In Ceuta und Melilla verlaufen die einzigen Festlandgrenzen der EU mit Afrika. Weil Flüchtende und Migrant/-innen immer wieder versuchen, die hohen Grenzzäune zu überwinden, geraten die beiden spanischen Exklaven regelmäßig in die Schlagzeilen. Der Beitrag blickt am Beispiel Melillas auf Abschottungsmaßnahmen an den europäischen Außengrenzen.
Melilla liegt an der nordafrikanischen Mittelmeerküste und teilt sich eine zwölf Kilometer lange Landgrenze mit Marokko. Das Territorium der (aus marokkanischer Sicht) Interner Link: Enklave – aus spanischer Sicht Interner Link: Exklave – umfasst 13.4 Quadratkilometer, auf denen 2020 87.076 Menschen lebten.
Die spanische Exklave zeugt von einer langen Geschichte von Kontakt und Austausch, aber auch Rivalitäten zwischen Christ/-innen und Muslim/-innen auf der Iberischen Halbinsel und in Nordafrika. So fiel Melilla im Zuge von Reconquista
Als Spanien 1986 der Europäischen Gemeinschaft beitrat, wurde Melilla ein Teil dieser Gemeinschaft und damit der späteren Europäischen Union, nicht aber des Schengen-Raums. Die EU wurde 1992 durch den Interner Link: Maastrichter Vertrag gegründet. Nur ein Jahr später begann Spanien in Melilla mit dem Bau eines Zauns entlang der Landgrenze zu Marokko. Dieser sollte irreguläre Migration nach Spanien und damit auch in die EU unterbinden. Da der Zaun aber recht einfach zu überwinden war, begann die spanische Regierung ab 1995 ein umfassendes Grenzsicherungssystem zu installieren, das immer weiter ausgebaut wurde – mit massiver Unterstützung der EU. Bis zur Jahrtausendwende sollen 48 Millionen Euro in die Grenzzäune der beiden spanischen Enklaven geflossen sein, 75 Prozent der Kosten trug die EU.
Die Grenzanlagen
Eine Gesamtansicht der Grenzzäune an der marokkanisch-spanischen Grenze in der Stadt Melilla. Der Zaun wurde von Spanien errichtet, um illegale Einwanderung und Schmuggel zu stoppen. (© picture-alliance/AP)
Eine Gesamtansicht der Grenzzäune an der marokkanisch-spanischen Grenze in der Stadt Melilla. Der Zaun wurde von Spanien errichtet, um illegale Einwanderung und Schmuggel zu stoppen. (© picture-alliance/AP)
Seit 2005 umfasst das Grenzsicherungssystem zwei parallele, jeweils sechs Meter hohe Zäune, die zudem mit Bewegungsmeldern, Scheinwerfern und Überwachungskameras ausgestattet sind. Zwischen den beiden Zäunen befindet sich ein weiterer etwas niedrigerer Zaun. Auf marokkanischer Seite sichern zusätzlich ein Graben und ein stacheldrahtbesetzter Zaun die Grenze. Spanische Sicherheitskräfte patrouillieren an der Grenze.
2019 haben Arbeiten begonnen, um die Grenzanlage weiter zu verstärken. Die seit dem Jahr 2005 sechs Meter hohen Zäune sollen stellenweise auf nunmehr zehn Meter Höhe aufgestockt werden. Zudem wurde der 2005 installierte Nato-Draht am oberen Ende der Zäune durch umgekehrte Stahlkämme und damit "weniger grausame Elemente" ersetzt, wie es Spaniens Innenminister Fernando Grande-Marlaska im Sommer 2018 versprochen hatte.
Trotz der Sperranlagen gelingt in vielen Fällen die irreguläre Einreise nach Melilla. Das spanische Innenministerium registrierte im Jahr 2020 1.415 Menschen, die über den Landweg irregulär nach Melilla eingereist sind.
Der Rückgang der illegalen Einreisen in Melilla mag den Schluss nahelegen, dass die Verstärkung der Sperranlage eine wirksame Maßnahme darstelle, um irreguläre Migration nach Spanien zu reduzieren. Vielmehr scheint es jedoch so, als trage der Ausbau der Grenzzäune lediglich zu einer Verschiebung der Migrations- und Fluchtrouten bei. So Interner Link: stieg die Zahl der irregulären Ankünfte auf den zu Spanien gehörenden Kanarischen Inseln, die etwa 100 Kilometer vor Marokkos Westküste im Atlantik liegen, von 2.687 im Jahr 2019 auf 23.023 im Jahr 2020 (+ 756,8 Prozent).
Abschiebungen und Zurückweisungen an der Grenze
2015 wurde in Spanien ein Gesetz erlassen (Ley de protección de la seguridad ciudadana), wonach Drittstaatsangehörige, die beim illegalen Grenzübertritt entdeckt werden, unmittelbar zurückgewiesen werden können.
In keinem anderen EU-Land werden so viele Menschen an der Grenze zurückgewiesen wie in Spanien: 2019 waren es 493.455, das waren rund 68,8 Prozent aller EU-weit getätigten Zurückweisungen.
Videomaterialien und Recherchen lokaler und internationaler Nichtregierungsorganisationen belegen, dass Pushbacks oft mit schweren Misshandlungen durch marokkanische Sicherheitskräfte einhergehen.
Kooperation mit Marokko
Seit Jahren kooperiert Spanien eng mit Interner Link: Marokko, um irreguläre Migration zu unterbinden. 1992 unterzeichneten beide Staaten ein Interner Link: Rückübernahmeabkommen. Es war eines der ersten dieser bilateralen Abkommen zwischen einem EU-Staat und einem Drittstaat, das die Rückführung von Migrant/-innen regelte.
Auch im Rahmen der Interner Link: Europäischen Nachbarschaftspolitik spielt Marokko eine wichtige Rolle. 2005 wurde ein erster gemeinsamer Aktionsplan geschlossen. 2013 folgte eine sogenannte Mobilitätspartnerschaft. Dieses Abkommen bietet marokkanischen Staatsangehörigen die Möglichkeit, leichter in die EU einzureisen, bindet die Mobilitätserleichterung aber gleichzeitig an das Versprechen Marokkos, irreguläre Migration stärker zu bekämpfen. 2018 bewilligte die EU Marokko 140 Millionen Euro, um das Grenzmanagement zu verbessern.
Um irreguläre Migration zu unterbinden, führen marokkanische Sicherheitskräfte regelmäßig Razzien in informellen Lagern von Menschendurch, die auf marokkanischer Seite auf eine Gelegenheit warten, die Absperranlage der Enklave Melilla zu überwinden. Die Camps werden geräumt und zerstört, aber von Migrant/-innen und Schutzsuchenden immer wieder aufgebaut. Es gibt zahlreiche Berichte über Verhaftungen, Misshandlungen und Deportationen in südliche Landesteile Marokkos.
Aufnahmezentrum CETI und Zugang zu Asyl
Diejenigen, die die Grenze überwinden können, werden in das temporäre Aufnahmezentrum CETI gebracht, wo sie ihren Asylantrag stellen können. Laut UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) sind im Jahr 2020 1.460 Schutzsuchende in Melilla angekommen, davon 1.295 über den Landweg. Die meisten davon stammten aus Syrien, Tunesien, Marokko und Ägypten.
Erst nachdem geprüft wurde, ob die spanischen Behörden für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig sind, werden die Asylsuchenden auf die spanische Halbinsel transferiert.
Die Lebensbedingungen im CETI sind prekär, vor allem aufgrund der starken Überbelegung. So stehen nach offiziellen Angaben der Kommunalverwaltung Melillas 782 Unterbringungsplätze in dieser Einrichtung zur Verfügung. Im August 2020 lebten dort allerdings 1.354 Personen.
All das schreckt Interner Link: die Menschen jedoch nicht ab, die auf dem "Monte Gurugú", dem auf marokkanischer Seite gelegenen Berg vor Melilla, auf die Gelegenheit warten, die Grenzzäune zu überwinden, um nach Europa zu gelangen, wo sie sich ein besseres Leben erhoffen als in ihren Herkunftsländern, in denen sie für sich keine Perspektiven sehen..