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"Make it in Germany": Grundzüge der deutschen (Arbeits-)Migrationspolitik | Deutschland | bpb.de

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"Make it in Germany": Grundzüge der deutschen (Arbeits-)Migrationspolitik

Vera Hanewinkel

/ 20 Minuten zu lesen

Seit der Jahrtausendwende ist die Arbeitsmigrationspolitik deutlich liberalisiert worden. Begründet wird die Öffnung mit dem Hinweis auf den demografischen Wandel und den zunehmenden Fachkräftebedarf.

Ein undatiertes, privates Foto aus den siebziger Jahren zeigt eine türkische Gastarbeiterfamilie vor ihrem Auto. (© picture-alliance/dpa)

Obwohl Deutschland im internationalen Vergleich zu den Ländern mit dem größten Zuwandereranteil zählt, beschränkte sich die migrationspolitische Debatte lange auf die Diskussion, ob Deutschland ein Einwanderungsland sei oder nicht. Dadurch wurde eine Reform der Zuwanderungspolitik blockiert. Nach dem Interner Link: Anwerbestopp 1973, der die ab 1955 mittels bilateraler Verträge erfolge Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte beendete, konzentrierte sich die als solche bezeichnete Ausländerpolitik der 1970er, 1980er und 1990er Jahre weitgehend auf die Verhinderung weiterer Zuwanderung. Erste Signale eines Umdenkens setzte die sogenannte Green Card-Initiative der 1998 gewählten Regierungskoalition aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Sie erleichterte zwischen 2000 und 2004 die temporäre Zuwanderung von ausländischen IT-Fachkräften.

Hochqualifizierte willkommen

Mit Blick auf die einsetzenden migrationspolitischen Öffnungstendenzen, galt bis 2013 im Wesentlichen der Grundsatz "Academics only". So wurden zunächst vor allem Zuwanderungsmöglichkeiten für ausländische Arbeitnehmer:innen mit Hochschulabschluss geschaffen, etwa durch das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene, in der Öffentlichkeit als "Zuwanderungsgesetz" bekannte "Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern". Mit dem Externer Link: Gesetz wurde eine grundlegende Neuregelung des gesamten Ausländer- und Asylrechts vorgenommen. Kern des Gesetzes ist das Aufenthaltsgesetz (AufenthG), das die (Erwerbs-)Migration nach Deutschland unter Berücksichtigung wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischer Interessen steuern soll. Als Leitmotiv gilt dabei bis heute, dass die Zuwanderung (hoch)qualifizierter Fachkräfte gefördert werden soll, während Einwanderungsmöglichkeiten für gering qualifizierte Personen begrenzt bleiben. Im Grundsatz erhielt das Zuwanderungsgesetz den Anwerbestopp von 1973 aufrecht, formulierte aber für Hochqualifizierte Ausnahmen von dieser Regel. Sie können seither eine befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten, um in Deutschland zu arbeiten. Verfügen sie über besonders herausragende Qualifikationen, kann ihnen auch sofort ein unbefristetes Aufenthaltsrecht (Niederlassungserlaubnis) gewährt werden.

Die im Aufenthaltsgesetz festgehaltenen Regelungen zur Erwerbsmigration wurden seit 2005 mehrfach reformiert. So wurde etwa mit dem Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz, das am 1. Januar 2009 in Kraft trat, das Einkommen abgesenkt, das Zugewanderte mindestens erwirtschaften müssen, um ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erhalten.

Die EU als Impulsgeberin

Impulse für eine Liberalisierung der Arbeitsmigrationspolitik gingen dabei auch von der EU aus, etwa durch die Hochqualifiziertenrichtlinie, die 2012 in nationales Recht umgesetzt wurde und die sogenannte Blaue Karte EU als neuen Aufenthaltstitel einführte. Sie erleichtert die Zuwanderung von Drittstaatsangehörigen, die einen deutschen oder einen mit dem deutschen Hochschulabschluss vergleichbaren bzw. anerkannten ausländischen Hochschulabschluss sowie ein Jobangebot mit einem bestimmten Bruttojahresgehalt vorweisen können.

Auch die Einführung der sogenannten (Mobilen) ICT-Karte (intra-corporate transfer) im August 2017 geht auf eine Initiative der EU zurück. Dieser Aufenthaltstitel soll zur "mittel- und langfristigen Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland" beitragen, indem international tätige Unternehmen ihr ausländisches Personal (Führungskräfte, Spezialist:innen und Trainees) leichter vorübergehend an Unternehmensstandorten in Deutschland einsetzen können.

Öffnung für qualifizierte Fachkräfte

Lag der Fokus des migrationspolitischen Öffnungsprozesses zunächst vor allem auf der Zuwanderung von akademisch ausgebildeten Fachkräften, so sind seit 2013 auch Zuwanderungsmöglichkeiten für ausländische Staatsangehörige mit qualifizierter Berufsausbildung geschaffen worden. Hintergrund sind Interner Link: Fachkräfteengpässe in bestimmten Ausbildungsberufen, etwa im Pflegesektor oder im gewerblich-technischen Bereich. So fehlen beispielsweise Mechatroniker:innen, Lokführer:innen und Krankenpflegepersonal. Offene Stellen in diesen Tätigkeitsbereichen können oft lange Zeit nicht besetzt werden. Am 1. Juli 2013 trat daher eine Änderung der Beschäftigungsverordnung in Kraft, die die Zuwanderung von Facharbeiter:innen aus Drittstaaten in Berufen erleichtern sollte, in denen nach Erkenntnissen der Bundesagentur für Arbeit Fachkräfte fehlen.

Mit dem Interner Link: Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das im März 2020 in Kraft trat, wurden die Beschränkung qualifizierter Zuwanderung auf Mangelberufe aufgehoben und beruflich und akademisch qualifizierte Fachkräfte weitgehend gleichgestellt. Voraussetzung für die Einwanderung bleibt dabei in der Regel, dass ein konkretes Arbeitsplatzangebot aus Deutschland vorliegen muss. Außerdem gilt weiterhin, dass Möglichkeiten zur Einwanderung vor allem für diejenigen bestehen, deren im Ausland erworbene Bildungs- und Berufsqualifikationen als gleichwertig mit deutschen Abschlüssen anerkannt worden sind. Dies hat sich in der Vergangenheit als große Hürde herausgestellt, da vor allem das duale Ausbildungssystem außerhalb Deutschlands kaum verbreitet ist. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz hat daher die Möglichkeiten ausgeweitet, für eine Nachqualifikation in Form von Aus- und Weiterbildungen nach Deutschland zu kommen und im Anschluss zum Arbeiten im Land zu verbleiben.

Die Weichen für einheitlichere und Interner Link: transparentere Verfahren zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen wurden bereits 2012 mit dem sogenannten Berufsqualifikationsanerkennungsgesetz geschaffen. Seitdem besteht ein Rechtsanspruch darauf, dass die Gleichwertigkeit der im Ausland erworbenen Bildungs- und Berufsabschlüsse mit deutschen Abschlüssen geprüft wird – und zwar unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Eine Anerkennung kann daher schon vor der Zuwanderung nach Deutschland angestrebt werden.

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz bildet den (vorläufigen) Höhepunkt der um die Jahrtausendwende eingesetzten Liberalisierung der Arbeitsmigrationspolitik. Es hat einen rechtlichen Paradigmenwechsel eingeläutet: Galt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für Arbeitsmigrant:innen bis dahin als Ausnahme (vom Anwerbestopp), so ist sie seither zur Regel geworden, von der nur Personen ohne Berufsausbildung weiterhin weitgehend ausgenommen sind. Zwar sieht das Gesetz vor, dass sie eine fehlende formale Berufsqualifikation durch mehrjährige berufspraktische Erfahrung ausgleichen können. Diese Regelung gilt allerdings bislang nur für Personen, die eine Beschäftigung im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie anstreben.

Westbalkanregelung

Die relevanteste Zuwanderungsmöglichkeit für unqualifizierte und niedrigqualifizierte ausländische Staatsangehörige ist derzeit die Westbalkanregelung. Sie ermöglicht es Menschen aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten, wenn sie einen gültigen Arbeitsvertrag nachweisen können, die Bundesagentur für Arbeit ihrer Beschäftigung zustimmt und sie in den vorangegangenen zwei Jahren keine Asylbewerberleistungen bezogen haben. Die Regelung wurde 2015 ins Leben gerufen und war eine Reaktion auf die hohe Zahl an Asylanträgen, die von Menschen aus den Westbalkanstaaten in Deutschland gestellt wurden, in der Regel aber keine Aussicht auf Erfolg hatten. So stammten beispielsweise 2014 13 Prozent aller Asylantragstellenden in Deutschland aus Serbien, aber nur 0,2 Prozent der serbischen Asylbewerber:innen wurde auch tatsächlich ein Schutzstatus erteilt. Inzwischen sind alle genannten Westbalkanländer als Interner Link: sichere Herkunftsstaaten eingestuft worden, wodurch Asylanträge von Menschen aus diesen Ländern leichter abgelehnt werden können. Die Westbalkanregelung wiederum hat legale Zuwanderungsmöglichkeiten jenseits des Asylsystems geschaffen, die seit ihrem Inkrafttreten auch rege genutzt worden sind: Von November 2015 bis Mai 2020 hat die Bundesagentur für Arbeit 244.167 (Vorab-)Zustimmungen zur Aufnahme einer Beschäftigung im Rahmen der Westbalkanregelung erteilt. Die meisten Menschen, die so nach Deutschland eingereist sind, arbeiten im Bau- und Gastgewerbe, aber auch im Gesundheits- und Sozialwesen. Die Westbalkanregelung war ursprünglich bis Ende 2020 befristet, wurde aber vom Gesetzgeber bis Ende 2023 verlängert. Dabei wurde allerdings die Zahl der für die Visumerteilung notwendigen Zustimmungen der Bundesagentur für Arbeit auf 25.000 je Kalenderjahr begrenzt.

Aktuell zählen die Westbalkanstaaten neben den Vereinigten Staaten, der Türkei und Indien zu den Hauptherkunftsländern von Erwerbsmigrant:innen in Deutschland.

Die Erwerbsmigration hat im Zuge des Liberalisierungsprozesses an Bedeutung gewonnen. So stiegen die Zuzüge von rund 30.000 im Jahr 2010 auf rund 64.000 im Jahr 2019. 61,3 Prozent davon waren qualifizierte bzw. hochqualifizierte Fachkräfte.

(Arbeits-)Migration aus der EU

Die Zahlen beziehen sich allerdings nur auf Drittstaatsangehörige. Nicht erfasst werden EU-Bürger:innen, weil sie nicht unter die Regelungen zur Zuwanderungssteuerung fallen, sondern Freizügigkeit genießen. Sie benötigen keine spezielle Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis und sind deutschen Staatsangehörigen weitgehend gleichgestellt. Steigende Zuwanderungszahlen aus Rumänien und Bulgarien haben allerdings in den Jahren 2013 und 2014 zu einer Debatte um einen angeblichen Missbrauch der Freizügigkeit durch sogenannte "Armutsmigranten" geführt. Als Reaktion darauf hat der Bundestag im November 2014 ein Externer Link: Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU beschlossen. Es sieht vor, dass zugewanderte EU-Staatsangehörige, denen Rechtsmissbrauch oder Betrug nachgewiesen wird, mit befristeten Wiedereinreisesperren belegt werden können. Zudem wurde das Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche befristet und es wird nur noch dann Kindergeld ausgezahlt, wenn eine Steuer-ID der antragstellenden Person vorliegt. Darüber hinaus ist für zugewanderte EU-Bürger:innen der Zugang zu Sozialleistungen eingeschränkt worden. Ein im Dezember 2016 verabschiedetes Gesetz sieht vor, dass EU-Ausländer:innen, die noch nie in Deutschland gearbeitet haben, erst nach fünfjährigem Aufenthalt Grundsicherung und Sozialhilfe zustehen.

Am 30. Juni 2020 lebten nach Angaben des Ausländerzentralregisters rund 4.919.000 Staatsangehörige anderer EU-Staaten in Deutschland, die meisten davon stammten aus Polen (863.300), Rumänien (772.700) und Italien (647.000).

Geflüchtete als Arbeitskräftereservoir

Neben den ausländischen Arbeitskräften, die über die Regelungen zur Erwerbsmigration für Drittstaatsangehörige nach Deutschland kommen oder als EU-Bürger:innen von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, sind in den vergangenen Jahren zunehmend auch Geflüchtete als Teil des Arbeitskräftereservoirs entdeckt worden. Zwar wird der Zuzug von Asylsuchenden nach wie vor als gesonderte Zuwanderungsform betrachtet, die von Zuwanderung zu anderen Aufenthaltszwecken – etwa Ausbildung oder Erwerbstätigkeit – klar zu trennen sei. Dennoch ist seit 2014 der Arbeitsmarktzugang für die meisten Geflüchteten massiv erleichtert worden: Wird ihnen ein Schutzstatus zugesprochen (Asylberechtigung, Flüchtlingsstatus, subsidiärer Schutz), haben sie unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt.

Auch dürfen Menschen, die sich noch in einem laufenden Asylverfahren befinden, unter bestimmten Bedingungen arbeiten. So dürfen Asylbewerber:innen prinzipiell nach drei Monaten Aufenthalt in Deutschland einer Beschäftigung nachgehen, sofern sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr verpflichtet sind, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen. Nach spätestens neun Monaten Aufenthalt dürfen auch jene Asylbewerber:innen arbeiten, die weiterhin in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnen müssen. Keine Arbeit aufnehmen dürfen allerdings Asylsuchende aus Ländern, die als Interner Link: sichere Herkunftsstaaten eingestuft wurden (mit Stand Juni 2021: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro, Senegal und Serbien) und nach dem 31. August 2015 einen Asylantrag in Deutschland gestellt haben.

Arbeitsmarktzugang haben zudem – wenn auch eingeschränkt – Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die aber vorübergehend nicht in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden können und sich deshalb mit einer Interner Link: Duldung in Deutschland aufhalten. Dies gilt allerdings nicht für Geduldete, die nicht an der Beseitigung von Abschiebungshindernissen (z.B. fehlende Ausweisdokumente) mitwirken. Nehmen Geduldete eine Ausbildung auf, kann ihnen für die Dauer der Ausbildung eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden (sogenannte Ausbildungsduldung). Im Anschluss dürfen sie bis zu sechs Monate in Deutschland bleiben, um einen Arbeitsplatz zu suchen, der der erworbenen beruflichen Qualifikation entspricht. Gelingt ihnen dies, dürfen sie zwei weitere Jahre in Deutschland leben und arbeiten. Unter bestimmten Bedingungen können Geduldete, die einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, seit Anfang 2020 auch eine sogenannte Beschäftigungsduldung erhalten. Diese kann nach 30 Monaten in eine Aufenthaltserlaubnis umgewandelt werden.

Sowohl bei Asylbewerber:innen im laufenden Asylverfahren als auch bei Geduldeten muss die örtliche Ausländerbehörde eine Arbeitserlaubnis erteilen und dafür in der Regel auch die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit einholen.

Insgesamt hat sich die Bundesrepublik seit Anfang der 2000er Jahre zunehmend für Fachkräfte aus dem Ausland geöffnet. Laut OECD zählt Deutschland inzwischen zu den Ländern mit den liberalsten Regelungen für Erwerbsmigration. Wirtschaftsverbände betonen, dass auch in Zukunft Fachkräfte aus dem Ausland benötigt werden, um Wirtschaftskraft und Innovationsfähigkeit in Zeiten des Interner Link: demografischen Wandels aufrechtzuerhalten. Laut Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit gab es 2019 in 98 Berufsgruppen Fachkräfteengpässe, beispielsweise in der Alten- und Krankenpflege, der Kindererziehung und im Handwerk. Mögliche Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt aufgrund der Corona-Pandemie sind in diesen Zahlen noch nicht berücksichtigt. Der Fachkräftebedarf im Gesundheitswesen ist durch die Pandemie allerdings einer breiteren Öffentlichkeit bewusst geworden. Einem Gutachten für den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zufolge, entsteht in Deutschland bis 2030 im Gesundheits- und Sozialwesen eine Fachkräftelücke von 1,3 Millionen Vollzeit-Arbeitskräften. Die Autoren des Gutachtens rechnen damit, dass 1,1 Millionen dieser fehlenden Arbeitskräfte über eine Aktivierung des inländischen Fachkräftepotenzials gewonnen werden könnten, beziffern den bis 2030 notwendigen Zuwanderungsbedarf aber dennoch auf 177.000 Vollkräfte. Das Statistische Bundesamt prognostiziert, dass die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (von 20 bis 66 Jahren) bis 2035 Interner Link: um vier bis sechs Millionen Personen schrumpfen wird. Um das Interner Link: Erwerbspersonenpotenzial konstant zu halten, benötigt Deutschland eine jährliche Nettozuwanderung von 400.000 Personen. Zur Einordnung: Das entspricht einem Wert, der in Deutschland im Zeitraum 2012 bis 2020 in den meisten Jahren (in etwa) erreicht bzw. überschritten wurde; im Zeitraum 2000 bis 2011 wurde er hingegen nicht einmal auch nur annähernd erreicht.

Meilensteine der Liberalisierung der Arbeitsmigrationspolitik seit 2000

2000: Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für hoch qualifizierte ausländische Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie (Green Card)

Nachdem Branchenvertreter:innen immer wieder auf den Mangel an Expert:innen auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologien (IT) hingewiesen hatten, kündigte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) während der internationalen Computermesse CeBIT in Hannover an, die temporäre Zuwanderung von ausländischen IT-Fachkräften unbürokratisch zu ermöglichen. Ursprünglich sollten 10.000 Ausländer:innen die Möglichkeit erhalten, mittels sogenannter "Green Cards" eine befristete Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu erhalten. Diese Quote wurde bereits wenige Monate nach Inkrafttreten der Green Card-Verordnung auf 20.000 erhöht. Voraussetzung für die Zuwanderung war ein Hochschulabschluss in Informations- und Kommunikationstechnologien oder ein zugesichertes Jahresgehalt von mindestens 51.000 Euro (brutto).

Die Green Card, die 2004 auslief und von der vor allem Kleine und Mittlere Unternehmen Gebrauch machten, hat eine öffentliche Debatte über die Notwendigkeit von Arbeitsmigration angestoßen und somit auch den Weg für Regelungen zur Fachkräftemigration im 2004 verabschiedeten Zuwanderungsgesetz geebnet. Sie kann als Ausgangspunkt der Liberalisierung der Arbeitsmigrationspolitik seit der Jahrtausendwende betrachtet werden.

Weitere Informationen: Interner Link: Kurzdossier Die deutsche 'Green Card'

2004: Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz)

Das Zuwanderungsgesetz wurde 2004 verabschiedet und trat am 1. Januar 2005 in Kraft. Es bedeutete eine umfassende Reform sämtlicher Bestimmungen der Migrations- und Integrationspolitik. Kernstück ist das Aufenthaltsgesetz, das die Aufenthaltsrechte von Drittstaatsangehörigen regelt. Es löste das seit 1991 geltende Ausländergesetz ab. Zwar behielt es dessen Grundstruktur bei, vereinfachte aber die Regelungen zum Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen, indem es beispielsweise die Zahl der Aufenthaltstitel auf zwei reduzierte: die Aufenthaltserlaubnis, die zum befristeten Aufenthalt in Deutschland berechtigt, und die Niederlassungserlaubnis, die einen dauerhaften Verbleib in Deutschland erlaubt. Zuwanderungsmöglichkeiten schuf das Zuwanderungsgesetz vor allem für (hoch)qualifizierte Ausländer:innen, also z.B. Wissenschaftler:innen, Manager:innen und Fachkräfte mit hohem Einkommen. Sie erhielten die Möglichkeit, für Beschäftigungszwecke eine befristete Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen. Verfügen sie über besonders herausragende Qualifikationen, kann ihnen laut Gesetz auch sofort eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis (Niederlassungserlaubnis) erteilt werden. Auch Selbständigen ermöglicht das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen die Zuwanderung nach Deutschland. Darüber hinaus erlaubt es ausländischen Absolvent:innen deutscher Hochschulen, nach dem Studienabschluss vorübergehend zur Arbeitsplatzsuche in Deutschland zu bleiben.

Das Zuwanderungsgesetz knüpfte an bestehende Strukturen im Bereich des Zuwanderungs- und Aufenthaltsrechts an, legte hohe Hürden für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis fest (etwa bzgl. des zu erwerbenden Mindesteinkommen) und behielt den 1973 verhängten Anwerbestopp bei. Insofern bedeutete es keinen Bruch mit der restriktiven Zuwanderungspolitik der 1990er Jahre, deutete aber dennoch erste Öffnungsschritte an. Einen Paradigmenwechsel läutete es allerdings im Bereich der Integrationspolitik ein. Erstmals wurde Integration als Aufgabe des Bundes festgeschrieben. Herzstück der staatlichen Integrationsmaßnahmen sind bis heute die sogenannten Interner Link: Integrationskurse, die sowohl Deutschkenntnisse als auch Staats- und Gesellschaftskunde vermitteln. Das Zuwanderungsgesetz wurde seit seiner Einführung mehrfach geändert, u.a. durch eine Reform anlässlich der Externer Link: Umsetzung von elf aufenthalts- und asylrechtlichen EU-Richtlinien im Sommer 2007.

2008: Gesetz zur arbeitsmarktadäquaten Steuerung der Zuwanderung Hochqualifizierter und zur Änderung weiterer aufenthaltsrechtlicher Regelungen (Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz)

Das Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz, das am 1. Januar 2009 in Kraft trat, stand im Kontext des Aktionsprogramms der Bundesregierung "Beitrag der Arbeitsmigration zur Sicherung der Fachkräftebasis in Deutschland" und nahm Änderungen am Aufenthaltsgesetz vor. Es erleichterte die Zuwanderung (hoch)qualifizierter Ausländer:innen, indem es etwa die Summe halbierte, die ausländische Selbstständige in Deutschland mindestens investieren müssen, um eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten (von 500.000 auf 250.000 Euro). Außerdem senkte es das Mindesteinkommen, das hochqualifizierte Zuwanderer:innen nachweisen müssen, um sofort ein Daueraufenthaltsrecht zu erhalten. Wurde mit dem Zuwanderungsgesetz von 2005 noch festgelegt, dass ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht nur dann gewährt werden konnte, wenn zugewanderte Hochqualifizierte ein Einkommen erwirtschafteten, das dem Doppelten der Externer Link: Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung entsprach, so senkte das Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz diesen Wert auf die Externer Link: Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung. Darüber hinaus ermöglichte das Gesetz Geduldeten, die in Deutschland eine qualifizierte Ausbildung oder ein Hochschulstudium absolviert haben und über eine verbindliche Arbeitsplatzzusage verfügen, einen sicheren Aufenthaltsstatus in Deutschland zu erhalten. Das gilt auch für geduldete Fachkräfte, die bereits zwei Jahre lang durchgehend in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, das wiederum eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt.

2011: Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und der Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen

Das sogenannte Interner Link: Anerkennungsgesetz trat am 1. April 2012 in Kraft. Es führte einen allgemeinen Anspruch auf ein Verfahren zur Prüfung der Gleichwertigkeit von im Ausland erworbenen Bildungs- und Berufsabschlüssen mit deutschen Abschlüssen ein. Vorher hatten nur EU-Bürger:innen und Spätaussiedler:innen einen solchen Rechtsanspruch. Zudem können Ausländer:innen, die nach Deutschland zuwandern möchten, seither schon vor dem Zuzug prüfen lassen, ob ihre erworbenen Qualifikationen in Deutschland anerkannt werden oder ob sie ggf. Maßnahmen zur Nachqualifikation anstreben müssen. Der Antrag auf eine Gleichwertigkeitsprüfung kann unabhängig vom Aufenthaltsstatus gestellt werden, sodass auch für Asylantragstellende und Geduldete die Möglichkeit besteht, ihre Qualifikationen prüfen zu lassen. Fehlende Nachweise wie Studienzeugnisse können dabei durch "sonstige geeignete Verfahren" ausgeglichen werden, etwa durch Arbeitsproben. Zogen sich Anerkennungsverfahren zuvor häufig viele Monate in die Länge, so legt das Gesetz nun fest, dass sie innerhalb von drei Monaten abzuschließen sind. Das Externer Link: Anerkennungsgesetz gilt für mehr als 600 Berufe, die in der Zuständigkeit des Bundes liegen, darunter die rund 330 Ausbildungsberufe des dualen Systems. Inzwischen haben aber auch alle Bundesländer Anerkennungsgesetze für landesrechtlich geregelte Berufe erlassen. In ganz Deutschland sind Anlaufstellen zur Anerkennungsberatung eingerichtet worden.

2012: Einführung der Blauen Karte EU

Mit der Externer Link: Umsetzung der EU-Richtlinie "über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer hochqualifizierten Beschäftigung" (Externer Link: 2009/50/EG) wurde im Aufenthaltsgesetz ein neuer Aufenthaltstitel eingeführt: die Blaue Karte EU. Diese können seit dem 1. August 2012 hochqualifizierte Drittstaatsangehörige beantragen. Voraussetzungen sind ein deutscher oder ein mit dem deutschen Hochschulabschluss vergleichbarer bzw. anerkannter ausländischer Hochschulabschluss sowie ein Arbeitsvertrag mit einem Bruttojahresgehalt, das für jedes Kalenderjahr neu angepasst wird (2021: 56.800 Euro). Niedriger liegt die Einkommensgrenze in sogenannten Mangelberufen (Naturwissenschaften, Mathematik, Ingenieurwesen, IT-Branche, Medizin) (2021: 44.304 Euro). Die jeweils angestrebte Beschäftigung muss dabei der Qualifikation entsprechen. Die Blaue Karte EU berechtigt zunächst zu einem Aufenthalt von höchstens vier Jahren. Im Anschluss kann sie verlängert bzw. in eine Niederlassungserlaubnis umgewandelt werden. Für Familienangehörige der Inhaber:innen einer Blauen Karte gelten erleichterte Bedingungen für den Nachzug nach Deutschland. Sie dürfen zudem umgehend einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Neben der Einführung der Blauen Karte EU beinhaltete das Gesetz zur Umsetzung der EU-Hochqualifiziertenrichtlinie weitere Erleichterungen beim Arbeitsmarktzugang für ausländische Fachkräfte und ihre Familienangehörigen. So dürfen seither Ausländer:innen mit einem deutschen oder ausländischen Hochschulabschluss für sechs Monate nach Deutschland einreisen, um nach einem Arbeitsplatz zu suchen. Internationale Studierende, die einen Abschluss an einer deutschen Hochschule erworben haben, dürfen im Anschluss daran bis zu 18 Monate (statt wie bis dahin zwölf Monate) zur Arbeitsplatzsuche in Deutschland verbleiben. Ausländer:innen, die in Deutschland eine betriebliche Ausbildung abgeschlossen haben, dürfen sich anschließend bis zu einem Jahr in Deutschland aufhalten, um einen Arbeitsplatz zu finden.

2013: Neuregelung der Beschäftigungsverordnung tritt in Kraft

Zum 1. Juli 2013 trat eine neue Beschäftigungsverordnung in Kraft, die neue Regeln zur Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen einführte. Sie eröffnete Fachkräften ohne akademische Ausbildung die Möglichkeit der Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt. Die Zuwanderung ist demnach möglich, wenn entweder ein Anwerbeabkommen mit dem Herkunftsland besteht oder der Beruf, in dem eine Fachkraft ausgebildet wurde, von der Bundesagentur für Arbeit als Engpassberuf eingestuft und auf eine sogenannte "Positivliste" gesetzt wurde. Es handelt sich dabei um Berufe, in denen offene Stellen lange nicht besetzt werden können. In diesen Berufen entfällt dann auch die Vorrangprüfung, das heißt, dass die Bundesagentur für Arbeit nicht mehr prüft, ob der Arbeitsplatz durch als arbeitslos oder arbeitsuchend gemeldete deutsche Staatsangehörige, Unionsbürger:innen oder Personen, die bereits mit Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis in Deutschland leben, besetzt werden könnte. Durch die Neuregelung der Beschäftigungsverordnung wurde auch der Arbeitsmarktzugang von Asylsuchenden und geduldeten Ausländer:innen etwas erleichtert. Sie erlaubte es Asylbewerber:innen beispielsweise, noch während des laufenden Asylverfahrens eine Ausbildung aufzunehmen, ohne dass dafür die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit eingeholt werden muss.

2015: Westbalkanregelung (eingeführt mit einer Verordnung zum Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 24. Oktober 2015)

Staatsangehörige aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien können seit dem 1. Januar 2016 auch ohne anerkannte Qualifikation einen Aufenthaltstitel zur Beschäftigung in Deutschland erhalten – und zwar für jede Art von Beschäftigung. Dazu müssen sie ein konkretes Ausbildungs- oder Arbeitsplatzangebot bzw. einen Arbeitsvertrag vorweisen. Außerdem muss die Bundesagentur für Arbeit der Beschäftigung zustimmen. Sie prüft die Arbeitsbedingungen und führt eine Vorrangprüfung durch. Das Visum muss im Herkunftsstaat beantragt werden und der Antragstellende darf in den letzten 24 Monaten vor Antragstellung in Deutschland keine Leistungen nach dem Interner Link: Asylbewerberleistungsgesetz erhalten haben.

Die sogenannte Westbalkanregelung wurde mit einer Externer Link: Verordnung zum Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 24. Oktober 2015 eingeführt. Sie sollte die Einstufung der Westbalkanstaaten als Interner Link: sichere Herkunftsländer flankieren, um Menschen aus diesen Ländern Alternativen zum in der Regel aussichtslosen Asylantrag zu bieten. Die entsprechende Regelung wurde in die Beschäftigungsverordnung aufgenommen, zunächst befristet bis zum Jahresende 2020. Kurz vor Ablauf der Frist wurde sie bis zum 31. Dezember 2023 verlängert (Stand: Juni 2021), wobei allerdings eine Obergrenze von jährlich 25.000 Zustimmungen durch die Bundesagentur für Arbeit festgelegt wurde.

2017: Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union zur Arbeitsmigration

In Kraft seit 1. August 2017, erleichtert das Gesetz es international tätigen Unternehmen, ihr Personal in Deutschland im Rahmen unternehmensinterner Transfers (Intra-Corporate Transfer, ICT) einzusetzen. Dazu wurden zwei neue Aufenthaltstitel eingeführt: die ICT-Karte und die Mobile-ICT-Karte. Die ICT-Karte ermöglicht es Führungskräften, Spezialist:innen und Trainees befristet in einer deutschen Niederlassung ihres Unternehmens zu arbeiten. Mit der Mobilen-ICT-Karte können Drittstaatsangehörige, die in einem anderen EU-Land in einem internationalen Unternehmen beschäftigt sind, vorübergehend zum Arbeiten nach Deutschland kommen.

Mit dem Externer Link: Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union zur Arbeitsmigration wurden auch Erleichterungen für Studierende und Forscher:innen auf den Weg gebracht. Drittstaatsangehörige, die sich bereits zu Studien- oder Forschungszwecken rechtmäßig in einem anderen EU-Land aufhalten, dürfen unter bestimmten Voraussetzungen (befristet) auch in Deutschland studieren oder forschen, ohne dafür einen deutschen Aufenthaltstitel beantragen zu müssen.[18]

Außerdem wurde die Saisonarbeitnehmerrichtlinie (Externer Link: 2014/36/EU) umgesetzt. Sie erlaubt es, Drittstaatsangehörige unter bestimmten Voraussetzungen als Saisonarbeitskräfte zu beschäftigen – vor allem in der Landwirtschaft, wo der Bedarf an Erntehelfer:innen nicht mehr ausreichend durch Saisonarbeitskräfte aus EU-Staaten gedeckt werden kann. Dazu trifft die Bundesagentur für Arbeit bilaterale Absprachen mit der Arbeitsverwaltung des Herkunftslandes. Die Saisonarbeitskräfte, die auf diesem Wege nach Deutschland kommen, müssen zu denselben Bedingungen beschäftigt werden wie vergleichbare inländische oder diesen rechtlich gleichgestellte Arbeitnehmer:innen.[19] Anfang 2020 wurde eine erste Vermittlungsabsprache mit Georgien geschlossen.

2019: Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz und Fachkräfteeinwanderungsgesetz

8. Juli 2019: Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz

Das Gesetz, in Kraft seit 1. August 2019, hat die Möglichkeiten der Ausbildungsförderung für Ausländer:innen stark ausgeweitet. Der Zugang zur Ausbildungsförderung wurde vom Aufenthaltsstatus entkoppelt. Das Gesetz erlaubt zudem die Teilnahme von arbeitsmarktnahen Asylbewerber:innen an Interner Link: Integrationskursen. Wie das nachfolgend beschriebene Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist es Teil des sogenannten Migrationspakets[20], das mehrere Gesetze umfasst, die alle im Sommer 2019 verabschiedet wurden und zu weitreichenden Änderungen im Migrations- und Flüchtlingsrecht führten.

15. August 2019: Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Das Externer Link: Fachkräfteeinwanderungsgesetz trat am 1. März 2020 in Kraft und führte zu Änderungen im Aufenthaltsgesetz. Dabei hält es am Grundsatz einer bedarfsorientierten Erwerbsmigration fest, die darüber hinaus an den Nachweis einer in Deutschland anerkannten Qualifikation und eines konkreten Arbeitsplatzangebots gekoppelt bleibt. Allerdings erweitert es die Möglichkeiten, zur Ausbildungs- und Arbeitsplatzsuche sowie zur Anerkennung einer im Ausland erworbenen Qualifikation nach Deutschland zu kommen und dehnt diese insbesondere auf nicht-akademisch ausgebildete Fachkräfte aus. Es führt einen einheitlichen Fachkräftebegriff ein, der sowohl Beschäftigte mit Hochschulabschluss als auch jene mit qualifizierter Berufsausbildung umfasst. Neu ist auch, dass die Begrenzung der Zuwanderung auf Mangelberufe entfällt. Ebenso wird weitgehend auf eine Vorrangprüfung verzichtet, das bedeutet, dass die Bundesagentur für Arbeit nicht mehr prüft, ob für die Besetzung der Stelle eine in Deutschland als arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldete Person infrage kommt, also deutsche Staatsangehörige, Unionsbürger:innen oder Drittstaatsangehörige mit Aufenthaltsrecht. Fachkräfte, die in Deutschland einen Hochschulabschluss erworben oder eine Berufsausbildung absolviert haben, können nun bereits nach zwei Jahren Beschäftigung in Deutschland eine Niederlassungserlaubnis erhalten, Fachkräfte mit ausländischem Abschluss nach vier Jahren.

Hintergrund des Interner Link: Fachkräfteeinwanderungsgesetzes ist die Erfahrung von Fachkräfteengpässen in vielen Bereichen des Arbeitsmarkts, vor allem in gewerblich-technischen und naturwissenschaftlichen Berufen. Offenen Stellen können häufig lange nicht besetzt werden.

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Vera Hanewinkel ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.
E-Mail: E-Mail Link: vera.hanewinkel@uni-osnabrueck.de