Unbegleitete minderjährige Geflüchtete: Wer sind sie?
Als unbegleitete minderjährige Geflüchtete werden Kinder und Jugendliche bezeichnet, die noch nicht volljährig sind und ohne Eltern oder eine sorgeberechtigte Person nach Interner Link: Deutschland geflüchtet sind und dort Interner Link: Schutz suchen. Sie kommen alleine, weil sie von ihren Familienangehörigen in ein anderes Land geschickt wurden, ihre Angehörigen zuvor zum Beispiel im Krieg oder auf der Flucht verloren haben oder selbst die Entscheidung getroffen haben, aus ihrem Herkunftsland zu fliehen.
Welche Rechte haben unbegleitete minderjährige Geflüchtete in Deutschland?
Die Interner Link: rechtliche Situation unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter ist sehr kompliziert, da sie z.B. je nach Interner Link: Aufenthaltstitel unterschiedliche Rechte haben. Grundsätzlich gilt, dass unbegleitete minderjährige Geflüchtete besonders geschützt werden müssen. Auf internationaler Ebene ist dies im Rahmen der Interner Link: UN-Kinderrechtskonvention (KRK) festgelegt, die den geflüchteten Kindern einen "angemessenen Schutz und humanitäre Hilfe" (Art. 22 KRK) garantiert. Außerdem schreibt die EU-Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2013/33/EU) vor, welche Mindeststandards bei der Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter eingehalten werden müssen.
In Deutschland wird die Aufnahme und Versorgung der jungen unbegleiteten Geflüchteten im Kinder- und Jugendhilferecht geregelt (Achtes Sozialgesetzbuch, SGB VIII). Danach haben alle jungen Menschen das Recht auf Förderung ihrer Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Das schließt Minderjährige ein, die nach Deutschland geflüchtet sind.
Sowohl begleitete als auch unbegleitete minderjährige Geflüchtete haben beispielsweise das Recht auf einen sofortigen Zugang zu Schule und Ausbildung. Begleitete junge Geflüchtete stehen jedoch weniger im Fokus der Jugendhilfe. So sind diese meist mit ihren Eltern in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, in denen reguläre Strukturen und Angebote der Jugendhilfe häufig fehlen, kein Wissen über den Anspruch auf diese Leistungen besteht und daher nicht in Anspruch genommen werden können.
Unbegleitete minderjährige Geflüchtete haben hingegen in Deutschland das Recht auf Inobhutnahme durch das Jugendamt und Unterbringung in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe. Ihnen steht außerdem ein persönlicher Vormund zu. Unbegleitete Jugendliche, die unter 18 Jahre alt sind, können zudem in der Regel nicht in ihr Herkunftsland oder in ein anderes EU-Land abgeschoben werden und erhalten bis zur Volljährigkeit eine sogenannte Duldung, also eine Aussetzung der Abschiebung (vgl. § 60a Abs. 2 AufenthG).
Die Interner Link: UN-Kinderrechtskonvention, europarechtliche Vorgaben und das Achte Sozialgesetzbuch (SGB VIII) schreiben die Orientierung am Wohle und an den Interessen der minderjährigen Geflüchteten vor. Diese Vorgaben werden jedoch nicht flächendeckend umgesetzt. Es gibt Hinweise aus der Praxis, dass es bei der Erfassung, beim Zugang zu rechtlichen Vertretern und bei der Unterbringung erhebliche Abweichungen zwischen den gesetzlichen Anforderungen und der Praxis gibt.
Wo und wie werden unbegleitete minderjährige Geflüchtete untergebracht?
Wenn ein Minderjähriger ohne seine Eltern bzw. Personensorgeberechtigte in Deutschland ankommt, wird dieser vom Jugendamt zunächst vorläufig in Obhut genommen (vgl. § 42a SGB VIII). In diesem Rahmen wird zunächst die Interner Link: Gesundheit untersucht und eine Alterseinschätzung durchgeführt, sofern Zweifel über das angegebene Alter bestehen. Zudem wird geklärt, ob sich Familienmitglieder oder Verwandte der Jugendlichen in Deutschland oder einem anderen EU-Mitgliedstaat aufhalten. Innerhalb einer Woche muss das Jugendamt beurteilen, ob der Jugendliche in eine andere Kommune oder ein anderes Bundesland verteilt werden kann oder ob damit das Kindeswohl gefährdet wäre.
Dann sollten die Jugendlichen an dem Ort angekommen sein, an dem sie zunächst einmal bleiben und durch das dortige Jugendamt regulär in Obhut genommen werden können. Zusammen mit dem Jugendlichen werden anschließend in einem sogenannten Clearingverfahren die Situation und der Unterstützungsbedarf durch die Kinder- und Jugendhilfe geklärt. In dieser Phase bestellt das Familiengericht einen Vormund als gesetzliche Vertreterin bzw. gesetzlichen Vertreter. Die sogenannte Amtsvormundschaft übernimmt meist eine Mitarbeiterin bzw. ein Mitarbeiter des Jugendamts.
Nachdem im Rahmen des Clearingverfahrens der Jugendhilfebedarf der unbegleiteten Jugendlichen festgestellt wurde, werden die Jugendlichen entsprechend ihres Bedarfs in eine andere Unterkunftsform weiterverteilt. Im Rahmen der Hilfen zur Erziehung (§ 27 SGB VIII) besteht die Möglichkeit, unbegleitete Minderjährige in einer Einrichtung der Heimerziehung (§ 34 SGB VIII) oder im Rahmen intensiver sozialpädagogischer Einzelbetreuung (§ 35 SGB VIII) unterzubringen. Die meisten Jugendlichen werden in stationären Wohnformen untergebracht. Diese sind häufig betreute Wohngruppen, die auf unbegleitete Geflüchtete spezialisiert sind. Doch es gibt auch Jugendhilfeeinrichtungen, in denen deutsche und geflüchtete Jugendliche zusammen leben. Gerade in diesen gemischten Einrichtungen kann es geflüchteten Jugendlichen schnell gelingen, die deutsche Sprache zu erlernen .
Wie funktioniert die Unterbringung in Gastfamilien?
Neben den dargestellten Arten der Unterbringung gibt es zudem die Möglichkeit, dass unbegleitete Jugendliche bei Pflegefamilien (§ 33 SGB VIII) wohnen. Diese werden meist "Gastfamilien" genannt.
Wie stehen die Chancen auf Familiennachzug?
Es gibt unterschiedliche Formen der Familienzusammenführung bzw. des Familiennachzugs bei unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten: Zum einen besteht die Möglichkeit der Familienzusammenführung innerhalb von Deutschland oder innerhalb eines anderen EU-Mitgliedstaates (Art. 8 Interner Link: Dublin III), also der Nachzug zu oder von einem Familienangehörigen des Minderjährigen. Das können Eltern, Geschwister, aber auch Onkel, Tanten oder Großeltern sein. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit des Familiennachzugs der Eltern bzw. sonstigen Familienangehörigen, wie Geschwister des unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, die sich nicht in Deutschland oder einem anderen EU-Mitgliedsstaat aufhalten (§ 36 AufenthG). Die Chancen eines Familiennachzugs für Angehörige, die sich noch im Herkunftsland oder einem Land außerhalb der EU befinden, sind für die meisten Jugendlichen sehr gering und hängen von vielen Faktoren ab. So kommt ein Familiennachzug nur für diejenigen infrage, die einen positiven Bescheid über ihren Interner Link: Asylantrag und einen gesicherten Interner Link: Aufenthaltsstatus bekommen.
Wie verändert sich ihre Situation, wenn sie gerade volljährig geworden sind?
Nicht nur hinsichtlich der Chancen auf Familiennachzug verändern sich die Bedingungen der Jugendlichen mit Eintritt in die Volljährigkeit. Die Jugendlichen verlieren den Abschiebeschutz für Minderjährige, sobald sie 18 Jahre alt werden.
Auch bedeutet die Volljährigkeit häufig, dass die Jugendlichen aus der Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe herausfallen und dort begonnene Maßnahmen abgebrochen werden.
Der Abbruch der Jugendhilfe mit 18 Jahren ist für geflüchtete Jugendliche jedoch nicht zwingend. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz legt fest, dass Hilfen zur Persönlichkeitsentwicklung und eigenverantwortlichen Lebensführung solange gewährt werden können, wie dies aufgrund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist (§ 41 Abs. 1 SGB VIII). Neben pädagogischen und therapeutischen Hilfen zur Erziehung ist dabei die Unterstützung bei Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen eingeschlossen. Auch die Unterbringung in sozialpädagogisch begleiteten Wohnformen kann über das 18. Lebensjahr hinaus gewährt werden. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt, kann im begründeten Einzelfall aber auch darüber hinaus fortgesetzt werden.
… und die Perspektive der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten?
Aktuelle Ergebnisse von Forschungsprojekten und Studien zeigen, dass unbegleitete minderjährige Geflüchtete unter anderem aufgrund ihrer Trennung von ihren Familienangehörigen und wegen Fluchterfahrungen eine besonders schutzbedürftige Gruppe sind.