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Klimawandel und internationale Sicherheit | Internationale Sicherheit | bpb.de

Internationale Sicherheit Editorial "Verbindungen, die zum Frieden beitragen sollen, werden zu Waffen". Fragen zum Krieg in der Ukraine, dem Globalen Süden und zur Zukunft der internationalen Ordnung Wohin führt der "Epochenbruch"? Konturen einer neuen Ordnung für Europas Sicherheit Vom Krieg zum Frieden. Vertrauen im Konflikt Ende der Abrüstung. Nukleare Rüstungskontrolle heute Vertrautes Misstrauen. Perspektiven eines nachhaltigen Multilateralismus Zwischen den Blöcken. Neutralität und Bündnisfreiheit Klimawandel und internationale Sicherheit

Klimawandel und internationale Sicherheit

Florian Krampe

/ 14 Minuten zu lesen

Umweltschutz und Frieden sind eng miteinander verwoben. Mit dem Klimawandel manifestiert sich dieser Zusammenhang in einem neuen Zeitalter des Risikos, das nicht nur die globale Sicherheitslandschaft verändert, sondern auch, was es bedeutet, Frieden zu schaffen.

Die internationale Politik ist derzeit durch eine enge Verflechtung mehrerer akuter Krisen gekennzeichnet, die den globalen – aber auch nationalen – Sicherheitsdiskurs dominieren. Zum einen befinden wir uns in einer sich verschärfenden Sicherheitskrise, die sich unter anderem durch einen Rückgang von zwischenstaatlicher Kooperation, den Anstieg von innerstaatlichen Konflikten, dem Aufweichen von internationalen Abrüstungs- und Rüstungskontrollregimen sowie einer Zunahme von konfliktbezogenen Opfern und Vertreibungen auszeichnet. Diese Sicherheitskrise wird durch kaum etwas eindeutiger verkörpert als durch den russischen Angriff auf die Ukraine. Zum anderen erleben wir gleichzeitig eine sich immer weiter zuspitzende Umweltkrise, die geprägt ist durch den Klimawandel, Umweltzerstörung und einen drastischen Rückgang der Artenvielfalt.

Diese beiden Krisen entwickeln sich nur scheinbar unabhängig voneinander. Tatsächlich sind Umwelt und Frieden eng miteinander verwoben: Krieg zerstört die Umwelt direkt und indirekt, und zunehmende Umweltzerstörung unterminiert den Frieden und erhöht das Risiko für Konflikte. Diese Verknüpfung manifestiert sich in einem neuen Zeitalter des Risikos, das nicht nur die globale Sicherheitslandschaft verändert, sondern auch, was es bedeutet, Frieden zu schaffen. Durch diese eng verflochtenen Krisen zu navigieren, ist eine – wenn nicht die – zentrale politische Herausforderung unserer Zeit.

Dieser Beitrag soll als Einführung in den Themenbereich dienen und insbesondere drei Fragen zum Zusammenhang von Klimawandel und Sicherheitspolitik beantworten: Was bedeuten der Klimawandel und seine Konsequenzen für die internationale Sicherheit und Sicherheitspolitik? Welche Rolle spielt der Klimawandel bei der Verschärfung von Konflikten, auch im Vergleich zu anderen Risikofaktoren sozialer, wirtschaftlicher oder politischer Natur? Welche politischen Maßnahmen wurden bereits ergriffen oder sollten eingeleitet werden, um klimabezogenen Risiken für die internationale Sicherheit zu begegnen?

Klimaschutz gleich Sicherheit gleich Klimaschutz

Die Komplexität einer wirtschaftlich und gesellschaftlich globalisierten und vernetzten Welt, in der multiple Krisen eng miteinander verbunden sind, macht Sicherheitspolitik zu Klimaschutzpolitik und umgekehrt. Diese Erkenntnis spiegelt sich heute in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik wider, wie zum Beispiel die Verlegung der Zuständigkeit für die UN-Klimakonferenzen vom Umwelt- ins Außenministerium 2021 verdeutlicht. Seit Jahren stuft Deutschland die Klimaveränderung als Sicherheitsrisiko ein und machte sie unter anderem zum Kernthema der deutschen Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat 2019/20. Damit steht die Bundesrepublik neben Schweden, den Niederlanden, Norwegen, Irland und Niger keineswegs allein da.

Der Grund hierfür liegt erstens in der inzwischen deutlich erkennbaren Rolle der Auswirkungen des Klimawandels bei der Verschärfung von humanitären Krisen und bewaffneten Konflikten, in denen viele der genannten Länder aktiv sind. Im Dezember 2020 waren 10 von 21 laufenden UN-Friedensmissionen in Länder entsandt, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Von rund 92000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von UN-Friedenseinsätzen waren etwa 74000 in diesen Ländern stationiert, also etwa 80 Prozent. Jüngste Untersuchungen zeigen, dass sich der Klimawandel in stark exponierten Ländern auf die Mandatserfüllung von UN-Friedenseinsätzen auswirken kann. Verweise auf klimawandelbezogene Sicherheitsrisiken finden sich heute in mehreren UN-Resolutionen und sind vermehrt Schwerpunkte der Präventions- und Friedenspolitik.

Der zweite Grund liegt in der Einsicht, dass die Auswirkungen des Klimawandels und die politischen Antworten darauf geopolitische Konsequenzen haben werden. So setzt etwa die Münchner Sicherheitskonferenz das Thema Klimawandel bereits seit mehreren Jahren auf die Agenda und zeichnete 2016 die Architekten des Pariser Klimaabkommens, die damalige Generalsekretärin der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen Christiana Figueres und den damaligen französischen Außenminister Laurent Fabius, mit dem Ewald-von-Kleist-Preis aus, der Persönlichkeiten verliehen wird, die sich besonders für Frieden und Konfliktbewältigung eingesetzt haben. Die geopolitische Relevanz des Klimawandels entfaltet sich einerseits mit dem unumgänglichen Übergang zu einem fossilfreien Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, das aber unter anderem für Stromspeichertechnologien auf Metalle und Mineralien angewiesen ist, die häufig aus China, insbesondere aber aus Regionen in Afrika kommen. Beispielsweise stellt die Demokratische Republik Kongo – ein Land also, das seit Jahrzehnten nicht zur Ruhe kommt, dessen Bevölkerung unter extremer Armut leidet und in dem wichtige Ressourcen informell ausgebeutet werden – den Großteil der globalen Kobaltvorkommen, die unter anderem für Batterien für Elektromobilität gebraucht werden. Andererseits hat es geopolitische Konsequenzen, wenn Petrostaaten wie Saudi-Arabien oder Russland im Zuge einer zunehmenden Abkehr von fossilen Energieträgern an ökonomischer und politischer Macht verlieren.

Drittens hat der Klimawandel auch Implikationen für das Militär. Die US-Streitkräfte sehen im Klimawandel seit Jahrzehnten einen Faktor, der durch den Anstieg des Meeresspiegels unter anderem ihre Militärbasen bedroht. Unter US-Präsident Joe Biden hat das Pentagon Investitionen von fast drei Milliarden US-Dollar angekündigt, die unter anderem in die Anpassung von Militärbasen, Risikokalkulationen, Forschung und Technologieentwicklung sowie in militärische Fahrzeuge fließen sollen. Eine ähnliche strategische Rolle sprechen inzwischen auch Nato und EU dem Klimawandel zu. Bedenken, dass durch die starke Verknüpfung von Klimawandel und internationaler Sicherheitspolitik eine Versicherheitlichung (securitization) und damit Militarisierung von Klimaschutzpolitik stattfindet, scheinen bisher allerdings weitestgehend unbegründet. Vielmehr scheinen Organisationen wie die Nato durch eine veränderte Bedrohungslandschaft, die auch den Klimawandel einschließt, stärkere Priorität auf den Bereich der menschlichen Sicherheit zu legen (human security), also die Sicherheit und Integrität des Menschen statt des Staates in den Mittelpunkt zu stellen. Ein Grund hierfür ist sicher auch, dass Lösungen zu klimawandelbedingten Sicherheitsrisiken nicht militärischer Natur sind, sondern aus dem Schnittbereich Klimaschutz, Entwicklungszusammenarbeit und Krisenbewältigung stammen müssen.

Klimawandelbedingte Sicherheitsrisiken

In den vergangenen Jahren hat sich das wissenschaftliche Verständnis von klimabedingten Sicherheitsrisiken stark weiterentwickelt. Nach ersten Studien in den frühen 1990er Jahren wurde das Thema unter anderem im neuesten Bericht des Weltklimarates (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) aufgegriffen, der aufzeigt, dass der Klimawandel mit einer Verschärfung von Konflikten einhergehen kann.

Dabei sind der Klimawandel und seine Auswirkungen nicht der einzige Risikofaktor für Konflikte oder deren Verschärfung. Insbesondere gelten eine schwache sozioökonomische Entwicklung sowie eine geringe Kompetenz der Regierung eines Landes als wesentlich bedeutsamer. Gleichwohl erhöhen die Auswirkungen des Klimawandels die gesellschaftliche Anfälligkeit für soziale und politische Unruhen, was unter gewissen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Umständen das Risiko für Gewalt und bewaffnete Konflikte steigert beziehungsweise die Dynamik bereits bestehender Konflikte beeinflusst.

So unterminiert der Klimawandel in vielen Regionen die Lebensgrundlagen der Menschen, die stark von natürlichen Ressourcen wie Land und Wasser abhängig sind. Die Unfähigkeit von Regierungsvertreter:innen, angemessen auf die klimawandelbedingt vermehrt auftretenden starken Fluten oder Dürren zu reagieren und beispielsweise durch Klimaanpassungsmaßnahmen die gesellschaftliche Widerstandsfähigkeit gegenüber diesen Risiken zu erhöhen, schürt gesellschaftliche Ressentiments und bereitet zusätzlichen Nährboden für bereits existierende politische Konflikte.

Als solches ist der Zusammenhang zwischen Klimawandel und kontextspezifischen Sicherheitsrisiken also nicht deterministisch, da er indirekt an die Fähigkeiten des jeweiligen Landes gekoppelt ist, diesen Risiken zu begegnen. Die konkreten Konsequenzen sind unterschiedlich und somit schwer vorherzusagen. In weiten Teilen Ostafrikas besteht beispielsweise insbesondere auf lokaler Ebene ein klarer, wenn auch indirekter Zusammenhang zwischen Klimawandel und bewaffneten Konflikten; in Südasien äußert sich dieser Zusammenhang häufiger in gewaltsamen Massenprotesten.

Allerdings sind nicht nur die Konsequenzen des Klimawandels oft unterschiedlich und abhängig von lokalen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Begebenheiten – sie treten auch in Bezug auf Raum und Zeit unterschiedlich auf. Während der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen 2008 noch "die Lokalität der als Umweltkonflikte in Betracht kommenden Auseinandersetzungen" hervorhob, zeigen neuere Studien, dass sich Belastungen, Auswirkungen und Risikofaktoren in der heutigen vernetzten Welt auf vielfältige Weise miteinander verbinden können. Das heißt, die sicherheitsrelevanten Effekte des Klimawandels finden sich nicht unbedingt dort, wo der Klimawandel am stärksten auftritt, sondern womöglich in Nachbarregionen oder gar in weiter entlegenen Gebieten, die über internationale Ressourcenabhängigkeit verbunden sind. Ein Beispiel lieferten die starken klimabedingten Ernteausfälle in Russland 2011, die sich in Kombination mit Leerverkäufen in den USA in vielen Ländern des Nahen Ostens in stark gestiegenen Brotpreisen niederschlugen, die wiederum bereits existierende gesellschaftliche Unzufriedenheiten mit den autokratischen Regierungen in Tunesien und Ägypten weiter zuspitzten und ihren Teil zum Arabischen Frühling beitrugen.

Der 2022 veröffentlichte Bericht "Environment of Peace" des Stockholm International Peace Research Institute hebt fünf Risikodynamiken hervor, die die räumliche und zeitliche Komplexität von klimabedingten Sicherheitsrisiken verdeutlichen:

  • compound risks, bei denen die zeitgleiche Interaktion zweier oder mehrerer Risikofaktoren einen größeren Risikokomplex ergeben, da sich die Faktoren gegenseitig verstärken;

  • cascading risks, bei denen ein Ereignis ein Risiko entstehen lässt, aus dem sich in zeitlicher Folge hintereinander auftretende weitere Risiken ergeben und gleich einem Schneeballeffekt ein immer weiter zunehmendes Risikopotenzial generieren;

  • emergent risks, bei denen zwei oder mehrere zeitlich und räumlich voneinander unabhängige Faktoren ein neues Risiko schaffen, das ohne die beiden vorherigen so nicht entstehen würde;

  • systemic risks, bei denen mehrere Risikofaktoren so zusammenwirken, dass sie kumulativ ein gesellschaftliches und/oder Ökosystem in Teilen oder insgesamt bedrohen;

  • existential risks, die in ihren Auswirkungen so schwer sind, dass sie die Existenz beispielsweise eines Landes oder einer Kultur bedrohen.

Der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Sicherheitsrisiken unterscheidet sich also je nach Kontext, ist häufig indirekt und nicht linear. Das hat starke Auswirkungen auf die Suche nach Lösungsansätzen.

Entwicklungspfade klimabedingter Unsicherheit

Die Komplexität und Multikausalität von klimabedingten Sicherheitsrisiken stellt politische Entscheidungsträger:innen, Entwicklungshelfer:innen und Militärs vor erhebliche Herausforderungen. In der politikrelevanten Forschung wird verstärkt nach Ansätzen gesucht, diese zu bewältigen. Einer davon ist das Konzept von Entwicklungspfaden (pathways), das die beschriebenen Zusammenhänge verdeutlichen und als Denkmuster helfen soll, die Komplexität klimabezogener Sicherheitsrisiken besser zu erkennen und zu navigieren. Es erlaubt eine vereinfachte Darstellung, wie sich klimawandelbedingte Sicherheitsrisiken in unterschiedlichen Kontexten ausdrücken, zeigt aber auch gesellschaftspolitische Ansatzpunkte zur Minderung dieser Risiken auf.

Die Grundlagen der Logik beschreibt die Abbildung: Der Klimawandel hat gesellschaftliche Auswirkungen, die die Vulnerabilität von Menschen – meist negativ – beeinflusst. Diese Menschen sind Teil einer gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Umgebung, die eine mildernde oder verstärkende Wirkung haben kann. Vier Entwicklungspfade beschreiben, wie sich eine gestiegene Vulnerabilität auf das Sicherheitsrisiko auswirkt. "Sicherheit" wird dabei weit gefasst und bezieht auch den Rückgang menschlicher Sicherheit und bewaffnete Konflikte als Risiken ein.

Erstens unterminiert der Klimawandel die Lebensgrundlagen von Gesellschaften und erhöht dadurch das Risiko für Konflikte. So wirken sich etwa stärker wechselnde Wettermuster erheblich auf Pflanzenanbau und Viehzucht aus und setzen Gesellschaften beziehungsweise einzelne Bevölkerungsgruppen, deren Einkommen primär von der Landwirtschaft abhängt, unter Druck. Das führt wiederum zu Spannungen, die insbesondere auf lokaler Ebene zu gewaltsamen Konflikten zwischen unterschiedlichen Gruppen führen können. So nötigt etwa in Somalia die reduzierte Widerstandsfähigkeit der in weiten Teilen verarmten und von langwierigen Konflikten betroffenen Bevölkerung Menschen dazu, vermehrt informellen Tätigkeiten nachzugehen, um ihr Überleben zu sichern, beispielsweise der illegalen Abholzung zur Herstellung von Holzkohle. Der Wegfall der Lebensgrundlagen, die oft ein integraler Teil der persönlichen Identität sind, führt auch dazu, dass sich Menschen eher extremistischen Gruppen anschließen – nicht aufgrund ideologischer Überzeugung, sondern aufgrund des persönlichen Bedürfnisses nach Zugehörigkeit.

Zweitens führen Klimafolgen zu Migration und veränderten Mobilitätsmustern, die Konflikte zwischen neu ankommenden Gruppen und den Bewohner:innen der Zielregionen nach sich ziehen. Einerseits treibt die Verschlechterung der Lebenssituation immer mehr Menschen in Städte. Dort bestehen jedoch oft nur geringe ökonomische Möglichkeiten, und Schattenwirtschaft und illegale Tätigkeiten nehmen zu. Andererseits treiben Fluten oder Dürren Bevölkerungsgruppen aber auch in ländliche Regionen, in denen bereits andere Gruppen leben. Das kann die dortigen Ressourcen weiter strapazieren und zu Spannungen führen. Auch die klimawandelbedingte Veränderung von Mobilitätsmustern verläuft nicht reibungslos. Beispielsweise werden in Westafrika nomadisch lebende Bevölkerungsgruppen aufgrund von saisonalen Verschiebungen und verspäteter Regenzeiten immer häufiger in neue, an ihre traditionellen Routen grenzende Regionen gedrängt. Dort grasen viele ihrer Herden auf Land, das von sesshaften Bauern bestellt wird. Traditionelle Mechanismen, die in der Vergangenheit das Zusammenleben dieser Gruppen geregelt haben, werden gestört. Geschieht das in einem Kontext instabiler Machtverhältnisse oder eines bewaffneten Konflikts, spitzen sich solche Situationen rasch zu.

Drittens beeinflusst der Klimawandel das Verhalten bewaffneter Akteure und wirkt sich somit direkt auf Konfliktdynamiken aus. Dabei geht es nicht nur um die militärische Einsatzbereitschaft staatlicher und nicht-staatlicher Akteure, sondern auch um sich verändernde Kräfteverhältnisse. So können sich beispielsweise in Mali und Somalia aufständische Gruppen häufig leichter in überfluteten Gebieten bewegen als konventionelle Streitkräfte, die dadurch anfälliger sind. Zudem können extremistische Gruppen gezielt gesellschaftlichen Unmut über den staatlichen Umgang mit klimawandelbedingten Missständen ausnutzen und neue Anhänger:innen rekrutieren.

Viertens erhöhen die Instrumentalisierung lokaler Missstände durch Eliten sowie das Missmanagement von natürlichen Ressourcen das Konfliktrisiko. So nutzen politische Eliten häufig ihre Macht aus, um ihre Kontrolle über Ressourcen weiter auszubauen, indem sie etwa Anbauflächen besetzen, nachdem Überschwemmungen oder Dürren die dort wohnenden marginalisierten Gruppen vertrieben haben. Dies verschärft die Ungleichheit und schürt Vorurteile und Spannungen zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Ein Schlüsselbeispiel dafür ist der Irak. Die klimawandelbezogene Verwundbarkeit des Landes wird durch eine geringe Anpassungsfähigkeit aufgrund von gewaltsamen Konflikten, Armut, politischer Instabilität und Korruption gesteigert. Die kombinierten Auswirkungen all dieser Faktoren bedeuten, dass sich der Klimawandel mehr auf einige Gruppen auswirkt als auf andere. Das führt wiederum zu gesellschaftlichem Unmut, und es häufen sich Proteste gegen das Fehlen oder die schlechte Qualität von Wasser, Strom und anderen staatlichen Dienstleistungen, sowie gegen den Mangel an Beschäftigungsmöglichkeiten.

Umgang mit klimabedingten Sicherheitsrisiken

Diesen Zusammenhängen kann mit integrierten Ansätzen begegnet werden, die sowohl die Verminderung der CO2-Emissionen im Blick haben als auch klimabezogene Sicherheitsrisiken verstärkt in die Entwicklungszusammenarbeit und Krisenbewältigung einbringen.

Ansätze für solche integrierten Maßnahmen sind bereits sichtbar. Klimabedingte Sicherheitsrisiken werden heute in einer Vielzahl von Rahmenwerken internationaler und regionaler Organisationen berücksichtigt, etwa der Vereinten Nationen, der EU, der Afrikanischen Union, der OSZE, aber auch in Regierungsdokumenten wie den Nationally Determined Contributions, die im Rahmen des Pariser Klimaabkommens die jeweiligen nationalen Beiträge zur CO2-Reduzierung festlegen. Eines der erfolgreichsten Beispiele ist der Climate Security Mechanism der Vereinten Nationen, der sich aus Vertreter:innen des UN-Entwicklungsprogramms, des UN-Umweltprogramms und der UN-Hauptabteilung Politische Angelegenheiten und Friedenskonsolidierung zusammensetzt und einen systematischen Umgang mit klimabedingten Sicherheitsrisiken fördern und die Vereinten Nationen bei der Ausarbeitung präventiver Strategien unterstützen soll.

Die Analyse klimabedingter Risiken in funktionierende Praxis vor Ort zu übersetzen, bleibt allerdings eine Herausforderung. Vor allem neuere Forschung zum Risiko von Fehlanpassungen zeigt, dass eine gelungene Praxis nicht einfach bedeutet, pauschal Klimaanpassungsmaßnahmen zu Entwicklungs- und Friedensstrategien hinzuzufügen. In fragilen Kontexten wie etwa in Afghanistan können die lokalen Nebenwirkungen von Projekten zur Anpassung an den Klimawandel und der Reduzierung von Treibhausgasemissionen das Potenzial für nachhaltigen Frieden mindern. So erleben in der afghanischen Provinz Herat Gemeinden im Distrikt Zinda Jan stromabwärts des Salma-Staudamms seit dessen Fertigstellung 2016 eine zunehmende Wasserknappheit, die auf ein schlechtes Wassermanagement und den Mangel an notwendiger Infrastruktur im Zusammenhang mit dem Dammbau zurückzuführen ist. Diese Wasserknappheit wird durch klimawandelbedingte Dürren weiter verschärft und ist ein Faktor für Unmut, Beschwerden und teils auch gewaltsame Auseinandersetzungen.

Das heute klarere Verständnis der Verflechtung von Klimawandel und Sicherheitspolitik – nicht nur, aber insbesondere auch in fragilen und von Konflikten betroffenen Regionen – gilt es, in politische Lösungen zu übersetzen, um eine klimaresistente Entwicklungs- und Sicherheitspolitik zu formulieren. Ansatzpunkte finden sich, aber wichtige Fragen in Bezug auf die Reduzierung von Treibhausgasemissionen, die Finanzierung des Übergangs und die soziale Gerechtigkeit sowohl global als auch innerhalb Deutschlands bleiben bis heute unbeantwortet, und ihre Diskussion erzeugt politischen Widerstand. Die angemessene Einbindung der Staaten des Globalen Südens, die insgesamt am wenigsten zu den Ursachen der Klimakrise beigetragen haben, aber übermäßig von den Auswirkungen betroffen sind, fehlt weiterhin. Hier braucht es Fortschritte mit Blick auf das weiterhin ungelöste Problem des loss and damage, also der klimawandelbedingten Verluste und Schäden, denen diese Staaten unausweichlich ausgesetzt sind. Eine Antwort auf die Frage, wie eine Finanzierung von notwendigen Anpassungsmaßnahmen in diesen Staaten aussehen kann und von wem sie bezahlt wird, ist notwendig – auch in Bezug auf internationale Sicherheitspolitik. Denn aus der Perspektive der betroffenen Staaten ist loss and damage Teil klimabedingter Sicherheitsrisiken.

Je länger die Industrieländer die Transformation weg von fossil betriebenen, ressourcenintensiven Wirtschaftsformen hinauszögern, desto schneller wird dieser Übergang letztendlich vonstatten gehen müssen, und desto kostspieliger wird er sein. Gleichzeitig erhöhen sich durch jeden Tag der Verzögerung die langfristigen Sicherheitsrisiken für alle. Dabei kann die Umstellung nicht nur den Frieden fördern, sondern sich auch wirtschaftlich lohnen. Denn Klimasicherheitspolitik ist Friedenspolitik, wenn sozioökonomische Gerechtigkeit im Vordergrund steht und menschliche Sicherheit gezielt gestärkt wird.

ist Senior Researcher am Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) und leitet dort das Climate Change and Risk Programme.
E-Mail Link: florian.krampe@sipri.org