Wenn in der Öffentlichkeit mit Blick auf Migration von „Rückkehr“ die Rede ist, ist meist die Ausreisepflicht abgelehnter Asylsuchender gemeint. Neben Interner Link: Abschiebungen steht dabei die „freiwillige Rückkehr“ im Zentrum. Gemeint sind damit Maßnahmen, durch die Ausreisepflichtige Beratung sowie finanzielle und logistische Unterstützung bei ihrer Ausreise erhalten. Treffender ist deshalb die Bezeichnung „geförderte Rückkehr“. Denn: von „Freiwilligkeit“ kann kaum die Rede sein, wenn eine Pflicht zur Ausreise besteht und die Alternative oft nur die Abschiebung ist. Manche sprechen deshalb in beiden Fällen von einer „staatlich veranlassten Rückkehr“ oder beschreiben die geförderte Rückkehr als „soft deportation“ (auf Deutsch etwa „sanfte Abschiebung“).
Politisch wird die Rückkehrförderung als kostengünstige und humanitäre Alternative zur Abschiebung gesehen. Ihr Ziel ist die Erhöhung der Ausreisezahlen: Durch Beratung, Erstattung der Reisekosten sowie finanzielle Start- und Reintegrationshilfen werden Anreize zur Rückkehr gesetzt. Ausreisepflichtige machen seit 2015 knapp zwei Drittel der geförderten Rückkehrer:innen aus Deutschland aus. Bei einem weiteren Drittel handelt es sich um Menschen mit einer sogenannten Aufenthaltsgestattung. Das sind Personen, die sich noch im Asylverfahren befinden. Nur etwa drei Prozent derjenigen, die die Rückkehrförderung in Anspruch nehmen, haben einen festen Aufenthaltstitel, sind also nicht von einer Abschiebung bedroht.
Rückkehrförderprogramme in Deutschland und der EU
Die Landschaft der Rückkehrfördermaßnahmen lässt sich nur schwer überblicken: Es gibt viele verschiedene Programme auf Bundes-, Landes- und EU-Ebene mit jeweils verschiedenen Zielgruppen und Förderarten, an denen diverse staatliche und nicht-staatliche Akteure beteiligt sind. Die Förderlandschaft verändert sich außerdem kontinuierlich, weil Programme auslaufen und neue Maßnahmen und Akteure dazukommen.
Das erste deutsche Rückkehrprogramm wurde 1979 aufgelegt und ist das älteste Programm weltweit. Seine Abkürzung REAG/GARP (Reintegration and Emigration Programme for Asylum-Seekers in Germany/Government Assisted Repatriation Programme) ist ein Synonym für die deutsche Rückkehrförderung, auch weil nahezu alle geförderten Ausreisenden über dieses Programm laufen. REAG/GARP bietet finanzielle Unterstützung in drei Bereichen (Stand: 2025): Reisebeihilfe (Fahrkarten und 200 Euro Reisegeld), medizinische Unterstützung (bis zu 2.000 Euro für maximal drei Monate nach der Ankunft) und eine einmalige Barauszahlung (1.000 Euro pro Person, bis zu 4.000 Euro pro Familie). Durch das Programm „Starthilfe-Plus“ werden ein halbes Jahr nach der Rückkehr zusätzlich bis zu 1.000 Euro pro Person (bzw. bis zu 2.000 Euro pro Familie) ausgezahlt. Die Verfügbarkeit und genaue Höhe dieser Auszahlung hängen vom Herkunftsland ab.
Seit 2015 wird diese Rückkehrförderung durch sogenannte Reintegrationsmaßnahmen ergänzt, also Maßnahmen zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Wiedereingliederung der Rückkehrenden in ihrem Herkunftsland. Bei diesen Maßnahmen wird kein Bargeld aus-gezahlt, stattdessen werden vor allem Sachmittel zur Existenzgründung bereitgestellt. Außer-dem werden Rückkehrer:innen nach ihrer Ankunft in den Herkunftsstaaten weiter beraten. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ist damit Teil der Rückehrpolitik geworden: Im Programm „Perspektive Heimat“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), welches von 2017 bis 2021 durch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) umgesetzt wurde, fand in Deutschland eine Beratung durch „Reintegrationsscouts“ statt und wurden Beratungszentren in ausgewählten Herkunftsstaaten gegründet. Sie sollten die Rückkehrer:innen bei der Reintegration in den lokalen Arbeits-markt unterstützen. Nachdem „Perspektive Heimat“ endete, wurden diese Strukturen in das Programm „Startfinder“ übertragen.
Dass Rückkehr- und Reintegrationsprogramme nicht immer zu trennen sind, sieht man daran, dass in Deutschland bereits seit den 1990er Jahren diverse staatliche und nicht-staatliche Stellen eine Rückkehrberatung anbieten. Diese Stellen unterstützen Rückkehrer:innen nicht nur bei ihrem REAG/GARP-Antrag, sondern bieten auch eine – je nach Expertise – umfassen-de Reintegrationsberatung an. Für Nichtregierungsorganisationen wie die deutschen Wohlfahrtsverbände wiederum bedeutet Rückkehrberatung ein Spannungsverhältnis. Einerseits unterstützen sie Menschen in prekären Situationen. Andererseits nehmen sie ihre Aktivitäten auch als eine indirekte Beteiligung an einer zunehmend restriktiven Migrationspolitik wahr, deren Ziel es ist, „irreguläre Migration“ durch höhere Ausreisezahlen und niedrigere Asylzuwanderung zu reduzieren. Auf EU-Ebene wird Rückkehrförderung zunehmend zentralisiert. Nachdem der Interner Link: Europäischen Grenzschutzagentur Frontex 2019 mehr Kompetenzen übertragen wurden, veröffentlichte die EU-Kommission 2021 die erste EU-weite Strategie zur Rückehrförderung, in der Frontex eine zentrale Rolle zukommt. Seit 2022 setzt Frontex das European Reintegration Programme (EURP) um, bei dem über die Beratungsstellen in den Mitgliedstaaten kurz- und langfristige Reintegrationsförderung beantragt werden kann. Frontex bildet außerdem selbst Rückkehrberater:innen aus, die dann in den Mitgliedstaaten eingesetzt werden. Aus Bulgarien wird etwa berichtet, dass Frontex Asylsuchende direkt nach ihrer Ankunft berät und zur Rückkehr bewegen soll. Die finanzielle Förderung von Rückkehrprogrammen in den Mitgliedstaaten kommt zu großen Teilen aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der EU. Die Gelder werden insbesondere an staatliche Stellen ausgezahlt. Das ist eine weitere Methode, die unterschiedlichen Herangehensweisen und Programme der Rückkehrförderung und -beratung in den EU-Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen und zu zentralisieren.
Verschiebung der Rückkehrförderung in das Asylverfahren
Rückkehrprogramme richten sich nicht nur an abgelehnte Asylsuchende, sondern auch an diejenigen, deren Verfahren noch gar nicht abgeschlossen ist. So informiert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Asylsuchende bereits bei der Asylantragsstellung über die Möglichkeiten einer geförderten Rückkehr. Auch die EU-Kommission empfiehlt eine Rückkehrberatung zum „frühestmöglichen Zeitpunkt des Migrationsprozesses, gegebenenfalls auch während des Asylverfahrens, beispielsweise bei Personen aus Ländern mit geringer Anerkennungsquote“. Darüber hinaus beinhaltet REAG/GARP einen „Sonderbetrag bei frühzeitiger Ausreise“: 500 Euro mehr erhalten diejenigen, die vor dem Abschluss des Asylverfahrens oder bis zu zwei Monate danach ausreisen. Damit sollen finanzielle Anreize, einen Asylantrag zurückzuziehen oder zumindest auf die Klage gegen einen negativen Bescheid zu verzichten, geschaffen werden. Wie bereits erwähnt, wurden seit 2015 ein Drittel aller Anträge auf eine geförderte Ausreise von Menschen im oder kurz nach dem Asylverfahren gestellt. 2024 lag dieser Anteil sogar bei knapp über der Hälfte.
Darüber hinaus verwenden Gerichte in Klageverfahren gegen negative Asylbescheide zunehmend Informationen über Rückkehrprogramme. Damit begründen sie, dass lebensbedrohliche Verelendung, für die es in bestimmten Fällen humanitären Schutz geben kann, unwahrscheinlich ist. Sie argumentieren, dass zumindest die Phase unmittelbar nach der Rückkehr durch die Hilfen überbrückt wird und nur Gefahren während dieser Phase für die Anerkennung von Schutz relevant sind.
Damit sind Rückehrhilfen nicht nur Maßnahmen nach einem abgelehnten Asylantrag, sondern beeinflussen auch das Asylverfahren selbst: 1) durch frühe Information zu Fördermöglichkeiten, 2) durch finanzielle Anreize zum Rückzug aus dem Verfahren bzw. dem Verzicht auf eine Klage vor Gericht oder 3) indem die sie die Chance auf Schutz schmälern, weil Richter:innen davon ausgehen, dass Rückkehrhilfen eine Verelendung verhindern.
Rückkehrförderung und Migrationsmanagement
Aus diesen Gründen ist es wichtig, die genaue Wirkung der Programme besser zu erforschen. Fördern sie tatsächlich die nachhaltige Reintegration? Und gelingt über sie die sichere Überbrückung der ersten Zeit nach der Rückkehr? Zwar gibt es zahlreiche wissenschaftliche Studien zu generellen Erfolgsfaktoren und den Herausforderungen von Rückkehr und Reintegration. Sie befassen sich etwa mit der Stigmatisierung von Rückkehrer:innen und der Rolle sozialer Netzwerke, der Unterstützung durch Mentoringprogramme oder der Rolle von Nichtregierungsorganisationen im Rückkehrsystem. Die einzigen Evaluationen aber, die sich explizit mit den deutschen Rückkehrprogrammen auseinandersetzen, stammen vom BAMF und der Internationalen Organisation für Migration (IOM), also den Organisationen, die diese Programme selbst umsetzen bzw. umgesetzt haben. Eine Bewertung der Programme durch unabhängige Stellen fehlt bislang.
Neben der Förderung der Rückkehr gibt es weitere Möglichkeiten, die Zahl der Ausreise-pflichtigen zu senken. Eine Alternative ist die Regularisierung, also die Vergabe (un-)befristeter Aufenthaltstitel an diejenigen, deren Asylantrag nicht erfolgreich war, die aber Deutschland oder die EU dennoch nicht verlassen (können). Ein Beispiel ist das sogenannte Chancen-Aufenthaltsrecht. Es ermöglicht Langzeitgeduldeten eine zunächst auf ein Jahr befristete Aufenthaltserlaubnis zu erhalten, die es ihnen erlauben soll, die Voraussetzungen für ein längerfristiges Aufenthaltsrecht zu erfüllen. Dazu zählt etwa die Sicherung des Lebensunterhalts. Wenn Maßnahmen wie das Chancen-Aufenthaltsrecht eine Alternative zur Rückkehr darstellen, ist auch der Begriff „freiwillige Rückkehr“ passender, weil im Rahmen der Rückkehrberatung auf verschiedene Alternativen hingewiesen werden kann. Steht als einzige Alternative hingegen nur die Abschiebung im Raum, ist die Rückkehrförderung lediglich das ‚freundliche Gesicht‘ der Ausreisepflicht und ein weiteres Instrument des Migrationsmanagements.