Im Jahr 2018 haben 164 Staaten den "Globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration" (Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration; kurz: GCM) angenommen, um die migrationsbezogene Zusammenarbeit zu stärken, Migration zu erleichtern, die Rechte von Migrant:innen zu schützen und "irreguläre" Migration zu verhindern.
Was macht die IOM?
Jedes Jahr führt die IOM weltweit Tausende von Projekten durch
Im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland unterstützt die IOM derzeit Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs (UK), die nach dem Interner Link: "Brexit" in Deutschland gestrandet sind, und konzentriert sich dabei auf Personen, die spezielle Unterstützung benötigen, beispielsweise im Umgang mit Behörden oder beim Besorgen relevanter Dokumente. Außerdem hilft die IOM bei der Zusammenführung syrischer Familien mit Unterstützung bei der Visabeschaffung und Integrationskursen vor der Ausreise. Seit 1979 sind die wichtigsten Projekte der IOM für Deutschland das "Government Assisted Repatriation Program" (GARP) und das "Reintegration and Emigration Program for Asylum-Seekers in Germany" (REAG). Im Rahmen dieser Programme erhalten Menschen, die Deutschland verlassen müssen, finanzielle Unterstützungsleistungen, Tickets, Beratung und Wiedereingliederungshilfen im Herkunftsland.
IOM, eine Organisation des Globalen Nordens?
Die IOM hat derzeit 174 Mitgliedstaaten; ihre 15.311 Mitarbeiter:innen arbeiten meist außerhalb des Hauptsitzes (Genf) in einem von 590 IOM-Büros weltweit.
IOM im Globalen Migrationspakt und in der UN: Kein Wendepunkt der globalen Migrationspolitik
Die Verhandlungen zum Globalen Migrationspakt waren mit der Hoffnung verbunden, dass die Staaten verbesserte, rechtebasierte Ansätze für die Migration finden und vereinbaren würden. Der Globale Migrationspakt, der schließlich als unverbindliches Dokument angenommen wurde, leistete allerdings nicht mehr, als einen optionalen Maßnahmenkatalog festzulegen. Auch die Rolle der IOM mit Blick auf den Migrationspakt ist in mehrerlei Hinsicht problematisch: Nicht wenige ihrer Gründungs- und wichtigsten Geberstaaten (z.B. die USA, mehrere EU-Staaten und Australien) haben sich dem Globalen Migrationspakt widersetzt. Außerdem hat die IOM als federführende Organisation eigentlich die Aufgabe, den Fortschritt der Umsetzung des Pakts zu überwachen – allerdings wird sie wahrscheinlich zugleich auch der hauptsächlich durchführende Akteur der angedachten Maßnahmen werden. Dies stellt einen ernsthaften Interessenkonflikt dar und birgt z.B. die Gefahr, dass der Globale Migrationspakt zum Finanzierungsinstrument der IOM wird. Darüber hinaus kann die Tatsache, dass der Projektkatalog der IOM und die im Globalen Migrationspakt vorgeschlagenen Maßnahmen genau übereinstimmen, bestimmte Staaten eventuell davon abhalten, wirklich neue und verbesserte Ansätze in Betracht zu ziehen und umzusetzen. Dies würde den Geist des Globalen Migrationspakts konterkarieren.
Im Jahr 2016 beantragte die IOM die Aufnahme in die Interner Link: UN als "verwandte Organisation". Die Vereinten Nationen akzeptierten dies – trotz weitreichender negativer Folgen: Im Gegensatz zu "Interner Link: Nebenorganen" (z.B. Interner Link: Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, UNHCR) oder "Interner Link: Sonderorganisationen" (z.B. Interner Link: Internationale Arbeitsorganisation, ILO), ist die IOM als "verwandte Organisation" von der Berichtspflicht gegenüber dem UN-Generalsekretär, der Interner Link: Generalversammlung und dem Wirtschafts- und Sozialrat befreit. Dies verhindert eine wirksame Überwachung der IOM, einschließlich ihrer Rolle im Globalen Migrationspakt. Überdies hat die IOM auch ihre eigenen Mitgliedstaaten behalten, und ihre Autonomie über deren Finanzzuweisungen. Dies wird sich möglicherweise darauf auswirken, in welcher Form und welche Aspekte des Globalen Migrationspaktes umgesetzt werden. Noch entscheidender aber ist, dass der IOM als "verwandte Organisation" nicht die Aufgabe auferlegt ist, die Einhaltung einer bestimmten Konvention durch die Staaten zu gewährleisten und zu überwachen – anders als z.B. im Fall des UNHCR, der 1950 zur Vertretung und zum Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention gegründet wurde.
Fazit
Das Fehlen einer echten Überwachung der IOM und eines wirksamen Schutzes der Menschen- und Migrant:innenrechte bei der Durchführung von IOM-Projekten ist höchst nachteilig – sowohl für Migrant:innen, als auch den Globalen Migrationspakt und die Zukunft globaler Migrationspolitik im Allgemeinen. Die IOM wurde zur "UN-Migrationsbehörde" ernannt, was bedeutet, dass ihre Dienstleistungen auch als unmittelbare Antworten und konkrete Lösungsansätze der UN auf Migration betrachtet werden können. Toleriert von den Vereinten Nationen, erleichtert der Globale Migrationspakt das Outsourcing von migrationsbezogenen Maßnahmen, indem er den Staaten die Möglichkeit gibt, die Maßnahmen auszuwählen, die sie ergreifen wollen, und diese später beispielsweise an die IOM zu delegieren. Dies ermöglicht es den Staaten und der UN, ihren Verpflichtungen in Bezug auf Menschen- und Migrant:innenrechte nicht im gebotenen Maße nachkommen zu müssen. Unterdessen können die IOM und andere Anbieter sich darauf zurückziehen, dass sie nur Maßnahmen durchführen, die die Staaten genehmigt und finanziert haben und für die sie selbst nicht verantwortlich sind und für die sie sich folglich auch nicht zu verantworten haben. Die globale Migrationspolitik nach dem Globalen Migrationspakt und dem Zusammenschluss der IOM mit den Vereinten Nationen deutet eine auf Kontinuität setzende Fortsetzung an und lässt Zweifel an der Bereitschaft der internationalen Gemeinschaft aufkommen, verbesserte und auf die Rechte von Migrant:innen ausgerichtete Strategien und Lösungsansätze anzunehmen und zu verfolgen.
Übersetzung aus dem Englischen von Vera Hanewinkel