Pakistan gehört zu den führenden Exporteuren von Arbeitskräften in die ölreichen arabischen Staaten des Persischen Golfs. Die Situation der Wanderarbeitskräfte in der Golfregion hat sich im Zuge der Corona-Pandemie verschlechtert.
Die arabischen Staaten des Persischen Golfs gehören weltweit zu den beliebtesten Zielländern für Arbeitsmigrant/-innen und haben in den letzten Jahren einen deutlichen Anstieg der Zuwanderung verzeichnet. Mit Ausnahme von Oman und Saudi-Arabien stellen Migrant/-innen die Mehrheit der Bevölkerung in allen Ländern des Interner Link: Golfkooperationsrates (Gulf Cooperation Council, GCC) . So waren beispielsweise im Jahr 2020 schätzungsweise 88 Prozent der Bevölkerung in den Vereinigten Arabischen Emiraten Zugewanderte, 73 Prozent in Kuwait, 77 Prozent in Katar und 55 Prozent in Bahrain. Das Verhältnis von migrantischen zu einheimischen Arbeitskräften ist in den GCC-Staaten ebenfalls eines der höchsten der Welt. Die meisten der Arbeitsmigrant/-innen sind gering qualifiziert oder angelernt und in Branchen wie dem Baugewerbe, der Fabrikarbeit (verarbeitendes Gewerbe), der Arbeit auf Werften, der Gastronomie und dem Gastgewerbe, dem Garten- und Landschaftsbau und der Hausarbeit beschäftigt. Ein erheblicher Teil der ausländischen Arbeitskräfte in der Golfregion kommt aus Südasien.
Mitte 2020 lebten 43,4 Millionen Menschen aus Südasien außerhalb ihres Herkunftslandes, womit Südasien weltweit die Subregion mit der höchsten Zahl an Auswanderer/-innen ist. Eine der wichtigsten Zielregionen für südasiatische Migrant/-innen ist Westasien – und hier insbesondere die ölreichen GCC-Staaten.
Die umfangreiche Migration aus Südasien in die Golfregion begann in den 1970er Jahren, als der Ölpreisboom die Nachfrage nach ausländischen Arbeitskräften für Infrastruktur- und Entwicklungsprojekte erhöhte. In den 1980er Jahren nahm die Migration aus Südasien in die GCC-Länder noch weiter zu, und abgesehen von einigen Rückwanderungen während der Interner Link: irakischen Invasion in Kuwait und des Golfkriegs 1990/91 sind die GCC-Länder seither das Hauptziel von Arbeitsmigranten aus Südasien geblieben.
Heute ist der Migrationskorridor zwischen Südasien und den Golfstaaten Interner Link: einer der am stärksten frequentierten Migrationskorridore der Welt. Arbeitslosigkeit und niedrige Löhne in den südasiatischen Ländern sind die Hauptgründe für diese Migrationsbewegungen. Im Jahr 2020 lebten schätzungsweise 3,5 Millionen Migrant/-innen aus Indien und mehr als eine Million aus Bangladesch allein in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Arbeitsmigrant/-innen aus Südasien sind das Rückgrat der Wirtschaften der Golfstaaten. Die meisten dieser Migrant/-innen reisen als befristete Wanderarbeitskräfte aus und lassen ihre Familien in den Herkunftsländern zurück.
Arbeitsmigrant/-innen aus Südasien schicken große Geldbeträge in die Herkunftsländer, um dort verbliebene Familienmitglieder und Verwandte zu unterstützen. Weltweit ist Indien – das Land mit der größten Zahl von Ausgewanderten (18 Millionen in 2020) – der größte Empfänger von Rücküberweisungen (83 Milliarden US-Dollar 2020). Aber auch Pakistan und Bangladesch gehören mit 26 Milliarden bzw. 22 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020 zu den zehn wichtigsten Empfängerländern von Interner Link: Rücküberweisungen.
Allerdings leben viele südasiatische Interner Link: Migrant/-innen unter prekären Bedingungen in der Golfregion. Ihnen fehlt ein Sicherheitsnetz, das sie in Krisenzeiten schützt, soziale Sicherheit und eine auf ihr Wohlergehen ausgerichtete Politik; sie genießen nur wenige oder gar keine Arbeitsrechte. Die Pandemie, die Schließung von Unternehmen, die Verschärfung der Grenzkontrollen und der ausbeuterische Charakter des Kafala-Bürgschaftssystems haben ihr Elend noch vergrößert.
Das in den GCC-Ländern in den 1950er Jahren eingeführte und bis heute geltende Kafala-System, bei dem Arbeitgeber/-innen als Bürgen für von ihnen beschäftigte ausländische Arbeitskräfte fungieren, bindet zugewanderte Arbeitskräfte an ihre Arbeitgeber/-innen, die für ihr Visum und ihren rechtlichen Status verantwortlich sind. Das System wurde eingeführt, um die ausländischen Arbeitskräfte zu überwachen. Es gibt den Arbeitgebern eine enorme Kontrolle über die Arbeitsmigrant/-innen und eröffnet Möglichkeiten der Ausbeutung. Dieses System hat zwei kritische Auswirkungen auf internationale Migrant/-innen: Protektionismus und das Fehlen von Möglichkeiten zur Integration in die Gesellschaft. So ist es Wanderarbeitskräften in den Golfstaaten nicht möglich, sich formell in den sozioökonomischen Kontext ihres Ziellandes zu integrieren.
In der Vergangenheit haben die hohe Arbeitslosigkeit in der einheimischen Bevölkerung der Golfstaaten, Wirtschaftskrisen, das demografische Ungleichgewicht und der Interner Link: arabische Frühling dazu geführt, dass die GCC-Länder ihre Arbeitspolitik darauf ausgerichtet haben, den Anteil einheimischer Arbeitskräfte zu erhöhen. Die Jobchancen für südasiatische Migrant/-innen, einschließlich derer aus Pakistan, sind infolge dieser Nationalisierungspolitik tendenziell gesunken. Darüber hinaus sind im Laufe der Zeit die Kosten für die Erneuerung der Arbeitserlaubnis und die Steuern gestiegen, was den Lebensunterhalt der Migrant/-innen in diesen Ländern gefährdet.
Pakistanische Arbeitsmigrantinnen und -migranten in den Golfstaaten
Nach Indien ist Pakistan das Land mit der größten Anzahl an Arbeitskräften in den Golfstaaten. Seit 1990 ist Saudi-Arabien das wichtigste Zielland pakistanischer Arbeitsmigrant/-innen in der Region, gefolgt von den Vereinigten Arabischen Emiraten (siehe Tabelle 1).
Tabelle 1: Zahl pakistanischer Migrantinnen und Migranten in den GCC-Ländern 1990-2020
Jahr
Bahrain
Kuwait
Oman
Katar
Saudi-Arabien
Vereinigte Arabische Emirate
1990
20.949
129.928
35.675
334
556.715
158.710
1995
25.280
112.925
59.439
363
570.555
225.750
2000
29.683
139.783
66.498
338
586.225
305.782
2005
46.931
162.388
70.569
51.773
724.160
383.831
2010
74.535
225.820
86.029
145.204
938.913
836.310
2015
80.807
312.434
195.644
133.212
1.187.817
913.855
2020
104.698
330.033
250.092
235.505
1.483.737
996.288
Quelle: United Nations Department of Economic and Social Affairs (UNDESA): International Migrant Stock 2020: Destination and origin, Table 1: International migrant stock at mid-year by sex and by region, country or area of destination and origin, 1990-2020. Externer Link: https://www.un.org/development/desa/pd/sites/ (Zugriff: 14.06.2022).
Der Großteil der pakistanischen Migrant/-innen in den GCC-Staaten sind alleinstehende Männer, die in überfüllten Arbeitslagern leben. Sie teilen sich Zimmer und Badezimmer, um Geld zu sparen, das sie nach Hause schicken können. Die Interner Link: Corona-Pandemie hat sie aufgrund der überfüllten und unhygienischen Lebensbedingungen in den Arbeitslagern besonders getroffen.
Abbildung 1 zeigt einen stetigen und deutlichen Anstieg der Zahl pakistanischer Migrant/-innen in den GCC-Staaten von 902.311 im Jahr 1990 auf 3.400.353 im Jahr 2020.
Weder die irakische Invasion in Kuwait im Jahr 1990 noch die Interner Link: globale Wirtschaftskrise 2008/2009 oder die Einführung des Nitaqat-Systems in Interner Link: Saudi-Arabien im Jahr 2011 führten zu einem (massiven) Rückgang der ausländischen Arbeitskräfte in der Golfregion. Die Corona-Pandemie hat in Verbindung mit dem schwankenden Ölpreis jedoch ein unvorhersehbar hohes Ausmaß an Rückwanderungen ausgelöst. Wie viele andere südasiatische Länder leitete auch Pakistan Rückführungsmaßnahmen ein. Die pakistanische Regierung gibt an, rund 300.000 pakistanische Staatsangehörige zurückgeholt zu haben – 200.000 mit Sonderflügen und 100.000 im Rahmen des normalen Flugbetriebs –, davon aus den Vereinigten Arabischen Emiraten 154.856, aus Saudi-Arabien 63.595, aus Katar 17.062 und aus Oman 11.792.
Die Corona-Pandemie hat einen Schatten auf die Zukunft der Migration zwischen Pakistan und den Golfstaaten gelegt. Sie stellt für die Millionen von Pakistaner/-innen, die in den Golfstaaten arbeiten, sowie für die Familien und Gemeinschaften, die von ihnen abhängig sind, eine enorme Gefahr für die Gesundheit und den Lebensunterhalt dar. Die pakistanische Regierung befindet sich – genau wie die Regierungen anderer Länder, die auf die vorübergehende Auswanderung von Arbeitskräften angewiesen sind, um Druck von ihren Arbeitsmärkten zu nehmen – in einem Dilemma: Einerseits muss sie die Migration fördern, andererseits müssen die Rechte der Migrant/-innen in den zunehmend feindseligen Aufnahmeländern geschützt werden. Derzeit gibt es zwei wichtige entwicklungspolitische Rahmenwerke: die Agenda 2030 und den Interner Link: Globalen Migrationspakt. Sie beziehen sich auf die Verbesserung der Situation von Arbeitsmigrant/-innen und können genutzt werden, um die mit der Assimilierung, Rückkehr und Wiedereingliederung südasiatischer Wanderarbeitnehmer/-innen in der Golfregion verbundenen Herausforderungen abzufedern. Die Externer Link: Agenda 2030 und ihre breit angelegten Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) können auf Arbeitsmigrant/-innen angewendet werden. Ein umfassendes Migrationsmanagementsystem für die Entsende- und Aufnahmeländer ist letztlich dringend erforderlich. Denn mit Ausnahme von Sri Lanka verfügt kein südasiatisches Land über eine angemessene Migrationspolitik zum Schutz der Rechte abgewanderter Staatsangehöriger.
ist Vorsitzender des International Institute of Migration and Development (IIMAD), Indien, und leitet die Arbeitsgruppe zu Binnenmigration und Urbanisierung der Globalen Wissenspartnerschaft für Migration und Entwicklung (KNOMAD), einer Initiative der Weltbank. Er ist Herausgeber von zwei Reihen des britischen Verlagshauses Routledge – India Migration Report und South Asia Migration Report.
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