MEINUNGSFREIHEIT – Was ist das?
Was bedeutet eigentlich Meinungsfreiheit und warum ist sie für die Demokratie so wichtig? - All das erfahrt Ihr im heutigen Video!
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Meinungsfreiheit als Menschenrecht und als Grundrecht
"Menschenrechte" und "Grundrechte" sind im Prinzip dasselbe. Es handelt sich um Rechte, die dem Menschen zustehen – weil er ein Individuum mit Verstand, Gefühlen und einer unverwechselbaren Persönlichkeit ist. Wenn diese Rechte in internationalen Dokumenten verankert sind, heißen sie "Menschenrechte". Wenn sie in der deutschen Verfassung, dem "Grundgesetz", stehen, heißen sie "Grundrechte". Die Meinungsfreiheit ist beides: ein Menschenrecht und ein Grundrecht.
Rechtliche Grundlagen
Die Meinungsfreiheit gehört zu den ältesten Menschenrechten. Zu finden ist sie bereits in der "Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte" von 1789, die im Zuge der Französischen Revolution verkündet wurde:
Art. 11
Die freie Mitteilung der Gedanken und Meinungen ist eines der kostbarsten Menschenrechte. Jeder Bürger kann also frei schreiben, reden und drucken unter Vorbehalt der Verantwortlichkeit für den Missbrauch dieser Freiheit in den durch das Gesetz bestimmten Fällen.
Heute ist die Meinungsfreiheit als Menschenrecht in weltweiten internationalen Menschenrechtsdokumenten garantiert. Die wichtigsten sind die von der UN-Generalversammlung verabschiedete "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" von 1948
Artikel 19
Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.
und der "Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte" von 1966
Artikel 19
Jedermann hat das Recht auf unbehinderte Meinungsfreiheit.
Jedermann hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut jeder Art (…) sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben.
Die Ausübung der in Absatz 2 vorgesehenen Rechte ist mit besonderen Pflichten und einer besonderen Verantwortung verbunden. Sie kann daher bestimmten, gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden, die erforderlich sind:
für die Achtung der Rechte oder des Rufs anderer;
für den Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung (ordre public), der Volksgesundheit oder der öffentlichen Sittlichkeit
Obwohl die Meinungsfreiheit also als weltweites Menschenrecht gedacht ist, so wird sie doch nicht in jedem Staat gewährleistet. Die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" ist unverbindlich, und der "Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte" wurde nur von 173 (der rd. 200) Staaten ratifiziert.
Entscheidend ist daher, ob die Meinungsfreiheit in den nationalen Verfassungen garantiert ist. In Deutschland ist die Meinungsfreiheit als Grundrecht in der Verfassung, dem "Grundgesetz" von 1949, verankert.
Art. 5
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. (…) Eine Zensur findet nicht statt.
Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
Inhaber der Meinungsfreiheit
Art. 5 des Grundgesetzes beginnt mit dem Wort "jeder". Das bedeutet, dass alle Menschen (sog. "natürliche Personen") Meinungsfreiheit haben – unabhängig von ihrer Nationalität, ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihres Geisteszustands, ihrer politischen Haltung etc. Auch Minderjährige haben eine Meinungsfreiheit, wenn sie in der Lage sind, den Sinn einer Äußerung zu verstehen und einzuschätzen. Zum anderen haben aber auch organisierte Personengruppen (sog. "juristische Personen"), wie etwa Vereine, Nichtregierungsorganisationen (Greenpeace, Amnesty International etc.), eine Meinungsfreiheit. Die Meinungsfreiheit wird daher als "Jedermannsrecht" bezeichnet.
Verpflichtete der Meinungsfreiheit
Die Meinungsfreiheit ist ein Schutzrecht gegenüber dem Staat. Es ist also der Staat, der die Meinungsfreiheit aller Menschen auf seinem Territorium zu achten hat. Der Staat darf die Meinungsfreiheit grundsätzlich nicht einschränken. Er darf vor allem nicht bestimmte Meinungen, etwa kritische Stimmen, verbieten. Die Meinungsfreiheit gilt also "vertikal" zwischen dem Menschen und dem Staat.
Gleichzeitig gilt die Meinungsfreiheit aber auch zwischen den Menschen. Sie gilt also auch "horizontal". Grund ist, dass die Meinungsfreiheit Teil der verfassungsrechtlichen deutschen Wertordnung ist. Diese beeinflusst alle deutschen Normen, also auch diejenigen im Verhältnis zwischen den Menschen. Der Staat schützt die Meinungsfreiheit, indem er dafür sorgt, dass jeder Mensch die Meinungsfreiheit der anderen Menschen respektiert.
Inhalt der Meinungsfreiheit
Die Meinungsfreiheit schützt "Meinungen". Darunter versteht man Werturteile und Sichtweisen. Da Meinungen immer subjektiv sind, können sie nicht objektiv richtig oder falsch, wertvoll oder wertlos sein. Geschützt sind sie alle. Unter Meinungen werden sowohl politische als auch andere Meinungen verstanden. Auch Tatsachenbehauptungen werden als Meinung geschützt – aber nur, wenn sie erforderlich sind für die Bildung von Meinungen. Nicht geschützt sind hingegen bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen, also Lügen. Das gilt z.B. für die Leugnung des Holocaust. Diese ist gemäß § 130 Abs. 3 Strafgesetzbuch verboten und strafbar. Bewusste Lügen ("Fake news") fallen nicht unter die Meinungsfreiheit.
Geschützt wird der gesamte Prozess der Meinungsfreiheit. Das bedeutet, dass sowohl die "Entstehung" einer Meinung (durch Sammeln von Informationen und anderen Meinungen), das "Haben" einer Meinung (als interner gedanklicher Vorgang) als auch das "Verbreiten" einer Meinung (durch schriftliche, mündliche oder sonstige Kommunikation) geschützt sind. Das "Verbreiten" von Meinungen steht dabei im Zentrum. Ziel ist ein freier und ungehinderter Meinungsaustausch. Jeder Mensch soll möglichst viele Meinungen hören, um sich so seine eigene Meinung zu bilden, sie zu ändern oder sie zu bestätigen. Die eigenen Meinungen auszutauschen und sich gegenseitig zu widersprechen, ist also ein wesentlicher Teil der Meinungsfreiheit. Wie die Meinungen verbreitet werden, ist ohne Bedeutung. Auch Verbreitungen über Plakate, Flyer, im Internet, über Facebook, YouTube etc. sind geschützt.
"Schutz" der Meinungsfreiheit bedeutet, dass weder der Staat noch der Einzelne eine Meinung verbieten dürfen. Auch die Bestrafung einer Meinungsäußerung (etwa durch Anordnung einer Geldbuße, durch Verurteilung zum Schadensersatz etc.) ist grundsätzlich nicht möglich.
Zensurverbot
Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes sagt ausdrücklich: "Eine Zensur findet nicht statt." Unter einer "Zensur" ist eine Vor- oder Präventivzensur zu verstehen, also die Vorschaltung eines behördlichen Verfahrens, bevor eine Meinung veröffentlicht wird. Eine solche Zensur ist in Deutschland absolut verboten. Es ist also nicht möglich, dass zum Beispiel der Inhalt einer Zeitung oder einer Internetseite vom Staat geprüft (und möglicherweise verboten) wird, bevor er veröffentlicht wird. Möglich ist allerdings, dass der Staat bereits veröffentlichte Meinungsäußerungen prüft, um sicherzustellen, dass diese die Grenzen der Meinungsfreiheit einhalten.
Grenzen der Meinungsfreiheit
Jedes Grund- und Menschenrecht, also auch die Meinungsfreiheit, hat nämlich Grenzen. Diese werden sowohl im Grundgesetz als auch in den internationalen Menschenrechtsdokumenten ausdrücklich genannt. Art. 5 Abs. 2 des Grundgesetzes nennt drei Grenzen der Meinungsfreiheit:
Die erste Grenze ist das "Recht der persönlichen Ehre". Das bedeutet, dass Beleidigungen, Erniedrigungen und Verleumdungen nicht unter die Meinungsfreiheit fallen. Jeder hat also das Recht, seine Meinung zu äußern und andere zu kritisieren. Er darf den Andersdenkenden dabei aber nicht beleidigen oder verleumden. Der Meinungsaustausch muss "fair" bleiben.
Die zweite Grenze ist der "Schutz der Jugend". Alle Meinungsäußerungen, die zum Beispiel Gewalt oder Verbrechen glorifizieren, Hass auf andere Menschen provozieren oder sexuelle Vorgänge in grob schamverletzender Weise darstellen, sind jugendgefährdend. Sie sind nicht Teil der Meinungsfreiheit.
Die dritte Grenze sind sogenannte "generelle Gesetze". Es handelt sich dabei um Gesetze, die andere verfassungsrechtliche Rechtsgüter schützen. Anders ausgedrückt: Die Meinungsfreiheit endet dort, wo ein Gesetz andere Grundrechte / andere Gemeinschaftswerte schützt. Ein solches Gesetz ist aber nur dann "generell", wenn es sich nicht gegen eine einzelne Meinung richtet, also meinungsneutral ist. Ein Gesetz darf demnach nicht eine bestimmte Meinung verbieten, um andere Rechte und Werte zu schützen (es ist beispielsweise nicht möglich, umweltschützende Meinungen zu verbieten, um die Wirtschaft zu schützen – oder umgekehrt – wirtschaftsfreundliche Meinungen zu verbieten, um die Umwelt zu schützen).
Es gibt in Deutschland nur eine Ausnahme, in der eine bestimmte Meinung verboten ist und bestraft wird: die Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft. Solche Meinungen werden gemäß § 130 Abs. 4 Strafgesetzbuch mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Gründe sind zum einen ihre potentielle Friedensbedrohung, zum anderen das Grundgesetz selbst, das einen bewussten Gegenentwurf zum Nationalsozialismus darstellt.
Die Grenzen sind von jedem Inhaber der Meinungsfreiheit, also jedem einzelnen Menschen sowie Vereinen und anderen Personengruppen, einzuhalten. Sonst drohen Verbote und Strafen. Diejenigen, die eine Verbreitung von Meinungen möglich machen (Zeitungen, Internetplattformen, soziale Netzwerke etc.) haben ebenfalls darauf zu achten, dass die Grenzen eingehalten werden. Sie dürfen daher Meinungen, welche die Grenzen überschreiten, nicht verbreiten bzw. müssen sie löschen. Nur so ist ein fairer Meinungsaustausch möglich.
ist Professorin für Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Völkerrecht, Europarecht und Allgemeine Staatslehre sowie Direktorin des Walther‐Schücking‐Instituts für Internationales Recht an der Christian‐Albrechts‐Universität zu Kiel. Sie wurde in Hamburg geboren, wuchs in Mexiko-City auf und machte in Leverkusen Abitur. Danach studierte sie Rechtswissenschaften und "Sciences Politiques" in Bonn, Trier und Aix-en-Provence (Frankreich). Nach dem juristischen Referendariat in Cottbus sowie Promotion und Habilitation in Trier wurde sie Professorin für Völker‐ und Europarecht, ausländisches öffentliches Recht und Rechtsvergleichung an der Universität St. Gallen (Schweiz). 2011 kehrte sie nach Deutschland zurück und ist seitdem Professorin in Kiel.