Trotz des Verbots durch den Versailler Vertrag verlor Deutschland in den 1920er Jahren durch geheime Kooperation mit der Sowjetunion den Anschluss in der Panzer- und Luftrüstung nicht ganz. Die geheime Forschung und Erprobung in diesen Bereichen waren die Voraussetzung dafür, dass Deutschland ab 1935 in offener Aufrüstung seinen internationalen Rückstand ausgleichen konnte. Das galt vor allem für die neue Luftwaffe.
Das Bild des Zweiten Weltkrieges wurde wesentlich durch Waffen bestimmt, die schon im Ersten Weltkrieg zum Einsatz gekommen waren. Neue Kriegsmittel wie der Panzer, das Flugzeug und das U-Boot hatten damals ihr großes militärisches Potenzial gezeigt. Vor allem Panzer und Flugz eug erlebten deshalb in der Zwischenkriegszeit einen Entwicklungssprung. Gleichzeitig kam es in der Nachrichten-, Ortungs- und Kryptotechnik sowie in der Raumfahrt zu bahnbrechenden Fortschritten. Für militärische Zwecke nutzbar gemacht, beeinflussten viele dieser Technologien den Verlauf des
Zweiten Weltkrieges erheblich.
Rüstungsschwerpunkte Flugzeuge und Panzer
In Deutschland hatten Entwicklung und Produktion militärischer Spitzentechnik 1919 vorerst ein jähes Ende gefunden. Der Versailler Vertrag verbot Deutschland den Bau und Besitz von Panzern, Militärflugzeugen und U-Booten. Durch geheime Kooperation mit der Sowjetunion in den 1920er-Jahren verlor es den Anschluss auf den Schlüsselgebieten der Panzer- und Luftrüstung jedoch nicht ganz. Die verdeckte Forschung und Erprobung waren die Voraussetzung dafür, dass Deutschland ab 1935 in offener, gewaltiger Aufrüstung seinen internationalen Rückstand weitgehend ausgleichen konnte. Das galt vor allem für die neue Luftwaffe. Bei Kriegsbeginn 1939 besaß sie ein überlegenes Jagdflugzeug (Messerschmidt Bf 109), ein leistungsfähiges Sturzkampfflugzeug (Junkers Ju 87) und einen modernen mittleren Bomber (Heinkel He 111). Mit allen drei Flugzeugtypen hatte sie während des Spanischen Bürgerkrieges (1936-1939) auch Einsatzerfahrung sammeln können.
Der Stand der Panzerrüstung überzeugte dagegen weniger. Die deutschen "Blitzkriege" der Anfangsjahre stützten sich überwiegend auf leichte, teils veraltete Panzer der Typen I und II aus deutscher Produktion, ergänzt um bessere aus tschechischer Beute. Polen, das nur wenige gleichwertige Panzer besaß, war damit relativ leicht zu bezwingen. Ganz anders war die Ausgangslage gegen das gut gerüstete Frankreich im folgenden Jahr:
Ein riskanter Operationsplan und eine überlegene Führung ermöglichten dennoch den deutschen Sieg.
Erst 1941, gegen die Sowjetunion, konnte die Wehrmacht eine große Zahl moderne mittlere Panzer der Typen III und IV aufbieten. Sie waren jedoch dem neuen sowjetischen Panzer T-34 technisch deutlich unterlegen. Von ihm besaß die Rote Armee allerdings noch nicht sehr viele. Dafür war sie bei leichten Panzern in Zahl und Qualität deutlich im Vorteil.
Auch verfügte nur sie über schwere Panzer. Wiederum glich die Wehrmacht ihre Materialunterlegenheit anfangs durch überlegene Planung und Führung aus. In den Folgejahren lieferten die deutschen Rüstungsschmieden Spitzenerzeugnisse wie die schweren Panzer der Typen V "Panther" (1943) und VI "Tiger" (1942). Als wirkungsvolle und preiswerte Ergänzung des Kampfpanzers erwies sich eine neuartige Artilleriewaffe: das 1940 eingeführte Sturmgeschütz. Sein Typ III wurde mit über 10.000 Exemplaren zum meistgebauten Vollketten-Panzer der Wehrmacht. Die deutschen Gegner zogen früher oder später mit kaum schlechteren, teils sogar besseren Panzer-Entwicklungen nach. Entscheidend war, dass Deutschland im Rüstungswettlauf allein gegen die Sowjetunion zahlenmäßig nicht mithalten konnte. Zu allem Überfluss leistete man sich eine große Typenvielfalt – und dies nicht nur beim Panzerbau, sondern auch in anderen Rüstungssparten.
Panzerkampfwagen des Zweiten Weltkrieges im Vergleich (bpb)
Panzerkampfwagen des Zweiten Weltkrieges im Vergleich (Grafik öffnet als PDF). (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Wie schon im Ersten zeigte sich auch im Zweiten Weltkrieg, dass der Kriegserfolg wesentlich davon abhing, wie gut eine Volkswirtschaft zu diesem Zweck organisiert wurde. Weil Massenarmeen modern bewaffnet und ausgerüstet werden mussten, stellte die Steuerung der Rüstungsplanung, -forschung und -produktion eine zentrale Herausforderung dar. In dieser Hinsicht zeigte das "Dritte Reich" einmal mehr seine systemische Schwäche. Es bedurfte einer Munitionskrise bald nach Kriegsbeginn, damit Anfang 1940
ein Rüstungsministerium als zentrale Instanz geschaffen wurde. Aber erst der Druck des nachlassenden Kriegserfolges ermöglichte ab 1942 dem neuen Rüstungsminister Albert Speer tiefergehende Reformen. Er entzog die Rüstungsproduktion, zuerst nur jene für das Heer, dem Zugriff von Militär und Staatsapparat und übertrug der Industrie mehr Verantwortung. Das machte sie effizienter und steigerte ihren Ausstoß erheblich. Allerdings hatte Speer im militärischen Ressortegoismus einen zähen Gegner. Erst im Sommer 1943 konnte er die Marinerüstung unter seine Kontrolle bringen, ein weiteres Jahr später auch die Luftrüstung, nachdem der Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Herrmann Göring, Hitlers Vertrauen verloren hatte. Damit besaß Speer zehn Monate vor Kriegsende umfassende Zuständigkeit, wenn man von der wachsenden Konkurrenz der SS-Rüstungswirtschaft absieht.
Die Konzentration unter Speer behob bei weitem nicht alle Strukturdefizite. Auf die jeweiligen Probleme der Luftwaffe, der Marine und des Heeres mit der Ermittlung und Planung des eigenen Bedarfs hatte er nur bedingt Einfluss. Unter dieser Schwäche litt vor allem die Luftrüstung, die den Löwenanteil der deutschen Rüstungsressourcen verschlang. Obwohl spätestens 1943 der alliierte Bombenkrieg eine Stärkung der Luftverteidigung erforderte, zeigte sich die Luftwaffenführung unfähig, ihre vom Offensivdenken geprägte Rüstungspolitik neu auszurichten, zumal auch Hitler in seinem Vergeltungsdrang weiter auf die Offensive setzte. Es kam deshalb zu schwerwiegenden Fehlentscheidungen, so dass mancher Entwicklungsvorsprung gegenüber den Alliierten verspielt wurde.
So wurde der weltweit erste in Serie gebaute Düsenjäger vom Typ Messerschmitt Me 262 ab Sommer 1944 unzweckmäßig eingesetzt; sein großes Potenzial als Abfangjäger blieb zunächst ungenutzt.
Die kaum gezügelte Konstruktionswut führte gerade im Flugzeugbau zu weiteren bemerkenswerten Ingenieursleistungen. Rüstungspolitisch waren es jedoch Fehlinvestitionen, weil Entwicklung und Produktion der neuen Typen die dramatisch schwindenden Ressourcen stark beanspruchten, ohne im ausgehenden Krieg noch größere militärische Wirkung zu entfalten. Obendrein hielt die Luftwaffe an Entwicklung und Produktion älterer, auch veralteter Flugzeugmuster ohne klare Schwerpunktsetzung fest. Dabei leistete sie sich mit dem viermotorigen Bomber Heinkel He 177 ihren teuersten Misserfolg überhaupt. Obwohl frühzeitig als Fehlkonstruktion erkennbar und selten im Einsatz, wurden zwischen 1942 und 1944 weit über 1.000 Exemplare hergestellt.
Das organisatorische Chaos in der deutschen Rüstung erwuchs fast zwangsläufig aus den politisch-militärischen Strukturen des "Dritten Reiches". Es hatte seine Ursache nicht zuletzt in der Person des "Führers" selbst. Viele Entscheidungen, auch im Detail, blieben von Hitler, folglich von Vorurteilen und Sonderwünschen eines Nicht-Fachmanns abhängig. So etwa konnte ihn erst Speer vom Vorteil moderner Fließbandproduktion gegenüber traditionellen Fertigungsmethoden überzeugen. Dagegen ließ er sich nicht vom starken Ausbau der Flak-Artillerie abbringen, obwohl sie im Vergleich mit dem Jagdflugzeug nachweislich das ineffektivere und ineffizientere Mittel der Luftverteidigung war. Und schließlich führte Hitlers Gigantomanie zur Verschwendung erheblicher Mittel für die Entwicklung militärisch unsinniger, geradezu absurder Panzerprojekte
(Panzer VIII "Maus"; 1000/1500-Tonnen-Panzer).
Kriegsende und "Wunderwaffen"
Als sich in der zweiten Kriegshälfte die Niederlage abzuzeichnen begann, setzte die NS-Führung ihre Hoffnung auf neue "Wunderwaffen", die das Blatt wenden sollten. Bald konnte die Propaganda auf Düsenflugzeuge und Super-Panzer verweisen. Daneben war 1944 eine neue Generation von U-Booten (Typen XXI und XXIII) im Bau, die den Seekrieg zu revolutionieren versprachen, weil sie sehr lange tauchen und schnell fahren konnten. Wie die meisten "Wunderwaffen" kamen jedoch auch sie technisch unausgereift und zu spät zum Einsatz. Zu lange hatten die Marineführung und Hitler nach einer großen Überwasserflotte gestrebt, die der anglo-amerikanischen Seemacht dennoch hoffnungslos unterlegen gewesen wäre, und deshalb Bau und Weiterentwicklung der U-Boote vernachlässigt.
Besondere "Wunderwaffen" kamen zum Zug, als angesichts der Verheerung deutscher Städte durch alliierte Bomber in Hitler der Wille nach "Vergeltung" weiter wuchs. Seine konventionelle Luftwaffe war hierfür bereits zu schwach, wie sich im Frühjahr 1944 zeigte. Deshalb erhielten äußerst aufwendige Fernwaffen-Projekte, die Hitler zuvor skeptisch beäugt hatte, nun als "V(ergeltungs)-Waffen" höchste Priorität. Bereits im Juni 1944 brachte die Luftwaffe ihren Marschflugkörper "V1" zum Einsatz. Das konkurrierende Heer folgte ab September mit der ballistischen Boden-Boden-Rakete "V2". Bis Ende März 1945 wurden 22.000 "V1" und 3.000 "V2" gegen englische, französische und belgische Städte eingesetzt. Sie töteten Tausende Menschen und verursachten große Schäden, blieben aber militärisch wirkungslos. Ein völliger Misserfolg war die "V3". Mit diesem gigantischen und kostspieligen Ferngeschütz wollte man London von der französischen Küste aus bombardieren. Es kam jedoch nie zum Einsatz.
Die Entwicklung einer echten "Wunderwaffe" gelang zuletzt dem Kriegsgegner: Die Vereinigten Staaten erzwangen mit dem Abwurf ihrer ersten Atombomben im August 1945 die Kapitulation Japans. Das "Dritte Reich" war dagegen vom Bau einer Atomwaffe zuletzt noch weit entfernt. Zwar hatten Politik und Militär die militärische Bedeutung der Entdeckung der Kernspaltung 1938 durch Otto Hahn bald erkannt und eine entsprechende Rüstungsforschung begründet. Wissenschaftliche und forschungspolitische Fehler sowie Aktionen der Kriegsgegner ließen diese jedoch nicht gedeihen. Aus Furcht vor einer deutschen Atomwaffe sicherten die Vereinigten Staaten ihrem "Manhattan"-Projekt ab 1942 ungleich konsequenter und mit
Auf zwei weiteren Technologiefeldern von großer militärischer Bedeutung geriet Deutschland ebenfalls schon lange vor Kriegsende ins Hintertreffen. In der Ortungstechnik (Radar, Sonar) war sein britischer Gegner bald meist einen wichtigen Schritt voraus. Zum anderen überwanden britische und polnische Spezialisten im Laufe des Krieges die anfangs überlegene deutsche Verschlüsselungstechnik ("Enigma") im Funknachrichtenverkehr. Aus beidem zogen die Alliierten entscheidende Vorteile vor allem im Luft- und Seekrieg.
Weiterführende Literatur:
Horst Boog, Die deutsche Luftwaffenführung 1935-1945. Führungsprobleme, Spitzengliederung, Generalstabsausbildung, Stuttgart 1982.
Ralph Erskine, Der Krieg der Code-Brecher. Der Einbruch der Briten und Amerikaner in das mit der Chiffriermaschine Enigma gesicherte Funknetz der deutschen Kriegsmarine im 2. Weltkrieg, in: Akademie Aktuell, hrsg. von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München, Ausgabe 2/2002, S. 5-11. (Externer Link: www.badw.de)
Rainer Karlsch, Hitlers Bombe. Die geheime Geschichte der deutschen Kernwaffenversuche, München 2005.
Hartmut H. Knittel, Panzerfertigung im Zweiten Weltkrieg. Industrieproduktion für die deutsche Wehrmacht, Herford, Bonn 1988.
Rolf-Dieter Müller, Albert Speer und die Rüstungspolitik im Totalen Krieg, in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Bd. 5, Zweiter Halbband, Stuttgart 1999, S. 273-773.
David Pritchard, Durch Raum und Zeit. Radarentwicklung und -einsatz 1904–1945, Stuttgart 1992 (engl. Orig. 1989).
Eberhard Rössler, U-Boottyp XXI, Bonn 1986.
Ralf Schabel, Die Illusion der Wunderwaffen. Die Rolle der Düsenflugzeuge und Flugabwehrraketen in der Rüstungspolitik des Dritten Reiches, München 1994.
Guntram Schulze-Wegener, Die deutsche Kriegsmarine-Rüstung 1942-1945, Hamburg u.a. 1997.
Oberstleutnant Dr. Thomas Vogel, geboren 1959, ist Projektbereichsleiter am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw), vormals Militärgeschichtliches Forschungsamt (MGFA), in Potsdam. Sein Interesse gilt schon länger der Militäropposition im ‚Dritten Reich‘ und dem Widerstand von Soldaten gegen den Nationalsozialismus. Seit einigen Jahren befasst er sich intensiver mit verschiedenen Aspekten der Kriegführung im Zeitalter der Weltkriege, jüngst vor allem mit der Koalitionskriegführung. Er hat u. a. veröffentlicht: "Aufstand des Gewissens. Militärischer Widerstand gegen Hitler und das NS-Regime, 5. Aufl., Hamburg u.a. 2000 (Hrsg. und Autor); Wilm Hosenfeld: "Ich versuche jeden zu retten." Das Leben eines deutschen Offiziers in Briefen und Tagebüchern, München 2004 (Hrsg. und Autor); Tobruk 1941: Rommel’s Failure and Hitler’s Success on the Strategic Sidelines of the ‚Third Reich‘, in: Tobruk in the Second World War. Struggle and Remembrance, hrsg. v. G. Jasiński und J. Zuziak, Warschau 2012, S. 143-160; "Ein Obstmesser zum Holzhacken." Die Schlacht um Stalingrad und das Scheitern der deutschen Verbündeten an Don und Wolga 1942/43, in: Stalingrad. Eine Ausstellung des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr, hrsg. v. G. Piecken, M. Rogg, J. Wehner, Dresden 2012, S. 128-141; A War Coalition Fails in Coalition Warfare: The Axis Powers and Operation Herkules in the Spring of 1942, in: Coalition Warfare: An Anthology of Scholarly Presentations at the Conference on Coalition Warfare at the Royal Danish Defence College, 2011, hrsg. v. N. B. Poulsen, K. H. Galster, S. Nørby, Newcastle upon Tyne 2013, S. 160-176; Der Erste Weltkrieg 1914-1918. Der deutsche Aufmarsch in ein kriegerisches Jahrhundert, München 2014 (Co-Hrsg. und Autor).