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Möglichkeiten und Grenzen ursachenadäquater Bekämpfung der Arbeitslosigkeit | APuZ 34-35/1991 | bpb.de

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APuZ 34-35/1991 Arbeitsmarkttendenzen und Arbeitsmarktpolitik in den neunziger Jahren Segmentierung und Arbeitsteilung. Die Arbeitsmarktpolitik der Bundesrepublik Deutschland in der Diskussion Finanzierung der Arbeitslosigkeit Möglichkeiten und Grenzen ursachenadäquater Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Artikel 1

Möglichkeiten und Grenzen ursachenadäquater Bekämpfung der Arbeitslosigkeit

Werner Lachmann

/ 29 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die seit fast zehn Jahren anhaltende hohe Arbeitslosigkeit kann nicht durch Demonstrationen, Beschäftigungsprogramme und Appelle an die Solidarität abgebaut werden, sondern nur durch eine ursachen-adäquate Bekämpfung. Wesentlich ist, daß die Funktionsweise des Arbeitsmarktes verbessert wird. Dazu gehört eine beschäftigungspolitisch orientierte Tarifstruktur sowie eine die Beschäftigungsmöglichkeiten nicht behindernde Sozialpolitik. Den ordnungspolitischen Vorstellungen der Sozialen Marktwirtschaft würde eine größere Flexibilisierung und Deregulierung des Arbeitsmarktes entsprechen und eine Einbeziehung der Tarifparteien in die gesamtwirtschaftlichen Folgen der vereinbarten Lohnhöhen und -Strukturen. Beschäftigungsprogramme sind nicht in der Lage, die Arbeitslosigkeit abzubauen, wenn der Strukturwandel nicht gefördert, sondern gehemmt wird. Eine Verkürzung der Lebens-und Wochenarbeitszeit ist das Ergebnis steigenden Wohlstandes und erhöhter Freizeitpräferenz. Eine Verkürzung der Arbeitszeit ist kein ursachenadäquates Instrument zur Arbeitslosigkeitsbekämpfung, weil es irreversibel ist. Allerdings sollten die Möglichkeiten geschaffen werden, eine stärkere persönliche Flexibilisierung der Arbeitszeit zu ermöglichen. Das wesentliche ordnungspolitische Defizit des Arbeitsmarktes liegt in der fehlenden Einbindung der Tarifparteien in die Folgen der Tarifvereinbarungen. Wer in einer Marktwirtschaft Gestaltungsmacht besitzt, sollte auch die Verantwortung für die Konsequenzen übernehmen. Von daher wäre, als radikalster Vorschlag, die Übertragung der Arbeitslosenversicherung in die Hände der Tarifparteien eine Möglichkeit, eine beschäftigungswirksame Lohnpolitik zu erreichen. In einer marktwirtschaftlichen Ordnung gibt es nur zwei Reaktionsmöglichkeiten auf Ungleichgewichte: Entweder müssen sich Preise anpassen, so daß es zu einem Gleichgewicht kommt, oder Mengen müssen rationiert werden. Die zweite Lösung, die Aussperrung vom Arbeitsmarkt, ist die ethisch weniger zu befürwortende Lösung. Daher ist es notwendig, eine stärkere Lohndifferenzierung zu fordern, soweit es sich um Arbeitslosigkeit aufgrund struktureller Anpassungen handelt.

Gegenwärtig befinden sich die alten Bundesländer im neunten Jahr eines leichten Aufschwungs, der durch die Wiedervereinigung im letzten Jahr an Zugkraft gewonnen hat, aber am Arbeitsmarkt vorbeizugehen scheint. Im April 1991 waren in Westdeutschland 65 Mio. Personen (6, Prozent der abhängig Beschäftigten) und in Ostdeutschland 837 000 Menschen (9, 5 Prozent) arbeitslos bei über zwei Mio. Kurzarbeitern. Allerdings hat die Zahl der Erwerbstätigen in den alten Bundesländern in den beiden letzten Jahren um etwas mehr als eine Mio. zugenommen 1).

Die Zahl der Arbeitslosen 2) stieg von 1970 bis 1985 fast kontinuierlich an. Die magische Grenze der ersten Mio. Arbeitslosen wurde 1975 erreicht. 1982 wurde die Zwei-Mio. -Marke durchbrochen, ein Jahr später sogar die 2, 5-Mio. -Grenze. Seit 1989 beobachtet man in Westdeutschland eine Verringerung der Arbeitslosigkeit, bei gleichzeitigem Anstieg der Beschäftigtenzahl Es wird zwischen Fluktuationsarbeitslosigkeit (Sucharbeitslosigkeit), saisonaler, struktureller und konjunktureller Arbeitslosig 2 Prozent der abhängig Beschäftigten) und in Ostdeutschland 837 000 Menschen (9, 5 Prozent) arbeitslos bei über zwei Mio. Kurzarbeitern. Allerdings hat die Zahl der Erwerbstätigen in den alten Bundesländern in den beiden letzten Jahren um etwas mehr als eine Mio. zugenommen 1).

Die Zahl der Arbeitslosen 2) stieg von 1970 bis 1985 fast kontinuierlich an. Die magische Grenze der ersten Mio. Arbeitslosen wurde 1975 erreicht. 1982 wurde die Zwei-Mio. -Marke durchbrochen, ein Jahr später sogar die 2, 5-Mio. -Grenze. Seit 1989 beobachtet man in Westdeutschland eine Verringerung der Arbeitslosigkeit, bei gleichzeitigem Anstieg der Beschäftigtenzahl 3).

In unserer Kultur gibt die Arbeit auch Lebenssinn. Längere Arbeitslosigkeit kann als eine Verletzung der Menschenwürde verstanden werden 4). Bedenkt man, daß bei hoher Arbeitslosigkeit mit einem Anstieg der Kriminalität zu rechnen ist, und berücksichtigt man, daß durch Arbeitslosigkeit die Volkswirtschaft potentielles Einkommen und die Arbeitslosen außerdem ihre Kenntnisse und Fertigkeiten durch Nichtausübung ihres Berufes verlieren (Verlust an Humankapital), dann ist es verständlich, daß die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu einer sozialethischen und wirtschaftspolitischen Aufgabe ersten Ranges geworden ist.

Die hohe Arbeitslosigkeit wird lauthals beklagt -zugleich wird vieles getan, was die Lage auf dem Arbeitsmarkt verschlimmert. Es hilft in einer Marktwirtschaft nicht, mit Demonstrationszügen gegen die Arbeitslosigkeit zu marschieren. Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit genügt es nicht, zur Solidarität aufzurufen oder den Abschluß eines Sozialpaktes zu fordern. Arbeitslosigkeit muß ursachenadäquat bekämpft werden 5). Nur nach umfassender Diagnose ist die Formulierung einer erfolgreichen Therapie möglich. Bei den Ursachen-erklärungen kann nicht monokausal vorgegangen werden 6). Verschiedene Gründe haben nämlich zur Arbeitslosigkeit geführt.

I. Der Arbeitsmarkt

Abbildung: Gleichgewichtslohnsatz

Zum Verständnis der Entstehung der Arbeitslosigkeit soll zuerst die Funktionsweise des Arbeitsmarktes vereinfacht dargestellt werden. Die Abbildung zeigt das Angebot an Arbeit (Suche nach Arbeitsplätzen) und die Nachfrage nach Arbeit (Suche nach Arbeitskräften), in Abhängigkeit von der Lohnhöhe. Bei niedrigerem Lohnsatz wollen die Firmen mehr Arbeitnehmer einstellen -sie werden auf Rationalisierungsinvestitionen verzichten -und Arbeitnehmer weniger arbeiten. Bei steigendem Lohnsatz steigt das Arbeitsangebot, und die Arbeitsnachfrage sinkt Der Schnitt- punkt beider Linien bestimmt den Gleichgewichtslohnsatz und die Höhe der Vollbeschäftigung. Die Löhne werden aber in Tarifverhandlungen ausgehandelt. Besteht eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung, gelten sie als Mindestlöhne, die alle Arbeitgeber im Tarifgebiet binden. Die ausgehandelten Löhne liegen meist über dem sog. Gleichgewichtslohnsatz, der zu einem Ausgleich von Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage führt: Nach Schätzungen liegen die so vereinbarten Löhne ca. 20 Prozent oberhalb des Gleichgewichtslohnsatzes, zu Lasten der vom Arbeitsmarkt Ausgesperrten Bei dem im Schaubild eingetragenen Lohnsatz lr (Reallohn) haben wir eine Nachfrage nach Arbeitskräften in Höhe von OXn und ein Angebot von OXa. Das Angebot an Arbeit übertrifft die Nachfrage. Die Differenz bestimmt die Zahl der Arbeitslosen (Xa-Xn)

Zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit stehen vier Arten von Maßnahmen zur Verfügung. Zuerst bieten sich solche an, die die Nachfrage nach Arbeitskräften erhöhen. In der Zeichnung würde dies zu einer Rechtsverschiebung der NN-Kurve führen. Es ist leicht zu ersehen, daß dann die Zahl der Arbeitslosen sinkt. Einen gleichen Effekt erhält man durch Maßnahmen, die dazu führen, daß die AA-Kurve sich nach links verschiebt. Als dritte Möglichkeit soll die Flexibilisierung des Lohnniveaus behandelt werden, was ebenfalls die Zahl der Arbeitslosen reduziert. Als letzte Möglichkeit wird die Forderung nach einem „Recht auf Arbeit“ diskutiert.

II. Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitsnachfrage

In der Wirtschaftspolitik wird zwischen ordnungspolitischen und prozeßpolitischen Maßnahmen unterschieden, wobei im beschäftigungspolitischen Alltag die prozeßpolitischen dominieren Da die Nachfrage nach Arbeit sowohl von der Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen abhängt als auch von den Produktionskosten, müssen diese beiden Aspekte berücksichtigt werden. Letztendlieh ist auch zu überprüfen, wie eine weitere Links-verlagerung der Nachfragekurve aufgehalten werden kann und wie eine kompensierende Rechtsverschiebung möglich ist. 1. Staatliche Beschäftigungsprogramme Den Tarifparteien ist es gelungen, die Verantwortung für die Lohnfindung (und damit eines wichtigen Arguments zur Beeinflussung der Beschäftigungshöhe) zu behalten und die Folgen möglicher falscher Lohnfindung zur wirtschaftspolitischen Aufgabe der jeweiligen Regierungen zu machen. Die Politik hat diese Herausforderung angenommen. Insbesondere im Rahmen keynesianisch orientierter Wirtschaftspolitik wurde dem Staat die Konjunktur-oder Stabilisierungspolitik auferlegt. Durch das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StWG) vom 8. Juni 1967 wurden der Regierung Möglichkeiten eingeräumt, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen zu beeinflussen. Nach Paragraph 10 StWG sind von der Bundesregierung Investitionsprogramme aufzustellen, die jährlich der wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen und fortzuschreiben sind. Im Falle einer Rezession können geplante Ausgaben beschleunigt, Einkommen-und Körperschaftsteuer um bis zu zehn Prozent herabgesetzt, erhöhte Abschreibungen zugelassen oder Investitionsbeihilfen gezahlt werden, um damit private Nachfrage zu stimulieren. Entscheidungen über staatliche Ausgaben und Einnahmen, die zur Stabilisierung der Konjunktur eingesetzt werden, bezeichnet man als Fiskalpolitik. Ihre Wirkungsweise beruht auf den Gedankengängen der keynesianischen Theorie, derzufolge zusätzliche Staatsausgaben oder vom Staat indirekt verursachte Mehrnachfrage Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben. Der Staat kann nach dieser Theorie durch fiskalpolitische Maßnahmen (Beschäftigungsprogramme) das Beschäftigungsniveau beeinflussen In Phasen der Hochkonjunktur sollte der Staat die Nachfrage dämpfen, in Rezessionszeiten die Nachfrage stimulieren.

Diese antizyklische Fiskalpolitik wurde jedoch nie so durchgeführt, wie sie im Konzept vorgesehen war, z. B. wurden die Staatsausgaben während der Aufschwungphasen nicht reduziert. Dadurch kam es zur stetigen Belastung des staatlichen Budgets und zu einer extrem hohen Staatsverschuldung, die 1975 beispielsweise um 36, 9 Prozent von 187, 3 Mrd. DM auf 256, 4 Mrd. DM anstieg, und die Ende 1990 1052, 5 Mrd. DM betrug

Wie sind solche Beschäftigungsprogramme zu bewerten? Kurzfristig helfen sie, eine aufgrund einer konjunkturell bedingten Nachfragelücke entstandene Unterbeschäftigung zu beseitigen. Die Gefahr besteht in den Langzeitwirkungen dieser Politik. In der keynesianischen Theorie, die Grundlage dieser staatlichen Eingriffe war, wurde jedoch der Finanzierungsaspekt völlig vernachlässigt. Hohe Kreditaufnahmen, wie sie für Beschäftigungsprogramme in Rezessionszeiten nötig sind, machen den Staat aber langfristig manövrierunfähig: Der Anteil der Zinsen am Staatshaushalt nimmt kontinuierlich zu und verengt dadurch den Handlungsspielraum . Investitionszulagen sind eine weitere Maßnahme zur Förderung der Arbeitsnachfrage. Durch solche Zuschüsse kommt es oft zu einer zeitlichen Verlagerung der geplanten Investitionen. Firmen werden nicht deshalb Investitionen tätigen, weil sie einen Zuschuß von 7, 5 Prozent auf die Investitionskosten erhalten. Sie werden geplante Ausgaben vorziehen, wenn die dabei entstehenden Kosten geringer sind als der staatliche Zuschuß.

Dadurch ergibt sich für das Folgejahr eine Auftragslücke, die wiederum mit Investitionshilfen überbrückt werden muß, die wiederum für Folgejahre Investitionslücken verursachen.

Die Arbeitsmarktwirkungen solcher Programme werden oft überschätzt, weil bei der Bewertung der Beschäftigungsprogramme keine Alternativkostenrechnung durchgeführt wird. Werden zwei Mrd. DM ausgegeben und kostet ein Arbeitsplatz im Jahr 100000 DM, dann sind durch diese Ausgaben 20000 Arbeitsplätze für ein Jahr zu finanzieren. Nur wird vernachlässigt, daß die zwei Mrd. DM entweder der Bevölkerung über höhere Steuern auferlegt werden müssen oder der Kapitalmarkt in dieser Höhe beansprucht werden muß (oder eine Mischung beider Finanzierungsarten). Die beschäftigungspolitischen Wirkungen einer Reduzierung des Privateinkommens der Bevölkerung um zwei Mrd. DM Steuern oder die Auswirkungen auf eine Verknappung der Kredite in dieser Höhe werden nicht berücksichtigt. Es könnte sein, daß die längerfristigen Folgen der Finanzierung der Staatsausgaben mittelfristig negativ auf den Arbeitsmarkt durchschlagen. Die Verdrängung privater Investitionsausgaben durch die staatliche Kreditaufnahme führt zu einem weniger produktiven Kapitalbestand, was langfristig ebenfallszu Lasten von Beschäftigungsmöglichkeiten geht

Die Erfahrungen während der sozialliberalen Koalition belegen die mittelfristige Wirkungslosigkeit und die langfristige Schädlichkeit erhöhter staatlicher Aktivitäten Als die sozialliberale Koalition im Spätherbst 1969 die Regierung übernahm, waren die Wirtschaftsdaten fast ideal: Die reale Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts (BSP) betrug 7, 5 Prozent. Die Bundesrepublik hatte nur 200000 Arbeitslose (Arbeitslosenquote: 0, 8 Prozent). Die Leistungsbilanz wies einen hohen Überschuß aus, die durchschnittliche Preissteigerungsrate lag bei zwei Prozent und die öffentlichen Haushalte wiesen einen Überschuß von 2, 5 Mrd. DM mit einer Bruttoinvestitionsquote von 26, 1 Prozent aus. Als die sozialliberale Koalition im Herbst 1982 abgelöst wurde, waren die Wirtschaftsdaten erheblich negativer: Das Bruttosozialprodukt sank um ein Prozent, die Zahl der Arbeitslosen näherte sich der Zwei-MillionenGrenze (8 Prozent Arbeitslosenquote), die Investitionsquote betrug nur noch 20 Prozent, das Finanzierungssaldo der öffentlichen Haushalte lag bei einem Defizit von 70 Mrd. DM und der Staatsverbrauch am BSP war von 15, 5 auf 20 Prozent gestiegen, ebenso lag die Preissteigerungsrate bei 5, 3 Prozent. Diese Zahlen sollten vor einem hohen Vertrauen auf staatliche Beschäftigungsprogramme warnen. Die damalige Politik ist für den auch noch heute hohen Stand der Arbeitslosigkeit mitverantwortlich. 2. Möglichkeiten geldpolitischer Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Des öfteren werden von der Deutschen Bundesbank antizyklische geldpolitische Maßnahmen erwartet. So wird in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit eine Zinssenkung gefordert Die Aufgabe der Notenbank ist jedoch vornehmlich die Bewahrung der Geldwertstabilität. Nur wenn sie gesichert ist, soll die Bundesbank die wirtschaftspolitischen Ziele der Bundesregierung im Sinne des magischen Vierecks (hohes Beschäftigungsniveau, Preisniveaustabilität, außenwirtschaftliches Gleichgewicht, stetiges Wachstum) unterstützen. Es hat sich aber herausgestellt, daß eine Vernachlässigung des Ziels der Preisniveaustabilität lang-und mittelfristig zu Lasten der Beschäftigungshöhe geht Vor einem Mißbrauch der Geldpolitik für beschäftigungspolitische Zwecke und eine antizyklische Globalsteuerung muß gewarnt werden.

Die modernen Geldverfassungen sind dadurch charakterisiert, daß der Geldmenge kein reales Äquivalent mehr gegenüber steht, wie z. Z.des Warengeldes und der Golddeckung, die die Kreditschöpfung über eine Notenausgabe limitierte. Seit der Abkehr von der Golddeckung ist die Gefahr hausgemachter geldpolitischer Inflationen sehr hoch. Regierungen haben sich des öfteren bei der Finanzierung ihrer Ausgaben der Notenpresse bedient. Als Ersatz für die Golddeckung kann die bewußte Verstetigung des Geldmengenangebots angesehen werden. Monetaristen schlagen vor, die Geldmenge um einen festgelegten Prozentsatz (in Abhängigkeit vom Produktionspotential der Wirtschaft) zu erhöhen, wobei stärkere Zins-und Wechselkursschwankungen in Kauf zu nehmen sind. Aus ordnungspolitischen Erwägungen sollte mit Hilfe der Geldpolitik keine Nachfragesteuerung betrieben werden, da die Sekundäreffekte einer hohen Inflation, sobald sie politisch nicht mehr tragbar sind, zu erheblich höheren Beschäftigungseinbußen führen, wie Länder mit hohen Inflationsraten zu ihrem Leidwesen erfahren mußten. 3. Kostensenkende Maßnahmen Werden die Lohn-oder Lohnnebenkosten für die Unternehmen gesenkt, verschiebt sich die Nachfragekurve in bezug auf Arbeit nach rechts und führt damit zu einem Mehr an Beschäftigung. Solche Kostensenkungen können durch Tarifparteien vereinbart werden, indem man auf bestimmte Sozialmaßnahmen und Zulagen verzichtet Aber auch der Staat kann direkte Lohnzuschüsse leisten,wie das beispielsweise bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) geschieht

Viele sozialpolitische Maßnahmen wurden in der Vergangenheit nur verteilungsorientiert und nicht beschäftigungswirksam gestaltet. Durch eine zu hoch angesiedelte soziale Abfederung verliert die Gesellschaft an Mobilität. Aus den Arbeitslosenstatistiken läßt sich ersehen, daß ungelernte Arbeiter, Frauen, ältere Arbeitnehmer und Behinderte Problemgruppen darstellen. Sollen solche Problemgruppen mit sozialpolitischen Maßnahmen gefördert werden und gehen diese Maßnahmen zu Lasten der Unternehmen, die diese Kosten zu tragen haben, wird es zu Ausweichreaktionen seitens der Unternehmen kommen, so daß das sozialpolitische Ziel nicht erreicht wird. Die Unternehmen müssen aus wettbewerblichen Gründen versuchen, ihre Kosten niedrig zu halten. Sozialpolitische Maßnahmen zugunsten bestimmter Gruppen verteuern ihre Einstellung, sie diskriminieren also diese Arbeitnehmer und verschlechtern damit ihre Beschäftigungschancen. Die Sozialpolitik sollte marktgerechter durchgeführt werden. Die Sozial-kosten sind über den Staat oder über Umlagen zu decken. Nur sich lohnende Arbeitsplätze bleiben langfristig erhalten. Der Staat kann über kurzfristige Lohnzuzahlungen langfristig kaum unrentable Arbeitsplätze sichern.

Aus sozialpolitischen Gründen kann es allerdings sinnvoll erscheinen, wenn der Staat bei benachteiligten Arbeitnehmern einen Lohnzuschuß zahlt. Dies wäre ein Ersatz für sonstige Sozialleistungen (Sozialhilfe), die ein Arbeitnehmer mit geringem Einkommen beantragen müßte. Eine sozialpolitische Maßnahme, die eine nicht selbst verschuldete, niedrige Produktivität ausgleicht, läßt sich ordnungspolitisch vertreten und kann die Nachfrage nach Arbeitskräften aus diesen Problemgruppen erhöhen. 4. Folgen des technischen Fortschritts Der technische Fortschritt führt im allgemeinen dazu, daß, eine bestimmte Gütermenge mit wenigen Arbeitskräften erwirtschaftet werden kann. Mithin kommt es zu einer Linksverschiebung (in Richtung des Ursprungs) der Nachfragekurve, zu einem Rückgang der Arbeitsnachfrage. Dies gilt insbesondere für bestimmte Branchen, die durch neue Erfindungen nicht mehr wettbewerbsfähig sind, oder für ganze Berufszweige, die wegen des technischen Fortschritts zum Aussterben verurteilt sind. Vor 50 Jahren gab es in Deutschland noch viele Schmiede, Wagner, Sattler und Polsterer. Der technische Fortschritt vernichtet Arbeitsplätze (job-killer-These). Soll er deshalb gehemmt werden

Der technische Fortschritt hat uns in den letzten 100 Jahren einen hohen Wohlstandszuwachs ermöglicht. Würde heute noch die Technologie des Jahres 1890 verwendet, wären wir bei gleicher Versorgungslage deutlich überbeschäftigt. Wegen des hohen technischen Fortschritts können sich alle Bürger mehr Güter leisten und gleichzeitig erheblich weniger arbeiten. Der technische Fortschritt vernichtet Arbeit in einer Branche (er soll sogar arbeitssparend wirken) und schafft dafür besser bezahlte Arbeitsplätze in anderen Branchen (job-„Knüller“ -These). Die Folge des technischen Fortschritts ist daher ein ständiger Strukturwandel, der nicht behindert werden sollte.

Drastisch läßt sich dies an den Beschäftigungsmöglichkeiten der Landwirtschaft sehen. Vor 1000 Jahren waren die meisten Menschen damit beschäftigt, die Nahrungsgrundversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Im 18. Jahrhundert waren in Deutschland 80 Prozent der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft tätig, 1960 ganze 14 und mittlerweile ca. 4 Prozent. Die seit einiger Zeit beobachtete Freisetzung von Arbeitskräften in der Industrie (sekundärer Bereich) ermöglicht der Gesellschaft den Ausbau von Dienstleistungen (tertiärer Bereich).

Der technische Fortschritt kann über Preissenkungen (Taschenrechner, EDV-Bereich) an die Verbraucher oder über Lohnerhöhungen (Automobil-produktion, chemische Industrie) an die Arbeitnehmer weitergegeben werden. Produktivitätssteigerungen erhöhen die Güterproduktion, die, in Geld bewertet, als Einkommen Nachfrage für andere Sektoren schafft und dort Arbeitsplätze sichert. Die oft vorgetragene Behauptung, Rationalisierungsinvestitionen vernichteten Arbeitsplätze, stellt nur die halbe Wahrheit dar. Jede Rationalisierung vernichtet Arbeitsplätze, schützt aber, wegen der höheren Produktivität, die dann noch vorhandenen und erzeugt langfristig neue Wirtschaftszweige. Maschinensteuem und Rationalisierungsabgaben, die den technischen Fortschritt bremsen sollen, wären in der Lage, kurzfristig die Verschiebung der Nachfragekurve nach links zu stoppen. Wegen der damit einhergehenden Verschlechte- rung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit würde dies allerdings mittelfristig das Arbeitslosenproblem verschärfen. 5. Wirkungen des Protektionismus Die Konkurrenz des Auslandes, die bei einem Zurückbleiben des technischen Fortschritts und der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft über Zahlungsbilanzdefizite und Nachfrage-ausfall auch den Arbeitsmarkt beeinflußt, hat zu Forderungen nach protektionistischen Maßnahmen geführt. Wie schon seit einigen Jahren Japan, sind heute auch Schwellenländer wie Taiwan, Korea, Brasilien, Israel, Singapur und Hongkong in der Lage, Konsumgüter preiswert herzustellen und drängen auf den Binnenmarkt. Gleichzeitig sind sie Konkurrenten auf anderen Märkten, sowohl in den Industrie-als auch in den Entwicklungsländern, wodurch möglicherweise Exporte gefährdet sind. Die japanische Exportoffensive wird in diesem Zusammenhang oft angeführt, die auf einigen Märkten der Industriestaaten zu einem steilen Anstieg des Marktanteils der Japaner führte. Dadurch wurde binnenländische Nachfrage abgeschöpft, so daß inländische Produzenten Arbeitnehmer entlassen mußten Deshalb wird gefordert, ausländisches Angebot vom Inland femzuhalten, um damit eigene Arbeitskräfte zu schützen. Die EG versucht mit Hilfe von protektionistischen Maßnahmen, Arbeitsplätze bestimmter Branchen zu erhalten.

Die internationalen Zusammenhänge des Wirtschaftskreislaufs dürfen jedoch nicht mißachtet werden. Ermöglicht es die Bundesrepublik anderen Ländern nicht, ihre Produkte in Deutschland zu verkaufen, haben sie keine Zahlungsmittel in der Hand, um deutsche Güter nachzufragen. Die Produktion sollte dort durchgeführt werden, wo sie am kostengünstigsten ist, was die Wohlfahrt der Verbraucher erhöht. Soweit Exporte nicht durch unfaire Handelspraktiken (Dumping und Subventionen der Exportländer) erreicht werden, muß dem Ausland die Möglichkeit gegeben werden, Produkte im Inland zu verkaufen. Dies senkt das Preisniveau, stärkt die Kaufkraft der einheimischen Bevölkerung, stellt Güter zu günstigeren Preisen zur Verfügung und zwingt die heimische Industrie zu rechtzeitigen Anpassungen. Der Protektionismus mag bestimmte Arbeitsplätze im Inland erhalten, führt aber zum Verlust von Arbeitsplätzen im Ausland. Die Sekundärwirkungen werden dann zu einem Verlust von Arbeitsplätzen in anderen Branchen in den Industrieländern führen. Von daher sind protektionistische Maßnahmen nur kurzfristig von Vorteil. Sie schädigen die Welt-wohlfahrt und wiegen die einheimische Industrie in Sicherheit, obgleich ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr gewährleistet ist.

Staaten, die bestimmten Branchen protektionistische Maßnahmen zukommen ließen, mußten erkennen, daß diese Branchen stärker im Wettbewerb abfielen und höhere staatliche Subventionen forderten, so daß zu einem späteren Zeitpunkt die unausweichliche wirtschaftspolitische Anpassung nur zu höheren Kosten realisiert werden konnte Von daher ist vor der Anwendung protektionistischer Maßnahmen für beschäftigungspolitische Ziele zu warnen. 6. Ausweitung des öffentlichen Dienstes 1970 waren 3, 6 Mio. Personen im öffentlichen Dienst beschäftigt. 1988 waren es 4, 6 Mio. Der Anteil des öffentlichen Dienstes an der Gesamtzahl der Arbeitnehmer stieg damit von 16, 4 auf 19, 1 Prozent

Die Ausweitung des öffentlichen Dienstes hat direkten Einfluß auf den Arbeitsmarkt. Die Nachfragekurve verschiebt sich nach rechts außen. Die indirekten Wirkungen können aber negativer Art sein. Die Arbeitsplätze des öffentlichen Dienstes müssen über Steuereinnahmen finanziert werden. Es ist fraglich, ob hier noch ein großer Spielraum vorhanden ist. DieProduktivität im öffentlichen Dienst wird im allgemeinen geringer eingeschätzt als diejenige in der Privatwirtschaft. Eine Ausweitung des öffentlichen Dienstes könnte zu einem niedrigeren Produktionswachstum führen. Schweden hat eine solche Beschäftigungspolitik betrieben, mit dem Ergebnis, daß jeder dritte Arbeitnehmer in Schweden von öffentlichen Arbeitgebern bezahlt wird. Aus grundsätzlichen ordnungspolitischen Erwägungen ist eine künstliche Vermehrung des öffentlichen Dienstes nicht generell zu befürworten, sondern nur dort, wo öffentliche Aufgaben noch verstärkt wahrgenommen werden müssen. Die Beschäftigung im öffentlichen Dienst eignet sich nicht für beschäftigungspolitische Zwecke.

III. Angebotsverknappung

Nach Maßnahmen, die zu einer Rechtsaußenverschiebung der Arbeitsnachfragekurve führen, sind nun solche zu betrachten, die zu einer Linksverschiebung der Angebotskurve von Arbeit führen. Stehen weniger Arbeitskräfte auf dem Markt zur Verfügung, wird naturgemäß dadurch die Arbeitslosenzahl gesenkt. Zu solchen Maßnahmen kann die Reduzierung der Lebensarbeitszeit gehören, wie beispielsweise der Vorruhestand oder die Einführung der 35-Stunden-Woche, aber auch der Abbau von Überstunden und solche einer verstärkten regionalen und beruflichen Mobilität auf den Arbeitsmärkten. 1. Vorruhestandsregelung Das Angebot an Arbeitskräften sinkt, wenn Ausbildungszeiten verlängert und Pensionsgrenzen gesenkt werden. Durch die Vorruhestandsregelung sollte älteren Arbeitnehmern die Chance gegeben werden, aus dem Arbeitsprozeß auszuscheiden, ohne hohe Lohneinbußen in Kauf zu nehmen. Dadurch sollten jüngere Arbeitskräfte eine Beschäftigung finden. Die Bundesanstalt für Arbeit hat einen hohen Teil der zu leistenden Zahlungen an die Vorruheständler übernommen. Wie ist diese Regelung ordnungspoltitisch zu bewerten?

Generell ist eine Flexibilisierung des Aussteigens aus dem Arbeitsprozeß zu befürworten. Wer Freizeit will, müßte aber auch auf den Lohn verzichten. Aus ethischen und arbeitsmarktpolitischen Gründen sollten kranke und leistungsschwache Personen aus dem Arbeitsprozeß ausscheiden können Oft scheiden aber sehr rüstige Vorruheständler aus, die dann für den nichtoffiziellen Markt zur Verfügung stehen. Hochqualifizierte Arbeitnehmer mit einem hohen Erfahrungsstand scheiden aus, eingestellt werden möglicherweise Arbeitnehmer mit geringeren Erfahrungen

Der arbeitsmarktpolitische Effekt ist als gering eingestuft worden Aber auf die schon erwähnte Altemativkostenrechnung ist hinzuweisen. Es muß gefragt werden, wie die Mittel, die zur Finanzierung des Vorruhestandes aufgewendet werden mußten, alternativ verwendet worden wären. Hätte die steuerzahlende Bevölkerung die Mittel behalten bzw.selbst ausgegeben, dann wäre die gesamtwirtschaftliche Nachfrage gestiegen, Arbeitsplätze hätten in anderen Bereichen gesichert werden können. Die Reduzierung der allgemeinen Kaufkraft durch die Aufwendungen für den Vorruhestand hat also möglicherweise Arbeitsplätze gefährdet. 2. Wirkungen des Abbaues von Überstunden Nach einer Schätzung des Instituts für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit leistete 1989 jeder Arbeitnehmer im Durchschnitt 68, 6 Überstunden. Bei 27, 62 Mio. Erwerbstätigen errechnen sich ca. 1, 894 Mrd. Überstunden pro Jahr. Ihr Abbau würde bei einer durchschnittlichen Jahresarbeitszeit von 1607 Stunden theoretisch ca. 1, 18 Mio. zusätzliche Arbeitsplätze ergeben

Sollten in bestimmten Berufen längerfristig Über-stunden anfallen, gleichzeitig aber in denselben Berufen qualifizierte Arbeitslose zur Verfügung stehen, dann wäre ein Abbau dieser Überstunden arbeitsmarktpolitisch geboten. Hohe Überstunden ergeben sich jedoch oft aus kurzfristigen innerbetrieblichen Engpässen. Um einen Auftrag fristgerecht durchführen zu können, sind Firmen gezwungen, ihre Arbeitnehmer um Überstunden zu bitten, die jene wegen der Einkommenswirkungen meist gerne übernehmen. Da der Beginn eines neuen Beschäftigungsverhältnisses meist eine permanente Einstellung dieses Beschäftigten bedeutet, wird eine Firma, die nur kurzfristig einen höheren Bedarf an Arbeitskräften vermutet, keine neuen Arbeitskräfte einstellen

Neben diesem betriebswirtschaftlichen Aspekt ist auf die unterschiedliche Struktur von Arbeitslosen und geleisteten Überstunden hinzuweisen. Eine Reduzierung der Überstunden im Kfz-Gewerbe schafft keine Arbeitsplätze für arbeitslose Lehrer. Überstunden vernichten auch nicht immer Arbeitsplätze, da der Arbeitnehmer die durch Über-stunden erwirtschafteten Einkommen im Normalfall ausgibt und dadurch andere Arbeitsplätze si-chert. Ein generelles Verbot von Überstunden würde negative Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage haben, die Flexibilität der Unternehmen reduzieren und damit Arbeitsplätze vernichten. Ein Überstundenverbot wird Engpässe durch die interindustrielle Verflechtung auf andere Branchen ausdehnen. Ein Verbot von Überstunden kann also zu einer Verschärfung des Arbeitslosenproblems führen 3. Möglichkeiten der Wochenarbeitszeitverkürzung Die hohe Arbeitslosigkeit hat die Politiker und Gewerkschaften beunruhigt. Gefordert wird eine Wochenarbeitszeitverkürzung (35-Stunden-Woche), um damit das Angebot an Arbeit zu verknappen. Aus der Abbildung wird deutlich, daß es damit zu einer Reduzierung der Arbeitslosenzahl kommt.'Wie sind diese Forderungen zu bewerten

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts mußten täglich noch 14-15 Stunden gearbeitet werden, was einer 96-Stunden-Woche entsprach. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hat die Arbeitszeit rapide abgenommen. 1856 wurde in der deutschen Druckindustrie der 10-Stunden-Tag und die 70-Stunden-Woche vereinbart. 1866 forderte der Genfer Kongreß der internationalen Arbeiterassoziation den 8-Stunden-Tag, den die Zeiss-Werke in Jena im Jahre 1900 einführten. 1938 wurde die Arbeitszeitordnung erlassen, die den 8-Stunden-Tag für alle gesetzlich festlegte. Maximal durfte bis zu 10 Stunden am Tag gearbeitet werden. 1956 vereinbarten die IG Metall und der Arbeitgeberverband Gesamtmetall die Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 45 Stunden. 1965 begann die Druckindustrie die 40-Stunden-Woche. Von 1960 bis 1981 ist die Arbeitszeit in der Bundesrepublik um durchschnittlichjährlich ein Prozent gesunken. Während die durchschnittliche tarifliche Wochenarbeitszeit 1960 noch 45 Stunden betrug, lag sie 1989 bei 38, 9 Stunden. Die effektive Wochenarbeitszeit lag bei 30, 9 Stunden

Es gibt keine wissenschaftlich überzeugenden Gründe, die Wochenarbeitszeit auf eine bestimmte Stundenzahl festzulegen. Eine weitere Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit ist zu erwarten. Was ist die Ursache dieser stetigen Reduzierung der Wochenarbeitszeit?

Arbeitnehmer fragen auch Freizeit -ein Luxus-gut -nach. Je wohlhabender jemand wird, desto mehr Freizeit möchte er haben. Eine Erhöhung der Freizeit bedeutet eine Abnahme der wöchentlichen angebotenen Arbeitszeit. Bei steigendem Wohlstand ist daher eine Abnahme der Wochenarbeitszeit zu erwarten. Ein Mensch benötigt Zeit, um die Güter, die er durch seine hohe Produktivität erwirtschaftet, auch zu konsumieren. Die Wochenarbeitszeit wird weiter sinken. Läßt sich die Verkürzung der Wochenarbeitszeit auch beschäftigungspolitisch einsetzen?

Eine Arbeitsverkürzung mit vollem oder teilweisem Lohnausgleich bedeutet eine Erhöhung des Stundenlohnsatzes und kann somit zu einer Abnahme der Nachfrage nach Arbeit führen. Ein weiteres Kostenargument folgt aus der betriebswirtschaftlichen Sicht. Eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit kann bei hohem Kapitalbestand zu einem Anstieg der Produktionskosten führen, die Wettbewerbsfähigkeit senken und so im Endeffekt Arbeitsplätze gefährden

Ein weiteres Problem liegt in der technischen Abwicklung der Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit. Nur wenn eine größere Anzahl Menschen gleiche Aufgaben in einem Betrieb übernehmen, ließe sich eine Arbeitszeitverkürzung in eine höhere Beschäftigung verwandeln. Wenn sieben Personen also die gleiche Arbeit ausführen, führt eine Reduzierung der Arbeitszeit von 40 auf 35 Stunden dazu, daß eine achte Person eingestellt wird.

Stimmt die Struktur der Arbeitslosen nicht mit der allgemeinen Beschäftigungsstruktur überein, ergeben sich weitere Probleme. Werden Facharbeiter gesucht und stehen angelernte Arbeiter zur Verfügung, hilft eine Arbeitszeitverkürzung kaum. Sind Verkäuferinnen arbeitslos und werden Zahnarzt-helferinnen gesucht, hilft keine 35-Stunden-Woche. Die 35-Stunden-Woche kann auch von daher kein beschäftigungspolitisches Mittel sein.

Die Forderung nach Wochenarbeitszeitverkürzung kann durch den Wunsch nach Freizeit bedingt sein. Eine freiwillige Reduzierung der Arbeitszeit müßte deshalb ermöglicht werden. Angestrebt werden sollte eine stärkere Flexibilisierung der individuellen Arbeitszeit. In jüngeren Jahren haben Arbeitnehmer oft den Wunsch, zusätzliches Einkommen zu erwirtschaften, um größere Anschaffungen finanzieren zu können. Sind die wesentlichen Anschaffungen getätigt, mag der Freizeitaspekt in den Vordergrund treten. Deshalb sollte man es den jüngeren Arbeitnehmern ermöglichen, mehr als 35 Stunden zu arbeiten, älteren Arbeitnehmern sollte man entgegenkommen und Verträge mit geringeren Wochenarbeitsstunden anbieten. Eine stärkere Flexibilität in der Arbeitszeit unter Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse würde auch zu einem Abbau von Überstunden führen Stunden zu arbeiten, älteren Arbeitnehmern sollte man entgegenkommen und Verträge mit geringeren Wochenarbeitsstunden anbieten. Eine stärkere Flexibilität in der Arbeitszeit unter Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse würde auch zu einem Abbau von Überstunden führen 33).

IV. Maßnahmen zur Verbesserung des Arbeitsmarktes

1. Erhöhung der beruflichen und regionalen Mobilität Die hohe sozialpolitische Absicherung hat die regionale Mobilität der Arbeitskräfte reduziert. Wer möchte wegen eines Arbeitsplatzwechsels sein Haus verkaufen und umziehen? Wer möchte sich umschulen lassen, wenn ein hoher Anteil des bisherigen Nettolohns über Arbeitslosengeld gedeckt wird? Mobilitätsbeihilfen und Umschulungsbeihilfen wären Maßnahmen, den Arbeitsmarkt in bestimmten Regionen und Branchen zu entlasten. Werden Arbeitskräfte in München gesucht und stehen sie in Dresden zur Verfügung, würde ein Umzug von Dresden nach München den Arbeitsmarkt in Dresden (soweit es die Arbeitslosen betrifft) und München (soweit es die Arbeitgeber betrifft) entlasten.

Mobilitätsbeihilfen, Informationshilfen, alle Maßnahmen zur Erhöhung der Flexibilität sind ordnungspolitisch verantwortbar, sie würden für schwache Märkte zu einer Linksverschiebung der Angebotskurve führen und in angespannten Märkten zu deren Rechtsverschiebung. Die Zahl der Gesamtbeschäftigten würde erhöht und die Anzahl der Arbeitslosen abgebaut. 2. Einbindung der Tarifpartner in die beschäftigungspolitische Verantwortung Die Inflexibilität von Lohnniveau und -Struktur ist eine Ursache für die hohe Arbeitslosigkeit. Die Lohnpolitik ist in der Regel nicht auf Beschäftigungswirksamkeit ausgerichtet. Eine die Nachfrage nach Arbeitskräften fördernde Lohnpolitik ist geboten 34). Die Tarifautonomie bewirkt Löhne, die oberhalb des Gleichgewichtslohnsatzes angesiedelt sind. Jede Flexibilisierung der Lohnhöhe und -Struktur (Lohndifferenzierung) vermag zu einer Reduzierung der Arbeitslosigkeit und zu einer Erhöhung der Beschäftigung beizutragen.

Das Arbeitsmarktkartell stellt ein ordnungspolitisches Problem dar. Normalerweise werden in einer marktwirtschaftlichen Ordnung Kartelle mit Argwohn betrachtet. Dies müßte auch für den Arbeitsmarkt gelten. Auf dem Arbeitsmarkt handelt es sich kaum um einen funktionierenden Markt im wettbewerbspolitischen Sinn, sondern um ein beidseitiges (bilaterales) Monopol. Für einen bestimmten Industriezweig werden in einer bestimmten Region von Arbeitgeber-und Arbeitnehmerverbänden (Gewerkschaften) die Tarife ausgehandelt, die faktisch für dieses Tarifgebiet gelten. Die Tarifparteien haben jedoch nicht alle Konsequenzen einer falschen Lohnpolitik zu tragen.

Auf dem Arbeitsmarkt liegt von daher ein ordnungspolitischer Mangel vor 35). Nach den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft sollte der, der Gestaltungsmacht hat, auch die Verantwortung für sein Handeln tragen Die Folgen dieser fehlenden Einbindung sollen an einem vielleicht etwas untypischen Beispiel erläutert werden

In einer süddeutschen Kleinstadt war es der öffentliche Hand nach Schließung einer Produktionsstätte eines großen Konzerns 1985 gelungen, einen mittelständischen Unternehmer zur Weiterführung der Produktion zu gewinnen, der dafür 65 Arbeitnehmer einstellte. Er weigerte sich aber, die Tarife der IG-Metall anzuerkennen. Die örtliche Gewerkschaftsleitung rief zum Streik auf; 40Prozent der Belegschaft wollten die Produktion aufrechterhalten. Dies erwies sich als schwierig, da das Un- ternehmen plötzlich von 1300 Gewerkschaftlern aus Süddeutschland „bestreikt“ wurde. Fünf Tage danach riet der Ministerpräsident in einem persönlichen Gespräch dem Unternehmer, die IG-Metall-Tarife anzuerkennen. Zwei französische Fahrzeughersteller verzichteten wegen der streikbedingten Lieferausfälle auf eine Verlängerung der Abnahmeverträge. Ein halbes Jahr nach der Intervention mußte das Unternehmen Konkurs anmelden. Der Organisator des Streiks rief nach öffenlicher Hilfe, ein SPD-Landtagsabgeordneter forderte von der Regierung Maßnahmen zur Erhaltung der Arbeitsplätze. Der Beschluß der Banken, keine Kredite mehr zur Verfügung zu stellen, wurde von der Gewerkschaftsleitung als unverantwortlich verurteilt. Dieses Beispiel zeigt die fehlende ordnungspolitische Einbindung der Tarifpartner.

Wie kann das ordnungspolitischen Defizit der fehlenden Einbindung der Tarifautonomie in die beschäftigungspolitische Verantwortung überwunden werden? Eine radikale Lösung könnte darin bestehen, den Tarifparteien für ihr Tarifgebiet die Arbeitslosenversicherung zu übertragen

Wenn die Tarifparteien für die Zahlungen an Arbeitslose aus einem bestimmten Tarifgebiet verantwortlich wären, müßten sie zwischen höheren Löhnen und damit steigenden Ausgaben für die Arbeitslosenversicherung sowie niedrigen Löhnen bei niedrigen Arbeitslosengeldzahlungen abwägen. Es würde sich für Unternehmer und Gewerkschaften nicht mehr lohnen, bei hoher Arbeitslosigkeit hohe Lohnforderungen durchzusetzen, da die Vorteile durch einen Anstieg der Leistungen der Arbeitslosenversicherung konterkariert würden. Ein solcher Vorschlag wäre ordnungspolitisch richtig, weil die Tarifparteien mit den Folgen ihres Handelns konfrontiert würden.

Weniger radikal wäre der Vorschlag, Ab-oder Zuschläge für bestimmte Branchen und Tarifgebiete zur Arbeitslosenversicherung in Abhängigkeit von der Arbeitslosenquote zu erheben. Auch dadurch würden die Tarifparteien an den Folgen ihrer Tarifpolitik beteiligt

Zusammenfassend läßt sich fordern, daß die Lohn-politik verstärkt beschäftigungs-statt verteilungsorientiert sein sollte. Da die Gewerkschaften dazu übergingen, eine Nivellierung der Löhne anzustreben, verlor der Lohn seine allokative Signalfunktion, d. h. er signalisierte den Arbeitnehmern nicht mehr, welche Arbeitsplätze sich für die Gesellschaft langfristig noch lohnen. Heute findet sich ein Gleichschritt der Lohnerhöhungen in fast allen Sektoren, so daß auch strukturelle Probleme der Arbeitsmärkte kaum durch sektorale Wanderungen gelöst werden können. Gerade den sozial schwachen Gruppen wird durch diese Tarifpolitik geschadet. Arbeitnehmer mit geringer Produktivität können nun keine Beschäftigung mehr finden, da ihr Tariflohnsatz ihrer Produktivität nicht entspricht.

In einer marktlichen Ordnung gibt es nur zwei Möglichkeiten, auf Ungleichgewichte zu reagieren: eine Anpassung der Preise oder eine Rationierung des knappen Gutes. Das Verbot der Unterbietung der Tariflöhne (bei Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit) nimmt dem Arbeitslosen die Möglichkeit, über niedrigere Lohnforderungen mit den Beschäftigten zu konkurrieren. So bleibt ihm nur die Aussperrung vom Arbeitsmarkt. Es ist aus ethischen Gründen zu hinterfragen, ob es nicht unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein sollte, daß Arbeitslose unter Tarif eingestellt werden können, zumindest für einen bestimmten Zeitraum. Bei längerer Arbeitslosigkeit sinkt nämlich ihre Produktivität durch Verlust ihrer beruflichen Erfahrungen.

Divergierende Lohnentwicklungen einzelner Branchen signalisieren Arbeitnehmern die zukünftigen Beschäftigungschancen. Bleibt eine Branche in ihrer Entwicklung zurück und steigen die Lohnsätze unterdurchschnittlich, werden flexible Arbeitnehmer in solche Branchen und Betriebe abwandern, die höhere Einkommen und bessere Zukunftsaussichten versprechen. Bis zu Beginn der siebziger Jahre wurden Strukturprobleme durch diesen Anpassungsprozeß überwunden. Seit den starken arbeitsmarktpolitischen Eingriffen in den siebziger Jahren hat die strukturelle Flexibilität in der Bundesrepublik jedoch nachgelassen.

Als Fazit läßt sich festhalten, daß eine stärkere Differenzierung der Löhne im Rahmen der Tarif-politik arbeitsmarktpolitisch geboten ist. Die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge sollte Ausnahmeklauseln ermöglichen, um Arbeitslosen zu helfen. Wenn es über den politischen Prozeß von konzertierten Aktionen nicht möglich ist, gesamtwirtschaftlich verträgliche Tarife abzuschließen, muß versucht werden, durch Änderungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung die Tarifpartner in die Folgen ihrer Politik einzubinden.

V. Forderung nach einem Recht auf Arbeit

Mit dem Ende der Vollbeschäftigungsära in den siebziger Jahren wurde das „Recht auf Arbeit“ zu einem allgemeinpolitischen, wissenschaftlichen und sozial-ethischen Diskussionsthema. Insbesondere auf theologischer Seite gab es breite Zustimmung zu dieser Forderung Das Recht auf Arbeit kann als ein wichtiges soziales Grundrecht bezeichnet werden, das im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland nicht verankert ist, sich aber in verschiedenen Länderverfassungen findet Das Recht auf Arbeit kann beinhalten, daß jeder Bürger ungehinderten Zugang zu den Arbeitsmärkten und -Verträgen hat, die ihm allerdings freie Wahlmöglichkeiten lassen und den Staat nicht verpflichten, Arbeitsplatzdefizite mit Zwang auszugleichen. Eine zweite Interpretation wäre ein „subjektives Recht äuf Arbeit“. Hierdurch bekäme ein Wirtschaftssubjekt die Klage-möglichkeit auf einen Arbeitsplatz, der ihm vom Staat zugewiesen werden muß.

Die dritte Möglichkeit wäre ein „objektives Recht auf Arbeit“, das die Organe der Wirtschaftspolitik verpflichtet, beschäftigungspolitisch tätig zu werden und sich um einen hohen Beschäftigungsstand zu bemühen. Die Folge wäre, daß ein hohes Beschäftigungsniveau das dominierende Ziel der Wirtschaftspolitik würde. Das Ziel der Arbeitsmarktpolitik wäre dann das Erreichen der Vollbeschäftigung, was mit arbeitsmarktrelevanten Maßnahmen anzustreben wäre.

Ein subjektives Recht auf Arbeit ist nur durchsetzbar, wenn der Staat die alleinige Verfügungsgewalt über alle Arbeitsplätze hat. Damit müßte der Staat aber die Herrschaft über die gesamte Wirtschaft ausüben. Eine solche Verankerung des subjektiven Rechts auf Arbeit im Grundgesetz stünde im Widerspruch zu anderen Grundrechten, wie beispielsweise dem Recht auf Freiheit der Berufswahl (Art. 12 GG) oder dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG). Der Staat müßte dann für jeden eine spezielle Berufsausübung festlegen. Ein subjektives Recht auf Arbeit würde eine Einschränkung von anderen Freiheiten mit sich bringen. Auch die private Verfügungsgewalt über Eigentum wäre gefährdet. Ökonomisch gesehen läge in einem subjektiven Recht auf Arbeit die Gefahr, daß der Leistungswille in einer Gesellschäft nachläßt. Keiner braucht sich mehr anzustrengen, da sein Arbeitsplatz gesichert ist. Die schlechte Versorgungslage, verbunden mit dem Verlust an Freiheit, wie sie in den osteuropäischen Staaten zu beobachten war, müßte vor einer Verankerung des Rechts auf Arbeit in der Verfassung zurückschrecken lassen. Die Arbeitslosigkeit läßt sich nicht mit juristischen Mitteln bekämpfen, sondern mit einer ordnungspolitisch orientierten Wirtschafts-und Sozialpolitik, die auf die Erreichung des magischen Vierecks im Sinne des § 1 StWG ausgerichtet ist.

Die Arbeitslosigkeit, in Ost und West, kann also nur durch eine Rückbesinnung auf die ordnungspolitischen Grundlagen bekämpft werden Staatliche Eingriffe, die Mobilität und Flexibilität auf den Arbeitsmärkten senken, den Leistungswillen reduzieren und hohe Kosten verursachen, sind abzulehnen. Alle solche Maßnahmen, die die Flexibilität der Arbeitsmärkte erhöhen, den Anpassungswillen der Beteiligten stärken, sind ordnungspolitisch zu bejahen. Zu warnen ist vor einem leichtfertigen Glauben an Möglichkeiten der staatlichen Wirtschaftspolitik, wie sie die keynesianisehe Theorie suggerierte. Eine Rückbesinnung auf ordnungspolitische Maßgaben würde bedeuten, daß neben der Mobilität auch der Informationsstand der Arbeitnehmer sowie ihr Potential erhöht wird, und daß die auf den Märkten verantwortlichen Tarifpartner mit in die Verantwortung für ihre Entscheidungen einbezogen werden. Im Rahmen einer konzertierten Aktion wäre es dann möglich, die Arbeitslosen einzubinden, die z. Z. keine Möglichkeit haben, sich auf den Arbeitsmärkten zu bewähren. Die brutale Aussperrung von potentiell Arbeitswilligen oder das Ausnutzen des sozialen Netzes von Nicht-Arbeitswilligen muß durch Maßnahmen, die die Funktionsweise der Arbeitsmärkte verbessern, überwunden werden. Hier liegen die Möglichkeiten der ursachenadäquaten Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, was uneingeschränkt auch für die neuen Bundesländer güt -

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.), Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, 43 (1991) 5.

  2. Statistisch unberücksichtigt bleiben diejenigen, die es aufgegeben haben, sich um einen Arbeitsplatz zu bemühen und jene, die einen Arbeitsplatz angenommen haben, der ihrer Qualifikation nicht entspricht.

  3. Die Zahl der Beschäftigten, die 1950 noch bei 20, 4 Mio. lag, wobei 14 Mio. als abhängig Besc

  4. Vgl. die Erklärungsansätze in Stephen Nickell, Unemployment: A Survey, in: Economic Journal, 100 (1990) 401, S. 391-439; s. a. die Hinweise in Werner Lachmann, Einige populäre Vorstellungen zur Überwindung der Arbeitslosigkeit: Ökonomische Aspekte zu ihrer Bewertung, in: ders. u. a., Die Krise der Arbeitsgesellschaft. Chancen und Grenzen christlicher Verantwortung, Wuppertal 1984.

  5. In diesem einfachen Modell werden Angebotsanomalitäten nicht berücksichtigt.

  6. Hohe Löhne erhöhen zwar die allgemeine Kaufkraft und damit die Nachfrage nach Arbeit; allerdings wirkt der Kostenaspekt dem entgegen. Vgl. Helmut Schuster/Christoph Weiß, Lohnhöhe und Beschäftigung, Kaufkraft-und Kostenargument, in: Zeitschrift für Wirtschafts-und Sozial-wissenschaften, 111 (1991) 1, S. 1-26.

  7. Der hohe Lohnsatz führt sowohl zu einer Abnahme der angebotenen Arbeitsplätze als auch zu einer Zunahme der nachgefragten Arbeitsplätze. Bei einem niedrigeren Lohn-satz ergäbe sich ein geringeres Vollbeschäftigungsniveau als bei einem höheren Lohnsatz.

  8. Bei der Ablauf-oder Prozeßpolitik greift der Staat in den wirtschaftlichen Prozeß ein. bei ordnungspolitischen Maßnahmen wird der wirtschaftliche Rahmen beeinflußt, der zu einer Verbesserung des marktwirtschaftlichen Geschehens führen sollte.

  9. Vgl. Werner Lachmann, Fiskalpolitik, Heidelberg u. a. 1987; ders., Volkswirtschaftslehre, Bd. 1: Grundlagen, Berlin u. a. 1990, insbesondere Kapitel 9, 11 und 12.

  10. Davon waren 542, 2 Mrd. DM Bundesschuld. Die Länder waren mit 328, 5 Mrd. DM und die Gemeinden mit 124, 9 Mrd. DM verschuldet. 19, 8 Mrd. DM betrug die Verschuldung des Fonds „Deutsche Einheit“ und 27, 6 die des Kreditabwicklungsfonds. Vgl. Deutsche Bundesbank (Anm. 1).

  11. Die Zinsausgaben lagen 1988 mit 60, 4 Mrd. DM über den Sachinvestitionen. 1989 hatten alle Gebietskörperschaften 61 Mrd. DM Zinsen zu leisten. 1988 betrugen die Zinsausgaben 12, 4 Prozent der Steuereinnahmen der Gebietskörperschaften.

  12. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer klassischen Arbeitslosigkeit, wenn in der Wirtschaft nicht genügend Kapital zur Einstellung und Ausstattung von Arbeitsplätzen vorhanden ist. Liegt die Arbeitslosigkeit in der fehlenden gesamtwirtschaftlichen Nachfrage begründet, spricht man von einer keynesianischen Arbeitslosigkeit.

  13. Vgl. Harald Scherf, Enttäuschte Hoffnungen -vergebene Chancen. Die Wirtschaftspolitik der Sozial-Liberalen Koalition 1969-1982, Göttingen 1986.

  14. Anfang des Jahres 1991 geriet die Bundesregierung unter internationalen Beschuß, weil die Zentralbank zur Stabilisierung des Preisniveaus die Leitzinsen erhöhte. Generell wollten die führenden Industrienationen ein Sinken des Zinsniveaus, um die Rezessionserscheinungen in Frankreich, Großbritannien und den USA zu bekämpfen.

  15. In den sechziger Jahren wurde ein Zielkonflikt zwischen dem Ziel der Preisniveaustabilität und dem hohen Beschäftigungsstand vermutet (Phillipps-Kurve). Dadurch wurde den Politikern suggeriert, daß sie beliebige Kombinationen dieser beiden Ziele wählen könnten. Ein Prozent mehr Inflation würde einen bestimmten Prozentsatz höherer Beschäftigung erlauben. Die Existenz solcher Phillips-Kurven läßt sich nicht nachweisen.

  16. Im Kapitel IV folgt eine ausführlichere Erörterung der Aufgaben der Tarifparteien.

  17. ABM: Arbeitgeber (meist öffentliche Arbeitgeber oder gemeinnützige Verbände) erhalten vom Arbeitsamt bei Einstellung von schwer vermittelbaren Arbeitslosen für einen bestimmten Zeitraum (in der Regel ein Jahr) hohe Lohnzuschüsse, die 60 bis 100 Prozent der Lohnkosten betragen können. Außerdem sind teilweise zinsverbilligte Darlehen an ABM gekoppelt.

  18. Vgl. Carl Zimmerer, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3. Juni 1991, S. 15.

  19. Die Zahlungsunfähigkeit der Entwicklungsländer führte ebenfalls zu einem Rückgang der Exportnachfrage nach Gütern und Dienstleistungen der Industrieländer.

  20. Man denke nur an die hohen Subventionen im Agrarbereich, der Kohle-und Stahlindustrie usw., die über Steuern von den Bürgern finanziert werden müssen.

  21. Vgl. Institut der Deutschen Wirtschaft (Hrsg.), Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland, Köln 1990.

  22. Dies war auch schon zu Zeiten der Vollbeschäftigung möglich.

  23. Es ist natürlich auch möglich, daß solche Arbeitnehmer ausscheiden, die den Anschluß an die technische Entwicklung verpaßt haben und dafür Arbeitnehmer in den Berufsprozeß eingegliedert werden, die erheblich produktiver sind.

  24. Vgl. Winfried Schmäht u. a. (Hrsg.), Verkürzung oder Verlängerung der Erwerbsphase? Zur Gestaltung des Über-gangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1988.

  25. Vgl. Ihstitut der Deutschen Wirtschaft (Anm. 23), Tab. 15.

  26. Nachdem die Bundesregierung die gesetzliche Möglichkeit geschaffen hat, Arbeitnehmer zeitlich befristet einzustellen, ist es Firmen möglich geworden, für mittelfristige Stoß-zeiten Arbeitskräfte einzustellen, deren Entlassung bei einem eventuellen Rückgang der Beschäftigung keine kostspieligen Sozialpläne erfordert. Diese Lockerung im Arbeitsrecht erlaubt eine stärkere Flexibilisierung der Beschäftigungshöhe.

  27. Vgl. Werner Lachmann, Sind Überstunden wirklich unsozial?, in: Orientierungen zur Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik der Ludwig-Erhard-Stiftung, 26 (1985), S. 37-39.

  28. Vgl. Dirk Meyer, Ein Recht auf Arbeit durch Einführung der 35-Stunden-Woche?, in: Zeitschrift für Wirtschafts-und Sozialwissenschaften, 107 (1987) 4; W. Lachmann (Anm. 6), S. 30-42.

  29. Institut der Deutschen Wirtschaft (Anm. 23), Tab. 15.

  30. In diesem Zusammenhang wäre zu fragen, ob nicht wieder verstärkt Schichtarbeit eingeführt werden sollte, wodurch das eingesetzte Kapital länger genutzt würde. Dadurch wäre es möglich, die vorhandenen Maschinen nicht nur acht Stunden am Tag zu nutzen, sondern zwölf Stunden oder mehr. Diese Produktivitätssteigerungen könnten einen partiellen Lohnausgleich ermöglichen, ohne die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden.

  31. In der Diskussion sind Vgl. Artur Woll, Deregulating the Labour Market: The West German Case, in: ORDO, 39 (1988), S. 183-193; Bruno Molitor, Arbeitsrecht und wirtschaftliche Entwicklung, in: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, 35 (1986) 1, S. 5-24.

  32. Vgl. Walter Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, Tübingen 1959; Dieter Cassel, Wirtschaftspolitik als Ordnungspolitik, in: ders. /Bernd-Thomas Ramb/H. -Jörg Thieme (Hrsg.), Ordnungspolitik, München 1988, S. 313-333.

  33. Vgl. die Beispiele bei Ekkehard Wenger, Der Einfluß von „Schutzrechten“ für Arbeitnehmer auf die Allokation nichtsystematischer Risiken, in: Wolfram Fischer (Hrsg ), Währungsreform und Soziale Marktwirtschaft, Erfahrungen und Perspektiven nach 40 Jahren, Berlin 1989, S. 461 ff.

  34. Die Attraktivität der Gewerkschaften könnte durch die Übernahme der Verantwortung für die Arbeitslosenversicherung steigen. Die Tarifparteien müssen insgesamt in die wirtschaftspolitische Verantwortung gezogen werden. Oft verzichten die Arbeitgeber auf harte Tarifauseinandersetzungen, weil sie hoffen, daß der Staat Maßnahmen zur Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ergreift, so daß über Preiserhöhungen die gestiegenen Lohnkosten kompensiert werden können.

  35. Verwiesen sei auch auf den Vorschlag, „Lizenzen“ für Lohnerhöhungen zu vermarkten. Vgl. Roland Vaubel, Eine marktwirtschaftliche Lösung des Beschäftigungsproblems, in: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, 31 (1982) 2, S. 111-122.

  36. Vgl. Günter Brakeimann, Das Recht auf Arbeit: Eine Thesenreihe, in: Jürgen Moltmann (Hrsg.), Recht auf Arbeit -Sinn der Arbeit, München 1979, S. 9-39; s. a. Rolf Kramer, Arbeit: Theologische, wirtschaftliche und soziale Aspekte, Göttingen 1982, S. 62ff.

  37. Hessen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Bremen und Berlin (West).

  38. Vgl. das Sondergutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Marktwirtschaftlichen Kurs halten. Zur Wirtschaftspolitik in den neuen Bundesländern, vom 19. April 1991.

  39. Auch in neuen Bundesländern haben die Tarifparteien ihr Möglichstes dazu beigetragen, das Ziel der Erreichung der Vollbeschäftigung verfehlen zu lassen. Vereinbart wurde ein Kündigungsschutz, gleichzeitig wurden hohe Lohnerhöhungen durchgesetzt. Dies muß dazu führen, daß Betriebe von westlichen Interessenten nicht gekauft werden. Eine stärkere Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Möglichkeiten wird auch hier dazu beitragen, die hohe Arbeitslosigkeit abzubauen.

Weitere Inhalte

Werner Lachmann, Dr. phil., geb. 1941; seit 1983 Professor für Wirtschaftswissenschaften (Wirtschaftspolitik) an der Johannes Gutenberg-Universität zu Mainz; Vorsitzender der Gesellschaft zur Förderung von Wirtschaftswissenschaften und Ethik (GWE) e. V. Veröffentlichungen u. a.: Volkswirtschaftslehre, Bandl: Grundlagen, Berlin u. a. 1990; (Hrsg.) EG und Andenpakt, Frankfurt/M. 1989; Wirtschaft und Ethik. Maßstäbe wirtschaftlichen Handelns, Neuhausen-Stuttgart 19892; Leben wir auf Kosten der Dritten Welt?, Wuppertal 19872; zahlreiche Beiträge in Fachzeitschriften und Periodika.