Mit der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache, kurz Frontex, verfügt die Europäische Union seit 2005 über eine Institution, in der verschiedene Kompetenzen bezüglich der Sicherung, Überwachung und Kontrolle der Außengrenzen der Europäischen Union gebündelt sind. Ursprünglich sollte die Agentur die Mitgliedstaaten bei ihren hoheitlichen Aufgaben der Grenzüberwachung und Grenzkontrolle vor allem mit Expertise unterstützen. Seit 2016 hat die Agentur jedoch auch vermehrt Aufsichtsfunktionen über die Mitgliedstaaten übernommen. Durch eine Kompetenz- und Budgeterweiterung im Jahr 2019 wurde die Agentur zudem beauftragt, bis zum Jahr 2027 eine ständige Reserve von 10.000 Grenzschutzbeamt_innen aufzubauen. Diese sollen an den Außengrenzen der Europäischen Union zum Einsatz kommen. Damit verfügt die Europäische Union zum ersten Mal über eine mit weitreichenden exekutiven Befugnissen ausgestattete europäische Polizeieinheit – eine neue Dimension im europäischen Projekt.
Schengen, Maastricht, Amsterdam
Die Gründung der Agentur Frontex im Jahr 2005 ist Ergebnis jahrzehntelanger Bemühungen, eine Harmonisierung von Grenz-, Asyl- und Migrationspolitik innerhalb der Europäischen Gemeinschaften und der Europäischen Union zu erreichen. Maßgeblich war vor allem der Interner Link: Schengener Prozess, der außerhalb des Rahmens der Europäischen Gemeinschaften eine Abschaffung der Binnengrenzkontrollen anstrebte. Zu diesem Zweck wurden eine Aufrüstung der Außengrenzen sowie die Institutionalisierung der Polizeikooperation in Europa vorangetrieben.
Der Interner Link: Vertrag von Maastricht (1992/1993) schuf die zwischenstaatliche Interner Link: Dritte Säule einer europäischen Justiz- und Innenpolitik, in deren Rahmen auch die Harmonisierung von Migrations- und Grenzpolitiken vorangetrieben werden sollte. Eine Nachbildung der Schengener Verträge scheiterte jedoch weitestgehend. Eine Übereinkunft über den Schutz der Außengrenzen sowie den Aufbau einer europäischen Polizeidatenbank kamen nicht zu Stande, lediglich die asylrechtlichen Vorgaben Schengens konnten übernommen werden (→ Interner Link: Dubliner Übereinkommen).
Auf Grund des Erfolges der Schengener Kooperation – die Interner Link: Binnengrenzkontrollen zwischen den teilnehmenden Staaten wurden 1995 tatsächlich aufgehoben – wurde das Schengener Vertragswerk dann aber in den Interner Link: Vertrag von Amsterdam (1997/1999) übernommen. Gleichzeitig wurden die Kompetenzen für Migrations- und Grenzpolitiken weitestgehend vergemeinschaftet, also aus dem zwischenstaatlichen Modus in die Verantwortung der europäischen Institutionen wie etwa Interner Link: Kommission oder Interner Link: Parlament überführt.
Eine Grenzschutzagentur für Europa
Ähnlich des Schengener Modells sah die europäische Grenzschutzpolitik anfänglich vor allem eine vertiefte Kooperation der Grenzschutzinstitutionen der Mitgliedstaaten in sogenannten Pilotprojekten und Gemeinsamen Operationen vor. Schnell zeigte sich jedoch, dass der Interner Link: Rat der Europäischen Union, der die Koordination dieser Operationen übernommen hatte, mit dieser Aufgabe überfordert war. Die Kommission schlug daher vor, die europäische Grenzschutzkooperation in Form einer Interner Link: Europäischen Agentur zu institutionalisieren.
Europäische Agenturen zeichnen sich durch zwei Charakteristika aus: Zum einen sind ihre Kompetenzen auf Grund der Meroni-Doktrin
Gründung der Agentur
Die Gründungs-Verordnung für die Grenzschutzagentur wurde im Jahr 2004 durch den Rat verabschiedet. Die Agentur nahm ihre Arbeit im Mai 2005 auf, als sie ihr Hauptquartier in der polnischen Hauptstadt Warschau bezog. Ihr kurzer Name Interner Link: Frontex leitet sich vom französischen Begriff für Außengrenzen – frontières extérieures – ab. Aufschlussreicher war der lange und offizielle Titel der Agentur: Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Agentur war also nicht damit beauftragt, selbst Grenzschutz zu betreiben – den Vorschlag zur Schaffung einer Europäischen Grenzschutzpolizei hatten die EU-Mitgliedstaaten 2002 vehement zurückgewiesen. Vielmehr ging es um die Koordination und Unterstützung von Grenzschutz-Aktivitäten. Aber nicht an der europäischen Außengrenze: Der Titel der Agentur hält fest, dass es sich um die Außengrenzen der Mitgliedstaaten handelt und verneint damit eine Verantwortung der EU für diese Grenzen. Tatsächlich ist der Begriff EU-Außengrenze völkerrechtlich reine Fiktion.
Aufgaben
Aus diesem Grund – und im Einklang mit dem Fokus auf Expertise, die dem Agentur-Design innewohnt – war Frontex anfänglich beauftragt, eine Verbesserung und langsame Harmonisierung des Grenzschutzes innerhalb der EU zu verfolgen. Zu diesem Zweck betreibt die Agentur bis heute die sogenannte Risikoanalyse, also eine systematische Auswertung von Daten, um grenzpolizeilich relevante Dynamiken prognostizieren zu können. Ferner verfolgt die Agentur Fortschritte im Bereich der Forschung & Entwicklung von Interner Link: Grenzschutztechnologien, wie etwa Biometrie oder Grenzüberwachung durch Drohnen. Die Ausbildung von Grenzschutzbeamt_innen soll durch die Schaffung europäischer Curricula vereinheitlicht werden.
Gleichzeitig führte die Agentur die Gemeinsamen Operationen fort. Das heißt, dass sie (im Normalfall) zeitlich beschränkt Grenzschutzoperationen unter der Hoheit eines Mitgliedstaats koordiniert, in den andere Mitgliedstaaten Grenzschutzeinheiten entsenden. Beispiel ist etwa die Operation Hera, die in den ersten Jahren der Agentur zwischen den Kanarischen Inseln und Senegal durchgeführt wurde, oder die Operation Poseidon, die entlang der griechisch-türkischen Land- und Seegrenze stattfand. Zudem soll die Agentur die Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Sammelabschiebungen unterstützen.
Entwicklung der Agentur
Frontex hat in den 15 Jahren seit ihrer Gründung ein rasantes Wachstum erfahren. Dies gilt für Budget und Personalausstattung, aber auch für ihre Kompetenzen. Schon im Jahr 2007 wurde die Gründungs-Verordnung
Die tiefgreifendste Reform der Agentur fand jedoch im Jahr 2016 statt. Als Reaktion auf die Interner Link: Migrationsbewegungen des Jahres 2015 wurde die Agentur ausgebaut. Nicht nur erhielt sie den neuen Namen Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache, gleichzeitig wurde auch die Europäische Grenz- und Küstenwache als Summe aller nationalen Grenzpolizeiinstitutionen geschaffen
Kontrolle und Grundrechte
Damit ist innerhalb von lediglich 15 Jahren eine Europäische Agentur entstanden, die nicht nur über ein beträchtliches Budget (2021: 543,5 Millionen Euro