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Ökonomische Gewalt in Paarbeziehungen Machtvolle Strategie von Partnergewalt

Prof. Dr. Petra J. Brzank, MPH

/ 10 Minuten zu lesen

Partnergewalt nutzt finanzielle Abhängigkeit als Taktik. Betroffenen Frauen wird beispielsweise der Zugang zu Geld und Arbeit verweigert. Ökonomische Gewalt bleibt oft unsichtbar.

Ökonomische Gewalt kann unterschiedliche Formen annehmen. Darunter fällt z.B. die finanzielle Kontrolle der Partnerin oder des Partners. Eine finanzielle Abhängigkeit kann etwa das Verlassen eines gewalttätigen Partners erschweren. (© picture-alliance, imageBROKER | Pius Koller)

Gewalt in der Paarbeziehung ist ein verbreitetes Problem, mit weitreichenden Folgen für die betroffenen Frauen und ihre Kinder. Deutschland hat wie andere Staaten auch 2018 das rechtsverbindliche Externer Link: „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ (Europarat, 2011) unterzeichnet. Die sogenannte Istanbul-Konvention (IK) definiert Gewalt gegen Frauen als „alle Handlungen geschlechtsspezifischer Gewalt, die zu körperlichen, sexuellen, psychischen oder wirtschaftlichen Schäden oder Leiden bei Frauen führen“. Bemerkenswert ist die Aufnahme der ökonomischen Dimension in den Gewaltbegriff.

Partnergewalt ist ein Misshandlungssystem, dass verschiedene Gewaltformen und -handlungen umfasst. Mit diesen versucht der Partner Macht und Kontrolle über seine Partnerin zu erlangen oder zu festigen (Brzank, 2012).

Körperliche und sexualisierte Taten gelten als anerkanntere Formen der Partnergewalt. Doch psychische, soziale und vor allem auch ökonomische Gewalt sind nach den Aussagen von Betroffenen wesentlich häufiger anzutreffen, weitaus wirksamer und bislang schwerer nachzuweisen (Postmus et al., 2018). Etwa ein Viertel bis ein Drittel aller Frauen in Deutschland erleben mindestens einmal im Leben eine Form von körperlicher, sexualisierter oder psychischer Gewalt durch ihren (Ex-)Partner (BMFSFJ, 2004; FRA, 2014; FRA et al., 2024). Das Ausmaß von ökonomischer Gewalt ist bislang nicht verlässlich bekannt.

Ökonomische Gewalt bedeutet, dass der Partner die finanziellen Möglichkeiten der betroffenen Frau kontrolliert. Beispielsweise indem sie daran gehindert wird Geld zu verdienen, zu nutzen oder selbst zu verwalten. Auch die Ausbeutung ihrer Ressourcen zählt dazu, wodurch die finanzielle Sicherheit und Chance auf Selbstständigkeit bedroht sind. In der Folge bleibt die betroffene Frau vom (Ex-)Partner abhängig (Postmus et al., 2018; Adams et al., 2008; Stylianou, 2018; Sanders, 2015). Mittlerweile wird ökonomische Gewalt von Forschenden als eigenständige Gewaltform aufgefasst (Postmus et al., 2018).

Eine betroffene Frau schildert ihre Erfahrungen im Interview:

„Nun, ich denke, sie [die Finanzen] spielen eine viel größere Rolle, als die Leute denken... denn man hört nur von sexuellem, körperlichem und emotionalem Missbrauch. Man hört nie von wirtschaftlichem Missbrauch. Und wirtschaftlicher Missbrauch ist genauso wichtig wie die anderen Formen des Missbrauchs, denn wie mein Ex-Mann: Er hat mir Geld abgenommen. Er hat es so weit gebracht, dass keine der Rechnungen bezahlt wurde, aber ich musste mich trotzdem auf ihn verlassen, um sie zu bezahlen. Und es ist einfach so... Ich fühlte mich wie auf einer Achterbahnfahrt mit den Finanzen. Als ich arbeiten wollte, hat er mich nicht arbeiten lassen. Das hat eine große Rolle gespielt... die wirtschaftlichen Probleme. Und ich glaube, dass das nicht vielen Leuten bewusst ist, weil man von dieser Form des Missbrauchs nicht hört.“ (Sanders, 2015, eig. Übersetzung)

Welche Taktiken umfasst ökonomische Gewalt?

Anhand vorliegender Interviewstudien unterscheidet Stylianou (2018) die vielfältigen Taktiken in drei verschiedene Formen:

  1. Ökonomische Kontrolle tritt auf, wenn der Täter das Opfer am Zugang zu den Finanzen hindert oder ihm jegliche Entscheidungsgewalt in finanziellen Angelegenheiten entzieht:

    • Zugang des Opfers zu finanziellen Ressourcen kontrollieren oder einschränken

    • Verweigerung des Zugangs zu lebensnotwendigen Gütern wie Nahrung, Kleidung und/oder Medikamenten

    • Überwachung der Ausgaben

    • Zurückhalten oder Verstecken von gemeinsam erwirtschaftetem Geld

    • Zugang zu einem Bankkonto verhindern

    • Lügen über gemeinsames Eigentum und Vermögenswerte.

Die Nutzung finanzieller Ressourcen kann auch durch das Überwachen oder Einschränken der Bewegungsfreiheit verhindert werden, etwa in dem die Täter das Fahren mit dem gemeinsamen Auto verbieten, den Autoschlüssel wegnehmen oder das Auto fahruntüchtig machen (Adams et al., 2008; Sanders, 2015).

  1. Sabotage von Erwerbsarbeit bedeutet, dass die Betroffenen daran gehindert werden, eine Beschäftigung zu finden oder zu behalten wie:

    • Verbieten, Entmutigen oder aktives Behindern ihrer beruflichen und/oder schulischen Anstrengungen

    • Belästigung der Betroffenen an ihrem Arbeitsplatz

    • Behinderung beim Erhalt anderer Einkommensquellen wie Unterhaltszahlungen, Sozialhilfe oder Invaliditätsleistungen.

Betroffene berichten davon, dass ihnen sichtbare Verletzungen zugefügt werden, der Wecker wird ausgestellt oder die Kinderbetreuung verweigert, sodass sie nicht (pünktlich) zur Arbeit erscheinen können. Der Weg zur Arbeit wird durch Sabotage am Auto verhindert – oder durch Bedrohung, Festhalten, durch das Entwenden des Autoschlüssels oder von Geld. Die Fahrt zum Arbeitsplatz wird verwehrt, Medikamente vorenthalten, sie werden vom Schlafen abgehalten, die Haare werden abgeschnitten oder ihre Kleidung entwendet. Der Partner belästigt sie oder die Kolleg:innen mit Telefonanrufen während der Arbeit. Weiterbildungen zur Verbesserung der Arbeitsmarktchancen und Karriereentwicklung werden verhindert. (Postmus et al., 2012; Stylianou, 2018)

  1. Ökonomische Ausbeutung liegt vor, wenn der Täter die Finanzen der betroffenen Person gezielt schädigt oder ihre Kreditwürdigkeit zerstört, darunter:

    • Stehlen von Geld, Schecks oder Bankkarten

    • Eröffnen oder Nutzen der Kreditlinie des Opfers ohne dessen Zustimmung

    • Weigern, Rechnungen zu bezahlen, oder Anhäufen von Rechnungen unter dem Namen des Opfers oder seiner Kinder

    • Verspielen des gemeinsamen Geldes.

Kosten werden erzeugt, indem u.a. vorhandenes Eigentum verloren wird, Reparaturkosten verursacht werden oder Gegenständen ersetzt werden müssen. Partner stehlen, beschädigen oder zerstören das Eigentum oder Haushaltsgegenstände der Partnerin. Sie richten Schaden an der gemeinsamen Wohnung, dem Haus oder dem Auto an oder schalten Heizung, Stromversorgung und Telefon ab. Abgelehnt wird der Eintrag ihres Namens als Mitbesitzerin im Grundbuch für ihr gemeinsames Haus oder Auto (Adams et al., 2008; Sanders, 2015).

Bislang wurden für Deutschland noch keine Daten zu ökonomischer Gewalt ermittelt. Die europaweite FRA-Studie (2014) kommt zu dem Ergebnis, dass fünf Prozent aller Befragten in ihrer aktuellen Paarbeziehung und 13 Prozent jemals in ihrem Leben ökonomische Gewalt erlebt hatten, in Deutschland waren es elf Prozent der befragten Frauen.

Wie wirkt sich ökonomische Gewalt auf die Betroffenen aus?

Ökonomische Gewalt beeinflusst auch die physische und psychische Gesundheit. Eine finanzielle Abhängigkeit ist ein wesentlicher Faktor, der Frauen am Verlassen des gewalttätigen Partners hindert (Brzank, 2012; Kaittila et al., 2024). Nach der Trennung sinkt häufig ihr Lebensstandard und ihnen mangelt es an Mitteln für das tägliche Leben. Frauen verarmen und werden von staatlicher Unterstützung abhängig oder gar obdachlos (Adams et al., 2008; Brzank, 2009).

Indirekte Auswirkung auf die physische und psychologische Gesundheit

Eingeschränkte finanzielle Ressourcen und Armut wirken indirekt auf die Gesundheit der Betroffenen. Es zeigt sich ein hoher Zusammenhang zwischen dem Status Alleinerziehend und Armut, beides verbunden mit einer geringeren physischen und psychischen Gesundheit, einer höheren Frühsterblichkeit sowie kürzerer Lebenserwartung (Brzank, 2009; Hoebel et al., 2024; Rattay et al., 2024). Erschwerend zu den erwiesenen physischen, psychosomatischen und psychischen Gesundheitsfolgen von Partnergewalt (WHO, 2013) haben Frauen mit einem geringen Einkommen chronischen Stress. Beispielsweise wegen einer unzulänglichen Wohnsituation oder Ernährung. Dies führt wiederum zu einem erhöhten Risiko für Depressionen, Angstzustände, chronische Gesundheitsprobleme sowie einer schlechteren allgemeinen physischen Gesundheit (Adams et al., 2008).

Auswirkungen ökonomischer Gewalt über die Trennung hinaus

Auch nach der Trennung sind betroffene Frauen mehrheitlich finanziell an den gewalttätigen Partner gebunden. Die Muster ähneln denen während der Beziehung, werden aber als fortgesetzte Handlung verstanden. Es geht darum, einer Partnerin weiterhin und langandauernden, gravierenden finanziellen Schaden zuzufügen, sie in Abhängigkeit zu halten und zu kontrollieren.

Als Taktiken werden von Kaittila und anderen benannt (Kaittila et al., 2024):

  • Ökonomische Sabotage: Zerstörung von Eigentum und Sabotage der Erwerbstätigkeit

  • Vorenthalten von Ressourcen: Hinauszögern des Scheidungsprozesses, Verweigerung der Vermögensaufteilung sowie des Begleichens von Rechnungsanteilen oder Einkäufen und des Zugangs zum eigenen Eigentum

  • Finanzielle Bedrohung: Sinnlose und falsche Beschuldigungen, Nutzung finanzieller Probleme als Vorwand, um in Kontakt zu bleiben, Bedrohung des sozialen Netzwerkes

  • Diebstahl: Weigerung, die Gegenstände der Frau zurückzugeben, Diebstahl des Eigentums der Frau

Welche Personengruppen sind besonders gefährdet – und warum?

Zwar können diese Gewaltformen alle Frauen treffen, allerdings gibt es Anzeichen für ein höheres Risiko unter armen und/oder auf Transferleistungen angewiesene Frauen. Zum einen sind diese häufiger von Partnergewalt betroffen – wobei unklar ist, ob die Armut die Folge oder die Ursache ist – und zum anderen bindet sie die finanzielle Abhängigkeit an den gewalttätigen Partner (Brzank, 2012).

Wodurch wird ökonomische Gewalt begünstigt?

Grundsätzlich können wir davon ausgehen, dass alle gesellschaftlichen Vorstellungen über Geschlechterrollen, die die finanzielle Abhängigkeit der Frauen von Männern fördern, als Risiko für ökonomische Gewalt verstanden werden muss.

In der romantisierten, idealisierten und märchenhaften Vorstellung von Liebesbeziehungen sowie den darin vorgesehenen Rollen der Geschlechter wird (ökonomische) Gewalt verschleiert. Männer gelten in Paarbeziehungen als finanziell kompetent, folglich entscheiden sie über die Finanzen des Paares. Ein solches Verhalten wird nicht als ökonomische Gewalt verstanden. Gesellschaftliche Normen und Zwänge drängen Frauen dazu, die Rolle der hingebungsvollen, liebevollen, fürsorglichen und unterwürfigen Partnerin einzunehmen. „Blind vor Liebe“ werden von den Betroffenen potenzielle Warnsignale für ökonomische Gewalt ignoriert (Wilson et al., 2023). Aus Angst als Versagerin in Beziehungsangelegenheiten zu gelten und um vor anderen die Illusion einer „erfolgreichen“ Beziehung im Sinne des Märchenideals aufrechtzuerhalten, tendieren Frauen dazu Probleme zu negieren und positive Verhaltensweise des Partners hervorzuheben, damit er der märchenhaften Vorstellungen des „rettenden Prinzen“ entspricht (Wilson et al., 2023).

Uneinigkeiten über Finanzen und Geldprobleme in Beziehungen sind weit verbreitet. Finanzielle Probleme werden normalisiert, sodass es schwer ist ökonomische Gewalt als solche zu erkennen und zu benennen (Wilson et al., 2023). Die allmähliche und subtile Eskalation ökonomischer Gewalt erschwert es zusätzlich diese zu realisieren. (Wilson et al., 2023)

Die geschlechterstereotype Vorstellung von mangelnden mathematischen und finanziellen Kompetenzen von Frauen tragen dazu bei, dass Finanzen als männliches Feld gesehen und von den Frauen ferngehalten werden. Gesellschaftlich gilt es meist noch als unweiblich, wenn Frauen für ihre eigenen finanziellen Interessen eintreten.

Die allgemeine mangelnde Honorierung und schlechtere Bezahlung der Arbeit von Frauen ist zudem strukturell verankert. Dieser Gender Pay Gap liegt zur Zeit für Deutschland bei 16 Prozent und der Gender Gap Arbeitsmarkt bei 37 Prozent (deStatis, 2025). Gesellschaftlich notwendige Care-Arbeit, die weiblich konnotiert ist, wird die als Aufgabe von Frauen geringer wertgeschätzt und entlohnt. Das steuergesetzlich festgelegte Interner Link: Ehegattensplitting zementiert, in Kombination mit der Vorstellung von Männern als Haupternährer der Familie und ihrem allgemein höheren Einkommen, die finanzielle Abhängigkeit der Ehefrau von ihrem Ehemann.

Die männliche finanzielle Entscheidungsgewalt strukturiert Politik sowie organisatorische Praktiken und legitimiert die finanzielle Handlungsfähigkeit von Männern auf Kosten der finanziellen Autonomie von Frauen (Natalier, 2018). Lücken in Politik und Gesetzgebung können das Problem verschärfen, indem sie unzureichenden Schutz vor einem ehemaligen (Ehe-)Partner bieten, der sich weigert, den vereinbarten Unterhalt zu zahlen, oder bewusst Sorgerechtsstreitigkeiten in die Länge zieht, um einer Frau wirtschaftlich zu schaden (Wilson et al., 2023).

Wie kann ökonomische Gewalt bekämpft werden?

Ökonomische Gewalt ist ein wesentlicher Bestandteil von Partnergewalt, der über die Trennung hinaus Frauen kontrolliert und abhängig macht. Bislang wird diese jedoch weder als Teil eines Misshandlungssystems noch als eigenständige Form wahrgenommen. Um in Beratung adäquat praktisch unterstützen zu können, braucht es sensibilisierende Fortbildung für Beratende. Ein Fragebogen zur Erfassung von ökonomischer Gewalt vermittelt den Beratenden die spezifischen Notlagen der Betroffenen, auf die eingegangen werden sollte. Denn ohne entsprechende ökonomische Ressourcen können sich Frauen nur schwer vom gewalttätigen Partner trennen. Es braucht Schuldnerberatungskonzepte und -maßnahmen sowie eine finanzielle Entschädigung für gewaltbetroffene Frauen.

Prävention

Gewalt ist kein Schicksal und kann folglich bekämpft werden. Prävention ist machbar und wirkungsvoll. Unterschieden wird zwischen zwei Formen: Verhaltensprävention setzt beim Verhalten der Akteur:innen und Betroffenen an und soll dies verändern. Verhältnisprävention wiederum setzt bei den gesellschaftlichen Verhältnissen und Lebensbedingungen an. Diese Variante ist weitaus effektiver.

Verhaltensprävention
Das größte Risiko für Partnergewalt, stellen die gewalttätigen Männer selbst dar, die von männlicher Vorherrschaft und Verfügungsgewalt über Frauen ausgehen. Zur Bekämpfung braucht es entsprechende Bildungs- und Verhaltensprogramme, in denen die Gleichstellung der Geschlechter und respektvolle Beziehungen vermittelt werden – idealerweise bereits in der Kindheit.

Für Frauen gilt es, ihre ökonomische Selbstständigkeit zu fördern, indem ihre „financial capability“ auf- und ausgebaut wird. Gemeint ist damit die Fähigkeit, Finanzen zu verstehen, Zugänge zu nutzen und im eigenen finanziellen Interesse zu handeln (Johnson & Sherraden, 2007). Voraussetzung für diese Fähigkeit ist „financial literacy“ (Finanzkompetenz), die sich zusammensetzt aus „ability to act“ (Handlungsfähigkeit basierend auf Wissen, Fähigkeiten, Vertrauen und Motivation) und „opportunity to act“ (Handlungsmöglichkeit über den Zugang zu finanziellen Gütern und Institutionen). „Financial literacy“-Programme“ können Frauen beim Erlangen von ökonomischer Unabhängigkeit unterstützen (Postmus et al., 2012). Um frühzeitig finanzielle Kompetenzen aufzubauen, sollten bereits Mädchen in der Schule entsprechende Bildungseinheiten regulär erhalten.

Verhältnisprävention
Ökonomische Gewalt führt Betroffene in die Armut und erklärt die Weiblichkeit von Armut. Als Risikofaktoren erweisen sich strukturelle Diskriminierungen, wie der Gender Pay Gap oder das steuerliche Ehegattensplitting sowie kulturelle Normen und Genderstereotype, die Frauen eine Entwicklung finanzieller Kompetenz erschwert.

Grundsätzlich ist für Diskriminierungsfreiheit, Gleichberechtigung und Chancengerechtigkeit zu sorgen. Die allgemeinen Arbeitsbedingungen für Frauen sind zu verbessern. Materielle und immaterielle Anerkennung der Arbeit von Frauen und die Reduktion des Gender Pay Gaps führten laut einer Studie zu einer Abnahme von Partnergewalt (Aizer, 2010). Dabei kommt Arbeitgeber:innen, den Gewerkschaften und Berufsverbänden eine besondere Rolle zu.

Ein weiteres Hindernis stellen stereotype Geschlechterrollen dar, mit denen Finanzen als „gendered arena“ (geschlechtsspezifischer Bereich) in unserer Kultur verankert sind. Demnach kümmern sich typischerweise als Männer sozialisierte Geschlechterrolle um das Geld.

Eine große Herausforderung stellt das anerzogene Selbstbild vieler Frauen dar. Ihnen wird eingeredet, sie seien unfähig ihre Finanzen zu verwalten. Dies begünstigt das Vertrauen auf die vermeintliche Kompetenz von Männern, finanzielle Aufgaben zu übernehmen. (Postmus et al., 2012)

Fazit

Ökonomische Gewalt

  • ist hochprävalent und in seiner Wirkung vergleichbar mit anderen Gewaltformen.

  • korreliert mit anderen Gewalthandlungen im Kontext von Partnergewalt.

  • bringt und hält Frauen in starker Abhängigkeit.

  • führt dazu, dass Frauen den gewalttätigen Partner nicht verlassen.

  • ist kein Schicksal und kann verhindert werden.

Prävention ist machbar und wird durch die Istanbul Konvention rechtlich legitimiert. Gewalt zu verhindern ist eine gesellschaftliche Aufgabe und geht uns alle an.

Quellen / Literatur

Europarat (2011): Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt und erläuternder Bericht.

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Postmus, J.L./Hoge, G.L./Breckenridge, J. et al. (2018): Economic Abuse as an Invisible Form of Domestic Violence: A Multicountry Review. Trauma, Violence, & Abuse; 21: 261-283. doi:10.1177/1524838018764160.

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Fussnoten

Fußnoten

  1. Der Gender Pay Gap beschreibt den Verdienstabstand pro Stunde zwischen Frauen und Männern. Der Gender Gap Arbeitsmarkt berücksichtigt zusätzlich geschlechterspezifische Unterschiede in den bezahlten Arbeitsstunden im Monat und in der Erwerbstätigenquote. (deStatis, 2025)

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Soziologin und promovierte Gesundheitswissenschaftlerin, seit 2016 Professorin für Soziologie und Methoden der Sozialforschung an der Hochschule Nordhausen, Gründungsmitglied des Kompetenzzentrums Interdisziplinarität und Gesundheit (KIG) im Institut für Sozialmedizin, Rehabilitationswissenschaften und Versorgungsforschung (ISRV) an der Hochschule Nordhausen. Langjährige Forschung zu Partnergewalt gegen Frauen unter vielfältige Aspekte Forschungsschwerpunkt sind Gewalt und Gesundheit insbesondere Partnergewalt gegen Frauen, soziale Gesundheitsdeterminanten sowie gendersensible Forschungsmethoden.