Strategie zählt. Die Bundestagswahl 2013
Arrondierung der Linkspartei
Die eigentlich prekäre Strategiefähigkeit der Linkspartei wurde im Wahlkampf vom Zugpferd Gregor Gysi erfolgreich überdeckt. Dabei halfen die innerparteilichen Konsolidierungsbemühungen der Parteiführung um Katja Kipping und Bernd Riexinger, aber vor allem die Tatsache, dass die Linkspartei am Machtspiel dieses Wahlkampfs nicht beteiligt war. Wähler, Beobachter und Konkurrenten nahmen deswegen ihre strategische Handlungsfähigkeit kaum unter die Lupe. In ihrer Nische setzte die Strategie der Linkspartei auf klassische Themenfelder: Soziales, Frieden, Osten. Das reichte – nach dem Höhenflug bei der Wahl 2009 am Ende von vier Jahren Großer Koalition – für eine wahlpolitische Arrondierung bei stabilen 8 Prozent, im Osten mit 20 Prozent und mehr sogar in Volksparteinähe. Sozialprotest bleibt eine wichtige Stütze für die Erfolge der Linkspartei. Sie hat auf diesem Feld allerdings durch das Erstarken der AfD Konkurrenz von rechts bekommen. Dorthin verlor die Linke 340.000 Stimmen. Die große Herausforderung der Entscheidung zwischen einer Stimmenmaximierungsstrategie durch Linksprofilierung gegenüber dem Lieblingsfeind, einer SPD in der Großen Koalition, oder einer Machtstrategie zur Vorbereitung eines Linksbündnisses durch den Aufbau nicht nur scheinbarer innerer Strategiefähigkeit, steht der Linkspartei erst noch bevor.Aufstieg der AfD
Man könnte meinen, die AfD brauchte keine Strategie, sie hatte ja den Protest. Aber auch Protest braucht Strategie. Die Besonderheit dieses antieuropäischen Protests, der auch Vorurteile gegenüber Einwanderern bediente,[7] bestand darin, dass er ohne den sonst bei populistischen Parteien üblichen charismatischen Führer auskam. Die AfD vertrat einen verdeckten Saubermann-Populismus, bei dem sich Anti-Stimmungen und Ressentiments hinter der Fassade feiner Herren in Nadelstreifen mit Professorentiteln und sprachlicher Eloquenz verstecken konnten. Das reichte, um vor allem im rechten Lager, aber auch beim linken Protestpotenzial Stimmen einzusammeln und nur knapp an der Fünfprozenthürde vorbeizuschrammen. Die weitere Entwicklung der AfD hängt vom Verlauf der Euro-Krise ab. Mit den zusätzlichen Ressourcen aus der Wahlkampfkostenerstattung und der niedrigeren europäischen Sperrklausel hat sie gute Chancen, zumindest noch bei der Europawahl 2014 für Furore zu sorgen.Schluss
Strategie zählt, beim Gewinner wie beim Verlierer. Ohne Strategiefähigkeit läuft nichts. Das strategische Konzept enthält eine Idee dazu, was man wie erreichen will. Strategische Steuerung fügt der Politik die Fähigkeit hinzu, situationsübergreifend zu denken und sich so in verschiedenen Situationen zu bewähren.Keines der Lager hat gesiegt. "Lager" bleiben unpopulär, aber wirksam. Die Wahl mündet in zwei etwa gleichstarke Lager: ein blockiertes linkes Lager steht einem brüchig gewordenen rechten Lager gegenüber. Die Selbstblockierung des linken Lagers hat viele Ursachen, die Unfähigkeit der Linkspartei, sich zwischen Fundamentalopposition und Reformpolitik zu entscheiden, ist die wichtigste. Das bürgerliche, schwarz-gelbe Lager hatte 2009 eine große Chance – sie wurde verspielt. Heute sieht man Entfremdung zwischen den bürgerlichen Hauptparteien und Angst vor einem bürgerlich geprägten Rechtspopulismus. Es ist ein fragmentiertes, auseinanderdriftendes, auf Stützaktionen von außen angewiesenes Lager.
Die Große Koalition ist das paradoxe Ergebnis von zwei Lagern mit Problemen. Der Kampf um Lagerhegemonie wird weitergehen. Merkel hat zwar mit großem Vorsprung, aber nicht wirklich gewonnen. Es gibt eine andere parlamentarische Mehrheit, die verfügt jedoch weder über einigungsfähige Akteure noch über eine Strategie.