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Slowenien übernimmt die EU-Ratspräsidentschaft | Hintergrund aktuell | bpb.de

Slowenien übernimmt die EU-Ratspräsidentschaft

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Slowenien übernimmt am 1. Juli für sechs Monate den Vorsitz des Rats der Europäischen Union. Damit komplettiert das Land – nach Deutschland und Portugal – die 18 Monate andauernde Triopräsidentschaft.

Sloweniens Ministerpräsidenten Janez Janša (links) und Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates: Slowenien übernimmt den alle sechs Monate wechselnden EU-Ratsvorsitz (© picture-alliance, ASSOCIATED PRESS)

2007/2008 bildeten Deutschland, Portugal und Slowenien das erste Präsidentschaftstrio der EU-Geschichte. Damit übernimmt Interner Link: Slowenien am 1. Juli 2021 Interner Link: zum zweiten Mal die Präsidentschaft des Interner Link: Rats der Europäischen Union. Das Land, das seit 2004 EU-Mitglied ist, befindet sich innenpolitisch in einer Krise, Ministerpräsidenten Janez Janša regiert derzeit mit einer Minderheitenregierung. Zudem steht Janšas Regierung z.B. wegen seines Umgangs mit Justiz und Medien in der Kritik; so forderte vor Kurzem die EU-Kommission u.a. die Regierung in Slowenien dazu auf, Externer Link: Angriffe auf die Presse- und Medienfreiheit zu unterlassen.

Die Ratspräsidentschaft als Dreiervorsitz

Der Rat der Europäischen Union hat keinen ständigen Vorsitz. Stattdessen übernimmt jeder EU-Mitgliedsstaat den Ratsvorsitz turnusgemäß für jeweils ein halbes Jahr. Externer Link: Die Reihenfolge des Vorsitzes wird von den Ratsmitgliedern einstimmig beschlossen und ist bereits bis ins Jahr 2030 festgelegt. Um zu gewährleisten, dass auch längerfristige Projekte oder Reformen umgesetzt werden können, hat die EU 2007 die sogenannte Triopräsidentschaft eingeführt. Das bedeutet, dass diejenigen drei Staaten, die die Präsidentschaft nacheinander ausüben, ihre Programme aufeinander abstimmen. Gemeinsam legen sie Themen und Prioritäten fest. Für die Zeit vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2021 gestalten Deutschland, Portugal und Slowenien die Ratspräsidentschaft als Dreiervorsitz gemeinsam.

Der Rat der Europäischen Union

Der Interner Link: Rat der Europäischen Union ist ein zentrales Organ der EU und für deren Funktionsfähigkeit von essentieller Bedeutung. Ihm kommen sowohl legislative als auch exekutive Aufgaben zu. Der Rat hat keine festen Mitglieder, sondern setzt sich aus den jeweils 27 zuständigen Fachministern aller EU-Mitgliedsländer zusammen – so gibt es etwa einen Rat der Landwirtschaftsminister oder einen der Innenminister. Der Ministerrat kann in zehn verschiedenen Ratsformationen auftreten. Je nachdem, zu welchem der zehn festgelegten Politikbereiche Sitzungen anstehen, entsendet jedes Mitgliedsland den jeweiligen Minister. Deshalb ist vom Rat der Europäischen Union oft auch als vom EU-Ministerrat die Rede.

Der EU-Ministerrat ist neben dem Interner Link: Europäischen Parlament Gesetzgeber der EU. Zu seinen weiteren zentralen Aufgaben gehört es, die Politik der Mitgliedstaaten in bestimmten Bereichen zu koordinieren. Außerdem berät und verabschiedet der Ministerrat gemeinsam mit dem Europäischen Parlament die EU-Rechtsvorschriften, die die Interner Link: Europäische Kommission Interner Link: vorschlägt. Zu den weiteren Aufgaben des Ministerrats zählt die Entwicklung der Interner Link: Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Der Rat der EU schließt auch internationale Abkommen ab.

Die jeweilige Ratspräsidentschaft organisiert und koordiniert die Arbeit des Rates der Europäischen Union und leitet dessen Treffen. Ihre Aufgaben erstrecken sich auch auf die Vorbereitung, Koordination und Leitung der Ausschüsse und Arbeitsgruppen, die die Ministersitzungen vorbereiten. Die Ratspräsidentschaft schlägt die Tagesordnung vor und soll im Streitfall Kompromissvorschläge unterbreiten.

Eine weitere wichtige Aufgabe der EU-Ratspräsidentschaft: Sie vertritt den Rat gegenüber den anderen EU-Institutionen, insbesondere gegenüber der Kommission sowie dem EU-Parlament. Zudem ist sie auch für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU von zentraler Bedeutung: Gemeinsam mit dem Hohen Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik repräsentiert die Ratspräsidentschaft die EU nach außen und schließt internationale Abkommen ab.

Der Rat der EU darf nicht mit dem Interner Link: Europäischen Rat verwechselt werden. Letzterer ist kein Ministerrat – im Europäischen Rat kommen die EU-Staats- und Regierungschefs mehrmals im Jahr zusammen, um die allgemeine Ausrichtung der EU-Politik festzulegen. Ähnlich klingt auch der Interner Link: Europarat, der jedoch kein Organ der Europäischen Union ist, sondern ein eigenständiger Zusammenschluss europäischer Staaten mit 47 Mitgliedsländern mit Sitz in Straßburg.

Ratspräsidentschaft in schwierigen Zeiten

Das von Deutschland am 1. Juli 2020 begonnene Programm der deutsch-portugiesisch-slowenischen Triopräsidentschaft hat sich zum Ziel gesetzt, gerechter und nachhaltiger aus der Interner Link: Corona-Pandemie hervorzugehen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Bewältigung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie, zu deren Linderung die EU-Kommission ein Wiederaufbauprogramm im Umfang von 750 Milliarden Euro aufgelegt hat. Für die Zukunft soll zudem das europäische Krisenmanagement verbessert werden.

Neben der Bewältigung der Corona-Krise gibt es weitere Schwerpunkte der Triopräsidentschaft: So z.B. einen mehrjährigen Finanzrahmen 2021 bis 2027 zu verhandeln, Fortschritte in der Digitalisierung zu erzielen, die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der EU-Staaten zu verbessern, dauerhafte und krisenfeste Lösungen im Bereich der Migration zu entwickeln oder ein klimaneutrales und grünes Europa zu schaffen. Weitere wichtige Aufgaben ergeben sich aus dem, unter anderem wegen Menschenrechtsfragen, angespannten Verhältnis zu China und dem zu klärenden Modus der künftigen Zusammenarbeit mit Großbritannien.

Themenschwerpunkte des slowenischen Vorsitzes

Unter dem Motto "Gemeinsam. Widerstandsfähig. Europa" setzt Slowenien in den sechs Monaten seiner Ratspräsidentschaft und in Übereinstimmung mit den übergeordneten Themen des Triovorsitzes vier Schwerpunkte.

Priorität haben für Slowenien die Stärkung der Widerstandsfähigkeit und Autonomie der Europäischen Union. Hierbei spielt das Thema Gesundheit eine hervorgehobene Rolle. Unter anderem soll der Aufbau einer europäischen Gesundheitsunion vorangetrieben, die Kapazitäten von Arzneimitteln und Medizinprodukten erweitert sowie deren Forschung, Entwicklung und Produktion beschleunigt werden. Außerdem engagiert sich Slowenien für die Schaffung einer europäischen Behörde für Krisenvorsorge und -reaktion (HERA) in gesundheitlichen Notlagen. Dem slowenischen Vorsitz fällt während der Ratspräsidentschaft außerdem die Federführung der "Konferenz zur Zukunft Europas" – ein europaweiter Dialog über die zukünftige Ausgestaltung der Europäischen Union – zu. Der Dialog wird in Form von Plenarsitzungen und Bürgerforen realisiert und im Jahr 2022 unter dem französischen Ratsvorsitz fortgeführt. Daneben sieht das Programm des Vorsitzes die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit vor. Auch die Auseinandersetzung mit den negativen Auswirkungen der demographischen Entwicklung innerhalb der EU soll Berücksichtigung finden.

Ein weiterer Themenschwerpunkt der slowenischen Präsidentschaft thematisiert die Stärkung der transatlantischen Beziehungen sowie die Sicherheit und Stabilität der Europäischen Union. Der Aufbau eines robusteren Schengen-Raums soll gefördert sowie Fortschritte in den Verhandlungen zum neuen Migrations- und Asyl-Paket erzielt werden.

Sloweniens besonderer Fokus auf den Westbalkan

Im Kontext des letztgenannten Themenschwerpunkts legt Slowenien ein besonderes Augenmerkt auf die Zukunft der Westbalkanländer und die Fortsetzung des EU-Erweiterungsprozesses, da sich die EU in den vergangenen Jahren zu wenig um diese Region gekümmert habe. Kosovo sowie Bosnien und Herzegowina gelten als instabil. Albanien, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien gelten als Kandidaten für einen EU-Beitritt, Bosnien-Herzegowina und Kosovo als "potenzielle Beitrittskandidaten".

Bereits im Dezember hatte der rechtsnationale Premierminister Sloweniens, Janez Janša, das Westbalkan-Thema zu einem Schwerpunkt der slowenischen Ratspräsidentschaft erklärt. Zuletzt sorgte ein inoffizielles Papier für Schlagzeilen, das von Janša stammen soll: In diesem wird die Aufteilung des Gebiets des ehemaligen Jugoslawiens nach ethnischen Zugehörigkeiten statt nach den derzeitigen Landesgrenzen vorgeschlagen. Insbesondere die Idee eines Großalbaniens sowie der Vereinigung von mehrheitlich kroatisch und serbisch bewohnten Teilen von Bosnien-Herzegowina mit Kroatien bzw. Serbien sorgte in Teilen Südosteuropas für große Verunsicherung.

Massive Kritik an der slowenischen Regierung

Innenpolitisch steht die slowenische Regierung seit Monaten erheblich unter Druck. So wurde Janša vorgeworfen, die Personalvorschläge seiner Justizministerin für die Externer Link: Europäische Staatsanwaltschaft blockiert zu haben, weil zumindest einer der Nominierten in der Vergangenheit gegen ihn ermittelt haben soll. Auch kam es zuletzt wegen einer heftig kritisierten Medienreform wiederholt zu Massenprotesten.

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