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Nukleare Rüstungskontrolle und Abrüstung | APuZ 50-51/1999 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 50-51/1999 Nukleare Rüstungskontrolle und Abrüstung Die Nichtverbreitungspolitik der USA unter Präsident Clinton. Von der internationalen Führungsmacht zum nationalen Egoismus? Rußland und die Weiterverbreitung von Kernwaffen Rüstungskontrolle bei chemischen und biologischen Waffen

Nukleare Rüstungskontrolle und Abrüstung

Annette Schaper

/ 20 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Gefahren durch Kernwaffen sollen durch zwei Ansätze vermindert werden: Der eine ist Abrüstung und die Verhinderung weiterer quantitativer und qualitativer Aufrüstung, der andere die Verhinderung der Verbreitung in weitere Staaten und substaatliche Gruppen. Ein wichtiges Mittel sind internationale Rüstungskontroll-und Abrüstungsverträge. Ein zentraler Pfeiler ist der Nichtverbreitungsvertrag. Er sieht zwei Kategorien von Mitgliedern vor: die Nichtkernwaffenstaaten, die sich verpflichten, sich keine Kernwaffen zu verschaffen und dies durch die Internationale Atomenergie-organisation überprüfen zu lassen, und die Kernwaffenstaaten, die sich verpflichtet haben, über vollständige nukleare Abrüstung zu verhandeln. Die doppelte Bedeutung des Vertrages als Nichtverbreitungs- und Abrüstungsvertrag wurde 1995 durch die unbegrenzte Verlängerung noch einmal bekräftigt. Die weitere Akzeptanz des Vertrages wird aber stark von den Fortschritten zukünftiger Abrüstung abhängen.

1. Kernwaffen und das nukleare Nichtverbreitungsregime

Durch die Erfindung von Kernwaffen entstand zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit die Gefahr, daß sie sich in einem Krieg selbst auslöschen könnte. Während des Ost-West-Konfliktes gab es einen beispiellosen nuklearen Rüstungswettlauf. Die Zahl der weltweit existierenden Sprengköpfe, die Ende 1945 gerade sechs Sprengköpfe umfaßte, war 1952 auf 1005 auf amerikanischer und fünf auf sowjetischer Seite angestiegen. Der Elöchststand war 1986 mit rund 23 000 amerikanischen und 40 000 sowjetischen Sprengköpfen erreicht. Hinzu kamen noch einige hundert in Großbritannien, Frankreich und China. Berühmt wurde der Begriff „Overkill“, der angibt, wie oft sich die Menschheit mit diesem Arsenal auslöschen könnte.

Neben der quantitativen Aufrüstung fand ein qualitativer Rüstungswettlauf statt. Im August 1949 explodierte die erste amerikanische und im August 1953 die erste sowjetische Wasserstoff-bombe. Im Gegensatz zu den frühen Kernwaffen, die nur auf Kernspaltung beruhen, findet bei der Explosion einer Wasserstoffbombe auch eine Kernverschmelzung statt. Mit dieser Technik sind noch viel energiereichere Explosionen möglich. Die größte Nuklearexplosion mit 58 Megatonnen, soviel wie ungefähr 30 000 Hiroschima-Bomben, wurde 1961 von der Sowjetunion gezündet. Die USA und die Sowjetunion investierten massiv in den Ausbau von Forschung und Entwicklung sowie in ihre Produktionsanlagen. Bald gab es eine Vielzahl von technischen Variationen. Die Sprengköpfe wurden leichter, so daß sie auf Raketen montiert werden konnten, die elektronischen Kontroll-und Sicherungssysteme wurden komplexer, die Explosionsenergien in den ersten beiden Jahrzehnten des Kalten Krieges immer größer. Strategien und Rüstungskontrolle zielten daher seit Beginn des Kalten Krieges darauf ab, den Einsatz dieser Waffen durch Abschreckung zu vermeiden. Tatsächlich ist es zwischen den beiden Machtblöcken während des Kalten Krieges niemals zu einem Einsatz gekommen.

Während des Ost-West-Konfliktes gab es verschiedene Verhandlungen zur Begrenzung des nuklearen Wettlaufs. Der sogenannte „Baruch-Plan“ aus dem Jahre 1946 schlug vor, alle Kernwaffen zu vernichten und die Kontrolle übfer Nuklearmaterial und -Industrie einer internationalen Behörde zu unterstellen. Verträge sollten dazu dienen, die Situation zu stabilisieren. Der ABM-Vertrag von 1972 (ABM = Anti-Ballistic Missile) soll z. B. die Funktionsfähigkeit der Abschreckung garantieren, indem er Waffensysteme verbietet, die einen Zweitschlag abwehren könnten. Die SALT-Verträge (1972 und 1979; SALT = Strategie Arms Limitation Talks) und der INF-Vertrag (1987; INF = Intermediate-range Nuclear Forces) dienen der Begrenzung von Kernwaffensystemen; weitere Verhandlungen und Verträge bezogen sich auf die Einrichtung kernwaffenfreier Zonen und Stationierungsverbote im Weltraum und dem Meeresboden.

Jedoch erst nach dem Ende des Kalten Krieges wurde es möglich, einige Kernwaffen wieder abzurüsten. Die beiden START-Verträge (1991 und 1993) legen fest, daß die Zahl der strategischen Sprengköpfe bis zum Jahr 2003 von beiden Seiten auf 3 500 reduziert werden soll. Eine Reduzierung taktischer Kernwaffen fand Anfang der neunziger Jahre ebenfalls statt, aber nur auf freiwilliger Basis und ohne Verifikation. Sie könnte leicht rückgängig gemacht werden. Es wird geschätzt, daß 1997 noch ungefähr 20 000 Sprengköpfe stationiert waren. Nach anfänglicher Euphorie in den frühen neunziger Jahren ist der Abrüstungsprozeß in den letzten Jahren allerdings ins Stocken geraten.

Sowohl internationale als auch nationale Bemühungen zielen darauf ab, die Gefahren durch Kernwaffen zu vermindern. Man unterscheidet zwei Ansätze: Der eine betrifft die Abrüstung und die Verhinderung weiterer quantitativer und qualitativer Aufrüstung, der andere die Verhinderung der Verbreitung in weitere Staaten und substaatliche Gruppen. Beide Phänomene werden auch unter dem Begriff Proliferation (Weiterverbreitung) zusammengefaßt, mit den genaueren Bezeichnungen vertikale Proliferation für Aufrüstung und horizontale Proliferation für Weiterverbreitung. Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, mit denen diese Bemühungen vorangetrieben werden; diese sind: internationale Rüstungskontroll-und Abrüstungsverträge, Exportkontrollen und dafür international abgesprochene gemeinsame Prinzipien, Zusammenarbeit bei der Verhinderung von Schmuggel, Zusammenarbeit bei technischen Problemen der Abrüstung, nationale Schutzmaßnahmen sensitiver Anlagen und Materialien, dazugehörige internationale Standards, regionale Kontrollinstitutionen wie Euratom, Verifikationsmaßnahmen verschiedener Verträge wie Sicherungsmaßnahmen der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) sowie globale und regionale vertrauensbildende Maßnahmen. Darüber hinaus gibt es gewachsene Gewohnheiten, Normen und Regeln, informelle Kooperationen und gemeinsame Überzeugungen. Diese expliziten und impliziten Elemente werden in der Politikwissenschaft als „Nichtverbreitungsregime“ bezeichnet.

II. Der Nichtverbreitungsvertrag (NW)

Ein zentraler Pfeiler des Nichtverbreitungsregimes ist der Nichtverbreitungsvertrag (NW), früher auch „Atomwaffensperrvertrag“ genannt, dessen Verhandlungen 1969 abgeschlossen wurden. Er wurde durch die Befürchtung motiviert, daß sich immer mehr Länder Kernwaffen verschaffen würden. Der damalige amerikanische Präsident Kennedy prophezeite 1962, daß es zum Ende des Jahrhunderts zwanzig bis dreißig Kernwaffenstaaten geben würde. Im Oktober 1964 machte die Explosion eines Nuklearsprengkopfes China neben den USA, Rußland, Großbritannien und Frankreich zum fünften Mitglied des Nuklearwaffenclubs. Die Aufmerksamkeit richtete sich nun auf die Proliferation von Nuklearwaffen in neue Staaten. Daher war das erste Ziel des NW, weitere Kernwaffen-staaten zu verhindern. Der Vertrag sieht zwei Kategorien von Mitgliedern vor: die Kernwaffen-staaten, laut Definition nur diejenigen, die vor 1967 eine Kernwaffe gezündet haben, und alle anderen, die Nichtkernwaffenstaaten. Die Nichtkernwaffenstaaten verpflichten sich, keine Kernwaffen anzuschaffen und dies durch die IAEO überprüfen zu lassen, die Kernwaffenstaaten dagegen, über vollständige nukleare Abrüstung zu verhandeln. Alle sind verpflichtet, bei der zivilen Kernenergie zusammenzuarbeiten. Es gibt noch eine Reihe weiterer Verpflichtungen. So haben z. B. die Nichtkernwaffenstaaten das Recht, auf ihrem Territorium sogenannte „friedliche Kernsprengungen“ durchführen zu lassen. Diese Option, die in den sechziger Jahren ernsthaft für möglich gehalten wurde, wird heute aber nur als Kuriosum belächelt. Sie hat sich überdies durch den Vollständigen Teststoppvertrag überholt. Eine Verpflichtung, die dagegen von vielen Nichtkernwaffenstaaten sehr ernst genommen wird, ist die der vollständigen nuklearen Abrüstung. Artikel VI des NW verpflichtet die Kernwaffenstaaten, „in redlicher Absicht“ Verhandlungen über die Beendigung des Wettrüstens und über nukleare sowie allgemeine und vollständige Abrüstung aufzunehmen. Diese Verpflichtung mußten die Nichtkernwaffenstaaten den Kernwaffenstaaten in zähen Verhandlungen im Rahmen der Genfer Abrüstungskonferenz abtrotzen. Bisher allerdings nahmen die Kernwaffenstaaten dieses Gebot nicht sonderlich ernst. Der NW ist der einzige Vertrag, in dem die vollständige nukleare Abrüstung als Ziel festgeschrieben ist. Er besteht aus zwei Pfeilern, der Nichtverbreitung und der Abrüstung, die nicht zuletzt durch diesen Vertrag untrennbar Zusammenhängen. Dies wird von Kritikern des Vertrages, die nur die Diskriminierung zwischen zwei verschiedenen Kategorien von Mitgliedern beklagen, oft übersehen.

Tatsächlich sind die Rechte und Pflichten sehr unterschiedlich. Während sich die Nichtkernwaffenstaaten sehr intensiven Kontroll-und Überprüfungsmaßnahmen unterwerfen, sind die Kernwaffenstaaten von vergleichbaren Pflichten völlig befreit. Die bisherigen Erfolge nuklearer Abrüstung werden zunehmend als unzureichend kritisiert. Eine Bestimmung im NW legt fest, daß alle fünf Jahre eine Überprüfungskonferenz stattfindet. Dabei soll bewertet werden, ob die Vertrags-bestimmungen eingehalten wurden. Von fünf Überprüfungskonferenzen konnte nur auf zweien ein konsensuales Abschlußdokument zur Vertragsimplementation verabschiedet werden: 1975 und 1985. Doch auch während dieser beiden Konferenzen bestimmte nicht Harmonie das Bild der Zusammenkunft, sondern handfeste Auseinandersetzungen, die regelmäßig auch die im Vertrag enthaltenen Abrüstungs-und Rüstungskontrollvorschriften betrafen. Unterschiedlich sind auch die Rechte und Pflichten, was die Verifikation des NW betrifft. So unterliegt in Nichtkernwaffenstaaten die zivile Kernenergie Kontrollen der IAEO, da sie für Waffenzwecke mißbraucht werden könnte. Bei diesen sogenannten Sicherungsmaßnahmen wird der gesamte Brennstoffkreislauf, d. h. alle Kernreaktoren, Brennstoff-Fabriken, Transporte, Lager, Wiederaufarbeitung (falls vorhanden) oder Anreicherungsanlagen, mit aufwendiger Technik und Inspektionen kontrolliert, um sicherzugehen, daß kein Nuklearmaterial illegalerweise beiseite geschafft werden kann. Obwohl es immer wieder Klagen der Industrie über Wettbewerbsnachteile gegeben hat, überwiegen die Vorteile. Als Folge der Sicherungsmaßnahmen hat sich in Nichtkernwaffenstaaten eine disziplinierte Kul­tur der Materialbuchhaltung entwickelt, und es ist möglich, den gesamten Bestand des Nuklearmaterials mit nur kleinen Fehlern lückenlos zu erfassen. In Kernwaffenstaaten -insbesondere in den USA, Rußland und China -gibt es dagegen keine IAEO-Sicherungsmaßnahmen. Die zivile Nuklearindustrie Großbritanniens und Frankreichs unterliegt immerhin Sicherungsmaßnahmen von Euratom, der gemeinsamen Aufsichts-und Genehmigungsbehörde der EU-Mitgliedsstaaten. Als Folge der fehlenden Sicherungsmaßnahmen sind die Bestände von Nuklearmaterial in den USA, Rußland und China sehr viel ungenauer erfaßt. Insbesondere in Rußland fehlen auch moderne technische Kontrolleinrichtungen, über China ist diesbezüglich wenig bekannt. Illegale Abzweigungen bleiben daher leicht unentdeckt. Die Bereitschaft der Kernwaffenstaaten, auch ihrerseits verstärkte internationale Kontrollen zu akzeptieren, läßt immer noch zu wünschen übrig.

Mitte der neunziger Jahre wurden die IAEO-Sicherungsmaßnahmen noch einmal reformiert. Anlaß war ein Vertragsbruch des NW seitens des Irak, dem es gelungen war, jahrelang ein geheimes Nuklearwaffenprogramm zu betreiben, ohne daß die IAEO dies entdeckt hatte. Die Reformen zielen darauf ab, nicht nur wie bisher illegale Abzweigungen zu entdecken, sondern auch andere Beschaffungs-und Produktionsaktivitäten. Dadurch sind die Rechte der IAEO noch einmal verstärkt worden, ebenso die Forderungen, daß sich auch Kernwaffenstaaten internationalen Kontrollen unterziehen sollen. Eine Wiederholung des Falls Irak ist tatsächlich unwahrscheinlicher geworden.

Eine weitere Bestimmung des Vertrags hat festgelegt, daß 25 Jahre nach Inkrafttreten eine Konferenz der Mitgliedsstaaten über die Zukunft des Vertrages entscheiden sollte. Im Vertragstext selbst sind drei Möglichkeiten vorgesehen, diese Vorgabe zu erfüllen: erstens die unbegrenzte Verlängerung des Vertrages, zweitens seine Verlängerung um eine feste Frist und drittens die Verlängerung des NV-Vertrages um aufeinanderfolgende Fristen. Diese Konferenz fand 1995 statt. Zur Überraschung vieler wurde der Vertrag trotz massiver Kritik an unzureichender nuklearer Abrüstung unbegrenzt verlängert. Gleichzeitig wurde aber auch festgelegt, daß die regelmäßige Über-prüfung des Vertrages verstärkt und dafür eine Liste von Kriterien beachtet werden soll, die so-genannten Prinzipien und Ziele der NVV-Überprüfung. Das Ziel der vollständigen nuklearen Abrüstung wird darin bekräftigt, und einzelne Maßnahmen wie der Teststoppvertrag oder ein Vertrag zur Beendigung der Produktion von Nuklearmaterial für Kernwaffen (häufiger Name Cutoff) werden als förderlich für dieses Ziel benannt. Die Prinzipien und Ziele haben die beiden Normen der Nichtverbreitung und Abrüstung weiter gestärkt.

Während es anfänglich große Vorbehalte gegen den NW gab und viele Staaten nur widerwillig beigetreten sind, hat sich diese Einstellung weitgehend gewandelt. Viele Länder haben sich zu aktiven und konstruktiven Befürwortern entwickelt. Inzwischen sind bis auf vier Staaten -nämlich Israel, Indien, Pakistan und Mexiko -alle Staaten dem Vertrag beigetreten. Kein anderer internationaler Vertrag hat so viele Mitglieder. Die doppelte Bedeutung des Vertrages als Nichtverbreitungsund Abrüstungsvertrag wurde 1995 durch die unbegrenzte Verlängerung noch einmal bekräftigt. Seit Jahren ist der NW der zentrale Pfeiler auch deutscher Nichtverbreitungspolitik, und deshalb hat Deutschland 1995 auch aktiv für die unbegrenzte Verlängerung des NW und seine universelle Mitgliedschaft geworben. Kernwaffen haben sich tatsächlich weniger weit verbreitet, als es Anfang der sechziger Jahre befürchtet wurde. Trotzdem hat es immer einige Problemfälle gegeben. Neben den fünf offiziellen Kernwaffenstaaten haben Israel, Indien und Pakistan die technische Fähigkeit, Kernwaffen herzustellen, und besitzen vermutlich ein Arsenal. Diese drei Staaten weigern sich, dem NW als Nichtkernwaffenstaaten beizutreten. Mehrere Problemfälle sind inzwischen gelöst: Brasilien und Argentinien hatten beide Kernwaffenprogramme, aber diese wurden inzwischen aufgegeben. Statt dessen ist seit 1996 der Tlatelolco-Vertrag in Kraft, durch den ganz Südamerika zu einer kernwaffenfreien Zone erklärt wird, einschließlich der Verpflichtung einer genauen Verifikation des Verbots von Kernwaffen-beschaffung. Südafrika war im Besitz von sechs Sprengkörpern, die es wieder demontiert hat. Inzwischen ist es dem NW beigetreten und läßt seine Nuklearanlagen von der IAEO inspizieren. Südafrika ist das erste Land der Geschichte, das nuklear abgerüstet hat. Die Verifikation dieser Abrüstung ist daher ein wichtiges Lehrstück für zukünftige weitere Bemühungen. Der Irak hatte trotz NW-Mitgliedschaft ein umfangreiches Beschaffungsprogramm, das erst nach dem GolfKrieg entdeckt und von einer Kommission der Vereinten Nationen zerstört worden ist. Auch Nordkorea, ebenfalls ein NW-Mitglied, ist überführt worden, geheime Beschaffungsaktivitäten zu betreiben. Dies kann als Erfolg der Verifikation gewertet werden. Da Nordkorea im Gegensatz zum Irak aber kein besetztes Land ist, ist die Durchsetzung seiner Verpflichtungen schwieriger. Zur Zeit werden diplomatische Kompromisse ausgehandelt, die es zur Aufgabe dieser Aktivitäten bewegen sollen. Der Iran wird von den USA verdächtigt, ebenfalls ein geheimes Kernwaffenpro­gramin zu betreiben, allerdings gibt es dafür bisher keinen Beweis.

Die weitere Akzeptanz des Vertrages wird aber stark von den Fortschritten zukünftiger Abrüstung abhängen. Seit 1995 sind diese ins Stocken geraten. Während in den frühen neunziger Jahren mehrere Erfolge gefeiert werden konnten, insbesondere der Abschluß der Verhandlungen zu den START-Verträgen (START = Strategie Arms Reduction Talks), die weitreichende Reduzierungen der nuklearen Arsenale vorsehen, und noch 1996 der Abschluß der Verhandlungen zu einem Vollständigen Teststoppvertrag (CTBT = Comprehensive Test Ban Treaty), hat es seitdem nur Rückschläge gegeben. Der START-Prozeß macht keine weiteren Fortschritte, die USA lehnten die Ratifizierung des CTBT im Oktober 1999 ab, statt dessen sind sie entschlossen, ein nationales Raketen-abwehrsystem aufzustellen, das im Widerspruch zum ABM-Vertrag steht und weitere Abrüstung noch mehr erschweren wird. Mit einem Raketen-abwehrsystem könnte u. U. ein Zweitschlag abgewehrt und so die Hemmschwelle für einen Erst-schlag herabgesetzt werden. Obwohl ein solches Szenario nach dem Ende des Kalten Krieges sehr unwahrscheinlich geworden ist, bemühen sich die Kernwaffenstaaten nach wie vor, eine Zweitschlagsfähigkeit zu erhalten. Hierfür wäre im Fall der Aufstellung eines Raketenabwehrsystems eine viel größere Zahl von Nuklearwaffen erforderlich als ohne. Auch die geplanten Verhandlungen zu einem Cutoff, die gleich nach Beendigung der CTBT-Verhandlungen beginnen sollten, kommen nicht in Gang. Es ist zu befürchten, daß die durch diese Entwicklungen entstehende Ungeduld das Nichtverbreitungsregime unterminieren wird. Konkret wird sich dies bei der nächsten Überprüfungskonferenz des NW im Frühjahr 2000 zeigen.

III. Teststopp und Begrenzung des Rüstungswettlaufs

Einer der wichtigsten nuklearen Rüstungskontrollverträge ist der Vollständige Teststoppvertrag, dessen Verhandlungen 1996 abgeschlossen wurden, dessen Inkrafttreten aber immer noch fraglich ist. Allein während der fünfziger Jahre wurden Hunderte von Nukleartests durchgeführt, davon fast alle überirdisch. Wegen ihrer spektakulären Sichtbarkeit und ihres radioaktiven Fallouts wurden sie zu einem Symbol des nuklearen Rüstungswettlaufs, und die Forderungen nach einer Beendigung der Nuklearexplosionen und nach Abrüstung mehrten sich schon in den fünfziger Jahren. Tatsächlich wurden 1958 Verhandlungen zu einem Teststoppvertrag aufgenommen, aber es kam nur zu Verträgen, die die Tests auf unterirdische Explosionen begrenzen (Moskauer Atomteststoppabkommen 1963) und die ihre maximale Energie auf 150 Kilotonnen festlegen (Testschwellenvertrag 1974).

Erst 1994, nachdem die Regierung Clinton verkündet hatte, daß die USA aktiv einen Teststopp anstreben, begannen ernsthafte Verhandlungen in der Genfer Abrüstungskonferenz (CD). Wie groß der internationale Druck inzwischen geworden war, zeigten eindrucksvoll die Reaktionen auf die Wiederaufnahme der französischen Tests im Sommer 1995. Die Proteste gegen die sechs Versuche überstiegen bei weitem alles, was man aus vergangenen Jahren, in denen über 2 000 Explosionen stattgefunden hatten, gewohnt war.

Von einem Teststopp werden zwei Wirkungen erwartet: die Beendigung des qualitativen Rüstungswettlaufs und die Eindämmung der Entwicklungsmöglichkeiten von Kernwaffen in proliferationsverdächtigen Ländern. Weitere nukleare Begehrlichkeiten würden sowohl den Kernwaffen-staaten verwehrt, die ohne Nukleartests kaum neue Kernwaffentypen entwickeln können, als auch allen anderen, insbesondere Indien, Pakistan und Israel, die man bereits im Besitz eines Nukleararsenals wähnt. Pläne für neuartige und exotische Kernwaffensysteme, wie sie zum Beispiel in den achtziger Jahren in den USA im Zusammenhang mit SDI anvisiert worden waren, könnten ohne Hunderte von Nukleartests nicht realisiert werden, so daß durch einen CTBT ein solcher qualitativer Rüstungswettlauf unmöglich würde. Auch die Entwicklung von Wasserstoffbomben in Staaten, die bisher wenig Erfahrung mit Kernwaffen hatten, wäre ohne Nukleartests nicht möglich. Dies betraf vor allem Israel, Indien und Pakistan, deren nukleare Ambitionen durch keinerlei völkerrechtlich bindende Verpflichtung beschränkt sind. Indiens Nukleartests im Frühjahr 1998 könnten aber schon Meßwerte beschert haben, die einige Weiterentwicklungen ermöglichen.

Der Vertrag enthält eine Präambel, siebzehn Artikel, Anlagen und ein Protokoll. Die Präambel eines Rüstungskontrollvertrages drückt aus, was das eigentliche Ziel des Vertrages ist. Ihr Text war daher während der Verhandlungen stark umstritten, und es wurde um zahllose Variationen gerungen. Der eigentliche Konflikt dieses Ringens war die Frage, wie stark jeweils die Ziele der Beendigung des qualitativen Rüstungswettlaufs, der vollständigen nuklearen Abrüstung und der Nichtverbreitung von Kernwaffen betont werden sollten. Vor allem die Kernwaffenstaaten hätten die erstenbeiden am liebsten unerwähnt gesehen, Indien hätte gern auf die Erwähnung der Nichtverbreitung verzichtet. Alle Elemente sind aber im Text enthalten, wenn auch zum Teil in etwas verklausulierter Form.

Einen großen Teil des Vertragswerks nimmt die zukünftige Organisation ein. Hierfür soll in Wien die Organisation des Vertrages (CTBTO = Comprehensive Test Ban Treaty Organization) eingerichtet werden. Sie wird eine jährliche Konferenz der Vertragsstaaten, einen Exekutivrat, bestehend aus 51 Mitgliedern, und ein Technisches Sekretariat umfassen, dem ein sogenanntes Internationales Datenzentrum unterstehen wird. Der Exekutivrat ist das ausführende Organ, er kann zum Beispiel weitere Konferenzen einberufen; seine wichtigste Aufgabe ist die Entscheidung über das Vorgehen in Verdachtsfällen und im Fall eines Vertragsbruchs.

Der umfangreichste Teil des Vertrages regelt die Verifikation. Ihr zentraler Teil ist ein technisches Überwachungssystem. Es sieht ein weltweites Sensorsystem vor, das Erderschütterungen mit seismischen Methoden mißt, Unterwassermikrophone für die Entdeckung von Explosionen in den Weltmeeren sowie atmosphärische Messungen und Infraschallsensoren für überirdische Explosionen. Darüber hinaus gibt es ausgeklügelte Mechanismen zur Konsultation und Klarstellung in Verdachtsfällen. Allein den komplizierten Regelungen zur Durchführung von Inspektionen vor Ort sind acht Seiten gewidmet. Weitere Einzelheiten der Verifikation regelt ein ausführliches Protokoll, das mit Anlagen die eine Hälfte des Vertragswerkes umfaßt. Die CTBTO mit dem Technischen Sekretariat und dem Internationalen Datenzentrum wird zur Zeit in Wien aufgebaut.

Im Frühsommer 1996 schien es, als ob die Abrüstungskonferenz ihr Ziel nicht erreichen würde, nämlich sich bis Ende Juni 1996 auf einen Vertragstext zu einigen, der dann der Generalversammlung der Vereinten Nationen (VN) vorgelegt werden sollte. Es gab substantielle Meinungsverschiedenheiten, von denen einige ausgeräumt werden konnten, andere erwiesen sich allerdings als außerordentlich hartnäckig. Ende Juni blieb ein Konflikt übrig, nämlich unvereinbare Positionen zum Inkrafttreten: Rußland, China und Großbritannien bestanden auf einer Klausel, die den Vertrag nur in Kraft treten läßt, wenn er mindestens auch von Indien, Pakistan und Israel ratifiziert ist. Indien hatte jedoch angekündigt, den Vertrag nicht nur nicht zu unterzeichnen, sondern auch dagegen zu stimmen sowie den Text an die VN weiterzuleiten, wenn diese Klausel nicht gestrichen würde. Der Grund sei, daß Indien durch sie massiv unter Druck gesetzt werden würde, dem Vertrag doch noch beizutreten. Damit war die CD blockiert. Mit Hilfe eines Tricks landete der Text im August 1996 schließlich doch in den VN: Er wurde dort nicht von der CD, sondern von einer Gruppe einzelner Staaten vorgelegt, womit Indiens Veto umgangen wurde. Auf diese Weise konnte er schnell angenommen und von einer überwältigenden Mehrheit aller Staaten unterzeichnet werden.

Ein wichtiges Element des Vertrages ist der Verbotstatbestand. Dieser legt fest, welche technischen Aktivitäten in Zukunft noch erlaubt sind und welche nicht. Er stellt den eigentlichen Kern des Teststopps dar. Je mehr technische Aktivitäten verboten würden, die die Entwicklung von Kernwaffen in irgend einer Weise fördern, desto gründlicher würde der eigentliche Vertragszweck erfüllt. Beispiele sind Computersimulationen, Laserfusion, verschiedene kernphysikalische Experimente, Tests von Kernwaffenkomponenten und Kombinationen all dieser Aktivitäten. Allerdings werden viele dieser Aktivitäten auch für zivile Zweckbestimmungen genutzt. Auch wollen die Kernwaffenstaaten ihr existierendes Nuklearwaffenarsenal weiterhin warten, solange nicht vollständig abgerüstet ist. Unter Wartung versteht man z. B. die Minimierung des Unfallrisikos, die möglichst zuverlässige Verhinderung einer versehentlichen Zündung, Reparaturen, Anpassung an neue Standards von Kleinbauteilen, Experimente zur Zuverlässigkeit und die für diese Aufgaben nötige Ausbildung des Personals. Es stand von Anfang an fest, daß die Möglichkeit der Wartung auch ohne Nukleartests für die Kernwaffenstaaten eine notwendige Bedingung für ihre Bereitschaft war, sich überhaupt auf die Verhandlungen einzulassen.

Tatsächlich hatten die Kernwaffenstaaten zunächst unter sich über eine Testschwelle verhandelt, obwohl dies mit dem Ziel eines umfassenden Teststopps kaum vereinbar ist, d. h., kleine Nuklearexplosionen wären weiterhin erlaubt gewesen. Eine Wende brachten die Proteste gegen die französischen Tests im Sommer 1995. Als Reaktion verkündeten zunächst Präsident Chirac und dann auch die anderen Kernwaffenstaaten, daß sie sich nun für ein Verbot „aller Kernexplosionen“ einsetzten. Diese Wende kam für Beobachter überraschend; vermutlich wäre es nie so weit gekommen, wenn Frankreich nicht wegen seiner Tests so unter Druck geraten wäre und durch seine Initiative diesen Dominoeffekt ausgelöst hätte. Dadurch ist die Entwicklung neuartiger Kernwaffen tatsächlich nicht mehr möglich.

Allerdings ist ungewiß, wann der Vertrag in Kraft treten wird. Eine Klausel sieht vor, daß er von mindestens 44 namentlich aufgelisteten Staatenratifiziert werden muß, darunter alle Kernwaffen-staaten, alle Staaten mit ziviler Nuklearindustrie sowie Indien, Pakistan und Israel. Indien hat jedoch erklärt, daß es dies niemals tun werde. Als Begründung führt Neu Delhi u. a. an, daß der Vertrag den Kernwaffenstaaten die Weiterentwicklung ihrer Sprengköpfe immer noch erlaube und nur die Möglichkeiten anderer Staaten beschränke. Erst wenn es einen Zeitplan für vollständige nukleare Abrüstung gebe, könne auch Indien beitreten. Nach seinen Nukleartests im Frühjahr änderte Indien diese Haltung und kündigte größere Flexibilität an. Konkrete Taten sind jedoch noch nicht erfolgt. Ein neues Problem hat sich dadurch ergeben, daß der amerikanische Senat im Oktober 1999 eine Ratifizierung ablehnte, obwohl die Mehrheit der US-Bevölkerung für diesen Vertrag ist. Die Gründe sind in innenpolitischer Machtpolitik, aber auch in einer Abkehr der US-Politik von internationaler Zusammenarbeit und einer Hinwendung zu nationalen Alleingängen mit Berufung auf die eigene Stärke zu suchen. Diese Ablehnung hat weltweit zu großer Empörung geführt. Dem Nichtverbreitungsregime ist damit ein empfindlicher Schaden zugefügt worden. Weitere wichtige Ratifizierungen sind damit fraglich geworden, und es ist ungewiß, ob und wann der Teststopp in Kraft treten kann.

IV. Cutoff -ein Weg zur Beendigung der Produktion von Nuklearmaterial für Waffenzwecke?

Während der Teststopp den Zweck hat, den qualitativen Rüstungswettlauf einzugrenzen, indem er die Entwicklung immer neuer Kernwaffensysteme verhindert, soll der den Cutoff quantitativen Rüstungswettlauf einschränken, indem er die weitere Produktion von Plutonium und hochangereichertem Uran (HEU = highly enriched uranium) für Kernwaffen verbietet. Obwohl der Vorschlag eines in vielen Resolutionen der General-versammlung Cutoff der Vereinten Nationen unterstützt wurde, ist er niemals so berühmt geworden wie der Teststopp. Der Grund ist nicht etwa, daß er weniger Bedeutung für die Abrüstung hätte, vielmehr gibt es dafür zwei andere Erklärungen: Zum einen ist die Produktion von Nuklearmaterial kein so spektakuläres und empörendes Ereignis wie ein Nukleartest, zum anderen ist sie verwoben mit zivilen Aktivitäten und Interessen. Der Cutoff wirkt daher komplizierter als der Teststopp, aber er ist mindestens genauso wichtig für die nukleare Abrüstung.

Die Hoffnungen auf einen zügigen Beginn der Verhandlungen gleich im Anschluß an den CTBT haben sich zerschlagen. Seit 1996 streitet die Genfer Abrüstungskonferenz über ihren Auftrag, genannt Verhandlungsmandat, statt mit den Verhandlungen selbst zu beginnen. Eine Gruppe von Staaten fordert, nicht nur das zukünftig produzierte Material in die Verhandlungen und damit möglicherweise in den zukünftigen Verbotstatbestand miteinzubeziehen, sondern auch das bereits existierende Waffenmaterial. Tatsächlich sind die Mengen dieses früher produzierten Materials enorm. So wird die Menge des militärischen HEU weltweit auf rund 1 700 Tonnen geschätzt, genug für mehrere hunderttausend Sprengköpfe. Nur knapp ein Drittel davon wird offiziell als überschüssig angesehen, davon sind nur zehn Tonnen unter internationaler Kontrolle. Die Zahlen für militärisches Plutonium sind vergleichbar. Solange dieses Material für Kernwaffen verwendet werden kann, könnte wieder über die Spitzenzahlen des Kalten Krieges hinaus aufgerüstet werden. Pakistan hat auch ein Interesse, mehr über die Bestände Indiens zu erfahren; ein ähnliches Informationsbedürfnis haben viele arabische Staaten, denen das vermutliche Kernwaffenarsenal Israels ein Dorn im Auge ist. Während sich die meisten Mitglieder der Abrüstungskonferenz gut vorstellen können, zumindest Teile dieses Waffenmaterials in den Verhandlungen zu berücksichtigen, sind einige Kernwaffenstaaten und Indien strikt dagegen.

Ein weiterer Streitpunkt betrifft auch andere Verhandlungsthemen. So fordern mehrere Staaten, das Thema der nuklearen Abrüstung stärker zu berücksichtigen, wobei das Spektrum der Forderungen von einem moderaten „Diskussionsforum“ bis zu einem Zeitplan für eine kernwaffenfreie Welt reicht. Einige Staaten -insbesondere Indien, bevor es 1998 seine Nukleartests durchführte -haben zeitweilig die Bereitschaft, über den Cutoff zu verhandeln, an die Bedingung geknüpft, auch über einen solchen Zeitplan zu verhandeln. Aber selbst das moderate Diskussionsforum wird von den Kernwaffenstaaten und einigen anderen Staaten abgelehnt. Dabei hätte ein Cutoff selbst wenn er nur zukünftig produziertes Material betrifft, weitreichende Konsequenzen für die Verifikation und damit für die nukleare Abrüstung. Verifiziert werden müßte nämlich, daß kein Nuklearmaterial, das nach einem bestimmten Stichtag produziert wurde, heimlich abgezweigt wird und daß keine heimliche Produktion stattfindet. Dies entspricht dem Ziel der Verifikation in den Nichtkernwaffenstaaten mittels der vollständigen Sicherungsmaßnahmen unter dem NW. Der Unterschied wäre nur noch, daß Kernwaffenstaaten ihr bereits vor demStichtag produziertes Material von den Maßnahmen ausnehmen dürften. Dieses Verifikationsszenario sehen die meisten Kernwaffenstaaten allerdings anders. In verschiedenen Diskussionsforen halten z. B. Vertreter der USA es für ausreichend, nur die wichtigsten Nuklearanlagen überwachen zu lassen, nämlich Wiederaufarbeitungs-und Anreicherungsanlagen, nicht jedoch gewöhnliche Kernreaktoren wie in den Nichtkernwaffenstaaten. Damit wäre die Verifikation allerdings äußerst unzureichend. Zwei Begründungen werden vor allem angeführt: erstens, daß es auf ein paar Kernwaffen mehr oder weniger nicht ankomme, und zweitens, daß eine so gründliche Verifikation wie in den Nichtkernwaffenstaaten zu teuer sei. Gegen das erste Argument läßt sich prinzipiell einwenden, daß ein internationaler Vertrag eingehalten werden muß und es keine verschiedenen Klassen der Verpflichtung geben darf. Das Argument der Kosten, bei dem es um einige hundert Millionen US-Dollar pro Jahr geht, klingt zynisch, wenn man bedenkt, daß die USA ein Vielfaches für ihren Rüstungshaushalt und für die Pflege ihrer Nukleartestgelände ausgeben, obwohl sie doch den Teststopp unterzeichnet haben. Die Einführung von internationalen Nuklearkontrollen auch in Kernwaffenstaaten und die lückenlose Kontrolle allen Kernmaterials sind ohnehin dringend notwendige Schritte. Der würde Cutoff einen wichtigen Beitrag zur Beschleunigung leisten. Vorteile wären nicht nur die zukünftige Verhinderung illegaler Abzweigungen und des Nuklearschmuggels, sondern auch die Vorbereitung zu weiter reichender nuklearer Abrüstung bis hin zu einer kernwaffenfreien Welt.

Der Teststopp und der Cutoff können in vielerlei Hinsicht verglichen werden: Beide gelten als wichtige Abrüstungssymbole, beide sind explizit in den Prinzipien und Zielen der NVV-Überprüfung als nächste notwendige Schritte benannt worden, beide dienen sowohl der Verhinderung horizontaler als auch vertikaler Proliferation, und beide sind eine Folge des Endes des Kalten Krieges. Bei beiden gibt es auch einen prinzipiellen Konflikt, der typisch für die nukleare Rüstungskontrolle ist. Man kann ihn als nukleare Abrüstung gegen nukleare Nichtverbreitung bezeichnen, obwohl die meisten Verhandlungspartner beides wollen. Die Kernwaffenstaaten sind allerdings vor allem daran interessiert, weitere Kernwaffenentwicklungen in anderen Ländern zu verhindern, während sie ihre eigenen Verpflichtungen möglichst minimieren wollen. Einige andere, wie z. B. in den letzten Jahren häufig Indien, stellen unrealistische Maximalforderungen an die nukleare Abrüstung und verhindern gleichzeitig die nächsten realistischen Nichtverbreitungs-und Abrüstungsschritte.

V. Eine kernwaffenfreie Welt?

Die vollständige nukleare Abrüstung ist seit dem ersten Einsatz von Kernwaffen eine oft wiederholte Forderung und durchzieht als roter Faden alle Rüstungskontrollverhandlungen. Seit der Verlängerungskonferenz des NW hat sie an Bedeutung gewonnen und wird zunehmend vor allem von den Blockfreien gefordert.. Von den Kernwaffenstaaten wird eine kernwaffenfreie Welt in absehbarer Zeit jedoch als unrealistisch bezeichnet. Sie weigern sich, dieses Thema in Verhandlungen zu berücksichtigen. Eine zunehmende Diskussion wird aber auch in den politischen Eliten vieler Staaten beobachtet. Die Befürworter der Abschaffung von Kernwaffen führen an, daß sie früher oder später doch zum Einsatz kommen würden, daß sie nach dem humanitären Völkerrecht inhumane Waffen seien und daß der NW ihre Abschaffung gebiete. Die Gegner bestehen darauf, daß Kernwaffen für die Abschreckung von Angriffen mit Massenvernichtungswaffen und von massiven konventionellen Angriffen unerläßlich seien und daß die vollständige Abrüstung niemals überzeugend genug verifiziert werden könne. Eine kernwaffenfreie Welt kann nur dann realistisch werden, wenn diese Argumente widerlegt werden können, also wenn die Sicherheitsbedürfnisse auf überzeugende Weise auch ohne Kernwaffen befriedigt werden können, wenn es einen konkreten Weg für nukleare Abrüstung gibt und wenn der internationale Wille dafür gewachsen ist.

Es gibt viele realistische Schritte, die ergriffen werden können, ohne daß bereits eine Entscheidung über vollständige nukleare Abrüstung gefällt werden muß. Beispiele sind ein Vertrag zur Limitierung oder Abschaffung von taktischen Kernwaffen, die Verifikation der Demontage von Kernsprengköpfen, der Verzicht auf einen Ersteinsatz, die Einrichtung weiterer kernwaffenfreier Zonen, die Einführung von Transparenz-und IAEO-Sicherungsmaßnahmen auch in Kernwaffenstaaten sowie die vertragliche Festlegung auf das Prinzip der Irreversibilität bei Abrüstungsmaßnahmen. Damit ist gemeint, daß einmal eingegangene Abrüstungsverpflichtungen wie in den START-Verträgen nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Ein weiteres Beispiel für Irreversibilität wäre das Verbot, Nuklearmaterial,, das zivil deklariert worden ist, wieder militärisch zu verwenden. Viele Maßnahmen sind möglich und sinnvoll. Sie hätten den Nebeneffekt, die Voraussetzung für eine kernwaffenfreie Welt zu schaffen, ohne daß hierüber bereits jetzt entschieden werden müßte.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Annette Schaper, Diplom-Physikerin, Dr. rer. nah, geh. 1955; seit 1992 wissenschaftliche Mitarbeiterin des Projekts zur nuklearen Nichtverbreitung in der Hessischen Stiftung Friedens-und Konfliktforschung, Frankfurt a. M. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit Katja Frank) Ist eine kernwaffenfreie Welt verifizierbar?, in: HSFK-Report, 6/1998; (zus. mit Martine De Becker und Harald Müller) Essais Nucleaires -Fin de Partie, GRIP, Brüssel 1996; (Hrsg. zus. mit Harald Müller) Fatale Versuche. Zur Wiederaufnahme der französischen Kernwaffentests, Bonn 1995, sowie zahlreiche Veröffentlichungen in Fachzeitschriften.