeitnehmervertreter: 23 Prozent). Gleiches gilt für Verhandlungen und volle Mitbestimmung: Nach Angaben sowohl der Manager als auch der Arbeitnehmervertreter liegen die Anteile in der Nachbewertungsphase bei identischen neun und zehn Prozent. Intensivere Arbeitnehmerbeteiligung konzentriert sich demnach am ehesten auf die beiden operationalen Phasen der Technikimplementation und -nachbewertung.

Betrachten wir die Antworten beider Gruppen im Zusammenhang, so zeigt sich eine frappierende Ähnlichkeit in den Informationen: Obwohl vor allem in den beiden strategischen Phasen die Informationen der Manager und der Arbeitnehmervertreterim Detail differieren, sind die Antwortmuster für die einzelnen Innovationsphasen doch weitgehend identisch. Die geringen Differenzen lassen sich auf den Nenner bringen: Manager tendieren dazu, die faktische Beteiligung der Arbeitnehmervertreter stärker zu betonen als diese selbst.

V. Die Erfolge der Partizipation

Schaubild 6: Wirkung der Arbeitnehmerbeteiligung auf verschiedene Bereiche -Manager (in • verschlechtert Quelle: Befragung in 5 EG-Ländern, 1987. 2. 477 Manager. gleich • verbessert Prozent)

Partizipation hat nur dann eine Chance, als betriebliches Politikinstrument akzeptiert zu werden, wenn den Beteiligten aus ihrem partizipativen Verhalten zumindest keine Nachteile erwachsen. Sie kann als Handlungsmuster eigentlich nur dann gesucht und ausgebaut werden, wenn allen Beteiligten hieraus Vorteile erwachsen. Die Frage nach den Wirkungen oder Erfolgen der Arbeitnehmerbeteiligung bei der Einführung neuer Technologien gibt dementsprechend auch erste Hinweise über die Zukunft der Idee der Arbeitnehmerbeteiligung in Europa.

Ein wichtiger Einwand gegen Arbeitnehmerbeteiligung im Prozeß technischer Neuerungen ist — aus Management-Sicht — die Befürchtung, notwendige Entscheidungen könnten verzögert und dadurch die Effektivität der Unternehmung beeinträchtigt werden. Die Befragungsdaten aus den fünf europäischen Staaten bestätigen diese Befürchtung nicht; das Gegenteil trifft sogar zu, wie die Schaubilder 4 und 5 belegen.

Der Vergleich der Einschätzungen von Managern und Arbeitnehmervertretem zu den Auswirkungen von Partizipation auf Qualität und Dauer von Entscheidungen sowie auf die Dauer von Technikimplementation sind in ihren Prozentanteilen so weitgehend identisch, daß die geringen Abweichungen fast in den Meßfehlerbereich der Datenerhebung fallen. Aus diesem Grunde können wir uns allein auf die Aussagen der Manager konzentrieren. Hier zeigt sich als erstes wichtiges Ergebnis, daß Arbeitnehmerbeteiligung die erwähnten drei Entscheidungsfelder in der Sicht von rund zwei Dritteln der befragten Manager weder negativ noch positiv beeinflussen. Wo Effekte genannt werden, liegen die positiven Wirkungen immer und zum Teil beträchtlich über den negativen Folgen. Ganz besonders gilt dies für die Qualität der Entscheidungsfindung: Kein Manager — der eine Prozentpunkt fällt in den Meßfehlerbereich — sieht hier Verschlechterungen aufgrund von Arbeitnehmer-Partizipation; jedoch fast ein Drittel (32 Prozent) gibt qualitativ verbesserte Entscheidungen zu Protokoll. Die Dauer der Technikimplentation wird nach Angaben eines Teils der Manager Prozent) verlängert; ein Viertel der Befragten verweist jedoch auf eine Verkürzung des Technik-Einführungsprozesses. Gemessen an diesen Ergebnissen wird die Entscheidungsdauer unter dem Einfluß von Arbeitnehmerbeteiligung noch am negativsten beeinflußt. Den 11 Prozent Negativbewertungen stehen jedoch die Aussagen von 21 Prozent der Manager gegenüber, die auch hier positive Effekte im Sinne einer Verkürzung von Entscheidungsprozessen sieht. In diesen drei Problemfeldem überwiegen die Erfolge von Beteiligung ganz deutlich die negativen Folgen.

Die erhöhte Qualität der Entscheidungen korrespondiert mit dem außerordentlich positiven Urteil, das beide Parteien über die Nutzung des vorhandenen Qualifikationspotentials der Belegschaft im Zuge der Arbeitnehmerbeteiligung abgeben. 53 Prozent der Manager und 58 Prozent der Arbeitnehmervertreter weisen darauf hin, daß die technischen Innovationen auch durch die verstärkte Berücksichtigung und Einbeziehung des innerbetrieblichen Qualifikationspotentials gefördert wurden. Dieses Ergebnis ist in zweifacher Hinsicht bedeutsam: 1. Mitarbeiterqualifikationen beinhalten Modernisierungsreserven. die durch Beteiligungsverfahren aktiviert werden und die dem Unternehmen und seiner Wettbewerbsfähigkeit zugute kommen. Genutzte und aktivierte Qualifikationen erhöhen die Flexibilität, die Motivation und die Selbständigkeit der Beschäftigten, Eigenschaften, die für das optimale Funktionieren der neuen Informationstechnologien in den Betrieben häufig vorausgesetzt werden. Sie entlasten das Management bei der Technikeinführung und -anwendung. 2. Für die beteiligten Arbeitnehmer eröffnen sich bessere berufliche Chancen. Sie entwickeln ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten weiter, sie festigen ihr Arbeitsverhältnis, direkt durch die Entwicklung von Expertentum oder indirekt, indem ihre qualifizierte Arbeitsleistung zur Effektivität und zur Wettbewerbsfähigkeit ihres Unternehmens beiträgt.

Neben diesen wichtigen Problemen der Entscheidungsfähigkeit des Managements und der Nutzung von Mitarbeiterqualifikationen gibt es eher indirekte Aspekte innerbetrieblicher Politik, die für eine erfolgreiche Technikeinführung und für eine effiziente Anwendung der Technik in der Zukunft fast ebenso bedeutungsvoll sind. Angestoßen durch den Wirtschaftserfolg Japans und anderer asiatischer Länder gibt es seit einem Jahrzehnt in den Industrienationen des Westens eine lebhafte Diskussion über die Merkmale und die Voraussetzungen erfolgreicher Wirtschaftsorganisationen. Unter dem Begriff der Untemehmenskultur oder Organisationskultur werden weltweit verschiedene Managementkonzepte zur Steigerung der Effizienz von Organisationen diskutiert 10). Mitarbeiterorientierung ist die zentrale Idee dieser Konzepte. Zu ihnen zählt Corporate Identity, das unverwechselbare Image eines Unternehmens nach außen und die Identifikation der Beschäftigten mit dem Unternehmen, aber auch die ältere Idee des Betriebsklimas aus der Human Relations Schule erfährt neues Interesse. Die emotionale Bindung von Mitarbeitern an ihr Unternehmen, mit dem sie sich identifizieren und das positive Engagement der Beschäftigten an ihren Arbeitsaufgaben werden als wichtige Voraussetzungen für den Organisationserfolg gefördert.

Arbeitnehmerbeteiligung bei der Einführung neuer Technologien trägt offensichtlich dazu bei, diese Managementziele zu erreichen, wie die Schaubilder 6 und 7 zeigen.

Aus der Sicht des Managements hat die bisherige Arbeitnehmerbeteiligung das gegenseitige Verständnis im Unternehmen beträchtlich verstärkt. Rund die Hälfte der Manager sieht eine größere Aufgeschlossenheit der Belegschaft gegenüber den eigenen Problemen. In gleichem Umfang ist ihre Sensibilität gegenüber den Mitarbeiterproblemen gewachsen. Ein gutes Viertel (28 Prozent) der Manager berichtet von einer Verbesserung des Betriebsklimas aufgrund von Arbeitnehmerbeteiligung im technischen Innovationsprozeß.

Die Akzeptanz der neuen Technik durch die Beschäftigten ist eine kritische Variable für erfolgreiche Innovationen. Widerstände der Arbeitnehmer verlangsamen den Einführungsprozeß und führen zu Reibungsverlusten und zu Ineffizienz in der Technikanwendung. Für dieses Problemfeld hat nach Aussagen der Manager die Arbeitnehmerbeteiligung einen außerordentlich positiven Effekt. Fast zwei Drittel der Manager (64 Prozent) verweisen auf eine erhöhte Technikakzeptanz bei den Beschäftigten als Folge von Arbeitnehmer-Partizipation. Ein weiterer Aktivposten ist, daß ein gutes Drittel der Manager (34 Prozent) eine verstärkte Identifikation der Arbeitnehmer mit ihrem Unternehmen sieht.

Arbeitnehmervertreter bewerten die Erfolge der Partizipation sehr ähnlich. Das gegenseitige Verständnis im Unternehmen hat sich erhöht; das Betriebsklima hat sich häufig verbessert; viele Belegschaften identifizieren sich stärker mit dem Unternehmen, und die Technikakzeptanz ist außerordentlich gewachsen. Dabei gibt es zwischen beiden Gruppierungen nur geringe Unterschiede in der Bewertung. Arbeitnehmervertreter sehen die Erfolge der Partizipation nicht ganz so positiv wie das Management, und sie sehen zu etwas höheren Anteilen (im Durchschnitt fünf Prozent) auch Verschlechterungen, die vom Management kaum wahrgenommen wurden (durchschnittlich zwei Prozent).

Diese Einschränkungen trüben jedoch keineswegs das positive Gesamtbild. In den analysierten Wirkungsfeldem hat Arbeitnehmerbeteiligung bei der Einführung neuer Technologien in Europa aus der Sicht beider Gruppierungen kaum negative Effekte. Wo Partizipation Veränderungen bewirkt hat, überwiegen eindeutig die positiven Bewertungen.

VI. Die Zukunft von Arbeitnehmerbeteiligung

Schaubild 7: Wirkung der Arbeitnehmerbeteiligung auf verschiedene Bereiche -Arbeitnehmervertreter (in Prozent) • verschlechtert gleich Quelle: Befragung in 5 EG-Ländern, 1987; 2. 477 • verbessert Arbeitnehmerv.

Es ist ein Allgemeinplatz psychologischer Erkenntnis. daß erfolgreiches Verhalten bestärkt und wiederholt wird. Wenden wir dieses Prinzip auf das Problem der Arbeitnehmerbeteiligung bei technologischen Innovationen an, so ist zu erwarten: Partizipation, die in der Vergangenheit positive Wirkungen für alle Beteiligten hatte, hat eine erhöhte Chance, in Zukunft intensiviert und ausgebaut zu werden. Wie bereits dargelegt, berichteten sowohl Manager als auch Arbeitnehmervertreter über zum Teil sehr positive Erfahrungen mit den praktizierten Beteiligungsprozeduren. Welche Konsequenzen hat dies für die Entwicklung des Partizipationskonzepts in der Zukunft?

Schaubilder 8 und 9 fassen die Vorstellungen zusammen, die beide Gruppierungen über die Intensität der Beteiligung in den vier Phasen technischer Innovationsprozesse für die Zukunft haben. Als erstes Ergebnis ist hervorzuheben, daß sowohl Manager als auch Arbeitnehmervertreter in ihren Erwartungen an die Zukunft deutlich über die bisher praktizierten Beteiligungsformen hinausgehen (vgl. hierzu Schaubilder 2 und 3). Generell verschieben sich die Wünsche in beiden Gruppen zu den höheren Beteiligungsformen. Allerdings wird in diesem Punkte erstmals ein bedeutender Dissens zwischen beiden sichtbar, denn die Wünsche der Arbeitnehmervertreter sind viel weitreichender als die der Manager.

Unter den Managern haben sich die Anteile derer, die für die Zukunft keine Arbeitnehmerbeteiligung anstreben, gegenüber der Praxis in der Vergangenheit mehr als halbiert, und dies in fast allen Phasen der Technikeinführung. In den beiden operationalen Phasen lehnt nur jeder zehnte Manager jedwede Arbeitnehmerbeteiligung in der Zukunft ab. Bei der Planung und Auswahl neuer Technologie lehnen zwar 15 bzw. 25 Prozent der Manager eine künftige Arbeitnehmerbeteiligung ab, jedoch liegen diese Anteile gegenüber der Praxis in der Vergangenheit deutlich niedriger. Die größere Offenheit für Beteiligung macht sich vor allem im Wunsch nach verstärkten Konsultationen bemerkbar. In den beiden strategischen Phasen präferiert jeder vierte und in den operationalen Phasen ca. jeder dritte Manager in Europa konsultative Beteiligungsverfahren. Wenig Veränderungen hingegen zeigen sich bei den substantielleren Beteiligungsformen wie Verhandlungen und volle Mitbestimmung. Nur jeder zehnte Manager befürwortet eine volle Mitbestimmung in der Planungsphase. Bei der Technikimplementierung erhöht sich dieser Anteil auf 18 Prozent. Die Zahlen zeigen, daß aus Sicht des Managements die wichtigen Entscheidungen über den Gesamtprozeß technischer Innovationen auch in Zukunft bei der Unternehmensleitung verbleiben sollen. Abweichende Positionen werden nur von einer kleinen Minderheit der Manager, vor allem in Dänemark, vertreten.

Die Vorstellungen der Arbeitnehmervertreter über künftige Arbeitnehmerpartizipation gehen mehrheitlich jedoch weit über die Intentionen des Managements hinaus. In allen Phasen wünscht zumindest ein Viertel der Arbeitnehmervertreter jeweils Konsultationen und volle Mitbestimmung, und durchschnittlich 17 Prozent setzen auf Verhandlungsstrategien. Der Wunsch nach intensiven Beteiligungsformen ist für die beiden operationalen Phasen der Technikeinführung, der Implementation und der Nachbewertung, am ausgeprägtesten. Gleichermaßen deutlich richtet er sich auch auf die strategischen Phasen, wobei sich die Phase der Technikselektion (wie bereits in der Vergangenheit) als kritisch erweist, auch für die Manager: Obwohl auf wesentlich niedrigerem Niveau, wünschen hier beide Gruppen in der Zukunft wenig Arbeitnehmerbeteiligung, was sich in vergleichsweise hohen Prozentsätzen „keine Beteiligung“ sowie „nur Information“ ausdrückt. Somit erweist sich die konkrete Auswahl neuer Technologie als das für die Partizipationsidee sperrigste Handlungsfeld, und beide Gruppierungen bewerten die Situation ähnlich.

Schaubild 9 enthält ein weiteres interessantes und etwas verwirrendes Detail: In die Planungs-und der Selektionsphase wünscht rund ein Drittel der Arbeitnehmervertreter überhaupt nicht einbezogen oder nur informiert zu werden. In den beiden ope45 rationalen Phasen beträgt dieser Anteil immerhin noch rund 20 Prozent. Aus welchen Gründen könnten Arbeitnehmervertreter auf Einflußmöglichkeiten auf das Management verzichten wollen? Hier ist daran zu erinnern, daß die Idee einer Beteiligung von Arbeitnehmervertretern an der Unternehmens-und Betriebspolitik in den europäischen Gewerkschaften nicht unumstritten ist. Oft zögern Gewerkschafter und ihre Organisationen, für Fragen der Beschäftigungssicherheit, der Arbeitsorganisation.der Qualifikationsentwicklung der Mitarbeiter und für andere Problembereiche Verpflichtungen zu übernehmen, durch die sie sich binden und die ihren Handlungsspielraum einengen könnten. Auch eine Beteiligung an der strategischen Technikplanung kann handlungslimitierende Verpflichtungen gegenüber dem Unternehmen und gegenüber den betrieblichen Folgen dieser Mitbestimmung bedeuten.

Hier werden Fragen des gewerkschaftlichen Selbstverständnisses angesprochen, die generelle Bewertung des Wirtschaftssystems, des Umgangs mit der anderen Seite — den Unternehmern und Managern — . die Grundsatzfrage, wie konfliktreich oder kooperativ die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sein sollten. In der Bundesrepublik praktizieren beide Tarifparteien einen kooperativen Politikstil, und auch die Mitübernähme von Verantwortung für Unternehmen und Betriebe durch die Gewerkschaften und ihre Vertreter hat Tradition. Wir dürfen in diesem Zusammenhang jedoch nicht vergessen, daß wir hier europäische Daten zur Beteiligungsfrage diskutieren und daß die kooperativen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen der Bundesrepublik keine europäische Norm darstellen und auch unter den EG-Staaten, die in unserer Auswahl erfaßt sind, eher in der Minderheit sind.

VII. Zusammenfassung und Ausblick

Schaubild 8: Art und Zeitpunkt künftiger Arbeitnehmer-beteiligung bei Technikeinführung -Manager 50 -Quelle: Befragung In 5 EG-Ländern, 1987; 2. 477 Manager. % • I i Keine Beteiligung Verhandlung Phasen der Technikeinführung IIII Nur Information • E Volle Mitbestimmung Konsultation 60

Trotz dieser Einschränkungen bleibt festzuhalten, daß im Durchschnitt der fünf analysierten Staaten der Europäischen Gemeinschaft sowohl das Management als auch die Arbeitnehmerseite künftig mehr Partizipation praktizieren möchten. Daß dabei die Arbeitnehmerseite in ihren Erwartungen hinsichtlich Intensität und Zeitpunkt der Beteiligung viel weiterreichende Vorstellungen hat als die Gegenseite, überrascht nicht. Erstaunlich ist eher, daß auch große Teile der Manager der Partizipationsidee für die Zukunft ein größeres Gewicht einräumen. Die positiven Erfahrungen der Arbeitnehmerbeteiligung haben hier ihre Spuren hinterlassen. Dabei verlieren die Manager ihre Vorrechte nicht aus dem Blick: Die Planung technologischer Innovationen fällt in ihren Verantwortungsbereich, und hier sind sie nur sehr begrenzt konzessionsbereit. Für die operationalen Phasen der technischen Innovation scheinen die Beteiligungsverfahren jedoch ihren Wert für das Management bewiesen zu haben. Die deutlich verstärkte Bereitschaft des Managements zu intensivierter Partizipation ist Ausdruck dieser Erfahrung.

Gleiches gilt für die europäischen Arbeitnehmer-vertretungen. Sie sehen in den neuen Informationstechnologien häufig Gefahren für ihre Mitglieder und ihre Organisation, wobei diese Gefahren oft nicht exakt benannt und eingeschätzt werden können. Diese Unsicherheit in der Situationseinschätzung ist auch eine Folge der noch unbekannten Funktionsweisen und Konsequenzen der neuen Technologien selbst. Durch ihr aktives Engagement im Sinne versuchter Technikgestaltung können die Arbeitnehmervertretungen dazu beitragen, Unsicherheitszonen einzugrenzen und den gegenwärtigen wirtschaftlichen Strukturwandel in ihrem Sinne zu beeinflussen. Wie die Analysedaten zeigen, treffen sie dabei auf ein weitgehend aufgeschlossenes Management.

In dem Maße, in dem beide Seiten positive Effekte der Partizipation wahmehmen, wächst ihre Bereitschaft zu kooperativem Verhalten im Prozeß der technologischen Modernisierung. Die bisherigen Daten belegen die überwiegend positiven Erfahrungen beider Seiten mit den praktizierten Beteiligungsverfahren. Dies eröffnet verstärkte Chancen eines kooperativen Politikstils zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei der zur Zeit stattfindenden umfassenden technologischen Modernisierung in Europa.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Z. B. die FAST-, ESPRIT-, BRITE-, DELTA-und DRIVE-Programme.

  2. Social Dialogue: Follow-Up ofVal Duchesse — Joint Opinion of the Working Party „Social Dialogue and New Technology“ Concerning Information and Consultation. Brüssel. 5. März 1987.

  3. Die Stiftung (Europäische Stiftung. Shankill, Co. Dublin, Irland) wird von der EG-Kommission finanziert. Sie wird drittelparitätisch kontrolliert durch Gewerkschaften. Arbeitgeber und staatliche Stellen.

  4. Vgl. Arndt Sorge. Informationstechnik und Arbeit im sozialen Prozeß. Frankfurt-New York 1985.

  5. Vgl. Emst Staudt, Wachsende Freiräume in der Gestaltung von Arbeitsorganisation, in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt und Berufsforschung, 17 (1984), S. 94— 104.

  6. Vgl. Horst Kern/Michael Schumann. Das Ende der Arbeitsteilung?, München 1984. Für die zentralen Aussagen des Buches in Kurzfassung vgl.den Aufsatz der Autoren. Industriearbeit im Umbruch. Versuch einer Voraussage, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. B 45/84. S. 31-38. Ähnlich: Michael C. Piore/Charles Sabel, Das Ende der Massenproduktion, Berlin 1985.

  7. Um leichte Verzerrungen bei der Befragtenauswahl auszugleichen. wurde die Zahl von jeweils 2 327 Managern und Arbeitnehmervertretern in der empirischen Analyse gewichtet. Die nachfolgenden Schaubilder basieren auf der gewichteten Zahl von jeweils 2 477 Befragten.

  8. Vgl. W. W. Daniel. Workplace Industrial Rclations and Technical Change, London 1987.

  9. Für einen Überblick über die Diskussion vgl. Eberhard Dülfer (Hrsg.), Organisationskultur. Phänomen — Philosophie — Technologie, Stuttgart 1988.

Weitere Inhalte

Dieter Fröhlich, Dr. rer. pol. habil., geb. 1935; wiss. Angestellter des ISO-Instituts, Köln. Veröffentlichungen u. a.: Arbeitserfahrung und Bildungsverhalten, Frankfurt-New York 1978; (zusammen mit H. Krieger/R. Rudat/R. Schneider) Gewerkschaften vor den Herausforderungen der Neunziger Jahre, Frankfurt-New York 1989. Dieter Fuchs, Dr. phil., geb. 1946; wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Veröffentlichungen u. a.: Die Unterstützung des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1989; (Mitherausgeber von) Continuities in Political Action, Berlin-New York 1989. Hubert Krieger, Dr. rer. pol., geb. 1951; Forschungsleiter im Bereich Partizipation und industrielle Beziehungen in der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens-und Arbeitsbedingungen, Dublin. Veröffentlichungen u. a.: Das Arbeitsmarktverhalten von Arbeitslosen, Köln 1982; (zusammen mit K. Liepelt/R. Schneider/M. Smid) Arbeitsmarktkrise und Arbeitnehmerbewußtsein, Frankfurt-New York 1989.