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Die Asylagentur der Europäischen Union: neue Agentur, alte Herausforderungen

Vittoria Meißner

/ 5 Minuten zu lesen

Im Dezember 2021 stimmte der Rat der Europäischen Union der Einrichtung einer EU-Asylagentur zu und nahm damit erstmals einen der Vorschläge zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an. Was macht die Agentur? Welche Ziele verfolgt sie?

Die neue Asylagentur der Europäischen Union nahm im Januar 2022 ihre Arbeit auf. Sie soll zu einer einheitlicheren Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems beitragen. (© European Union Agency for Asylum)

Am 19. Januar 2022 nahm die Asylagentur der Europäischen Union (EUAA) ihre Arbeit auf. Die vollwertige EU-Agentur ersetzt das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO). Wie ihr Vorgänger ist die neue Asylagentur dafür zuständig, die Funktionsweise des Interner Link: Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zu verbessern. Doch welche Rolle spielt die EUAA im GEAS und welche Neuerungen ergeben sich durch die Agentur?

Ein Blick in die Vergangenheit: das EASO

2004 tagten die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer im Rahmen des Europarats in Den Haag. Aus diesen Diskussionen entstand das Interner Link: Haager Programm, das erstmals die Idee eines europäischen Asylbüros beinhaltete. 2010 wurde diese Idee konkretisiert und das EASO eingerichtet : ein Europäisches Zentrum mit Expertise zu Asyl, dessen Aufgaben zentrale nationale Verwaltungsfunktionen in einem hochsensiblen Politikbereich berührten. Das EASO sollte die Entwicklung und Umsetzung des GEAS unterstützen und so auf eine Angleichung der Asylsysteme der einzelnen EU-Staaten hinwirken. Dadurch sollten die bestehenden Unterschiede mit Blick auf Entscheidungen in Asylverfahren und Standards zur Versorgung Schutzsuchender verringert werden.

Das Mandat des Asylunterstützungsbüros stützte sich auf drei Säulen: (1) Verbesserung der praktischen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Asylbereich; (2) Unterstützung von Mitgliedstaaten, deren Asylsysteme unter besonderem Druck standen, allerdings dies nur, wenn der betroffene Mitgliedstaat das EASO ausdrücklich darum bat; und (3) eine einheitlichere Umsetzung des GEAS.

Von 2010 bis 2021 hat das EASO den Austausch von Informationen und die Bündelung bewährter Praktiken im Asylbereich zwischen den EU-Mitgliedstaaten ermöglicht. Das EASO bot zudem Schulungen für nationale Verwaltungen, Gerichte und Dienststellen an, die sich in den verschiedenen EU-Staaten mit Asylfragen befassten. Zudem sollte das EASO durch die Sammlung von Informationen und die Erstellung von Jahresberichten zu Asylzahlen und asylpolitischen Entwicklungen auf die Umsetzung des GEAS hinwirken.

In den elf Jahren seines Bestehens hat es einen relativ hohen Zuwachs sowohl der finanziellen Ausstattung – die vom Gesamthaushalt der EU und von freiwilligen Beiträgen der Mitgliedstaaten abhing – als auch des Personals gegeben, insbesondere nach der Interner Link: Migrationsmanagement-Krise der EU von 2015/16. Allerdings ging die Aufstockung des Haushalts und Personals nicht mit einer offiziellen Ausweitung der Aufgaben des EASO einher.

Neuer Name, neues Mandat: die EUAA

Die Migrationsmanagement-Krise der EU 2015/16 machte die Schwächen eines lückenhaften supranationalen Asylsystems offensichtlich. Um zukünftigen Krisen entgegenzuwirken und Reformen im Bereich Migration und Asyl anzugehen, präsentierte die Interner Link: Europäische Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen im September 2020 ein neues Interner Link: Migrations- und Asylpaket. Dieses Paket beinhaltete u.a. Vorschläge für eine Reform des GEAS. Ein wichtiger Reformschritt im vorgeschlagenen Paket war das seit 2016 bereits diskutierte, aber noch nicht umgesetzte neue Mandat für das EASO. Es sollte nach der Reform auch für die Begutachtung und Beobachtung der nationalen Asylsysteme verantwortlich sein. Obwohl dieses umfangreiche Paket an Vorschlägen für neue Verordnungen und Richtlinien in seiner Gesamtheit hätte angenommen werden sollen, wurde im Juni 2021 der Vorschlag für die Einrichtung der EUAA aus dem package deal herausgenommen, sodass sich die Reform des EASO nicht weiter hinauszögerte.

Im November und Dezember 2021 nahmen erst das Interner Link: Europäische Parlament und dann der Interner Link: Rat der Europäischen Union die Verordnung an, mit der das EASO anschließend in eine vollwertige EU-Agentur umgewandelt wurde. So entstand die Asylagentur der Europäischen Union, kurz EUAA, die im Interner Link: Januar 2022 offiziell ihre Arbeit aufnahm. Der Vorstand (Management Board) und die Beschäftigten des EASO wurden übernommen, einschließlich der aktuellen Direktorin, Nina Gregori. Übergeordnetes Ziel der EUAA ist weiterhin, zur Umsetzung des GEAS beizutragen und eine umfassende und einheitliche Anwendung des Asylrechts der Union in den EU-Mitgliedstaaten zu ermöglichen. Im Prinzip soll ein Asylantrag immer zum gleichen Ergebnis führen, egal in welchem Mitgliedstaat darüber entschieden wird. Die EUAA verfügt 2022 über ein Budget von 172 Millionen Euro.

Einfluss auf die Zukunft der GEAS

Wichtige Neuerungen der EUAA im Vergleich zum EASO sind vor allem die Stärkung operativer Tätigkeiten zum Beispiel durch eine schnellere Entsendung von Personal zur Unterstützung nationaler Asylbehörden in den Mitgliedstaaten – etwa bei der Registrierung von Asylsuchenden oder der Durchführung von Interviews in Asylverfahren. Dazu wurde zusätzlich zu den rund 2.000 Mitarbeitenden der Agentur ein Reservepool von 500 Expert:innen aus den Mitgliedstaaten eingerichtet, die überall in der EU eingesetzt werden können. Um die Achtung von Grundrechten bei allen Aktivitäten der Agentur zu gewährleisten, wurden außerdem die unabhängige Position eines Grundrechtsbeauftragten geschaffen, ein Beschwerdeverfahren eingerichtet sowie die Rolle und Unabhängigkeit des Beirats gestärkt, der eine beratende Funktion hat und sich aus internationalen und zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammensetzt. Zusätzlich darf die EUAA Verbindungsbeamt:innen (liaison officers) sowohl in Mitgliedstaaten als auch in Drittstaaten entsenden. Sie sollen als Schnittstelle zwischen der Agentur und den für Asyl zuständigen nationalen Behörden fungieren. Damit einher geht auch die Stärkung der Möglichkeiten, Drittländer beim Aufbau ihrer Kapazitäten zur Aufnahme und Versorgung Schutzsuchender zu unterstützen. Ebenfalls relevant ist die Einrichtung eines Mechanismus, der es der EUAA in Zukunft ermöglichen wird, die operative und technische Anwendung des GEAS zu überwachen. So sollen u.a. Mängel in den Asylsystemen der Mitgliedstaaten schnell identifiziert und Maßnahmen eingeleitet werden, um diese zu beheben. Der Mechanismus tritt aufgrund des Widerstands einiger Mitgliedstaaten jedoch erst 2023 in Kraft und ist auch nur dann voll funktionsfähig, wenn sich die Mitgliedstaaten auf eine Nachfolgeregelung zur aktuell geltenden Interner Link: Dublin-Verordnung einigen können.

Die Einrichtung der EUAA ist der erste angenommene und umgesetzte Vorschlag zur Reform des GEAS und könnte ein bedeutender Schritt bei der Modernisierung der Asyl- und Aufnahmepraxis in der EU sein. Dennoch bestehen alte Herausforderungen fort. So hat die Agentur beispielsweise nach wie vor nicht das Mandat, eine gemeinsame EU-weite Liste Interner Link: sicherer Herkunftsländer zu erstellen. Außerdem könnten einige Mitgliedstaaten auch in Zukunft den Einsatz der Agentur auf ihrem Territorium ablehnen, wie z.B. Polen 2021, als tausende Schutzsuchende versuchten, Interner Link: über die polnisch-belarusische Grenze in die EU zu gelangen. Bis eine einheitlichere Asyl-Entscheidungspraxis in den EU-Mitgliedstaaten besteht und sich die Anerkennungsquoten annähern, ist es noch ein langer Weg.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Das EASO wurde durch die Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen [2010], ABl. L132/11 eingerichtet.

  2. Meißner, Vittoria (2020): European Union Migration Agencies at the Crossroads: Significant Empowerment after the Schengen Crisis?, Dissertation, Technische Universität München, Externer Link: https://mediatum.ub.tum.de/doc/1520238/file.pdf (Zugriff: 07.07.2022)

  3. Europäische Kommission (2020): Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Ein neues Migrations- und Asylpaket, COM (2020) 609 final, S. 1–36.

  4. Für weitere Informationen siehe Meißner, Vittoria (2021): Asyl-, Einwanderungs- und Visapolitik, in: Weidenfeld, Werner/Wessels, Wolfgang (Hrsg.): Jahrbuch der Europäischen Integration, Baden-Baden.

  5. Verordnung (EU) Nr. 2021/2303 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2021 über die Asylagentur der Europäischen Union und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 439/2010, ABl. L468/1.

  6. European Union Agency for Asylum (2022): New EU Agency for Asylum starts work with reinforced mandate, 19. Januar, Externer Link: https://euaa.europa.eu/news-events/new-eu-agency-asylum-starts-work-reinforced-mandate (Zugriff: 07.07.2022).

  7. European Union Agency for Asylum, What We Do, Externer Link: https://euaa.europa.eu/about-us/what-we-do (Zugriff: 07.07.2022).

  8. Dreveny, Gerald (2022): Die Europäische Asylagentur (EUAA), BLOG ASYL – Recht und Wissenschaft in Österreich, 19. Januar, Externer Link: https://www.blogasyl.at/2022/01/die-europaeische-asylagentur-euaa/ (Zugriff: 07.07.2021).

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autor/-in: Vittoria Meißner für bpb.de

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Weitere Inhalte

ist wissenschaftliche Referentin der Geschäftsführung am Institut für Europäische Politik Berlin. Sie hat zu den Entwicklungen der Grenzschutzagentur Frontex und des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) nach der Schengen-Krise von 2015/16 promoviert.