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Erster und Zweiter demografischer Übergang | Demografischer Wandel und Migration in Europa | bpb.de

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Erster und Zweiter demografischer Übergang

Frank Swiaczny

/ 2 Minuten zu lesen

Ein neugeborenes Mädchen liegt am 2. Januar 2007 im Auguste-Victoria-Klinikum in Berlin in ihrem Bett. (© AP)

Erster demografischer Übergang

Als erster demografischer Übergang wird in der Bevölkerungswissenschaft der Übergang von hohen zu niedrigen Sterbe- und Geburtenziffern bezeichnet. Er beginnt idealtypisch mit dem Rückgang einer hohen Sterblichkeit. Die Ursachen des Rückgangs umfassen sowohl einen höheren Lebensstandard und bessere Hygiene der Bevölkerung als auch den medizinischen Fortschritt, wobei zuerst die Säuglings- und Kindersterblichkeit zurückgeht. Da die Geburtenzahl zunächst hoch bleibt, wächst die Bevölkerung vorübergehend schnell an und ihre Altersstruktur beginnt sich zugunsten jüngerer Altersjahrgänge zu verschieben.

Mit einer zeitlichen Verzögerung setzt dann ein Rückgang der Geburtenzahlen ein. Dieser kann als Anpassung an die höhere Überlebenswahrscheinlichkeit von Kindern und einer sich unter dem Einfluss gesellschaftlicher Modernisierungsprozesse und verändernder wirtschaftlicher Rahmenbedingungen wandelnden idealen Kinderzahl interpretiert werden. Das Bevölkerungswachstum schwächt sich ab und die Bevölkerung beginnt, auch aufgrund der während des demografischen Übergangs stark gestiegenen Lebenserwartung, zu altern. Historisch verlief die Phase mit den höchsten Bevölkerungswachstumsraten in vielen europäischen Ländern zeitgleich zur Industrialisierung und ging bis zum Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts langsam zurück. Inzwischen haben auch die meisten Entwicklungsländer eine Phase erreicht, in der die Fertilität zu sinken begonnen hat und in zahlreichen Ländern ist gegenwärtig zudem der Höhepunkt des Bevölkerungswachstums bereits überschritten.

Zweiter demografischer Übergang

Die sich abzeichnende Alterung der Bevölkerung wurde in vielen Ländern Europas zunächst noch von einem sogenannten “Babyboom“ überlagert, der mit der wirtschaftlichen Erholung während der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkriegs einherging. In Deutschland fiel der “Babyboom“ Mitte der 1950er bis Ende der 1960er Jahre zeitlich mit der Phase des “Wirtschaftswunders“ mit hohen Wachstumsraten und Vollbeschäftigung zusammen. Diese, auch als “Goldenes Zeitalter der Heirat“ bezeichnete Periode, bildet den Auftakt für den zweiten demografischen Übergang. Dieser bezeichnet den raschen Einbruch des Fertilitätsniveaus unter das für den langfristigen Bestandserhalt der Bevölkerung erforderliche Maß von im Durchschnitt 2,1 Kindern je Frau, der seit den 1970er Jahren alle europäischen Länder in unterschiedlichem Ausmaß erfasste. Unter anderem eine sich verbessernde gesellschaftliche Stellung der Frau mit Zugang zu höherer Bildung und beruflichen Möglichkeiten hat dazu beigetragen, den Kinderwunsch zu senken und die Verfügbarkeit moderner Empfängnisverhütungsmittel ermöglicht seitdem eine effektive Kontrolle der Fertilität.

Abb. 1: Zusammengefasste Geburtenziffer (TFR) in ausgewählten europäischen Ländern 1950/55 bis 2010/15 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Inzwischen haben viele europäische Länder die Schwelle von 2,1 Kindern je Frau deutlich unterschritten und nur in einigen Ländern zeigt sich derzeit eine Erholung auf oder knapp unterhalb des Bestandserhaltungsniveaus (siehe Abb. 1). Als Folge der anhaltend niedrigen Fertilität und der gestiegenen Lebenserwartung weisen die europäischen Bevölkerungen zunehmend ein Defizit des natürlichen Bevölkerungssaldos aus Geburten und Sterbefällen auf. Wird dieses Geburtendefizit nicht durch Zuwanderung ausgeglichen, schrumpft die Bevölkerung. Zwischen Zu- und Abwanderungsregionen sind so in den letzten Jahren große Unterschiede hinsichtlich der demografischen Folgen entstanden.

Dieser Text ist Teil des Kurzdossiers Interner Link: "Demografischer Wandel und Migration in Europa".

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Frank Swiaczny ist Wissenschaftlicher Rat am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden und leitet die Redaktion der Zeitschrift Comparative Population Studies. Von 2000 bis 2012 war er Vorsitzender des Arbeitskreises Migration-Integration-Minderheiten der Deutschen Gesellschaft für Demographie (DGD). Zu seinen Aufgaben am Bundesinstitut gehören Forschung und Politikberatung in den Bereichen Demografie und Weltbevölkerung. Seine Arbeitsschwerpunkte umfassen daneben unter anderem Bevölkerungsgeographie und Migrationsforschung.
E-Mail: E-Mail Link: frank.swiaczny@swiaczny.de