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Podiumsdiskussion Tag 1 | 14. Bensberger Gespräche 2016: Flucht und Asyl | bpb.de

14. Bensberger Gespräche 2016: Flucht und Asyl Keynote Address: Flucht und Asyl Gewaltmigration und Asyl Podiumsdiskussion Tag 1 Das europäische Asylsystem Workshop 1 Workshop 2 Workshop 3 Schutz im globalen Süden Flüchtlingsschutz im globalen Süden Workshop 4 Workshop 5 Workshop 6 Asyl und Flüchtlingsschutz in Deutschland Podiumsdiskussion Tag 2 Flucht und Asyl: Eine sicherheitspolitische Herausforderung?

Podiumsdiskussion Tag 1

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Fluchtursachen: Situation in Flüchtlingslagern, letzte Hoffnung Europa

Prof. Dr. Jochen Oltmer, Stefan Telöken (Pressesprecher des UNHCR Deutschland), Dr. Lars Gerdes (Bundesministerium des Innern, FRONTEX-Verwaltungsratsmitglied) und Generalmajor der Bundeswehr Jürgen Weigt diskutierten mit Moderatorin Anna Hoff über Ursachen der aktuellen Fluchtbewegungen, Arten des Flüchtens, Grenzschutzmaßnahmen und erste konstruktive Lösungswege. (© bpb)

Stefan Telöken beschrieb die Versorgung der Flüchtlinge in Flüchtlingslagern des UNHCR vor Ort in den Krisenregionen als unzureichend. Dies betreffe nicht nur die Lager im Nahen Osten, sondern zahlreiche Flüchtlingslager weltweit. Die Situation in Libanon und der Türkei sei jedoch extrem schlecht. Die große Mehrheit der syrischen Flüchtlinge in der Türkei lebe jedoch gar nicht in den Lagern, dies erschwere die Organisation humanitärer Maßnahmen zusätzlich. Als Grund für die starke Zunahme der Migrationsbewegungen in Richtung Westeuropa nannte Telöken jedoch die Situation in Syrien für die Zivilbevölkerung, die sich zunehmend verschlechtere.

Die Geflüchteten in den Lagern des benachbarten Auslands verlören die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr in ihre Heimat. Bisher hätten Viele von Erspartem gelebt, doch dieses sei nach gewisser Zeit aufgebraucht. Die Aussichten, vor Ort Arbeit zu finden seien schlecht und so hofften viele Menschen auf ein besseres Leben in Europa und es sei zur "großen interkontinentalen Flucht" gekommen, so Telöken. Man dürfe in der Diskussion über die Flüchtlingsproblematik in der EU nicht vergessen, dass die Staaten und Gemeinden in der Region die größten Unterstützer und Geldgeber für die Flüchtlingshilfe seien.

Rolle der Entwicklungszusammenarbeit

Wichtig sei neben der Nothilfe durch den UNHCR auch Programme für längerfristige Entwicklungszusammenarbeit, um jungen Menschen in der Krisenregion Perspektiven zu bieten Es müssten Infrastrukturen aufgebaut werden, um die Lebenssituation zu verbessern.

Unterstützung durch die Bundeswehr

Generalmajor Jürgen Weigt sprach über die Einsatzfelder der Bundeswehr in den Krisenregionen und im Mittelmeer. Die Rolle des Militärs sehe er darin, Rahmenbedingungen zu schaffen und im Rahmen von Amtshilfe die Situation vor Ort zu verbessern, etwa in der Ausbildung von Peshmerga im Randbereich der Krise oder im Bereich der Seenotrettung und der humanitären Hilfe. Er betonte, die Bundeswehr habe keine eigene Agenda, sondern folge den politischen Entscheidungen. "Was wir brauchen, ist eine politische Vision", so Weigt. Er wünschte sich Ziele und Szenarien, wo man als Bundesrepublik in 20-30 Jahren stehen wolle.

Aufgaben von Frontex

Frontex ist die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der EU. Dr. Gerdes erläuterte die Aufgaben von Frontex, die in der Unterstützung der EU-Mitgliedsstaaten bei der Sicherung der EU-Außengrenzen und der Rettung von dort in Not geratenen Menschen bestehe. Der Einsatz von Beamten aus den Mitgliedsstaaten sei bisher freiwillig und die Motivation sinke mit den Einsätzen im Flüchtlingsbereich, so Gerdes. Er sah es jedoch auch als problematisch an, dass die EU-Außengrenzstaaten trotz erheblicher Probleme nicht ausreichend Hilfe von den anderen Mitgliedstaaten angefordert hätten.

Bei den Tätigkeiten von Frontex könne keine Rede sein von einer "Abwehr der Flüchtlinge". Es gehe vielmehr darum, die Menschen, die in die EU kämen, ordnungsgemäß zu registrieren, fahndungsmäßig zu überprüfen und sie einem geordneten Asylverfahren zuzuführen, so Gerdes.

Solidarität

Stefan Telöken kritisierte, dass einige Staaten "dem Flüchtlingsschutz nicht ausreichend hohe Bedeutung" beimäßen. Es könne nicht ein Staat allein den Flüchtlingsschutz hochhalten. Der Inhalt der Genfer Flüchtlingskonvention sei relevanter als je zuvor und ein wichtiges "Instrument der Solidarität". Er betonte die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit. Auch Dr. Gerdes sagte, die europäische Solidarität sei verbesserungswürdig. Professor Oltmer wies darauf hin, dass in den vergangenen Jahren andere europäische Staaten viel mehr Flüchtlinge aufgenommen hätten als Deutschland. Die Bundesrepublik hätte seit 1990 die Aktivitäten in Sachen Flüchtlingsaufnahme eher verringert und etwa Stellen beim BAMF abgebaut. Hingegen hätten Italien und Spanien etwa viel mehr Flüchtlinge aufgenommen und Deutschland hätte sich in Bezug auf Lastenteilung nicht besonders hervorgetan.

Sichere Herkunftsstaaten

Professor Oltmer machte darauf aufmerksam, dass die Listen sicherer Herkunftsstaaten in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich seien. Er fragte nach der Sinnhaftigkeit, Herkunftsstaaten als sicher zu erklären. Gehe es wirklich um die Beschleunigung der Asylverfahren, oder vielmehr um "heftige politische Signale nach außen"? Er kritisierte, dass die Bundesregierung nicht transparent vermittle, wie die Entscheidungen entstehen, dass ein Staat sicher sei.

Lösungsansatz Kontingente

Telöken sah es als Aufgabe der EU an, das individuelle Asylrecht mit geordneten Aufnahmen von sogenannten Flüchtlingskontingenten zu ergänzen. Diese Tradition sei in Europa wenig gepflegt, in den Einwanderungsländern USA und Kanada jedoch gang und gäbe. Es sei vorstellbar, Menschen aus den Hotspots oder den Flüchtlingslagern der Krisenregion in den verschiedenen EU-Staaten aufzunehmen (Relocation). Dies hätte mehrere Vorteile: Es sei planbar, den Schleppern werde das Geschäft genommen und die gefährlichen Fluchtwege würden vermieden.

Krise der Europäischen Union

Generalmajor Weigt sah die Idee von Europa in Gefahr – innerhalb eines Jahres habe es zwei elementare Krisen gegeben – die ökonomische Krise Griechenlands und die Flüchtlingskrise. Die EU scheine von Vielen vor allem als Wirtschaftsgemeinschaft gesehen zu werden – doch sei es das, was wir wollten und bräuchten? Auch Professor Oltmer sah die EU momentan in einer schwierigen Phase. Er hielt es für wichtig, die Aufgaben der Institutionen zu prüfen und zum Beispiel das Europäische Parlament zu stärken. Stefan Telöken sprach von einem "Wertekater" bei der EU, der Gründungsgedanke sei aber schließlich auch die Sicherung des Friedens in Europa gewesen. Es sei verfrüht, angesichts der aktuellen Schwierigkeiten zu sagen: "Das war es jetzt schon!"

Dokumentation: Katharina Reinhold

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