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Informationen zur politischen Bildung Nr. 351/2022

Rechtsstaatlichkeit auf internationaler Ebene

Till Patrik Holterhus

/ 10 Minuten zu lesen

In einer globalisierten Welt ist die Idee der Rechtsstaatlichkeit für die internationale Ebene bedeutsam. Dies gilt für die internationale öffentliche Gewalt wie für zwischenstaatliche Beziehungen.

Dass die Idee der Rechtsstaatlichkeit sich nicht allein auf den Staat als klassischen Rahmen der Ausübung öffentlicher Gewalt bezieht, wurde bereits erläutert. In ihren zentralen Zielsetzungen – der Unterbindung von Anarchie auf der einen sowie der Abwehr hoheitlicher Tyrannei auf der anderen Seite – lässt sich die Rechtsstaatlichkeit vielmehr auch auf jede andere gemeinschaftliche Organisationsform anwenden, die durch öffentliche Gewalt geprägt ist (oder zumindest geprägt sein könnte). Dies gilt auch für die internationale Ebene. Zu unterscheiden ist dabei allerdings zwischen der Rechtsstaatlichkeit internationaler Institutionen, die zur Ausübung öffentlicher Gewalt befähigt sind, und den allgemeinen zwischenstaatlichen Beziehungen als solchen.

Rechtsstaatlichkeit internationaler Institutionen

Ähnlich wie staatliche Institutionen können auch internationale Institutionen öffentliche Gewalt ausüben (internationale öffentliche Gewalt). Um die Idee der Rechtsstaatlichkeit auf der internationalen Ebene anzuwenden, ist diese internationale öffentliche Gewalt von entscheidender Bedeutung.

Skulptur "Non Violence" des schwedischen Künstlers Carl Fredrik Reuterswärd (1988) vor der VN-Zentrale in New York als Symbol für Frieden und Gewaltlosigkeit. (© picture-alliance/dpa, Tim Brakemeier275)

Internationale öffentliche Gewalt

Zentral für die internationale öffentliche Gewalt ist das Phänomen der Globalisierung. Die Globalisierung bezeichnet die Zunahme der weltweiten Verflechtung politischer, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, sozialer, ökologischer und technischer Vorgänge. Dieser Prozess erzeugt zwar viele positive Effekte, stellt die Weltgemeinschaft jedoch zugleich auch vor neuartige grenzüberschreitende Herausforderungen, etwa wenn internationale Finanzströme reguliert, der Klimawandel verlangsamt oder der internationale Terrorismus bekämpft werden sollen.

Als Reaktion auf diese grenzüberschreitenden Herausforderungen verschieben sich schon seit geraumer Zeit bestimmte Aufgaben und Funktionen von der nationalstaatlichen auf die internationale Ebene. Die Politikwissenschaft bezeichnet diesen Prozess als Global Governance, also als Begründung globalen Regierungshandelns. Anders als in einem Staat erfolgt Global Governance jedoch nicht durch einen zentralen Akteur (etwa eine Art "Weltregierung"), sondern durch eine Vielzahl unterschiedlicher Institutionen und Mechanismen.

Einen besonders relevanten Aspekt der Global Governance bildet die "internationale öffentliche Gewalt". Sie existiert immer dann, wenn Staaten einer eigenständigen internationalen Institution bestimmte Kompetenzen einräumen, um verbindlich Verhaltensregeln zu setzen und/oder durchzusetzen. Dabei hat die Ausübung internationaler öffentlicher Gewalt einen erweiterten Adressatenkreis im Vergleich zur Ausübung öffentlicher Gewalt in einem Staat. Betroffen sind nicht nur die Bürgerinnen und Bürger der Staaten, welche die internationale Institution einsetzen, sondern mitunter auch die Staaten selbst.

QuellentextGlobal Governance als politische Reaktion

[...] [E]s entwickelt sich zunehmend ein System globalen Regierens, das die Politikwissenschaft als Global Governance bezeichnet. Es umfasst die Gesamtheit der kollektiven Regelungen, die auf globale Problemlagen oder Sachverhalte zielen. Governance umfasst dabei den zu regelnden Inhalt wie auch die Normen, die den Prozess beschreiben, über den eine Regelung zustande kommt und durchgesetzt wird. Die beteiligten Akteure rechtfertigen Governance mit dem Anspruch, dem gemeinsamen Interesse eines Kollektivs oder – stärker noch – dem Gemeinwohl zu dienen. Dahinter können sich aber oft nationale Interessen verbergen.

Denn nationale Regierungen spielen dabei nach wie vor eine wichtige Rolle. Sie koordinieren und harmonisieren ihre Politik, gegebenenfalls beziehen sie auch nichtstaatliche Akteure ein. Die wechselseitige Verpflichtung auf eine diskriminierende Handelspolitik zu verzichten ist ein Beispiel für dieses globale Regieren durch gemeinsames Regierungshandeln. Es haben sich zunehmend auch andere Formen transnationalen Regierens entwickelt: Gesellschaftliche Gruppierungen wirken grenzüberschreitend zusammen und geben sich selbst Regeln, ohne dass die Staaten dabei eine wesentliche Rolle spielen. [...]

Es ist das Gesamtarrangement dieser verschiedenen Steuerungsformen, das Global Governance ausmacht. Mit der Entwicklung solcher Steuerungsformen hat sich die internationale Politik grundlegend gewandelt, es entsteht internationale politische Autorität: Staaten erkennen formal oder de facto an, dass Entscheidungen oder Interpretationen auf der internationalen Ebene getroffen werden können, die die eigene Jurisdiktion betreffen und selbst dann Bindekraft haben, wenn sie den eigenen nationalstaatlichen Regelungen und Prioritäten widersprechen. [...]

Mit Global Governance wird das lange Zeit kennzeichnende Strukturmerkmal traditioneller internationaler Politik untergraben: Internationale Politik ist nicht mehr nur horizontale Politik zwischen Staaten, sondern besitzt nun auch vertikale Komponenten zwischen internationalen Institutionen einerseits und Staaten sowie Individuen andererseits. Global Governance wirkt damit tief und machtvoll in nationale Gesellschaften hinein, ohne dass dies durch die nationale Regierung einfach unterbunden werden kann. Der Begriff Global Governance und die damit verbundenen politischen Abläufe werden auch längst kritisch beäugt. Der Politikwissenschaftler Claus Offe beklagt zum Beispiel die Subjektlosigkeit des Governancebegriffs, die auch etwa im Vergleich zum Begriff des Regierens deutlich wird: "Es geschieht etwas, aber niemand hat es getan". Die politischen Prozesse, die aus der Perspektive der Global Governance analysiert werden, machen es in der Tat schwer, für bestimmte Politikergebnisse Verantwortlichkeiten zuzuschreiben. Global Governance [...] ist aber kein politisches Programm, sondern ein analytischer Begriff. In diesem Sinne dient er nicht der Rechtfertigung globaler Verhältnisse – wie das frühen, politisch benutzten Verwendungen des Begriffs vorgeworfen werden konnte –, sondern der kritischen Analyse globaler politischer Prozesse. Aus einer solchen kritischen Perspektive sind drei Strukturprobleme der Global Governance besonders augenfällig.

Koordinationsprobleme: Global Governance setzt sich aus einem unübersichtlichen Flickwerk von internationalen Institutionen zusammen, die zumeist sektoral, manchmal aber auch regional begrenzt sind, wobei die Begrenzungen unscharf sind. Es gibt fast immer Überschneidungen, was die Mitglieder wie auch die Themen betrifft. [...]

Das Fehlen von Mechanismen zur Koordination von Governance, wie sie auf der nationalstaatlichen Ebene vor allem von Regierungschefs [...], Verfassungsgerichten [...] und der öffentlichen Meinung [...] bereitgestellt werden, verweist auf einen ersten strukturellen Mangel von Global Governance. Zwar interagieren die unterschiedlichen internationalen Institutionen miteinander und passen sich dabei kontinuierlich einander an, aber eine Gesamtkoordination bleibt aus. [...]

Es fehlen problemfeldübergreifende Instanzen, die Kollisionen zwischen Teilbereichen der Global Governance grundwerteorientiert behandeln – solche Instanzen zu haben, ist für eine konstitutionelle Ordnung zentral. Auch das Verhältnis zwischen internationalen und nationalen Regeln bleibt häufig unbestimmt und variiert je nach den nationalen Verfassungen der beteiligten Staaten. [...]

Auch das Verhältnis zwischen transnationalen Regimen und nationaler Rechtslage ist nicht selten unklar. [...] Im Ergebnis erweist sich Global Governance als äußerst zersplittert.

Legitimationsprobleme: Global Governance erzeugt auch Legitimationsprobleme. So lange sich internationale Institutionen auf die bloße Bearbeitung von Interdependenzproblemen beschränkten, welche das Einverständnis jedes Mitgliedstaates voraussetzte, stellte sich das Legitimationsproblem kaum. [...] Das ändert sich jedoch durch die zunehmende Autorität internationaler Institutionen. Nun wird auch deren Input-Legitimität und insbesondere deren Demokratisierung gefordert. Manche halten aber einen demokratischen Prozess jenseits des Nationalstaates für strukturell ausgeschlossen, da die EU und die anderen internationalen Organisationen die sozialen Vorbedingungen für Demokratie nicht erfüllen. [...] Somit entsteht ein wachsendes Bedürfnis nach anderen Formen der direkten Legitimierung internationaler Entscheidungen. Darauf reagieren internationale Institutionen teilweise, indem sie neue legitimationsstiftende Verfahren wie etwa zum Schutz der Menschenrechte einrichten. Allerdings können solche Mechanismen nicht den gesamten Legitimationsbedarf decken. [...]

Verteilungsprobleme: der vereinseitigende Liberalismus: Ein weiteres strukturelles Defizit von Global Governance betrifft die systematische Bevorzugung der ökonomischen Liberalisierung. Zum einen fällt es dem Nationalstaat in einer globalisierten Welt zunehmend schwerer, die gewohnten Sozialstandards aufrechtzuerhalten. [...] Außerdem haben die meisten internationalen Institutionen selbst eine liberalisierende Stoßrichtung. Ob es darum geht, Handelsbarrieren zu beseitigen, Kapitalverkehrskontrollen abzuschaffen oder einheitliche Bilanzierungsstandards zu gewährleisten: Der angestrebte Effekt ist zumeist die Schaffung von offenen Weltmärkten, um Effizienzgewinne einfahren zu können. Viel seltener geht es bislang darum, Märkte zu regulieren, um Stabilität zu schaffen und unerwünschte Verteilungseffekte zu verhindern. [...]

Michael Zürn, "Globalisierung und Global Governance", in: IzpB 325/2015 "Regieren jenseits des Nationalstaats", S.4 ff.

Neben der EU, die hier bereits gesondert behandelt wurde, existieren heute viele internationale Institutionen, die in ihrem Inhalt und Umfang ganz unterschiedlich internationale öffentliche Gewalt ausüben. Dazu gehört das Handeln der Weltgesundheitsorganisation (WHO), wenn diese rechtsverbindliche internationale Gesundheitsvorschriften gegenüber ihren Mitgliedstaaten erlässt. Genannt werden kann außerdem die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD), die über die Bewilligung von Maßnahmen zur wirtschaftlichen Entwicklung in ärmeren Ländern entscheidet. Vor allem gehören aber auch internationale Gerichte zu den Institutionen, die mit ihren verbindlichen Urteilen internationale öffentliche Gewalt gegenüber Staaten und Individuen ausüben. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einen Staat wegen der Verletzung von Menschenrechten zu einer Entschädigungszahlung verurteilt oder wenn der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) einer Person wegen eines Kriegsverbrechens eine Freiheitsstrafe auferlegt.

Internationale Anwendbarkeit der Rechtsstaatsidee

Wie auf staatlicher Ebene, so ist auch auf internationaler Ebene die Einrichtung öffentlicher Gewalt nicht allein nützlich, um globale Probleme zu lösen, sondern birgt stets auch das Risiko eines Machtmissbrauchs. Die Idee rechtsstaatlicher Ordnung, die sich dieser grundlegenden Ambivalenz widmet, lässt sich daher in ihren zentralen Zielsetzungen auch auf internationale Institutionen, die internationale öffentliche Gewalt ausüben, anwenden. Einerseits ist der Rechtsstaatlichkeit wegen ihrer friedens-, sicherheits- und ordnungsstiftenden Effekte durchaus an der Begründung internationaler öffentlicher Gewalt gelegen. Andererseits sieht die Idee der Rechtsstaatlichkeit auch für die internationale Ebene vor, dass die Ausübung von Gewalt gewissen Begrenzungen unterworfen ist. Zumindest dem Grundsatz nach können die verschiedenen rechtsstaatlichen Anforderungen an die Begründung und Begrenzung öffentlicher Gewalt daher auch auf die internationale Ebene übertragen werden.

Zur Rechtsstaatlichkeit der Vereinten Nationen

Ein aus globaler Perspektive besonders wichtiges Beispiel einer internationalen Institution, der es erlaubt ist, internationale öffentliche Gewalt auszuüben, sind die Vereinten Nationen (VN).

(© picture-alliance, dpa-infografik, Globus 015 179; Quelle: VN)

Die VN sind eine zwischenstaatliche Einrichtung, die durch die Charta der Vereinten Nationen (VN-Charta) geschaffen wurde und der mit 193 Staaten nahezu alle Staaten der Welt angehören. In der VN-Charta haben sich die Mitgliedstaaten auf eine internationale Sicherheits- und Friedensordnung geeinigt, welche insbesondere jede gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Staaten verbietet. Eine der wesentlichsten Aufgaben der VN liegt laut ihrer Charta in der Sicherung dieser Sicherheits- und Friedensordnung. Zur Erfüllung dieser Aufgabe verfügen die VN in einem außergewöhnlichen Maß über die Fähigkeit zur Ausübung internationaler öffentlicher Gewalt. Dies gilt vor allem für den VN-Sicherheitsrat – ein Organ der VN, dem die fünf ständigen Mitglieder China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA sowie zehn nichtständige Mitglieder angehören. Letztere wechseln in einem regelmäßigen Turnus von zwei Jahren, wobei jedes Jahr fünf nichtständige Mitglieder neu gewählt werden.

Eine besonders wirkungsvolle Fähigkeit zur Ausübung internationaler öffentlicher Gewalt bilden dabei die Exekutivkompetenzen des VN-Sicherheitsrats. Gemäß Kapitel VII der VN-Charta ist es diesem möglich, einzelne VN-Mitgliedstaaten verbindlich anzuweisen, unfriedliche Handlungen untereinander unverzüglich einzustellen. Damit enden die Kompetenzen des VN-Sicherheitsrats jedoch noch nicht. Vielmehr kann der VN-Sicherheitsrat eine solche Anweisung – und das ist auf internationaler Ebene einmalig – letztlich sogar mit militärischem Zwang durchsetzen. Zwar stehen dem VN-Sicherheitsrat keine eigenen Streitkräfte zur Verfügung. Er kann sich dazu jedoch der Streitkräfte der VN-Mitgliedstaaten bedienen. Auf dieser Basis wurden etwa im Jahr 1991 die Streitkräfte einer internationalen Koalition ermächtigt, Kuwait von der völkerrechtswidrigen Besetzung durch den Irak zu befreien. Das gleiche gilt für die im Jahr 2011 beschlossene Ermächtigung zu einer militärischen Intervention im libyschen Bürgerkrieg um die Zivilbevölkerung zu schützen. Auch wenn diese militärische Sicherung des Friedens in letzter Zeit eher eine theoretische Fähigkeit bildet – weil sich der VN-Sicherheitsrat (vor allem wegen des Vetorechts seiner ständigen Mitglieder) häufig nicht auf die entsprechenden Beschlüsse einigen kann –, zeigt doch bereits die Möglichkeit einer militärischen Durchsetzung, über welche besondere internationale öffentliche Gewalt der VN-Sicherheitsrat im Grundsatz verfügt.

Ein weiteres Beispiel der Ausübung internationaler öffentlicher Gewalt durch den VN-Sicherheitsrat bildet dessen quasilegislatives Handeln. Dies ist etwa dann gegeben, wenn der VN-Sicherheitsrat anhand von Kapitel VII der VN-Charta über die Errichtung von Kriegsverbrechertribunalen entscheidet – in der Vergangenheit insbesondere den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien und den Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda – und dabei auch das jeweils anzuwendende Völkerstrafrecht festlegt. Das gleiche gilt, wenn der VN-Sicherheitsrat in gesetzesähnlicher Form Pflichten der VN-Mitgliedstaaten bestimmt, um die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu unterbinden.

Wichtige Artikel des Kapitels VII der VN-Charta

Art. 39 VN-Charta
Der Sicherheitsrat stellt fest, ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt; er gibt Empfehlungen ab oder beschließt, welche Maßnahmen auf Grund der Artikel 41 und 42 zu treffen sind, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen.

Art. 41 VN-Charta
Der Sicherheitsrat kann beschließen, welche Maßnahmen – unter Ausschluss von Waffengewalt – zu ergreifen sind, um seinen Beschlüssen Wirksamkeit zu verleihen; er kann die Mitglieder der Vereinten Nationen auffordern, diese Maßnahmen durchzuführen. Sie können die vollständige oder teilweise Unterbrechung der Wirtschaftsbeziehungen, des Eisenbahn-, See- und Luftverkehrs, der Post-, Telegraphen- und Funkverbindungen sowie sonstiger Verkehrsmöglichkeiten und den Abbruch der diplomatischen Beziehungen einschließen.

Art. 42 VN-Charta
Ist der Sicherheitsrat der Auffassung, dass die in Artikel 41 vorgesehenen Maßnahmen unzulänglich sein würden oder sich als unzulänglich erwiesen haben, so kann er mit Luft-, See- oder Landstreitkräften die zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen durchführen. Sie können Demonstrationen, Blockaden und sonstige Einsätze der Luft-, See- oder Landstreitkräfte von Mitgliedern der Vereinten Nationen einschließen.

QuellentextInternationale Strafverfolgung in Den Haag

[…] Die Geschichte der internationalen Strafjustiz ist auch die Geschichte einer Emanzipation – des Rechts von der Macht. Als der UN-Sicherheitsrat in den 1990er Jahren erstmals Kriegsverbrechertribunale schuf, für Jugoslawien und Ruanda, da achtete das UN-Gremium noch sehr genau darauf, nichts von seiner Macht aus der Hand zu geben. Der Sicherheitsrat schuf die Kriegsverbrechertribunale als vollständig untergeordnete Einrichtungen. Er wählte sowohl Richterinnen und Richter als auch Anklägerinnen und Ankläger aus und behielt so Einfluss bis hin zur Möglichkeit, diese Tribunale jederzeit wieder zu schließen.

Erst 1998 kam die Zeitenwende. Der Internationale Strafgerichtshof (International Criminal Court, ICC), der 1998 auf einer Staatenkonferenz in Rom gegründet wurde, wurde als unabhängige Institution ins Leben gerufen. Er steht außerhalb des UN-Gefüges. Den Staaten steht es frei, ihm beizutreten. Als im Sommer 2002 eine kritische Masse von 60 Ländern erreicht war, die das sogenannte Römische Statut ratifiziert hatten, nahm der Gerichtshof in Den Haag seine Arbeit auf.

Laut Statut wird der Gerichtshof nur tätig bei Völkermord, schweren Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und seit 2018 auch bei Angriffskrieg ("Aggression"). Zudem ist er nur dann zuständig, wenn Staaten diese Delikte auf nationaler Ebene nicht verfolgen können oder wollen. Angeklagt werden können Einzelpersonen, sofern das Land, in dem die Verbrechen begangen wurden, dem Gerichtshof beigetreten ist – oder wenn das Heimatland des Täters das Statut ratifiziert hat.

[…] Dass der Internationale Strafgerichtshof auch das Verbrechen der "Aggression" verfolgen darf, bedeutet für ihn eine politisch überaus heikle Aufgabe. […] Die Richterinnen und Richter haben […] die Autorität zu entscheiden, wer in einem militärischen Konflikt der Aggressor ist, und wer das Recht zur Verteidigung auf seiner Seite hat.

[…] Allerdings: Eine präzise Definition, was ein Angriffskrieg ist, gibt es nicht. Auch im Statut des Strafgerichtshofs ist der Tatbestand auffallend vage gehalten. […]

Wann und ob das Gericht zum Straftatbestand der "Aggression" urteilen muss, ist ungewiss. Bislang haben nur etwas mehr als 30 Staaten, vor allem aus Europa und Lateinamerika, die Erweiterung des Römischen Statuts anerkannt – gerade so viel, dass die Änderung in Kraft treten konnte.

[…] Gegen 39 Personen hat der ICC bis heute Ermittlungen aufgenommen. Minister, Generäle, zwei Staatschefs. Alle kommen aus Afrika. Keine einzige Person aus einem anderen Erdteil ist bislang betroffen.

Schon lange erheben Kritiker wie etwa die Staaten der Afrikanischen Union den Vorwurf, die Haager Juristen konzentrierten ihre Aufmerksamkeit einseitig auf den afrikanischen Kontinent – aus alter postkolonialer Selbstgerechtigkeit gegenüber schwachen Staaten, die nicht auf mächtige Verbündete zählen können, oder ganz schlicht aus Rassismus.

[…] Also, Rassismus? Ganz im Gegenteil, sagt die heutige Chefanklägerin Fatou Bensouda, die zuvor Justizministerin von Gambia war. Sie und ihre Mitarbeiter konzentrierten ihre Aufmerksamkeit auf Afrika, weil dort eben besonders viele Menschenrechtsverletzungen zu beklagen seien. Das Weltstrafgericht hat begrenzte Ressourcen. Es muss Prioritäten setzen. In anderen Konfliktherden wie etwa Syrien fehlt dem Gerichtshof eine Zuständigkeit, aus Afrika hingegen würden Regierungen, die das Statut des ICC unterzeichnet haben, die Weltjustiz auch immer wieder zur Hilfe rufen.

[…] Gelegenheiten, Nicht-Afrikaner anzuklagen, gab und gibt es. Strafanzeigen gegen westliche Soldaten und Politiker gehen in Den Haag laufend ein. Im Irak sollen britische Soldaten Gefangene gefoltert haben. In Gaza sollen israelische Soldaten Zivilisten beschossen haben. In Afghanistan wird US-Soldaten Folter und sexuelle Gewalt vorgeworfen. Die Reaktion ist stets dieselbe: In Den Haag wird eine sogenannte Vorermittlung eingeleitet. Diese ist grundsätzlich offen, untersucht zum Beispiel in Afghanistan neben den Vorwürfen gegen die USA auch solche gegen die Taliban und afghanische Regierungstruppen. Vorermittlungen betreffen inzwischen auch Kolumbien, die Philippinen und die Ost-Ukraine. Noch nie hat die Chefanklägerin sich aber bereit gezeigt, den nächsten Schritt zu gehen und tatsächlich eine Anklage gegen Nicht-Afrikaner zu beantragen.

[…] [A]n den Tatorten, um die es geht, fehlt etwas Entscheidendes: eine internationale Polizei, die überhaupt Verdächtige nach Den Haag bringen könnte.

Das ist ein heikles Problem. Die Haager Juristen müssen sich darauf verlassen, dass Staaten freundlicherweise von sich aus Verdächtige ausliefern.

[…] So landen die Haager Juristen, deren Unabhängigkeit eine der wichtigsten Errungenschaften des Rom-Statuts war, in der Praxis oft wieder in Abhängigkeiten. Das ist ihr größtes Dilemma. Eigentlich sollte mit der Gründung eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofs ja gerade die schlechte alte Praxis überwunden werden, in der stets nur Sieger über Besiegte richteten.

[…] Mehr als 120 Staaten sind dem Internationalen Strafgerichtshof bereits beigetreten. Das ist – aus Haager Sicht – die gute Nachricht. Die größten, bevölkerungsreichsten Staaten der Erde sind aber nicht darunter, so Russland, China, die USA, Indien, und fast alle arabischen Staaten sowie Israel und Iran. Das ist die andere Hälfte der Wahrheit.

Vor allem auf die USA, die mit ihren Soldaten in so vielen Weltregionen operiert wie kein anderer Staat, galt einst als Vorreiter der internationalen Strafjustiz. Erst als es 1998 darum ging, einen ständigen Internationalen Strafgerichtshof einzurichten, der theoretisch nicht nur Jugoslawen oder Ruander, sondern Angehörige aller Staaten anklagen könnte, änderte sich die Haltung der US-Regierung. Sie wurde erst zurückhaltend, dann offen feindselig. Unter Präsident Barack Obama hatte die USA zwischenzeitlich einen pragmatischen Ansatz erprobt und das Weltstrafgericht in einzelnen Fällen wie etwa Libyen unterstützt. Mit der Politik seines Nachfolgers Donald Trump hat sich die Ablehnung des Internationalen Strafgerichtshofs wieder verhärtet.

Auch Russland – wie die USA einst Mitunterzeichner des Römischen Statuts – hat das Gericht bis heute nicht anerkannt. Im Zuge der Vorermittlungen in der Ukraine und Georgien, bei denen das Land zu den Konfliktparteien gehört, hat Russland vielmehr 2016 erneut erklärt, dem Gericht nicht beitreten zu wollen. […]

Ronen Steinke, "Der Internationale Strafgerichtshof" vom 30. Juli 2018, online unter: Interner Link: bpb.de/169554

QuellentextDas Oberlandesgericht Koblenz gegen Anwar R.

[…] Ende April 2020 begann der Prozess, in dem Anwar R. wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt ist. 17 Jahre lang, das ist unstrittig, hat er beim syrischen Geheimdienst gearbeitet, unter anderem als Ermittlungsleiter in der Abteilung 251, die für die Sicherheit in Damaskus und Umgebung zuständig ist. Untergebracht ist sie in zwei mehrstöckigen Gebäuden in einem Wohngebiet im Zentrum von Damaskus. Ein Gefängnis, das nach dem Stadtviertel Al Khatib genannt wird, gehört dazu. Dort sollen allein zwischen April 2011 bis September 2012, um diesen Zeitraum geht es im Prozess, systematisch Tausende Menschen inhaftiert und gefoltert worden sein. Manche sind an den Folgen gestorben.

Überlebende berichten von sogenannten Willkommenspartys im Innenhof von Al Khatib, bei denen neue Gefangene getreten und geschlagen wurden, mit Fäusten, aber auch mit Gürteln und Schläuchen. Manche wurden so hart mit dem Kopf an die Wand gestoßen, dass sie ohnmächtig wurden. Sie erzählen von überfüllten Zellen, in denen man nur im Stehen schlafen konnte, und von Einzelhaft in so kleinen Räumen, in denen man selbst zusammengerollt wie ein Embryo an die Wände stieß. Von Gestank, Ungeziefer, fehlendem Sauerstoff. Von ungenießbarem und nicht ausreichendem Essen und verweigerter medizinischer Hilfe.

Sie berichten, wie sie mit Augenbinde und auf dem Rücken gefesselten Händen zu den Verhören gebracht wurden, von Elektroschocks, Verbrennungen, Übergüssen mit Wasser und heißem Kunststoff, mit denen sie dann malträtiert wurden. Davon, dass die Gefangenen an den Händen gefesselt an der Decke aufgehängt werden, so dass nur die Zehenspitzen den Boden berühren. […]

Anwar R., der es bis zum Rang eines Obersts gebracht hat, war laut Anklage für das Gefängnis verantwortlich. Deshalb ist er wegen 58-fachen Mordes und Folter in mindestens 4000 Fällen, wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung angeklagt. Er wird nicht beschuldigt, selbst gefoltert zu haben. R. soll aber dafür die Verantwortung tragen und so Mittäter sein. […]

Das Gericht muss nun darüber entscheiden, ob das Assad-Regime in Syrien "einen ausgedehnten und systematischen Angriff auf die Zivilbevölkerung", also Völkerrechtsverbrechen, begangen hat. Nur dann kann es urteilen – was es im Fall des inzwischen verurteilten Mitangeklagten Eyad A. bereits getan hat. Und das Gericht muss bewerten, ob Anwar R. im Sinne der Anklage schuldig ist.

R. und A. sind die ersten Mitarbeiter des Assad-Regimes, die sich vor einem Gericht verantworten müssen, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Dass dies in Deutschland möglich ist, liegt am Weltrechtsprinzip im deutschen Völkerstrafgesetzbuch. Demnach können hier auch Straftaten verfolgt werden, wenn Täter und Opfer keine Deutschen sind. Eigentlich gehören die Verbrechen in Syrien vor den Internationalen Strafgerichtshof. Doch dessen Tätigkeit haben Russland und China durch ein Veto im UN-Sicherheitsrat verhindert. Deshalb bleibt nur die nationale Justiz. Das Bundeskriminalamt ermittelt bereits seit gut zehn Jahren im Auftrag der Bundesanwaltschaft zu Syrien, zunächst in einem sogenannten Strukturverfahren, dann auch gegen einzelne Personen. […]

Dass endlich ein Prozess stattfindet, empfinden viele in der syrischen Exilcommunity als einen ersten Schritt in Richtung Gerechtigkeit. Entscheidend sei die Botschaft, dass die Verbrecher früher oder später zur Rechenschaft gezogen würden, sagt einer der Al-Khatib-Überlebenden. Eine andere sagt: "Mein Glaube an Gerechtigkeit wird wiederhergestellt." […]

An einem Mittwoch Mitte August 2020 tritt der Zeuge, der nur Z 28/07/16 genannt wird, mit Perücke, angeklebtem Bart und dickem Brillengestell im Gerichtssaal auf. Weil seine Familie in Syrien vom Geheimdienst bedroht wird, bleibt er anonym. Z 28/07/16 hat 21 Jahre lang für den Allgemeinen Geheimdienst gearbeitet, viel mehr erfährt man über seine Tätigkeit nicht. Er berichtet, wie sich die Lage nach dem Ausbruch der Proteste im Frühling 2011 zugespitzt hat. Folter, sagt er, sei Routine gewesen, es habe nun praktisch keine Vernehmung mehr ohne gegeben. Tote habe man dabei in Kauf genommen. […]

Anfang November 2020 wirft der Sachverständige Markus Rothschild ein Bild nach dem anderen im Gerichtssaal an die Wand. Rothschild leitet die Rechtsmedizin der Universität Köln, im Auftrag der Bundesanwaltschaft hat er die sogenannten Caesar-Fotos forensisch untersucht. Ein ehemaliger syrischer Militärfotograf mit dem Decknamen "Caesar" hat diese bei seiner Arbeit für Assads Regime heimlich kopiert und im Ausland veröffentlicht. Insgesamt sind es über 50 000 Bilder, fast 30 000 zeigen die Leichen von Menschen, die in Gefängnissen der syrischen Geheimdienste gestorben sind. Es sind Fotos von 6787 Personen. […]

Anwar R. hat im Prozess stets geschwiegen, auch eine Stimmprobe hat er abgelehnt, wohl aus Angst, jemand könnte ihn erkennen. Am fünften Prozesstag, einem Montag Mitte Mai 2020, verlesen seine Anwälte eine Einlassung, 45 Seiten lang. Anwar R. streitet darin alle Vorwürfe ab. […]

Lange hat R. sich wohl weitgehend mit dem Regime identifiziert. Folgt man seinen Worten, änderte sich das im März 2011, als in Syrien die Menschen gegen ihre Unterdrückung auf die Straße gingen. Das Regime reagierte brutal, die Gefängnisse waren schnell überfüllt. "Das Chaos brach aus", liest R.s Verteidiger vor.

Folter, das haben zahlreiche Zeugen und Sachverständige im Prozess ausgesagt, gab es schon vor den Demonstrationen, auch in Al Khatib. Jetzt aber eskalierte die Gewalt. Auch dass jeder Demonstrant im Gefängnis landen konnte und nun häufig aus seiner Sicht professionelle Verhöre unmöglich waren, scheint nicht zu R.s Selbstverständnis als Ermittlungsleiter gepasst zu haben. Es ging nicht mehr darum, das sagen viele Zeugen, Informationen zu erlangen. Es ging um Zerstörung und Rache.

[…] Anwar R. [so ein weiterer Zeuge] zeige keine Reue, übernehme keine Verantwortung für die Verbrechen, die er begangen oder zu denen er beigetragen habe. Und er behaupte bis heute, dass es in der Al-Khatib-Abteilung überhaupt keine systematische Folter gab.

Vergebung scheint so nicht möglich zu sein. Umso mehr hoffen die Überlebenden auf ein angemessenes Urteil. Am Donnerstag [13. Januar 2022] wird Anne Kerber, die Vorsitzende Richterin der Koblenzer Strafschutzkammer, das weltweit erste Urteil gegen einen Oberst des syrischen Geheimdienstes verkünden.

[Anwar R. wurde vom OLG Koblenz zu lebenslanger Haft verurteilt – Anm. d. Red.]

Sabine am Orde, "Die Schuld des Anwar R.", in: taz 12. Januar 2022

QuellentextErmittlerteams des Internationalen Strafgerichtshof in der Ukraine

(© picture-alliance/dpa, dpa-infografik GmbH | dpa-infografik GmbH, Quellen: Internationaler Strafgerichtshof, Römisches Statut, Auswärtiges Amt)

[...] Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) stellt, wenn […] in der Ukraine Beweise für Kriegsverbrechen gesammelt werden, eigentlich keine übermäßig hohen rechtsstaatlichen Ansprüche. Wenn Beweise auf schmutzige Weise erhoben worden sein sollten, dann können diese trotzdem vor Gericht verwertbar sein […].

Falls also zum Beispiel die "Tausenden Telefonate", die laut dem ukrainischen Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, schon "als Beweisstücke für das Kriegstribunal" abgefangen worden sind, nicht ganz legal mitgeschnitten worden sein sollten. Oder falls der Bundesnachrichtendienst, der kürzlich Funksprüche russischer Soldaten mithörte, die angeblich von ihren Gräueltaten erzählten, dafür Gesetze brechen musste. […]

Aber sehr streng ist der Gerichtshof – und das muss er auch sein – in der Frage, ob er an der Nase herumgeführt wird. Diese Gefahr ist groß im Krieg. Beweismaterial kann manipuliert sein. […] Bei Satellitenbildern etwa kommt es stark auf die Interpretation an. Bei Facebook-Postings, die neuerdings in Prozessen in Den Haag als Beweismittel anerkannt sind, weil sie zum Beispiel Rückschlüsse auf Truppenbewegungen zulassen können, ist das genauso. Heikel ist indes die Frage, ob ein gepostetes Foto wirklich neu war oder schon älter. Es kann auch einen großen Unterschied ausmachen, ob ein Funkspruch kurz vor dem Massaker in Butscha abgesetzt wurde – oder in Wahrheit eine Woche danach. […]

Am 1. Juli [2022] wird der Internationale Strafgerichtshof seit 20 Jahren bestehen. Die erste Dekade war ein Dämmerschlaf. Aber jetzt geht es richtig los, jetzt laufen dort bereits vier Strafprozesse gegen afrikanische Beschuldigte parallel. Und gerade schwärmen die Ermittler aus, um es mit einer ehemaligen Supermacht aufzunehmen, mit Russland. […]

Der Gerichtshof hat ein Mandat für die Ahndung von Kriegsverbrechen in der Ukraine, auch wenn Russland ihn nicht anerkennt. Und er findet im Moment sogar wachsende Unterstützung in den USA. Bisher erkennt zwar auch Washington den IStGH nicht offiziell an, und es ist der Regierung vom Kongress sogar explizit verboten, mit dem Gericht zusammenzuarbeiten. Doch auch Ermittler in den Vereinigten Staaten tragen Beweise gegen Russland zusammen, und die Regierung sucht nach den Worten von Sicherheitsberater Jake Sullivan nach Wegen, ihre Erkenntnisse zu teilen. […]

Klar ist: Es kann noch lange dauern, bis Präsident Wladimir Putin oder ein anderes Mitglied der russischen Führung wirklich in einer Zelle landet. Erst müsste sie irgendjemand verhaften und nach Den Haag bringen. Vielleicht kommt es nie dazu. Aber: Schon jetzt ist die internationale Strafjustiz zu einem bedeutenden politischen Faktor geworden, vielleicht mehr als je zuvor in einer Situation des Krieges. Bereits jetzt, solange in Den Haag noch Beweise gesammelt, Anklagen geschrieben und Fahndungsersuchen herausgegeben werden, treten spürbare politische Wirkungen ein. Die wahrscheinlich wichtigste Wirkung ist: Russlands Machtelite wird dadurch auf der Weltbühne isoliert, sie kann nicht mehr frei reisen, jedenfalls nicht mehr in die 123 Staaten, die das Statut des IStGH ratifiziert haben und deshalb zur Auslieferung nach Den Haag verpflichtet sind.

[…] Der Internationale Strafgerichtshof ist unabhängig, das heißt, kein Politiker kann ihn zurückpfeifen. Der Effekt ist: Damit brandmarkt man ein Regime als Verbrecherbande, und das bleibt für die betreffenden Personen bis an ihr Lebensende justiziabel. [...]

Schreckt dieser Gedanke nun Russlands Offiziere ab? […] Rettet dies zumindest ein paar Menschenleben? Das ist die Hoffnung der internationalen Strafjustiz. Es gibt mit Blick auf die Vergangenheit allerdings wenig Grund, da optimistisch zu sein. Das Beispiel Srebrenica mahnt: Der Völkermord an 8000 bosnischen Jungen und Männern im Juli 1995 geschah, kurz nachdem mit großer Geste von den Vereinten Nationen ein Kriegsverbrechertribunal eingerichtet worden war, unter anderem mit der Zuständigkeit für Völkermord. Das hat Ratko Mladic´, Radovan Karadzˇic´ und andere Befehlshaber der serbischen Seite nicht abgehalten. Sie sind dann erst viele Jahre später in Den Haag verurteilt worden. Abschreckung ist immer zweifelhaft. Aber zumindest die Hoffnung wächst mit den Jahren dann doch – jetzt, da der IStGH mit seinen Ermittlern so viel präsenter ist als früher.

Offen ist, ob das Blatt sich bald wendet. Der Strafgerichtshof muss neutral sein, und das heißt: Auch Berichte über mögliche ukrainische Kriegsverbrechen müssen verfolgt werden. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte spricht in seinem neuen Bericht über die Lage in der Ukraine von einer "großen Zahl von glaubhaften Berichten und Videoaufnahmen" auch von Kriegsverbrechen der ukrainischen Seite. So seien unter anderem Menschen, die für Russland-Unterstützer gehalten würden, durch ukrainische Polizisten oder Angehörige der ukrainischen Terroritorialverteidigung an eine Stange gebunden und mit Eisenstäben geschlagen worden. Auch Fälle von "sexueller Gewalt im Krieg" seien hier laut UN-Hochkommissariat dokumentiert.

Der Haager Chefankläger Karim Khan hat bewusst nie von einer Russland-Ermittlung gesprochen, sondern stets nur neutral von einer Ermittlung wegen der "Situation in der Ukraine", mit einem prinzipiell offenen Blick in verschiedene Richtungen. […]

Ob die ukrainische Regierung dann immer noch so gern mit dem IStGH in Den Haag zusammenarbeiten wird? Ob die westlichen Staaten weiterhin so fleißig Beweise herbeischaffen werden? Eines dürfte sehr sicher sein: Der Internationale Strafgerichtshof wird sie auf die Probe stellen und sie mit der Frage konfrontieren, wie sehr es ihnen wirklich um Prinzipien des Rechts geht.

Ronen Steinke, "Wider das Grauen", in: Süddeutsche Zeitung vom 13. April 2022

Wo internationale öffentliche Gewalt in einem solch erheblichen Umfang begründet wird, dient sie zwar einerseits dem rechtsstaatlichen Ziel der Befriedung und Ordnung der internationalen Gemeinschaft. Zugleich stellt sich angesichts des mit ihr verbundenen Risikos eines Machtmissbrauchs jedoch auch die Frage nach rechtsstaatlichen Begrenzungen des VN-Sicherheitsrats.

(© picture-alliance/dpa, dpa Grafik | dpa-infografik GmbH, 101 515; Quellen: Vereinte Nationen, bpb)

Die VN-Generalversammlung, das Organ der VN, in dem alle 193 VN-Mitgliedstaaten vertreten sind, stellte daher in ihrer wichtigen Resolution 67/1 aus dem Jahr 2012 fest: "Wir erkennen an, dass Rechtsstaatlichkeit für alle Staaten gleichermaßen wie auch für die internationalen Organisationen gilt, einschließlich der Vereinten Nationen und ihrer Hauptorgane, und dass die Achtung und Förderung von Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit als Richtschnur für alle ihre Aktivitäten dienen und ihrem Handeln Berechenbarkeit und Legitimität verleihen soll." Anhand dieser Resolution wird besonders deutlich, dass die Rechtsstaatsidee auch auf öffentliche Gewalt, die sich nicht im klassischen Kontext des Staates, sondern auf internationaler Ebene vollzieht, anwendbar ist.

Nichtsdestotrotz gibt es für die rechtsstaatliche Begrenzung der internationalen öffentlichen Gewalt des VN-Sicherheitsrats bis heute keine festen Mechanismen. Zwar sind die Organe der VN bei ihrem Handeln an die rechtlichen Vorgaben der VN-Charta gebunden. Doch eine Aufteilung der internationalen öffentlichen Gewalt der VN (im Sinne eines institutionellen Gleichgewichts) oder gar einen Mechanismus effektiven Rechtsschutzes gegen das Handeln des VN-Sicherheitsrats gibt es nicht.

Beispiel Individuelle Terror-Sanktionslisten: Ein besonders eindrückliches Beispiel für die rechtsstaatlichen Defizite in den VN liefern die Vorgänge um die individuellen Terror-Sanktionslisten der VN.

Infolge der erheblichen Zunahme der globalen terroristischen Bedrohung am Ende des 20. Jahrhunderts beschloss der VN-Sicherheitsrat auf der Grundlage von Kapitel VII der VN-Charta ab dem Jahr 1999 die Einführung eines individuellen Sanktionsregimes. Zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus wurde dabei ein Sanktionskomitee errichtet, welches – auf Antrag einzelner VN-Mitgliedstaaten – fortan über die Aufnahme einzelner Personen auf eine Sanktionsliste entscheiden konnte. Voraussetzung einer Listung war – und ist bis heute – die begründete Überzeugung des Sanktionskomitees, dass eine Person sich entweder selbst terroristisch betätigt oder terroristische Tätigkeiten zumindest aktiv unterstützt.

Die persönlichen Konsequenzen einer solchen Listung sind erheblich. Sie umfassen etwa die Beschlagnahme des Eigentums, Kontensperrungen oder umfassende Reisebeschränkungen der gelisteten Personen. Zwar trifft die Pflicht zur Umsetzung dieser Maßnahmen die im Einzelnen jeweils territorial und personell zuständigen VN-Mitgliedstaaten. Nichtsdestotrotz ist es die Listungsentscheidung des Sanktionskomitees, die den Ausgangspunkt für die daraus letztlich resultierenden Nachteile bildet. Im Dezember 2021 befanden sich 263 Personen auf dieser Liste. In der ganz überwiegenden Zahl der Fälle war der Grund dabei die Mitgliedschaft in den Terrororganisationen Al-Qaida oder Islamischer Staat.

Trotz der Intensität des sich aus einer Listung ergebenen Folgen für die Betroffenen, war das Listungsverfahren zu Beginn der 2000er-Jahre nur in äußerst beschränktem Umfang rechtsstaatlich organisiert. So waren die konkreten Kriterien und Beweiserfordernisse für die Aufnahme auf die Sanktionsliste unklar. Auch wurde den Gelisteten ihre Listung nur selten überhaupt mitgeteilt. Vor allem aber wurde ihnen keinerlei inhaltliche Begründung für die Listungsentscheidung übermittelt. Außerdem existierte praktisch keine Möglichkeit, vor der Listungsentscheidung des Sanktionskomitees angehört zu werden oder sich gegen eine ergangene Listungsentscheidung effektiv zu wehren bzw. diese unabhängig prüfen zu lassen.

Die rechtsstaatlichen Defizite waren so erheblich, dass der EuGH im Jahr 2008 in einem aufsehenerregenden Urteil entschied, dass die Umsetzung persönlicher Konsequenzen für gelistete Personen zumindest in der EU untersagt sei, solange sich die Rechtsstaatlichkeit des gesamten Listungsverfahrens in den VN nicht verbessere.

Auch in Reaktion auf das Urteil des EuGH sowie auf umfassende Kritik der VN-Mitgliedstaaten (unter anderen Deutschlands), wurde die rechtsstaatliche Situation in den Listungsverfahren der VN vor allem ab Ende der 2000er-Jahre kontinuierlich verbessert. So sind mittlerweile die Kriterien für eine Listungsentscheidung deutlich geschärft worden. Die gelisteten Personen müssen außerdem zwingend über ihre Listung unterrichtet werden, erhalten eine Begründung für ihre Aufnahme auf die Liste und werden so in die Lage versetzt, sich überhaupt gegen ihre Listung wehren zu können. Darüber hinaus ist ein Mechanismus zur regelmäßigen internen Überprüfung des weiteren Vorliegens der Listungsvoraussetzungen eingeführt worden. Von besonderer Bedeutung ist schließlich die Schaffung einer Kontaktstelle, um individuelle Streichungsanträge einzureichen, und eines Ombudsmannes, welcher gelistete Personen bei entsprechenden Anträgen vor dem Sanktionskomitee unterstützt und auch eine Empfehlung für dessen Entscheidung abgeben kann. Eine Reihe rechtsstaatlicher Bedenken konnten damit ausgeräumt werden.

Gleichwohl entspricht das durch den Ombudsmann unterstützte Streichungsverfahren bis heute nicht den hohen rechtsstaatlichen Anforderungen an die Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Besonders problematisch bleibt, dass eben keine unabhängige und unbefangene Institution über die Rechtsmäßigkeit der Listung entscheidet, sondern dies nach wie vor das Sanktionskomitee selbst ist – es bleibt folglich Gericht in eigener Sache.

Diese Kritik an den defizitären rechtsstaatlichen Schutzmechanismen gegen die Listung mutmaßlicher Terroristinnen und Terroristen sollte allerdings nicht falsch verstanden werden. Sie ist keineswegs darauf gerichtet, die Effektivität des Kampfes der VN gegen den internationalen Terrorismus zu mindern. Zwar dürfte die Einführung effektiven Rechtsschutzes innerhalb der VN die Aufrechterhaltung einzelner Listungsentscheidungen gelegentlich erschweren. Soll der internationale Terrorismus jedoch tatsächlich effektiv bekämpft werden, so kann dies letztlich nur gelingen, wenn seinen auf Rechtlosigkeit und Tyrannei gegründeten Mechanismen stets das Konzept der Rechtsstaatlichkeit entgegengehalten wird. In einer rechtsstaatlichen Ordnung haben dann aber eben auch mutmaßlichen Terroristinnen und Terroristen – die Feindinnen und Feinde der Rechtsstaatlichkeit – ein Recht auf rechtliches Gehör und effektiven Rechtsschutz. Denn auch im Kampf gegen den Terrorismus gilt: Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Dies ist letztlich das stärkste Argument, das die Rechtsstaatlichkeit dem Terrorismus entgegenhalten kann.

Rechtsstaatlichkeit in den allgemeinen zwischenstaatlichen Beziehungen

Obwohl die zwischenstaatlichen Beziehungen durch internationale Institutionen und internationale öffentliche Gewalt zunehmend auf gemeinsamen Regeln basieren, überwiegen doch nach wie vor solche Teile deutlich, die keine derartigen Strukturen aufweisen. Nichtsdestotrotz kann die Idee der Rechtsstaatlichkeit auch auf diese Teile der zwischenstaatlichen Beziehungen Anwendung finden.

Anders als bei existierenden Strukturen internationaler öffentlicher Gewalt sind in diesem Fall jedoch eben zuvorderst die rechtsstaatlichen Aspekte der Begründung und nicht der Begrenzung internationaler öffentlicher Gewalt maßgeblich. Für die allgemeinen zwischenstaatlichen Beziehungen bedeutet Rechtsstaatlichkeit daher zuallererst die Existenz und Weiterentwicklung einer funktionierenden zwischenstaatlichen Völkerrechtsordnung anstatt eines anarchischen "Rechts des Stärkeren". Noch weiter gedacht, folgt aus der Anwendung der Idee rechtsstaatlicher Ordnung darüber hinaus, dass auch in den allgemeinen zwischenstaatlichen Beziehungen eine kontinuierliche Einführung von Strukturen internationaler öffentlicher Gewalt stattfindet, um so verbesserte Mechanismen zu entwickeln, die die Überwachung der Einhaltung der Völkerrechtsordnung ermöglichen.

Aus der Perspektive der Rechtsstaatlichkeit sind die allgemeinen zwischenstaatlichen Beziehungen daher als ein Kontext zu begreifen, in dem lediglich noch keine Strukturen internationaler öffentlicher Gewalt eingerichtet wurden. Rechtsstaatlich betrachtet kann die Zukunft der zwischenstaatlichen Beziehungen folglich nur in der stetigen Vertiefung einer auf das Völkerrecht gestützten, internationalen Integration der Staatengemeinschaft liegen. Auch deshalb stellt der gegenwärtige und eindeutig völkerrechtswidrige russische Angriffskrieg in der Ukraine einen besonders massiven Rückschlag für die internationale Rechtsstaatlichkeit dar.

QuellentextDas internationale Gewaltverbot

[…] 1928 machte der von Frankreich und den USA initiierte Briand-Kellogg-Pakt Epoche, mit dem das Verbot des Kriegs Einzug in das geltende Völkerrecht hielt. Auf dem Papier unterstützte die große Mehrheit der Staaten die neue völkerrechtliche Grundnorm alsbald.

Doch schon kurze Zeit später forderten zunächst Japan in der Mandschurei und dann Italien in Abessinien [Monarchie auf dem heutigen Gebiet der Staaten Äthiopien und Eritrea – Anm. d. Red.] das Kriegsverbot gewaltsam heraus. Japans Aggression zog keine Sanktionen nach sich, führte aber im Gefolge der nach dem seinerzeitigen US-amerikanischen Außenminister so benannten Stimson-Doktrin immerhin zu der Herausbildung der völkerrechtlichen Pflicht, gewaltsam vollzogenen Gebietsveränderungen die Anerkennung zu versagen. Im Fall Abessinien trat dann die fehlende Bereitschaft, mit Nachdruck für die neue völkerrechtliche Ordnung einzutreten, überdeutlich zutage: Italiens Angriffskrieg wurde im Völkerbund zwar verurteilt, doch ein entschiedener Einsatz zugunsten des Opfers der Aggression blieb trotz verzweifelter Appelle aus.

Wenige Jahre später setzte das Deutsche Reich zu seinen Angriffskriegen an. Vor dem Nürnberger Militärtribunal führte der Kölner Völkerrechtsprofessor Hermann Jahrreiß zur Verteidigung der deutschen Angeklagten unter anderem die folgende Überlegung ins Feld: "Mindestens schon mehrere Jahre vor 1939 gab es in der Wirklichkeit des zwischenstaatlichen Lebens keine wirksame allgemeine völkerrechtliche Regelung über verbotene Kriege. Im Bewusstsein der leitenden Staatsmänner und der Völker hat keine solche allgemeine Regelung existiert."

Als Wissenschaftler hatte Jahrreiß 1941 – im Anschluss an das Großraumdenken Carl Schmitts – eine Völkerrechtsordnung nebengeordneter politischer Kontinente am weltpolitischen Horizont aufziehen sehen. In dieser Ordnung werde nicht länger "mit einer rechtlichen Gleichheit aller Staaten ohne Rücksicht auf Größe, Aufgaben und Leistungsfähigkeit hantiert". Fast zeitgleich hieß es demgegenüber bei Robert Jackson, dem späteren US-amerikanischen Chefankläger in Nürnberg: "Das Prinzip der Ächtung des Kriegs als Instrument nationaler Politik muss der Ausgangspunkt für jeden Plan des internationalen Wiederaufbaus sein. Und eine der vielversprechenden Richtungen der Rechtsentwicklung ist es, jede mögliche Art von Sanktion bereitzustellen, um den Kriegsverzicht zu einem lebendigen Prinzip unserer Gesellschaft zu machen."

Die Nürnberger Richter folgten Jackson. Sie setzten den Angriffen Japans, Italiens und Deutschlands die Resilienz der Völkerrechtsnorm gegen den Angriffskrieg entgegen. Mehr noch, sie setzten 1946 mit ihrem Urteil im Hauptkriegsverbrecherprozess einen schöpferischen Präzedenzfall zur Festigung dieser Norm für die Zukunft, indem sie zahlreiche deutsche Hauptverantwortliche wegen Verbrechen gegen den Frieden verurteilten. Dieser Begriff entstammte dabei nicht etwa der Feder Jacksons. Geprägt hatte ihn der sowjetische Völkerrechtler Aron Trainin. Bereits im Juni 1945 hatten die Schöpfer der Vereinten Nationen das Kriegsverbot der Zwischenkriegszeit zu dem Gewaltverbot der Nachkriegsordnung weiterentwickelt. Der Internationale Gerichtshof bezeichnet dieses Verbot als Eckstein der geltenden Völkerrechtsordnung.

Zwar war die genaue Reichweite des Gewaltverbots von Anfang an Gegenstand intensiver Kontroversen. Doch sein harter Kern beruht seit 1945 auf einem globalen Konsens. Russlands Angriff [auf die Ukraine 2022 – Anm. d. Red.] stellt die praktische Wirksamkeit des Gewaltverbots für die Zukunft auf eine besonders schwere Probe. Auch nährt Chinas fehlende Bereitschaft, Russlands Völkerrechtsbruch beim Namen zu nennen, die Befürchtung, China könnte zum mehr oder weniger offenen Eintritt in eine neue völkerrechtliche Großraumordnung bereit sein, sollte Russlands Angriff im Kern Erfolg haben.

Überdies hatte die praktische Wirksamkeit des Gewaltverbots bereits zuvor empfindliche Einbußen erlitten, etwa durch den völkerrechtswidrigen Irakkrieg der "Koalition der Willigen" von 2003, durch die völkerrechtswidrigen Auswüchse vor allem amerikanischer Drohneneinsätze gegen diffuse Ziele des transnationalen Terrorismus und durch den völkerrechtswidrigen Gewalteinsatz der Türkei in Syrien von 2019 nebst dessen unzureichender Verurteilung durch die NATO-Staaten. In dieser prekären Situation war es von hohem Wert, dass die UN-Vollversammlung Russlands Angriff bald und mit deutlicher Mehrheit als Aggression verurteilt hat.

Doch deutlich werden die Grenzen spürbar, die dem tätigen Widerstand gegen den Normbruch gesetzt sind. Anschaulich werden diese bei einem Rückblick auf Saddam Husseins Überfall auf den kleineren Nachbarn Kuwait 1990. Auch die Völkerrechtswidrigkeit des irakischen Gewalteinsatzes lag offen zutage. Damals trat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als entschiedener Hüter des Gewaltverbots auf den Plan und ermächtigte zur Wiederherstellung des Friedens unter Einsatz von militärischer Gewalt. US-Präsident George Bush senior sprach von dem Eintritt in eine "neue Weltordnung". Bei streng normativer Betrachtung traf dies nicht zu. Hiernach ging es um die Verteidigung des bestehenden Gewaltverbots mit dem hierzu seit der Gründung der Vereinten Nationen bereitstehenden Instrumentarium. In dem Ausruf einer "neuen" Weltordnung artikulierte sich demgegenüber die Aussicht auf den Zugewinn an praktischer Wirksamkeit des Gewaltverbots.

Im aktuellen Ukrainekrieg sind die Rahmenbedingungen deutlich ungünstiger. Denn […] der Aggressor ist hier als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat mit einer Vetobefugnis ausgestattet. Schon deshalb ist es praktisch ausgeschlossen, das System der kollektiven Sicherheit gegen den Friedensstörer Russland in Stellung zu bringen. Zwar verfügen alle Staaten über die Erlaubnis, der Ukraine, gestützt auf das Recht zur kollektiven Selbstverteidigung, auf deren Hilfeersuchen hin militärisch direkt zu Hilfe zu kommen. Doch ist der Aggressor nicht nur Veto-, sondern auch Atommacht. So lautet das Ergebnis einer schmerzhaften Abwägung zu Recht, einen direkten Verteidigungseinsatz zu unterlassen. […]

Wie sich der russische Fundamentalangriff auf einen souveränen Staat auf die praktische Wirksamkeit des universellen völkerrechtlichen Gewaltverbots auswirken wird, ist eine offene Frage. Dass die große Mehrheit der UN-Mitgliedstaaten die russische Aggression entschieden verurteilt hat und eine beachtliche Zahl von Staaten diesem verbalen Zeichen Taten […] folgen lassen, begründet Hoffnung. […]

Professor Dr. Claus Kreß lehrt Straf- und Völkerrecht an der Universität zu Köln. Er ist Richter ad hoc am Internationalen Gerichtshof im Verfahren Gambia gegen Myanmar.

Claus Kreß, "Wird das Gewaltverbot gestärkt?", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23. März 2022; © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv

QuellentextMisst der Westen mit zweierlei Maß?

Vordergründig sind viele der grundlegenden völkerrechtlichen Fragen zum russischen Angriff auf die Ukraine einfach zu beantworten. Das gilt sowohl für Fragen des humanitären Völkerrechts als auch die der Anerkennung der Separatistengebiete in der Ostukraine und besonders für das Recht der Gewaltanwendung, das ius ad bellum. Praktisch alle Völkerrechtler außerhalb Russlands sind sich einig, dass der Angriff völkerrechtswidrig und die russische Rechtfertigung durch das Selbstverteidigungsrecht haltlos ist. […]

Dieses klare Bild verdeckt allerdings tieferliegende Spannungen in den völkerrechtlichen Regeln zur Anwendung zwischenstaatlicher Gewalt. Auf diese spielt der russische Präsident Putin in seiner Rechtfertigungsrede mit einigen Punkten an, die zwar rechtlich zunächst irrelevant sind, aber doch in Teilen der Welt erhebliche Resonanz finden – vor allem im Nahen Osten, in Asien und Afrika, aber auch unter Kritikern im Westen. Dies gilt zum einen für die NATO-Ost-Erweiterung, die auch anderswo mit Beunruhigung gesehen wird. Es gilt auch für Putins Ausführungen zu westlichen Militäreinsätzen. Dabei nennt er vor allem die Interventionen westlicher Staaten im Kosovo, im Irak, in Libyen und Syrien "eklatante Fälle der Nichtachtung des Völkerrechts" und streicht ihre destabilisierenden Konsequenzen heraus.

Dies hat keine direkte völkerrechtliche Konsequenz – frühere Verstöße anderer taugen nicht zur Rechtfertigung des eigenen Rechtsbruchs. Aber es hat rhetorisches Gewicht für all jene, die schon lange beunruhigt sind über einen allzu weit reichenden Interventionismus der USA und ihrer Alliierten. Viele von ihnen sehen die westliche Empörung über Russlands Verletzung des Völkerrechts als heuchlerisch an – wenn es um westliche Interessen gehe, spielten völkerrechtliche Grenzen eine geringe Rolle; wenn aber Interessen anderer im Spiel seien, stünden diese Grenzen im Zentrum. […] Der Westen, so das Argument, messe mit zweierlei Maß.

Nun ist es zwar richtig, dass es juristisch erhebliche Unterschiede zwischen Russlands Angriffskrieg und verschiedenen westlichen Militäreinsätzen gibt. Die russische Invasion ist ein Paradefall unrechtmäßiger Aggression, nicht nur wegen Ausmaß und Brutalität, sondern auch, weil sie die Unabhängigkeit der Ukraine als solche infrage stellt. Dagegen lagen einige der westlichen Interventionen in gewisser Weise "näher" am Recht […].

Und doch standen diese Interventionen in den Augen vieler Experten nicht im Einklang mit dem Völkerrecht. Im Kosovo war ein Recht auf humanitäre Intervention bestenfalls im Werden; in Libyen wurde die Sicherheitsratsermächtigung, die auf den Schutz der Zivilbevölkerung beschränkt war, zum Zwecke des Sturzes des Gaddafi-Regimes überdehnt. Manche westlichen Staaten verzichteten, zumal im Kosovo, auch auf eine rechtliche Argumentation, oder sie stellten die Situation als so außergewöhnlich dar, dass sie als Präzedenzfälle nicht taugten. Das änderte nichts an der Rechtswidrigkeit, verstärkte aber die Vorstellung vieler, dass der Westen sich ein Sonderrecht herausnehme, das er anderen nicht zugesteht.

Diese Vorstellung wurde umso mehr dadurch gespeist, dass in anderen Fällen die Rechtfertigungen fadenscheinig wirkten. Der Krieg gegen den Irak 2003, begründet mit einer verzerrt ausgelegten Sicherheitsratsresolution sowie Iraks angeblichem Besitz von Massenvernichtungswaffen, wurde weithin als klar völkerrechtswidrig angesehen. Auch etwa bei der Tötung des iranischen Generals Soleimani im Irak im Jahr 2020 erschien vielen das juristische Argument als vorgeschoben. Gekoppelt mit der Reichweite der Anti-Terror-Operationen, die von Syrien bis Pakistan vor allem auf einer – für viele zweifelhaften – erweiterten Auslegung des Selbstverteidigungsrechts beruhte, gewannen viele (vor allem im globalen Süden) den Eindruck, dass die USA und ihre Alliierten Gewalt ausüben, wo es ihnen sicherheitspolitisch opportun erscheint – und dass ihnen rechtliche Grenzen dabei weitgehend gleichgültig sind.

Vor einem solchen Hintergrund ist es dann auch weniger relevant, ob die Rechtsverstöße in einigen dieser Fälle weniger schwerwiegend oder die Interventionen – wie oft behauptet – "nicht legal, aber doch legitim" gewesen sein sollten. Denn solche subtileren Unterschiede sind im dezentralen System des Völkerrechts schwer zu vermitteln. Es gibt im Völkerrecht meist keinen unabhängigen Richter, der über die Schwere der Rechtsverstöße oder eine eventuelle Rechtfertigung befinden könnte. Dem Versuch Jugoslawiens, eine Klärung der Legalität der Kosovo-Intervention durch den Internationalen Gerichtshof herbeizuführen, widersetzten sich die beklagten Nato-Staaten; der Versuch scheiterte schließlich aus Gründen mangelnder Jurisdiktion. Generell ist es schwierig, westliche Staaten vor den IGH zu bringen, weil sie dessen Kompetenz nicht oder nur begrenzt anerkannt haben. Das gilt vor allem für Frankreich und die USA, die ihre Anerkennung bereits in den 1970er- und 1980er-Jahren zurückzogen, als sie sich unbequemen Verfahren zu Atomwaffentests und der Hilfe für die Contras in Nicaragua ausgesetzt sahen.

Mehr als anderes, institutionalisierteres Recht bedürfen völkerrechtliche Regeln einer unterstützenden Praxis, um Kraft entfalten zu können. Ohne Gerichte und formelle Durchsetzungsmechanismen kann es sich nur darauf stützen, dass Staaten es in ihren Diskursen und Handlungen einfordern, aufrechterhalten und respektieren. Wenn bei vielen der Eindruck vorherrscht, es werde weithin mit zweierlei Maß gemessen, führt dies zu einem Glaubwürdigkeitsverlust, der das Völkerrecht ins Mark treffen kann. […]

Europa und die USA hatten sich in der hegemonialen Völkerrechtsordnung, die nach dem Kalten Krieg entstand, gut eingerichtet – es war eine Ordnung, die wenige Grenzen kannte und die westlichen Vorstellungen weitgehend entgegenkam. In der heutigen, multipolaren Ordnung ist das Völkerrecht weniger kontrollierbar. Es weiterzuentwickeln erfordert größere Kompromissbereitschaft; es einzuhalten die Bereitschaft, eigene Ziele hintanzustellen, wenn über sie kein breiterer Konsens herzustellen ist. Wenn der Westen völkerrechtliche Regeln zur Gewaltanwendung aufrechterhalten will – und will, dass andere Teile der Welt sie ebenso aufrechterhalten – wird er Demut und Selbstbeschränkung lernen müssen. Er wird vor allem akzeptieren müssen, dass die Regeln, die er für sich beansprucht, auch für alle anderen gelten. Zweierlei Maß anzulegen kann er sich in der neuen Weltordnung in Zukunft nicht mehr leisten.

Professor Dr. Nico Krisch lehrt Völkerrecht am Genfer Hochschulinstitut für internationale Studien und Entwicklung.

Nico Krisch, "Zweierlei Maß?", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24. März 2022; © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv

QuellentextDer russische Angriffskrieg auf die Ukraine

Der russische Angriff auf die Ukraine ist ein eklatanter Verstoß gegen fundamentale Prinzipien der Nachkriegsordnung, allem voran gegen das in der UN-Charta verankerte Verbot zwischenstaatlicher Gewalt. Während das Völkerrecht dafür bekannt ist, notorisch unbestimmt zu sein und in vielen Fällen Raum für gegenteilige Auffassungen zu lassen, ist der Überfall auf die Ukraine eindeutig rechtswidrig. Außerhalb russischer Stellungnahmen werden keine rechtlichen Argumente für den russischen Krieg angeführt. Die UN-Generalversammlung hat Russland mit der großen Mehrheit von 141 Staaten verurteilt.

Hat sich Russland mit solch einem eklatanten Verstoß gegen die Fundamentalnorm der internationalen Ordnung dauerhaft aus dem Völkerrecht verabschiedet? Bemerkenswert ist zunächst, dass Russland in seinen jüngsten Verlautbarungen an vielen Punkten das Recht anführt. Präsident Wladimir Putin nimmt ausdrücklich Bezug auf das in der UN-Charta enthaltene Selbstverteidigungsrecht und behauptet, dass Russland den international nicht anerkannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk Nothilfe leiste. Außenminister Sergej Lawrow argumentiert mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker und mit Resolutionen der UN-Generalversammlung. Sogar der Pflicht, Selbstverteidigungsmaßnahmen dem UN-Sicherheitsrat anzuzeigen, ist Russland nachgekommen. Insofern scheint hier zunächst ein im Völkerrecht üblicher Mechanismus am Werke, dass nämlich der Rechtsbrecher durch eine Anrufung des Völkerrechts dieses performativ anerkennt und damit letztlich stärkt.

Im Fall des jetzigen Angriffs auf die Ukraine aber liegt – wie bereits im Jahr 2014 bei der Annexion der Krim – die Sache bei genauerer Betrachtung anders. Die konkrete Art der Bezugnahme auf das Recht zeigt, dass Russland sich außerhalb des völkerrechtlichen Diskurses stellt. Darauf wies auch der französische Völkerrechtler Alain Pellet hin. Er hatte Russland viele Jahre vor dem Internationalen Gerichtshof und vor anderen internationalen Tribunalen vertreten, legte nun aber sein Mandat nieder. Anwälte könnten, so Pellet, zwar mehr oder weniger fragwürdige Positionen vertreten, nicht aber ein Land, das das Recht auf zynische Weise verachtet.

Der Kern von Russlands Zielen ist im Rahmen des bestehenden Rechts nicht zu realisieren. Russland verficht eine von Carl Schmitt beschriebene "völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte" – also die Schaffung einer exklusiven russischen Einflusssphäre. Zudem unterstreicht Russland durch die Fähigkeit zu eklatanten Verstößen gegen das Gewaltverbot, dass es sich nicht als die bloße "Regionalmacht" sieht, zu der es der ehemalige US-Präsident Barack Obama erklärte. Durch Demonstration der eigenen Macht zum Rechtsbruch unterstreicht Russland seinen Anspruch auf einen Großmachtstatus. Jedenfalls im Bereich des internationalen Sicherheitsrechts scheint sich Russland derweil von den etablierten Normen verabschiedet zu haben.

Vieles spricht allerdings dafür, dass Russland keineswegs generell plant, alle völkerrechtlichen Strukturen hinter sich zu lassen. In einer Rede vor Wirtschaftsvertretern sprach Putin am Tag des Angriffs auf die Ukraine eine Warnung aus. Putin sagte, dass Russland Teil des internationalen Wirtschaftssystems sei und dass man das System nicht beschädigen werde, soweit man an ihm beteiligt sei. Die anderen Staaten sollten daher, so Putin, Russland lieber nicht aus dem System hinauszwingen. Die Drohung ist klar: schließt man Russland gänzlich aus, ist mit weiteren Eskalationen zu rechnen. Mit den umfassenden Wirtschaftssanktionen gegen Russland hat man diesen weitreichenden Ausschluss eingeleitet und Putin hat die Sanktionen bereits mit einer Kriegserklärung an Russland verglichen.

Wie sich Russlands Haltung zum Völkerrecht mittelfristig entwickeln wird, ist derzeit offen. Klar dürfte sein, dass Russland sich nicht gänzlich aus den Vereinten Nationen zurückziehen wird. Diesen Fehler hatte die UdSSR im Jahr 1950 begangen. Damals boykottierte die UdSSR die Sitzungen des UN-Sicherheitsrats aus Protest dagegen, dass der Sitz Chinas im Sicherheitsrat von der Republik China (Taiwan) und nicht von der Volksrepublik China gehalten wurde. Die UdSSR konnte daher ihr Vetorecht nicht wahrnehmen und der UN-Sicherheitsrat beschloss eine militärische Intervention im Koreakrieg.

Zentral für die künftige Entwicklung ist heute die Volksrepublik China. China hat grundsätzlich kein Interesse an bewaffneten Konflikten, da diese dem für China essentiellen Handel zuwiderlaufen. Gleichzeitig arbeiten China und Russland aber an einem Gegenentwurf zur westlich dominierten internationalen Ordnung. In einer am 4. Februar 2022 von Russland und China veröffentlichten Stellungnahme zu ihrer zukünftigen Kooperation bekennen sich beide Staaten zwar zur UN-Charta und ihren Prinzipien. Beide erklären aber auch, gemeinsam internationale Beziehungen eines neuen Typs errichten zu wollen. Die Konturen dieses neuen Typs zeichnen sich noch nicht mit Deutlichkeit ab. Es steht aber zu befürchten, dass autoritäre Prinzipien und das Denken in Einflusssphären, welches die Souveränität der Einzelstaaten nicht mehr anerkennt, dabei eine große Rolle spielen werden. Es scheint nicht unwahrscheinlich, dass die Zukunft des Völkerrechts vorerst darin liegt, allein die Basisstrukturen für einen internationalen Austausch zur Verfügung zu stellen und dass sich darüber hinaus mehrere Rechtskreise mit sehr verschiedenen Grundprinzipien verfestigen könnten. [...] Der Blick in die Geschichte lehrt aber auch, dass die Prinzipien des universellen Völkerrechts von großer Beharrungskraft sind und sich langfristig als normativer Maßstab bewähren können.

Priv.-Doz. Dr. iur. Christian Marxsen ist Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg.

Christian Marxsen, "Hat sich Russland vom Völkerrecht verabschiedet?", in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10. März 2022; © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv

Prof. Dr. Till Patrik Holterhus, MLE., LL.M. (Yale), geb. 1983, seit 2022 Vertreter des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Staats- und Verwaltungsrecht an der Leuphana Universität Lüneburg.

Seine Forschungsschwerpunkte sind: Öffentliches Recht (in seinen in- ternationalen Bezügen), Europa- und Völkerrecht, Rechtsstaatstheorie

Seine Anschrift lautet:
Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Staats- und Verwal- tungsrecht
Fakultät Staatswissenschaft
Leuphana Universität Lüneburg
Universitätsallee 1
21335 Lüneburg

Danksagung: Der Autor dankt Sven Siebrecht für seine wertvolle Mitarbeit.