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"Hausfrauenenergien" für die Volksgemeinschaft | Volksgemeinschaft - Ausgrenzungsgemeinschaft | bpb.de

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"Hausfrauenenergien" für die Volksgemeinschaft

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Elizabeth Harvey, Historikerin an der Universität Nottingham, analysierte die Volksgemeinschaft Hinblick auf Geschlechterdifferenzen und diskutierte anhand neuerer Forschungen die Rolle von Frauen in den NS-Diskriminierungs- und Verfolgungspraktiken im Alltag.

Elizabeth Harvey bei ihrem Vortrag "Frauen und Volksgemeinschaft" (© Mirko Tzotschew / Kooperative Berlin)

"Dass Frauen daran beteiligt waren, wissen wir", sagt Elizabeth Harvey in Bezug auf rassistisch motivierte Ausgrenzung durch Frauen, die Frage sei nur wie. Erst die jüngere Frauen- und Genderforschung habe die Volksgemeinschaft im Hinblick auf Geschlechterdifferenz in den Blick genommen und diese als bewusst antifeministisches Konzept analysiert. Frauen wurden als Kameradinnen betrachtet, aber ihre Rolle war "ergänzend zum Manne". Trotzdem eröffnete die Volksgemeinschaft Raum für weibliche Partizipation: vor und insbesondere während des Expansionskriegs, an der "Heimatfront" und in den annektierten Gebieten im Ausland, in den Städten und auf dem Land.

In ihrem Vortrag beleuchtet Harvey, wie traditionell weibliche karitative Tätigkeiten in Kombination mit der Volkstums- und Rassenpolitik bereits nach 1933 politisch aufgewertet wurden und den Boden bereiteten für die Beteiligung von Frauen an der rassistischen Diskriminierungs- und Verfolgungspolitik. Dabei untersucht sie die Zeit vor 1933 sowie die Jahre danach bis in die 1940er-Jahre.

"Hausfrauenenergien" für die Volksgemeinschaft

An der Spitze der organisierten Nationalsozialistinnen stand die sogenannte Reichsfrauenführung. Die Organisation nahm für sich in Anspruch, die Stellung der Frau in der Volksgemeinschaft zu artikulieren und alle "Volksgenossinnen“ für ihre Ziele zu mobilisieren. Dies erreichte sie laut Harvey nur unvollkommen, auch wenn das "Deutsche Frauenwerk" mit der Parteiorganisation "Deutsche Frauenschaft“ 1939 schon 6,3 Millionen Mitglieder hatte.

Die Aktivistinnen strebten die Nutzung von "Hausfrauenenergien“ für die Schaffung der Volksgemeinschaft durch karitative Aktivitäten an. In der Kriegszeit waren dann viele Frauen in den annektierten Gebieten im "Einsatz". Im annektierten Teil Polens wurden nach 1941 im Zuge von Himmlers Germanisierungsprogramm deutschsprachige Minderheiten aus Ost- und Südeuropa "ins Reich“ angesiedelt. Die Frauen halfen bei der Vertreibung und Enteignung der Polen und betreuten die "volksdeutschen“ Umsiedler – Aufgaben, mit denen Frauen hauptsächlich in die rassistische Diskriminierung und Verfolgung verstrickt wurden. Ihre direkte Involvierung in Gewalttaten blieb beschränkt.

Kameradinnen im Kampf, Helferinnen an der Heimatfront

Doch auch an der Heimatfront spielten Frauen mit ihren Tätigkeiten insbesondere im Luftschutz eine bedeutende Rolle für die "Volksgemeinschaft im Krieg“. Das sich verdichtende Netz der Betreuungs- und Hilfsangebote durch NS-Frauen diente nicht nur der materiellen Hilfeleistung, sondern auch als Barometer für Stimmungen in der Bevölkerung und als Überwachungsinstanz im Sinne der Partei. Auch Frauen, die nicht nationalsozialistisch organisiert waren, hatten ihren Anteil an der Konstruktion der Volksgemeinschaft, betont Harvey. In der Diskussion mit dem Publikum stellt sie klar, dass die ideologische Zielsetzung der Nationalsozialisten, Frauen "zurück an den Herd" zu schicken, nicht vollständig umgesetzt wurde. Die Realität der nationalsozialistischen Gesellschaft war voller Widersprüche und vor allem durch die Kriegswirtschaft erhöhten sich die Karrierechancen für Frauen in der Wirtschaft und an den Universitäten.

Ein Videointerview mit Elizabeth Harvey finden Sie Interner Link: hier; eine PDF-Version ihres Vortrags Interner Link: hier.

Fussnoten