Der Umsturz sozialistischer Systeme in Ländern des Warschauer Paktes im Sommer 1989, der Fall der Berliner Mauer, die Exekution des rumänischen Diktators Ceausescu, die Unabhängigkeitserklärung der baltischen Staaten, der Zerfall der Sowjetunion und Jugoslawiens mit den darauffolgenden Kriegen: Die Jahre 1989 bis 1991 veränderten die West-Ost-Ordnung des Kalten Krieges grundlegend. Das "System" war auf unvorhergesehene Art zusammengebrochen, der Weg zur Freiheit und Demokratie schien vorgezeichnet. 30 Jahre danach wird die demokratische Ordnung in Europa auf den Prüfstand gestellt. Populisten und Nationalisten gewinnen die Gunst von Teilen der Bevölkerung, sie verwalten Institutionen und erobern öffentliche und digitale Räume. Demokraten von damals und heute sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, Fehler im politischen Handeln begangen und zu passiv agiert zu haben. Autokratische Herrscher sind auf dem Vormarsch und setzen nach und nach demokratische Rechtsordnungen aus.
Die Bundeszentrale für politische Bildung veranstaltet von 2019 bis 2021 in Kooperation mit der Leipziger Buchmesse den Programmschwerpunkt "The Years of Change 1989-1991. Mittel-, Ost- und Südosteuropa 30 Jahre danach". Waren 2019 zentraleuropäische Länder wie Tschechien, Ungarn, Polen und die Slowakei im Fokus, so wendet sich der Blick 2020 zwei Peripherien in Europa zu. In unser Objektiv geraten diesmal die baltischen Länder – Estland, Lettland und Litauen – sowie Rumänien und Bulgarien. Wir möchten zusammen mit Autorinnen, Aktivisten, Journalistinnen und Wissenschaftlern ein Porträt der Zeit entwickeln, in dem sich Veränderungen, Stagnationen und neue Entwicklungen, individuelle Erfahrungen und subjektive Positionen wiederfinden. Wir sind daran interessiert, den Nebel von Floskeln des "Post"sozialistischen, -sowjetischen oder -kommunistischen aufzulösen, der eine scharfe Sichtweise verhindert und Konturen verblassen lässt.