Der Niedergang des Empires und die Suche nach einer neuen Rolle
Am Ende des Interner Link: Zweiten Weltkriegs gehörte Großbritannien zu den vier Siegermächten. Das Vereinigte Königreich galt als Weltmacht, trotz der erheblichen wirtschaftlichen und finanziellen Probleme, die aus den Kriegsanstrengungen resultierten. 1945 umfasste das britische Empire ein Viertel der Erdoberfläche. 700 Millionen Menschen waren Untertanen des britischen Königs. London beteiligte sich aktiv an der Gestaltung der globalen Nachkriegsordnung. Die institutionellen Grundlagen der internationalen Finanz-, Handels- und Sicherheitspolitik – das Bretton Woods System und die Interner Link: Vereinten Nationen – wurden in enger Abstimmung mit Großbritannien konzipiert und errichtet. In den 1960er- und 1970er- Jahren war der Großteil der britischen Kolonien und Protektorate im Zuge der Dekolonisierung unabhängig geworden. Das Britische Empire hatte sich aufgelöst und Großbritannien hatte sich von einer Weltmacht zu einer europäischen Mittelmacht entwickelt.
Bis in die 1960er-Jahre hinein agierte Großbritannien jedoch außenpolitisch als Weltmacht. Es verstand sich in weltpolitischer Hinsicht als dritte Kraft und verfolgte in der Außenpolitik seine Drei-Kreis-Theorie, nach der Großbritannien sich im Mittelpunkt dreier Kreise befindet: des Interner Link: Commonwealth, der USA und Kontinentaleuropas.
Die Gründe für die Distanzierung zum europäischen Integrationsprojekt waren vielschichtig. Neben dem Selbstverständnis als global wirkende Weltmacht stand die auch nach 1945 fortwirkende machtpolitische Rivalität zwischen Großbritannien und Frankreich einer britischen Beteiligung an supranationalen europäischen Institutionen entgegen. Und umgekehrt verhinderte Frankreich in den 1960er-Jahren aufgrund seiner Befürchtungen, dass eine Annäherung Großbritanniens an Europa einen stärkeren Einfluss der USA in Europa und damit eine Schwächung der eigenen Machtposition bedeuten könnte, eine britische Mitgliedschaft in der Interner Link: Europäischen Gemeinschaft. Schließlich behinderte auch die britische Deutschlandpolitik, deren Bezugsrahmen die Sicherheit vor und nicht die Kooperation mit Deutschland war, eine Annäherung an Europa.
Großbritannien zwischen Commonwealth und Europa: Die 1950er Jahre
1951 wurde auf Initiative der französischen Politiker Interner Link: Jean Monnet und Interner Link: Robert Schuman die Interner Link: Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) gegründet. Damit wurde die erste supranationale Einrichtung in Europa geschaffen. Sie stellte "die Gesamtheit der französisch-deutschen Produktion von Kohle und Stahl unter eine gemeinsame oberste Autorität". Durch die "Solidarität der Produktion" sollte "jeder Krieg zwischen Frankreich und Deutschland nicht nur undenkbar, sondern materiell unmöglich" werden.
Jean Monnet hatte in den zehn Jahren vor der Gründung der EGKS zwei Anläufe unternommen, um Großbritannien für die Idee einer europäischen Integration zu gewinnen, im Juni 1940 und erneut im April 1949. Sein Ziel war die Gründung einer Wirtschaftsunion zwischen Frankreich und Großbritannien, die als Grundstein für eine europäische Wirtschaftsunion fungieren sollte. Großbritannien und Frankreich sollten kooperativ die Führungsrolle in Europa übernehmen. Beide Initiativen scheiterten am Desinteresse Großbritanniens. Jean Monnet und Robert Schumann veränderten daraufhin ihre Strategie. Unterstützt durch die USA arbeiteten sie nun an der Etablierung eines französisch-deutschen Duopols als Motor für die europäische Integration. Politisch wurde diese Führungsstruktur mit der Gründung der Interner Link: Montanunion umgesetzt.
Die ablehnende Haltung der Briten gegenüber den französischen Offerten resultierte zum einen aus dem Fortwirken der politischen Spannungen zwischen Frankreich und Großbritannien. Zum anderen war die britische Wirtschaft zum Zeitpunkt der Verhandlungen um die Etablierung europäischer Kooperationsstrukturen noch zu sehr mit dem Commonwealth verwoben, als dass eine wirtschaftliche Integration mit Europa denkbar gewesen wäre. Noch 1950 gingen knapp 50 Prozent der britischen Exporte in die Länder des Commonwealth. Und umgekehrt importierte Großbritannien 42 Prozent seiner Waren aus dem Commonwealth. Noch zwanzig Jahre später gingen und kamen ca. ein Viertel aller britischen Exporte und Importe in das bzw. aus dem Commonwealth.