Deutsche -zehn Jahre nach der Wende. Ergebnisse einer vergleichenden Ost-West-Untersuchung
Elmar Brähler/Horst-Eberhard Richter
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Zusammenfassung
Im April 1999 wurden 1 000 Westdeutsche und 1 000 Ostdeutsche im Alter von 14 bis 50 Jahren befragt über ihre Lebenszufriedenheit, ihr soziales Umfeld, ihre Partnerschaft und ihre Familien sowie über Zukunftserwartungen und politische Einstellungen. Die Ergebnisse zeigen, daß auch knapp zehn Jahre nach der Wende die Kluft zwischen Ost-und Westdeutschen noch nicht geschlossen werden konnte und es ganz im Gegenteil momentan eher nach einer Vertiefung der Gegensätze aussieht. Während die materiellen Lebensbedingungen im Osten wesentlich schlechter beurteilt werden als im Westen, schildern Ostdeutsche zugleich eine größere Zufriedenheit mit dem privaten Bereich. Die Zukunftsaussichten werden im Osten deutlich pessimistischer bewertet. Skepsis herrscht in beiden Landesteilen über das Zusammenwachsen in Deutschland. Auch eine verstärkte Spaltung in Arm und Reich wird in beiden Landesteilen befürchtet. Offensichtlich glauben jedoch die Westdeutschen, eher zu den Gewinnern, die Ostdeutschen, eher zu den Verlierern zu gehören.
Vor vier Jahren haben wir in dieser Zeitschrift konstatiert: „Auch sechs Jahre nach dem Mauerfall sind die materiellen Verhältnisse in Ost-und Westdeutschland noch sehr unterschiedlich. Die Kluft ist durch zahlreiche Daten für jedermann sichtbar. Fest steht, daß auch die psychische Entfremdung zwischen den Menschen beider Landesteile noch lange nicht überwunden ist.“ Weitere vier Jahre später fällt die Bilanz, wie unsere Untersuchung zeigt, nicht günstiger aus. Bereits die ständig zunehmende Zahl der sozialwissenschaftlichen Veröffentlichungen zur Ost-West-Problematik deutet auf die ungelösten Fragen hin. So hat H. Berth 1999 im Internet nicht weniger als 17 850 einschlägige Arbeiten zu diesem Themenbereich zusammengetragen
Wenn wir uns wiederholt mit dem Ost-West-Spannungsverhältnis in vergleichenden psychologischen Untersuchungen beschäftigen, ziehen wir uns vor allem im Westen gelegentlich den Vorwurf zu, wir würden dadurch Gegensätze, die wir finden, vielleicht verschärfen, wenn nicht gar erst erzeugen. Es ist für viele nicht leicht einzusehen, daß die erhobenen durchschnittlichen Selbstbilder und Meinungen der Befragten nichts mit Deutungen der Autoren zu tun haben. Einseitige Sympathie wird den Untersuchungen gelegentlich unterstellt, wenn die Ergebnisse verbreiteten Vorurteilen widersprechen, so etwa der im Westen geläufigen Annahme, die DDR-Krippenerziehung müsse Massen von Gefühlskrüppeln erzeugt haben.
Abbildung 7
Abb. 7: Wird die Gesellschaft in Zukunft rücksichtsloser oder rücksichtsvoller werden?
Abb. 7: Wird die Gesellschaft in Zukunft rücksichtsloser oder rücksichtsvoller werden?
Umgekehrt ist es ja gerade die Absicht solcher Studien, Mißverständnisse und wechselseitige Vorurteile aufzudecken und ihnen entgegenzuwirken. Je genauer man weiß, wie jeweils auf der anderen Seite gedacht und gefühlt wird, um so eher kann man vermeiden, fruchtlos aneinander vorbeizureden. Vorteilhaft ist es, erhobene Befunde gemeinsam zu besprechen, so wie es die beiden Autoren zu tun pflegen, die sich regelmäßig in einem Ost-West-Symposium mit Wissenschaftlern, Politikern, Kirchenleuten, Journalisten -Frauen und Männern -treffen, wo man wechselseitig nachfragen und sich über die Hintergründe von Differenzen und Möglichkeiten der Überbrückung verständigen kann.
Abbildung 8
Abb. 8: Wird die junge Generation für eine Verbesserung der Verhältnisse im Land sorgen?
Abb. 8: Wird die junge Generation für eine Verbesserung der Verhältnisse im Land sorgen?
Im April 1999 haben wir 1 003 Westdeutsche und 997 Ostdeutsche im Alter von 14 bis 50 Jahren vergleichend untersucht. Die Erhebung wurde in unserem Auftrag vom Meinungsforschungsinstitut USUMA (Unabhängiger Service für Umfragen, Methoden und Analysen) durchgeführt. Die Befragung erfolgte durch 210 geschulte Interviewer in der Wohnung der Befragten. Die Auswahl erfolgte nach einem Zufallsverfahren (randomroute) nach den Kriterien der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Meinungsforschungsinstitute. Erhoben wurden, neben Angaben zum Kinderwunsch, auf die wir an dieser Stelle nicht eingehen wollen, Daten zu folgenden Fragenbereichen: a) Bewertung von Lebensbereichen b) Zufriedenheit mit verschiedenen Lebensbereichen, c) erinnertes elterliches Erziehungsverhalten d) soziale Unterstützung e) Bindungsstile in der Partnerschaft f) Zukunftserwartungen und Aspekte der politischen Situation.
Zur Bewertung von Lebensbereichen in Ost und West
Abbildung 1
Abb. 1: Bewertung von Lebensbereichen
Abb. 1: Bewertung von Lebensbereichen
Es wurde ein Fragebogen eingesetzt, der in acht Lebensbereichen die Einschätzung der Wichtigkeit (1 = nicht wichtig, 5 = extrem wichtig) erwartet sowie die Zufriedenheit mit diesen Lebensbereichen. Abbildung 1 zeigt, daß der Gesundheit übereinstimmend in Ost-und Westdeutschland hohe Bedeutung zugesprochen wird. Auch bei der Wohnsituation gibt es keine Ost-West-Differenzen, sie wird jedoch nicht so hoch bewertet. Bei allen anderen Bereichen gibt es Differenzen zwischen den Bewertungen in Ost und West. Freunden und Bekannten sowie der Freizeitgestaltung bzw.den Hobbies wird im Westen eine höhere Bedeutung beigemessen. Im Osten werden das Einkommen bzw. die finanzielle Lage sowie Beruf und Arbeit höher bewertet als im Westen. Höheren Stellenwert für die Ostdeutschen haben auch die Bereiche Familienleben und Kinder sowie Partnerschaft und Sexualität. Die Befunde decken sich weitgehend für alle der auch im Wohlfahrtssurvey 1998 erhobenen Wertebereiche mit den dortigen Ergebnissen (Gesundheit, Familie, Arbeit, Beruf, Einkommen, Freizeit).
Abbildung 9
Abb. 9: Sind heute noch Vorbilder für die Jugend vorhanden?
Abb. 9: Sind heute noch Vorbilder für die Jugend vorhanden?
Abbildung 2 zeigt gravierende Differenzen in der Lebenszufriedenheit zwischen Ost-und Westdeutschen für etliche Lebensbereiche, nur bezüglich der Wohnsituation und Freunden bzw. Bekannten ist die Zufriedenheit ähnlich. In den Bereichen Freizeit/Hobbies sowie Gesundheit sind die Ostdeutschen unzufriedener als die Westdeutschen. Besonders kraß ist die Differenz in den Bereichen Beruf, Arbeit, Einkommen bzw. finanzielle Lage. Hier ist die Zufriedenheit der Ostdeutschen wesentlich geringer. Wesentlich besser ist bei den Ostdeutschen die Zufriedenheit mit den Lebensbereichen Familienleben und Kinder sowie Partnerschaft und Sexualität.
Abbildung 10
Abb. 10: Wie zufrieden waren Sie vor fünf Jahren mit Ihrem Leben? Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Leben? Was glauben Sie, wie wird es wohl in fünf Jahren sein?
Abb. 10: Wie zufrieden waren Sie vor fünf Jahren mit Ihrem Leben? Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Leben? Was glauben Sie, wie wird es wohl in fünf Jahren sein?
Die Ostdeutschen holen sich mehr Befriedigung aus ihren privaten Beziehungen -Familie, Kinder, Partnerschaft, Sexualität -, doch dies verhindert nicht ein Gesamtdefizit an Wohlbefinden, das vor allem durch einen Mangel an materiellen Ressourcen entsteht. Die große Unzufriedenheit mit Arbeit und Beruf im Osten fällt deshalb auch noch besonders stark ins Gewicht, weil dieser Bereich dort als besonders wichtig gesehen wird. Dies ergaben Befragungen immer wieder seit Anfang der neunziger Jahre Die vergleichsweise größere* Zufriedenheit in den privaten Beziehungen bei den Ostdeutschen hatten wir bereits in einer früheren Befragung 1994 gefunden Im Gegensatz zu R. Habich u. a. können wir nicht konstatieren, daß die Unterschiede in der Zufriedenheit zwischen Ost-und Westdeutschen abnehmen.
Gesellschaftliche Veränderungen und ihre Auswirkungen
Abbildung 2
Abb. 2: Lebenszufriedenheit nach Bereichen
Abb. 2: Lebenszufriedenheit nach Bereichen
Ost-wie Westdeutsche sehen voraus, daß sich in der Gesellschaft die Kluft zwischem Arm und Reich erweitern (vgl. Abb. 3) und daß das Gemeinschaftsgefühl in Deutschland zurückgehen werde (vgl. Abb. 4). In beiden Punkten sind die Ostdeutschen vergleichsweise noch pessimistischer (vgl. Abb. 5 und 6).
Abbildung 11
Abb. 11: Gegenwärtige Lebenszufriedenheit im Vergleich zur erwarteten Lebenszufriedenheit in den Jahren 1991, 1995 und 1999.
Abb. 11: Gegenwärtige Lebenszufriedenheit im Vergleich zur erwarteten Lebenszufriedenheit in den Jahren 1991, 1995 und 1999.
Volle Übereinstimmung zwischen Ost und West besteht in der Vermutung, daß Rücksichtslosigkeit in der Gesellschaft künftig zunehmen werde (vgl. Abb. 7). Alle drei Prognosen laufen jedenfalls auf eine erwartete Zunahme von gesellschaftlichen Spannungen hinaus.
Abbildung 12
Abb. 12: Das erinnerte elterliche Erziehungsverhalten im Ost-West-Vergleich.
Abb. 12: Das erinnerte elterliche Erziehungsverhalten im Ost-West-Vergleich.
Diese Ergebnisse decken sich mit denen des Wohlfahrtssurvey 1998, dem zufolge die Ostdeutschen Konflikte zwischen Ost-und Westdeutschen deutlicher wahrnehmen als die Westdeutschen und der Arm-Reich-Gegensatz von ihnen noch deutlicher empfunden wird
Abbildung 13
Abb. 13: Anerkennung in der Partnerschaft, Bedürfnis nach Zuwendung in der Partnerschaft, Offenherzigkeit in der Partnerschaft
Abb. 13: Anerkennung in der Partnerschaft, Bedürfnis nach Zuwendung in der Partnerschaft, Offenherzigkeit in der Partnerschaft
Während im Westen tendenziell eher mehr Menschen glauben, daß die junge Generation für eine Verbesserung der Verhältnisse im Land sorgen wird, sind die Ostdeutschen tendenziell eher skeptischer (vgl. Abb. 8).
Abbildung 14
Abb. 17 Ist die Todesstrafe ein zur Verbrechensbekämpfung geeignetes Mittel?
Abb. 17 Ist die Todesstrafe ein zur Verbrechensbekämpfung geeignetes Mittel?
Im Westen werden auch noch eher als im Osten gute Vorbilder für die Jugend als existent angesehen (vgl. Abb. 9).
Abbildung 15
Abb. 15: Willkommen für Ausländer, die in unserem Land leben möchten
Abb. 15: Willkommen für Ausländer, die in unserem Land leben möchten
Offensichtlich glauben die Westdeutschen jedoch, daß sie mit einer solchen gesellschaftlichen Entwicklung persönlich besser zurechtkommen werden. Denn sie vermuten, daß sie in fünf Jahren persönlich mit ihrem Leben zufriedener als heutesein werden, während die Ostdeutschen für sich keine Besserung der Lebenssituation erwarten (vgl. Abb. 10), was wohl heißt, daß sich die Westdeutschen durchschnittlich widerstandsfähiger einschätzen, um sich auch in einem härteren sozialen Klima gut behaupten zu können, während die Ostdeutschen sich umgekehrt eher nach wie vor auf der Verliererseite sehen.
Abbildung 16
Abb. 16: Härtere Verfahrensweise mit Kriminalität und Unmoral
Abb. 16: Härtere Verfahrensweise mit Kriminalität und Unmoral
Abbildung 11 zeigt die Ergebnisse unserer Befragung im Vergleich zu Befragungen im Sozioökonomischen Panel (SOEP) von 1991 und 1995. Deutlich ist zu erkennen, daß im Westen eine Zunahme optimistischer Erwartungen vorliegt, während im Osten nach großem Optimismus 1991 heute eher Pessimismus herrscht. Zu berücksichtigen dabei ist allerdings, daß sowohl Ost-wie Westdeutsche ihre Lebensbedingungen als verbessert konstatieren im Verlauf der letzten fünf Jahre (vgl. Abb. 10). Während jedoch die Verbesserungen im Westen deutlicher empfunden werden, herrschen hier zugleich auch größere Erwartungen für die Zukunft. Die Verbesserungen in den neuen Ländern werden als geringer empfunden, und an zukünftige Entwicklungen knüpft man keine großen Hoffnungen.
Familie, Freunde und Fremde
Abbildung 3
Abb. 3: Werden in unserem Land die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden?
Abb. 3: Werden in unserem Land die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden?
Wie schon in unserer ersten Ost-West-Befragung 1994 erstaunt es, wie positiv die Ostdeutschen auf ihre Erziehung im Elternhaus zurückblicken (vgl. Abb. 12) Die Eltern hat man im Westen ablehnender als im Osten und auch als überbehütender und fordernder in Erinnerung, die Väter im Westen überdies als weniger warmherzig.
Abbildung 17
Abb. 18: Wird die Wirtschaft von der Politik zu wenig oder zu stark kontrolliert?
Abb. 18: Wird die Wirtschaft von der Politik zu wenig oder zu stark kontrolliert?
Auch die Partnerschaft wird im Westen als weniger offenherzig geschildert, und hier wird auch größere Sorge geäußert, in der Partnerschaft nicht anerkannt zu werden, während die Ostdeutschen mehr Bedürfnis nach Zuwendung in der Partnerschaft äußern (vgl. Abb. 13).
Abbildung 18
Abb. 19: Sind Sie dafür oder dagegen, daß sich deutsche Soldaten an Nato-Militärschlägen beteiligen?
Abb. 19: Sind Sie dafür oder dagegen, daß sich deutsche Soldaten an Nato-Militärschlägen beteiligen?
Im Fragebogen zur sozialen Unterstützung ergeben sich folgende hochsignifikante Differenzen:
Abbildung 19
Abb. 20: Mit weiterer Lagerung amerikanischer Atombomben auf deutschem Boden einverstanden?
Abb. 20: Mit weiterer Lagerung amerikanischer Atombomben auf deutschem Boden einverstanden?
Ostdeutsche geben öfter als Westdeutsche an, -Menschen zu haben, von denen sie ohne Einschränkungen angenommen werden;
-einen vertrauten Menschen zu haben, mit dessen Hilfe sie immer rechnen können;
-ohne Zögern im Krankheitsfall Freunde bzw.
Bekannte bitten zu können;
-Menschen zu haben, die Freud und Leid mit ihnen teilen;
-einen vertrauten Menschen zu haben, in dessen Nähe sie sich ohne Einschränkung wohlfühlen.
Dagegen geben Westdeutsche häufiger an, eine Gruppe von Menschen zu haben, zu denen sie gehören und mit denen sie sich häufig treffen.
Die Ergebnisse zeigen, daß die Ostdeutschen über wesentlich mehr soziale Unterstützung berichten als die Westdeutschen. Sie entsprechen denen einer früheren Untersuchung von uns.
Die Frage, ob die Familienbeziehungen -als Gegenentwurf zur staatlichen Reglementierung oder im Sinne einer Idealisierung als heile Welt -sich imOsten tatsächlich besser gestaltet haben, ist empirisch schwer zu beantworten. Brähler u. a. haben darauf hingewiesen, daß ältere Personen in Ost und West, die vor dem Entstehen der DDR und der Bundesrepublik gleiche Sozialisationsbedingungen hatten, sich innerhalb der Gesellschaft besonders stark unterscheiden insofern, als ältere Menschen im Osten sich an ihre Eltern besonders positiv erinnern
Es gibt keine gesicherten Belege für die These von Chr. Pfeifer, daß ganze Generationen in den neuen Ländern durch Krippenerziehung geschädigt seien
Während die Ostdeutschen einen Harmonie und gefühlsmäßige Befriedigung versprechenden Privatbereich schildern, sehen sie andererseits eine unfreundliche und Mißtrauen erweckende Außen-realität. Sie sehen sich von außen vergleichsweise stärker durch Gefahren bedroht. So gestehen die Ostdeutschen mehr Angst vor Ausländern zu (vgl. Abb. 14) und heißen Ausländer, die im Land leben möchten, eher weniger willkommen (vgl. Abb. 15), obwohl der dortige Ausländeranteil bekanntlich sehr viel geringer ist als im Westen (dies wäre eine Bestätigung der psychologischen Regel, wonach Ressentiment-Bereitschaft mit einem Defizit an narzißtischer Genugtuung wächst). Die Ostdeutschen wünschen sich ein härteres Vorgehen gegen Kriminalität und Unmoral und sind der Anwendung der Todesstrafe weniger entschieden abgeneigt als die Westdeutschen (vgl. Abb. 16 und Abb. 17). Kurz: Sie erwarten eine strengere Kontrolle des „Bösen“ draußen, vor dem sie in dem warmen Klima ihrer sozialen Binnenwelt verschont bleiben wollen.
Politische Fragen
Abbildung 4
Abb. 4: Wird das Gemeinschaftsgefühl in Deutschland eher wachsen oder
Abb. 4: Wird das Gemeinschaftsgefühl in Deutschland eher wachsen oder
Politisch erwartet man in Ost und West, daß die Politik die Wirtschaft stärker kontrollieren sollte (vgl. Abb. 18).
Zur Frage der deutschen Beteiligung an Nato-Militärschlägen (in der zweiten Aprilhälfte 1999 vorgelegt) haben die Ostdeutschen mehrheitlich eine klar ablehnende, die Westdeutschen eine geteilte Meinung (vgl. Abb. 19). Dies entspricht den Ergebnissen einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen im April 1999
Daß die immer noch auf deutschem Boden gelagerten amerikanischen Atomwaffen beseitigt werden sollten, erwarten beide Seiten; die Ostdeutschen wiederum mit einer noch stärkeren Mehrheit (vgl. Abb. 20).
Schlußfolgerungen
Abbildung 5
Abb. 5: Werden in unserem Land die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden?
Abb. 5: Werden in unserem Land die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden?
Wenn sich in einer Beziehung ein Teil vom anderen relativ entwertet fühlt, wird er sich dem anderen nicht annähern, sondern sich eher trotzig abgrenzen, weil Annäherung heißen würde, die eigene Selbstachtung noch mehr zu gefährden. Dann wird seine Bereitschaft zur Selbstkritik gebremst, weil diese wie Unterwerfung unter den anderen Teil empfunden wird. Wenn offen erklärt wird, Wahlen könnten in der Bundesrepublik nur mit einer Politik für den Westen gewonnen werden, weil die Ost-Wählerstimmen zu wenig ins Gewicht fielen, dann ist der Weg für eine weitere Entfremdung gebahnt.
Also sollten die Befunde unserer Untersuchung nicht danach eingeschätzt werden, welche Seite besser abschneidet, sondern wie dem östlichen Übergewicht z. B. an Pessimismus, Widerstands-schwäche und Argwohn Abhilfe geschaffen werden könnte und wie andererseits die stärkeren östlichen sozialen Qualitäten, die in erfüllten privaten Beziehungen -Familie, Partnerschaft, Freundschaft, Nachbarschaftshilfe -zum Vorschein kommen, zu einem Bindemittel auch im Ost-West-Verhältnis werden könnten. Denn hier liegen emotionale Ressourcen für eine Überwindung der Ost-West-Kluft, ohne die das oft beschworene Zusammenwachsen nicht gefördert werden kann. Aber gesamtdeutscher Gewinn aus diesen Ressourcen wird sich erst einstellen, wenn zur Überwindung der materiellen Benachteiligung und der westlichen Bevormundungshaltung (z. B. Westdeutsche in vielen östlichen Spitzenpositionen) mehr geschieht.
Elmar Brähler, Prof. Dr. rer. biol. hum., geb. 1946; seit 1991 Leiter der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig. Veröffentlichungen u. a.: (Hrsg.) Körpererleben -ein subjektiver Ausdruck von Leib und Seele, 2. Aufl., Gießen 1995; (Hrsg. zus. mit Hans-Jürgen Wirth) Entsolidarisierung. Die Westdeutschen am Vorabend der Wende und danach, Opladen 1995; (Hrsg. zus. mit Hildegard Felder) Weiblichkeit, Männlichkeit und Gesundheit, 2. Aufl., Opladen 1999; (Hrsg. zus. mit Michael Geyer und Aike Hessel) Gewinne und Verluste sozialen Wandels, Opladen 1999. Horst-Eberhard Richter, Prof. Dr. med. Dr. phil., geb. 1923; Leiter des Sigmund-Freud-Institutes Frankfurt am Main. Veröffentlichungen u. a.: Eltern, Kind und Neurose, Stuttgart 1963; Patient Familie, Reinbek 1970; Die Gruppe, Reinbek 1972; Lernziel Solidarität, Reinbek 1974; Russen und Deutsche, Hamburg 1990; Umgang mit Angst, Hamburg 1974; Bedenken gegen Anpassung -Psychoanalyse und Politik, Hamburg 1995; Als Einstein nicht mehr weiterwußte. Ein himmlischer Krisengipfel, Düsseldorf 1997.
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