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Massenmedien, Repräsentation und Diskriminierung
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Sowohl in fiktionalen (z. B. Filme, Serien) als auch non-fiktionalen (z. B. Nachrichten) massenmedialen Angeboten werden Angehörige bestimmter sozialer Gruppen, insbesondere gesellschaftlicher Minderheiten wenig repräsentiert und falls doch wird häufig ein negatives Bild von diesen gezeichnet. Dies kann Vorurteile in der Gesellschaft sowie Diskriminierung von Minderheiten verstärken.
Einführung
Neben diversen Online-Angeboten wie sozialen Medien, die vielfältige (Echo-)Räume für nahezu jede mögliche Artikulationsform bieten, nehmen weiterhin massenmediale Angebote wie Fernsehen, Radio und Tageszeitungen eine wichtige Rolle im Medienrepertoire der Menschen ein und prägen damit unseren Blick.
Der vorliegende Abschnitt führt grundlegend in den Themenkomplex diskriminierender Repräsentationen in den Massenmedien ein. Im Fokus stehen rassistische Darstellungsweisen in Massenmedien. Wenngleich im Rahmen des Formats "Say My Name" Bewegtbildinhalte im Vordergrund stehen, werden hier massenmediale Angebote unabhängig von ihrem Format (audiovisuell, Text etc.) betrachtet. Das geschieht vor allem deswegen, da Medien in ihrer Art und Weise zunehmend konvergent sind, d. h. sie nähern sich insbesondere vor dem Hintergrund von Online-Anwendungen als mögliche Verbreitungskanäle einander immer mehr an. So verweisen beispielsweise Texte in Magazinen etwa auf Audioformate wie Podcasts oder audiovisuelle Inhalte wie (online verfügbare) Videos; Fernsehinhalte wiederum werden teilweise von (bebilderten Hintergrund-)Texten im Internet begleitet.
Medieninhalte und Diskriminierung
Trotz verschiedener Formate der vergangenen Jahre wie etwa die funk-Serie "Druck" (funk, seit 2018), welche Themen wie Identität, Religion und "Anders"-Sein in den Fokus rücken, sowie einer zunehmenden Zahl an Protagonistinnen und Protagonisten (z. B. Moderatorinnen und Moderatoren, Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Unterhaltungssendungen), die als "anders" gelesen werden können, sind Minderheiten in fiktionalen und non-fiktionalen Inhalten noch deutlich unterrepräsentiert; ähnlich verhält es sich auch im Hinblick auf die Menge an Journalistinnen und Journalisten, die gesellschaftlichen Minderheiten angehören.
Inhaltsanalytische Studien der vergangenen Jahre zu deutsch- und englischsprachigen Medienangeboten deuten gar darauf hin, dass Personen, die gesellschaftlichen Minderheiten angehören, in den Medien negativ dargestellt werden. Das betrifft einerseits fiktionale Angebote wie Filme und Serien, in denen etwa weiße Menschen
Eine negative Darstellung bestimmter Bevölkerungsgruppen in den Medien kann nicht nur Stereotype und Vorurteile gegenüber diesen aktivieren
Eine negativ konnotierte Berichterstattung geht natürlich auch an den Betroffenen nicht spurlos vorbei. So berichtet Clement im Video "Bin ich eine rassistische Freundin?" aus der Reihe "Say My Name"
Psychologische und kommunikationswissenschaftliche Studien deuten zudem darauf hin, dass für die Wahrnehmung und Wirkung von Inhalten nicht nur entscheidend ist, was berichtet wird (bzw. in welchem Kontext über die Herkunft eines Menschen berichtet wird), sondern auch wie berichtet – welche Sprache verwendet – wird.
Sprache und Diskriminierung
Sprache bedingt, wie wir über Dinge denken. Entscheidend ist laut sozialpsychologischer Forschung etwa der Abstraktionsgrad der Sprache bei der Beschreibung von Gruppen. Zusammengefasst wird das im Phänomen des sogenannten Linguistic Intergroup Bias (LIB).
Während eine konkrete Wortwahl immer situationsbezogen ist, suggerieren abstrakte Formulierungen die Allgemeingültigkeit einer Feststellung; die Beschreibung erscheint als eine stabile Eigenschaft des Individuums. Doch es bleibt eben nicht bei einer individuellen Zuschreibung: Es entsteht der Eindruck, dass das Individuum mit seinen Handlungen und Eigenschaften eine bestimmte Gruppe repräsentiert, sprich beispielhaft und typisch für diese steht. Stark verallgemeinernde und abstraktzuschreibende Sprache kann die Ausbildung von Stereotypen gegenüber Gruppen – somit auch gesellschaftlichen Minderheiten – und damit Vorurteile gegenüber diese langfristig fördern.
Repräsentation in Bildern
Auch Bilder sind eine wichtige Ebene medialer Berichterstattung. Studien im Hinblick auf eine visuelle Darstellung finden sich in den vergangenen Jahren vor allem in Bezug auf die Abbildung von Geflüchteten. Ein zentrales Ergebnis dieser ist, dass Geflüchtete zum einen tendenziell als eine homogene, anonyme Masse gezeigt werden.
Anonym und undifferenziert werden laut einer Studie aus dem Jahr 2013 auch muslimische Frauen in den deutschen Medien dargestellt: Sie werden eher als "fremd", isoliert und konservativ bzw. traditionell abgebildet. Die Bilder würden jedoch weniger dazu verwendet werden, über die Lebensbedingungen von Musliminnen zu berichten, als vielmehr für allgemeine Statements über (vermeintlich) muslimisches Leben in Deutschland sowie einen (vermeintlichen) Mangel an Integration.
Fazit und Ausblick
Durch die Art und Weise der Repräsentation und Darstellung von Minderheiten im Kontext massenmedialer Inhalte können Stereotype und Vorurteile in der Mehrheitsgesellschaft gegenüber diesen Minderheiten gefördert werden – insbesondere bei Menschen, die über ein geringes Themenspezifisches Wissen verfügen.
Die Folge kann eine zunehmende gesellschaftliche Polarisierung sein. Dies kann extremistischen Gruppierungen in die Hände spielen. Eine stereotype Medienberichterstattung über und Repräsentation von gesellschaftlichen Minderheiten kann ausgrenzende Narrative rechter Akteure stützen. Ausgrenzung, Unterdrückung und Diskriminierung etwa von Musliminnen und Muslimen durch die Medien und die Mehrheitsgesellschaft bilden aber auch die Grundlage für die Entwicklung von Opfernarrativen im Rahmen islamistischer Propaganda.
Um individueller Radikalisierung und gesellschaftlicher Polarisierung präventiv zu begegnen, scheint es zum einen erforderlich, sich intensiv mit der Frage zu befassen, wie medial und öffentlich kommuniziert wird. Notwendig ist in diesem Zusammenhang vor allem die Entwicklung von Sensibilität in der Sprache, im (visuellen) Framing und der Wahl von Themen im Hinblick auf Menschen mit Migrationsgeschichte.
Darüber hinaus bieten beispielsweise die sozialen Medien vielfältigen gesellschaftlichen Akteuren und Gruppierungen einen Raum für Artikulation. Das ermöglicht etwa auch Minderheiten jeglicher Art sich nach ihren Vorstellungen zu repräsentieren und Medien(-inhalte) zu gestalten. Neben den unterschiedlichen Creatorinnen, welche auch dem Webvideo-Format "Say My Name" sein Gesicht geben, ist hierfür vor allem der Kanal der Gruppe "datteltäter"
Hinter der Frage wie kommuniziert wird, um Diskriminierung vorzubeugen, steckt neben einer medialen Herausforderung auch ein gesellschaftliches Thema. Dies sollte entsprechend auch auf dieser Ebene adressiert werden. Bei der Förderung kritischer Selbstreflexion kommt in diesem Zusammenhang vor allem der schulischen und außerschulischen (interkulturellen) Bildung eine wichtige Aufgabe zu.
Weitere Inhalte
Dr. Josephine B. Schmitt (Studium der Psychologie in Hamburg, Promotion im Bereich Medienpsychologie an der Universität Hohenheim) ist Referentin am Center for Advanced Internet Studies (CAIS) in Bochum. Sie forscht unter anderem zu Inhalt, Verbreitung und Wirkung von Hate Speech, extremistischer Propaganda, Gegenbotschaften und (politischen) Informations- und Bildungsangeboten im Internet. Zudem entwickelt sie didaktische Konzepte für die Radikalisierungsprävention unter anderem im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb und des Innenministeriums NRW.
Julian Ernst (Lehramtsstudium in Köln und Istanbul) ist Doktorand am Arbeitsbereich für Interkulturelle Bildungsforschung der Universität zu Köln. Er forscht zur Medienkritik(fähigkeit) Jugendlicher, zu digitalen Bildungsmedien im Kontext von Hass und Gegenrede sowie zu didaktischen Fragestellungen Interkultureller Bildung. Weiterhin entwickelt er (medien)pädagogische Konzepte u.a. im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und des Innenministeriums NRW.