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Staatsbürgerschaft und Einbürgerung in Deutschland | Deutschland | bpb.de

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Staatsbürgerschaft und Einbürgerung in Deutschland

Vera Hanewinkel

/ 8 Minuten zu lesen

Lange verstand sich Deutschland nicht als Einwanderungsland. Der Wandel dieser Auffassung Ende der 1990er Jahre ebnete den Weg für eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts.

Ein Hinweisschild für eine Einbürgerungszeremonie im Neuen Rathaus in Hannover. (© picture-alliance/dpa)

Deutscher im Sinne des § 1 des deutschen Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) ist, "wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt". Diese wird in der Regel durch Geburt oder durch Einbürgerung erworben.

Entwicklung des Staatsangehörigkeitsrechts

Im Jahr 1999 wurde das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht reformiert. Mit der Reform, die am 1. Januar 2000 in Kraft trat, wurde das im Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 festgeschriebene Prinzip des Erwerbs der Staatsangehörigkeit durch Abstammung bzw. Vererbung (ius sanguinis) um das Territorialprinzip (ius soli) erweitert. Unter bestimmten Bedingungen erhalten seither auch Personen die deutsche Staatsangehörigkeit, die in Deutschland geboren werden und ausländische Eltern besitzen.

Ursprünglich wollte die damalige rot-grüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (Interner Link: SPD) die weitgehende Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeit im neuen Staatsangehörigkeitsrecht verankern. Dies scheiterte am Widerstand der Opposition. Die Interner Link: CDU/Interner Link: CSU lancierte die bundesweite Unterschriftenkampagne "Ja zur Integration – Nein zur doppelten Staatsangehörigkeit". Diese verhalf Hessens CDU-Spitzenkandidat Roland Koch zu einem Sieg bei den hessischen Landtagswahlen, wodurch sich die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat zugunsten der unionsregierten Länder änderte. So kam es schließlich zum sogenannten Optionsmodell. Demnach erhielten in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil seit mindestens acht Jahren in Deutschland gelebt hatte und im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis war. Erwarben sie gleichzeitig die ausländische Staatsangehörigkeit der Eltern, so mussten sie sich zwischen dem 18. und dem 23. Geburtstag für eine der beiden Staatsangehörigkeiten entscheiden (Optionspflicht). Kinder von EU-Bürger:innen waren von der Optionspflicht ausgenommen und durften beide Staatsangehörigkeiten behalten.

Im Dezember 2014 trat eine Neuregelung der Optionsregelung in Kraft. Seither müssen sich in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern unter bestimmten Voraussetzungen nicht mehr für eine einzige Staatsangehörigkeit entscheiden. Sie dürfen sowohl die deutsche als auch die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern behalten, wenn sie bis zu ihrem 22. Geburtstag mindestens acht Jahre lang in Deutschland gelebt haben, sechs Jahre lang in Deutschland die Schule besucht haben oder über einen in Deutschland erworbenen Schul- oder Berufsausbildungsabschluss verfügen. Kinder von EU-Bürger:innen oder Schweizer Staatsangehörigen erwerben mit ihrer Geburt in Deutschland sowohl die deutsche als auch die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern. Sie dürfen auch nach Vollendung des 21. Lebensjahres beide Staatsangehörigkeiten behalten, ohne dafür weitere Bedingungen erfüllen zu müssen. Voraussetzung bleibt in allen Fällen, dass mindestens ein Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt seit mindestens acht Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt und im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (Niederlassungserlaubnis) ist.

Einbürgerung

Seit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2000 haben Ausländer:innen unter Erfüllung bestimmter Voraussetzungen (in der Regel) nach acht Jahren rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland das Recht, sich einbürgern zu lassen. Zu den Voraussetzungen (dargelegt in § 10 StAG) zählen: ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, die Anerkennung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, der Nachweis den eigenen Lebensunterhalt und den unterhaltsberechtigter Familienangehöriger selbstständig und ohne Rückgriff auf Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II gewährleisten zu können, Straffreiheit sowie ausreichende Deutschkenntnisse. Seit dem 1. Januar 2008 müssen darüber hinaus Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland durch einen Einbürgerungstest nachgewiesen werden. Im Rahmen der Einbürgerung gilt der Grundsatz, dass Mehrstaatigkeit vermieden werden soll. Das bedeutet, dass diejenige Person, die sich einbürgern lassen möchte, ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben muss. Von dieser Regelung sind Staatsangehörige eines anderen EU-Mitgliedslandes ausgenommen, d.h. sie dürfen ihre bisherige Staatsangehörigkeit auch bei Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit behalten. Ferner wird von der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit auch dann abgesehen, wenn die Aufgabe dieser nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen möglich ist. Dies gilt im Fall von Herkunftsländern, die ihre Staatsangehörigen grundsätzlich nicht aus der Staatsangehörigkeit entlassen oder die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit regelmäßig verweigern. Dies ist beispielsweise im Iran, in Marokko, Afghanistan, Bolivien, Nigeria und Syrien der Fall. In den vergangenen Jahren erfolgten regelmäßig mehr als die Hälfte der Einbürgerungen unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit (z.B. 2019 61,9 Prozent); die Eingebürgerten durften ihre bisherige Staatsangehörigkeit also beibehalten.

Entwicklung der Einbürgerungszahlen

Eine statistische Übersicht über Einbürgerungen in Deutschland gibt die vom Statistischen Bundesamt jährlich veröffentlichte Einbürgerungsstatistik. Im Jahr 2000, dem Jahr der Staatsangehörigkeitsreform, ließen sich rund 187.000 Menschen einbürgern. In den folgenden Jahren sank die Zahl der Einbürgerungen deutlich. Im Jahr der Einführung des verpflichtenden Einbürgerungstests, 2008, erhielten ca. 94.500 Personen die deutsche Staatsangehörigkeit. Seitdem ist die Zahl der Einbürgerungen wieder gestiegen. 2019 ließen sich rund 128.900 Ausländer:innen einbürgern – so viele wie zuletzt 2003. 2020 sank die Zahl auf 109.880 – 19.000 weniger als im Vorjahr.

Ein Grund für den Rückgang war die sinkende Zahl britischer Staatsangehöriger, die sich in Deutschland einbürgern ließen. Nach dem Interner Link: 2016er Referendum zum Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union war die Zahl einbürgerungswilliger Brit:innen aufgrund unklarer Aufenthaltsperspektiven nach dem Interner Link: Brexit zunächst in die Höhe geschnellt. Dazu dürfte auch die Regelung beigetragen haben, dass britische Staatsangehörige, die ihren Einbürgerungsantrag vor Ende 2020 stellten, ihre britische Staatsangehörigkeit auch nach einer Einbürgerung beibehalten dürfen.

Daneben bewirkte auch die Corona-Pandemie einen Rückgang der Einbürgerungszahlen im Jahr 2020: Bei den für die Einbürgerung zuständigen Behörden kam es zu längeren Wartezeiten; insgesamt konnten weniger Einbürgerungsanträge bearbeitet werden. Die Pandemie erschwerte es Einbürgerungsbewerber:innen zudem, die erforderlichen Dokumente von den Botschaften ihrer jeweiligen Herkunftsländer zu besorgen und notwendige Sprach- und Integrationstests abzulegen.

Im OECD- und EU-Vergleich ist das Einbürgerungsinteresse in Deutschland niedrig. Schätzungen zufolge leben hier rund fünf Millionen Ausländer:innen, die die Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllen. Je nach Erhebung wollen sich davon aber nur 20-30 Prozent tatsächlich auch einbürgern lassen. Am niedrigsten ist das Einbürgerungsinteresse unter Angehörigen anderer EU-Staaten, die als Unionsbürger:innen auch ohne die deutsche Staatsangehörigkeit weitreichende Teilhaberechte genießen. Die höchste Einbürgerungsbereitschaft zeigen hingegen Menschen mit eigener oder familiärer Fluchterfahrung.

Nicht nur eine verstärkte Zuwanderung, sondern auch das geringe Einbürgerungsinteresse haben dazu geführt, dass die Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer:innen deutlich gestiegen ist: von rund 7,3 Millionen im Jahr 2005 auf zehn Millionen im Jahr 2019. Im gleichen Zeitraum ist das sogenannte "ausgeschöpfte Einbürgerungspotenzial" von 2,8 auf 2,2 Prozent gesunken. Es beschreibt den Anteil der Einbürgerungen an allen ausländischen Staatsangehörigen, die seit mindestens zehn Jahren in Deutschland leben und damit potenziell einbürgerungsberechtigt sind. Die skizzierte Entwicklung führt dazu, dass ein wachsender Anteil an Bürger:innen nur eingeschränkte politische Mitbestimmungsmöglichkeiten hat. So können sich in Deutschland lebende Ausländer:innen zwar an öffentlichen Debatten z.B. in Medien oder Gemeinden – beispielsweise im Rahmen von Ausländer- und Integrationsbeiräten – beteiligen und so an der öffentlichen Meinungsbildung mitwirken. Das Recht zur Teilnahme an politischen Wahlen haben sie allerdings nur dann, wenn sie Staatsangehörige anderer EU-Staaten sind, da die Unionsbürgerschaft ihnen das aktive und passive Wahlrecht in Kommunalwahlen garantiert. Somit bleiben viele Ausländer:innen in Deutschland vom Wahlrecht ausgeschlossen, auch wenn sie bereits seit Jahrzehnten ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben. Wer das Recht haben sollte, die deutsche Staatsangehörigkeit zu erhalten, wird regelmäßig neu ausgehandelt. Insbesondere über das Thema der Interner Link: doppelten Staatsangehörigkeit wird immer wieder diskutiert. Jüngst ging es dabei vor allem um die Frage des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit bei einer Interner Link: Beteiligung an Kampfhandlungen für eine Terrormiliz im Ausland. So hat der Bundestag im Juni 2019 beschlossen, dass Deutschen, die sich einer Terrormiliz anschließen, ihr deutscher Pass entzogen werden kann – allerdings nur dann, wenn sie noch über eine weitere Staatsangehörigkeit verfügen. Denn: Das Grundgesetz (Art. 16 Abs. 2 Satz 2) bestimmt, dass ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nicht dazu führen darf, dass die betroffene Person staatenlos wird.

Deutschsein – Frage(n) der Zugehörigkeit

52,4 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen, denen in der Bevölkerungsstatistik ein Interner Link: "Migrationshintergrund" zugewiesen wird, besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit. Dennoch machen viele von ihnen im Alltag die Erfahrung, dass ihr Deutschsein und ihre Zugehörigkeit infrage gestellt werden, wie etwa der Hashtag #vonhier, Debatten über Interner Link: Alltagsrassismus oder Befragungsstudien zu Benachteiligungswahrnehmungen deutlich machen. Studien zeigen allerdings, dass sich ein Großteil der Eingewanderten und ihrer Nachkommen in Deutschland zugehörig fühlt und zudem die Vorstellung, der Erwerb der Staatsangehörigkeit müsse mit der Abstammung bzw. Vererbung (ius sanguinis) einhergehen, abnimmt. In der Studie "Deutschland postmigrantisch" gaben 2014 37 Prozent der Befragten an, "Deutsche Vorfahren zu haben" sei ein wichtiges Kriterium des Deutschseins. Ein Vergleich mit Daten des International Social Science Programme (ISSP), zeigt, dass dieser Wert im Zeitverlauf geschrumpft ist: 2003 belief er sich noch auf 48,2 Prozent. Stattdessen finden zunehmend Kriterien Zustimmung, die "erlernt" oder "erarbeitet" werden können, wie etwa (akzentfrei) "Deutsch sprechen zu können" und "die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen". Diese Meinung teilen dabei nicht nur Menschen ohne Migrationshintergrund bzw. -zuschreibung, sondern auch Eingewanderte und ihre Nachkommen. Diese nehmen zunehmend für sich in Anspruch, die Einwanderungsgesellschaft und Deutschlands Selbstbild als Einwanderungsland aktiv mitzugestalten und "Deutschsein" als inklusive Zugehörigkeitskategorie zu definieren. Selbstbezeichnungen wie "Neue Deutsche", "Afrodeutsche" oder "Bindestrich-Deutsche" sollen dabei für Vielfalt als Normalität und als selbstverständlicher Bestandteil des Deutschseins stehen.

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Vera Hanewinkel ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.
E-Mail: E-Mail Link: vera.hanewinkel@uni-osnabrueck.de