Inhaltsbeschreibung
1994 kam es in Ruanda zu einem Völkermord, bei dem radikale Angehörige der Bevölkerungsgruppe der Hutus innerhalb von drei Monaten Hundertausende Menschen aus der Tutsi-Minderheit wie auch viele gemäßigte Hutus umbrachten. Gut 30 Jahre später gilt Ruanda vor allem in Europa und den USA als Vorbild für erfolgreiche Vergangenheitsaufarbeitung, politische Stabilität und wirtschaftlichen Aufstieg in der Region. Wie ist diese Entwicklung innerhalb von drei Jahrzehnten gelungen? Entspricht das Bild vom afrikanischen Vorzeigestaat tatsächlich der Realität?
Der Völkerrechtler Gerd Hankel zeigt, dass die Lage komplexer und widersprüchlicher ist. Er schildert die bereits gewaltvolle Vorgeschichte und den Verlauf des Genozids, die anschließenden Bemühungen um juristische Aufarbeitung und einen politischen und wirtschaftlichen Neustart. Dabei wird deutlich, dass das offizielle Narrativ einer umfassenden, unabhängigen Aufklärung und Ahndung der Verbrechen sowie gesellschaftlicher Aussöhnung in deutlichem Widerspruch zur Wahrnehmung eines Großteils der ruandischen Bevölkerung steht. Der langjährige Präsident Paul Kagame setze auf massive staatliche Repression, um Deutungsautorität herzustellen und kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Davor, dass Unrecht und Fortschritt in Ruanda parallel existierten, mahnt Hankel, sollte die internationale Gemeinschaft nicht die Augen verschließen.