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Flucht und Asyl in Frankreich | Frankreich | bpb.de

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Flucht und Asyl in Frankreich

Dr. Marcus Engler

/ 3 Minuten zu lesen

Frankreich hat im Laufe seiner Geschichte zahlreichen Flüchtlingen Schutz gewährt. Das Land zählt zu den wichtigsten Aufnahmeländern von Asylbewerbern in Europa.

Ehemaliger französischer Ministerpäsident und Präsidentschaftskandidat der Les Republicains 2017 besucht das ehemalige Flüchtlingslager Calais - oder auch den "Dschungel" - zusammen mit Natacha Bouchart, Bürgermeisterin von Calais, Valerie Pecresse, Eric Ciotti am 18.04.2017. (© picture-alliance, Liewig Christian/ABACA)

Frankreich hat eine jahrhundertelange Geschichte als Asylland. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg stieg die Zahl der Asylanträge in Frankreich zunächst kontinuierlich und erreichte 1989 mit 61.400 Anträgen einen ersten Höhepunkt (vgl. Abbildung 4). Dies kann teilweise damit erklärt werden, dass Zuwanderer verstärkt auf das Asylrecht zurückgriffen, da andere Migrationskanäle nicht mehr vorhanden waren. In den 1990er Jahren sanken die Antragszahlen, was zum Teil mit einer restriktiveren Asylpolitik erklärt werden kann. Ab Ende der 1990er Jahre stiegen die Antragszahlen entgegen dem europäischen Trend wieder an (2003: 52.204 Erstanträge). In den Folgejahren sank die Zahl der Asylanträge wieder, u.a. weil die französische Asylpolitik durch eine Reform 2003 deutlich restriktivere Züge annahm. Seit 2008 ist allerdings wieder ein Anstieg der Asylsuchendenzahl zu beobachten. 2016 wurden nach Angaben des französischen Innenministeriums insgesamt 85.244 Asylanträge gestellt (davon 77.886 Erstanträge) und damit mehr als jemals zuvor. Wichtige Herkunftsländer in den letzten Jahren waren zum einen die global bedeutendsten Herkunftsstaaten von Flüchtlingen wie Interner Link: Syrien , Interner Link: Afghanistan , Interner Link: Sudan und Interner Link: Irak . Vergleichsweise viele Asylbewerber kamen zudem aus ehemaligen Kolonien oder anderen Staaten, in denen die französische Sprache verbreitet ist (Algerien, Guinea, Demokratische Republik Kongo, Haiti). Unter den Hauptherkunftsstaaten befanden sich zudem regelmäßig Interner Link: China , Interner Link: Bangladesch , Interner Link: Albanien und der Kosovo.

Frankreich ist eines der wichtigsten Zielstaaten von Asylbewerbern in Europa. Die Anerkennungsquote lag in den vergangenen Jahren mit rund 30 Prozent jedoch deutlich unterhalb des EU-Durchschnitts, allerdings mit zuletzt steigender Tendenz. Gemessen an der Bevölkerungsgröße und der Wirtschaftskraft befindet sich Frankreich bei der Aufnahme von Asylbewerbern im europäischen Mittelfeld. Auch an der Aufnahme von Schutzsuchenden aus Krisengebieten über sogenannte Interner Link: Resettlement-Programme oder andere Aufnahmewege hat Frankreich sich in den vergangenen Jahren beteiligt.

So verfügt Frankreich seit 2008 über ein regelmäßiges Resettlement-Programm, das in Kooperation mit dem Interner Link: Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) umgesetzt wird. Seit Einführung wurden über dieses Programm jährlich aber nur rund 150 Personen aufgenommen. Als Reaktion auf die Interner Link: Syrienkrise hat Frankreich in einem zusätzlichen humanitären Aufnahmeprogramm in den Jahren 2014 und 2015 je 500 syrische Flüchtlinge aus Ägypten, Interner Link: Jordanien und Interner Link: Libanon aufgenommen. Im Rahmen des EU-Beschlusses vom 20. Juli 2015 zur Aufnahme von Schutzsuchenden aus Drittstaaten sagte Frankreich die Aufnahme von 2.375 Syrern aus der Krisenregion bis Juli 2017 zu. Im Zuge des Interner Link: EU-Türkei-Abkommens vom 18. März 2016 verpflichtete sich die französische Regierung zudem zur Aufnahme von bis zu 6.000 Personen. Zusätzlich will Frankreich bis Ende 2017 2.000 Syrer aus dem Libanon aufnehmen. Im Rahmen des innereuropäischen Relocation-Programmes sicherte die französische Regierung die Aufnahme von 30.000 Asylbewerbern aus Italien und Griechenland in den Jahren 2016 und 2017 zu. Wie in anderen europäischen Staaten auch, erfolgte diese Umsiedlung nur sehr langsam. Darüber hinaus gehende Verpflichtungen wollte die französische Regierung aufgrund der angespannten ökonomischen und politischen Lage nicht eingehen.

Abbildung 4: Entwicklung der Asylantragszahlen (Erst- und Folgeanträge) seit 1973 (ohne minderjährige Begleitpersonen) (bpb, Quellen: Le Monde , Office français de protection des réfugiés et apatrides (OFPRA) , Ministère de l'Intérieur.) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Immer wieder in die Schlagzeilen gerieten die oft schlechte Unterbringungssituation von Asylbewerbern und Flüchtlingen, lange Bearbeitungszeiten bei Asylanträgen und unzureichende Integrationsangebote. Zudem kommt es seit den 1990er Jahren regelmäßig zur Bildung größerer informeller Camps von Flüchtlingen und anderen Migranten. Insbesondere entstehen diese Externer Link: entlang des Ärmelkanals , z.B. in Calais (mehrere Tausend Personen) oder in Grande-Synthe/Dünkirchen. Die Camps werden vor allem von Flüchtlingen und Migranten gegründet, die ins Vereinigte Königreich weiterreisen wollen. Immer wieder kommt es zu zum Teil heftigen Konflikten mit der lokalen Bevölkerung, aber auch zwischen den Lagerbewohnern. Bei den Versuchen ins Vereinigte Königreich zu gelangen, etwa durch das Aufspringen auf fahrende LKWs, sind regelmäßig Tote zu beklagen. Im Laufe des Jahres 2016 wurden die Maßnahmen zur Unterbindung der irregulären Migration nach Großbritannien durch den Bau einer vier Meter hohen Mauer am Hafen von Calais weiter verstärkt. Umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen bestehen auch am Terminal des Eurotunnels. Die Lager wurden in der Vergangenheit mehrfach Externer Link: aufgelöst , aber durch Flüchtlinge und Migranten immer wieder neu errichtet.

Dieser Text ist Teil des Interner Link: Migrationsprofils Frankreich.

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Marcus Engler ist Sozialwissenschaftler und Migrationsforscher. Seit langem verfolgt er die Entwicklungen in der französischen Migrations- und Integrationspolitik. Er absolvierte einen Freiwilligendienst in einer Beratungsstelle für Migranten in Marseille. Anschließend studierte er Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und am Institut d’Etudes Politiques in Paris. Derzeit ist er als selbständiger Autor, Referent und Berater tätig und ist Mitglied im Netzwerk Flüchtlingsforschung und im Netzwerk Migration in Europa.
E-Mail: E-Mail Link: engler@migration-analysis.eu