Afghanistan
Afghanistan hatte 2024 eine Bevölkerung von schätzungsweise etwa 39,2 Millionen
Binnenvertriebene
Binnenvertreibungen spielen seit der Taliban-Machtübernahme offiziell kaum noch eine Rolle. Die Zahl der Binnenvertriebenen schätzte die weltweit führende Beobachtungsstelle für Binnenvertreibung Externer Link: IDMC zum Jahresende 2024 auf 5,4 Millionen, davon waren bis 2021 etwa 4,2 Millionen aufgrund von Gewaltkonflikten geflohen. Seit 2021 wurde kein Zuwachs an Vertriebenen aufgrund von Gewalt und Konflikten im Land verzeichnet, da der Hauptkonflikt zwischen der ehemaligen Regierung (Republik bis 2021) und den Taliban seit der Machtübernahme obsolet ist. Seitdem übt das sogenannte Islamische Emirat effektiv das Gewaltmonopol aus und ist in der Lage, andere bewaffnete Akteure wie den Islamischen Staat Provinz Khorasan (ISPK), ein lokaler Ableger des sogenannten
Die Situation der Afghan:innen in den Hauptaufnahmeländern
Der Schutzstatus und die Schutzwürdigkeit afghanischer Geflüchteter wurde nach der Machtübernahme der Taliban 2021 in den meisten Ländern anfangs kaum politisch hinterfragt – mit wenigen Ausnahmen. So hat die Türkei unabhängig von den politischen Umständen in Afghanistan fast kontinuierlich Afghan:innen abgeschoben. Die zentralasiatischen Staaten haben im August 2021 den limitierten Schutz für Afghan:innen weiter beschränkt und keine weiteren Visa, Registrierungen oder Aufenthaltsgenehmigungen gewährt. Andere Länder – z.B. diverse EU-Mitgliedstaaten inklusive Deutschland – haben ab 2022 den Schutzanspruch von Afghan:innen sukzessive neu bewertet, Rückführungsstopps aufgehoben und lehnen zunehmend Asylanträge ab.
Pakistan
Besonders schwierig ist die Situation der Afghan:innen in Pakistan, da die pakistanische Regierung seit 2023 ein Repatriierungsprogramm zur Rückführung nach Afghanistan für sogenannte illegal aufhältige Ausländer aufgelegt hat. Hierunten fallen auch zunehmend Afghan:innen mit Schutzstatus und solche mit Aufnahmezusage aus Drittstaaten wie Deutschland. Pakistan hat seit den 1970er Jahren afghanische Geflüchtete aufgenommen, jedoch über die Jahrzehnte auf politischer und gesellschaftlicher Ebene eine starke anti-afghanische Haltung entwickelt. Die im Land lebenden Afghan:innen wurden stets politisch instrumentalisiert und vermehrt als Bürde, Kriminelle und Terroristen gebrandmarkt. Die pakistanische Regierung, die nach der Machtübernahme ihren Einfluss auf die Taliban in Afghanistan maßgeblich eingebüßt hat, vertritt seitdem die Auffassung, dass Afghanistan sicher sei und deshalb der Rückkehr der 2024 noch mehr als drei Millionen in Pakistan lebenden Afghan:innen nichts mehr im Wege stehe. Allerdings übergeht diese Position wissentlich, dass die meisten der in Pakistan lebenden Afghan:innen dort geboren und bereits in dritter und vierter Generation heimisch sind. Andererseits liegt der Unwille Pakistans, die mehrstufige Rückführungsoffensive abzumildern, vor allem in den schlechter gewordenen Beziehungen zwischen beiden Ländern begründet. Pakistan wirft Afghanistan vor, die terroristischen Aktivitäten der pakistanischen Taliban (TTP) zu unterstützen, die regelmäßig Anschläge auf pakistanischem Territorium verüben und die Regierung stürzen wollen. Mit der Rücksendung von Millionen Menschen nach Afghanistan, das angesichts diplomatischer Isolation, eingefrorener Währungsreserven und nur rudimentär ausgebildeter Wirtschaftsstrukturen in einer höchst prekären Lage ist, versucht Pakistan Druck auf die herrschenden Taliban auszuüben. Die teilweise gewaltvollen Aufgriffe und Deportationen treffen dabei vereinzelt auch Personen mit Aufnahmezusagen aus Drittländern. Viele von ihnen haben nach August 2021 unter erschwerten Bedingungen und für unverhältnismäßig hohe Preise Einreisevisa für Pakistan erworben. Diese sind aufgrund der nicht oder nur sehr langsam erfolgten Bearbeitung der Ausreiseanträge durch Drittstaaten mittlerweile mehrfach abgelaufen und die Verlängerung gestaltet sich schwierig und oft willkürlich. Von Deportationen nach Afghanistan sind sowohl ehemalige Ortskräfte des deutschen zivilen und militärischen Engagements in Afghanistan bis 2021 als auch gefährdete Afghan:innen, die Zusagen für eine Ausreise im Rahmen des
Iran
Da die große Mehrheit der nach 2021 in den Iran migrierten Afghan:innen ohne Visum und Aufenthaltsstatus im Iran lebte, hatte die iranische Regierung 2022 für 2,6 Millionen irreguläre Migrant:innen einen temporären Schutzstatus eingeführt. Allerdings ist dieser Schutzstatus am 20. März 2025 ausgelaufen und die damit ,irregularisierten’ Personen wurden Teil der großen undokumentiert im Land lebenden afghanischen Bevölkerung. Im September 2023 kündigte die iranische Regierung an, alle ohne Aufenthaltserlaubnis im Land lebenden Afghan:innen auszuweisen. Dafür hat sie unter Androhung von Verhaftungen und Zwangsrückführungen verschiedene Fristen gesetzt, zuletzt den 6. Juli 2025.
Seit August 2024 gab es weiterhin eine Welle von Arbeits- und Aufenthaltsverboten für (auch registrierte) Afghan:innen in diversen Regionen des Landes (z.B. Khorasan, Fars, Hormozgan). Nach und nach wurden Miet- und Mobilfunkverträge gekündigt, Häuser zerstört und zusätzlich – im Zuge des 12-tägigen Krieges mit Israel im Juni 2025 – Afghan:innen wegen Spionageverdachts willkürlich verhaftet und ausgewiesen. Aufgrund der Politisierung und öffentlich aufgeheizten anti-afghanischen Stimmung im Iran ist 2024/25 eine beispiellose Abwanderung erfolgt. Viele Afghan:innen versuchen, in die Türkei auszureisen und von dort weiter nach Europa zu gelangen – misslingt dies, ist die Rückkehr nach Afghanistan alternativlos, sofern der Iran nicht erneut Arbeitsvisa vergibt.
USA, EU und Deutschland
In westlichen Aufnahmeländern – inklusive Deutschland – sind Afghan:innen vier Jahre nach der Machtübernahme der Taliban zunehmend von Abschiebungen betroffen. In den USA hat die Regierung von Präsident Donald Trump den temporären Schutz für Asylsuchende aufgehoben und das Programm ‚Operation Enduring Welcome‘ beendet, von dem etwa Externer Link: 200.000 gefährdete Afghan:innen seit 2021 profitiert hatten. Zehntausende verloren damit ihren Schutzstatus und etliche sind 2025 bereits in Drittländer wie Costa Rica und Panama abgeschoben worden. In der Europäischen Union bilden Afghan:innen seit Jahren die zweitgrößte Gruppe der Asylantragstellenden; Asylerstanträge von Afghan:innen verzeichneten ab Ende 2021 europaweit einen starken Anstieg. Externer Link: 2023 stellten mehr als 100.000 afghanische Staatsangehörige einen Antrag auf internationalen Schutz in der EU-27. 2024 ist dieser Wert Externer Link: auf 72.200 gesunken.
Die Schutzquoten sind EU-weit allerdings höchst uneinheitlich
Während nicht eindeutig klar ist, wie viele Afghan:innen aufgrund der Machtübernahme der Taliban 2021 direkt aus Afghanistan oder aus anderen Zufluchtsländern wie Iran und Pakistan nach Deutschland geflüchtet sind, können die Einreisen über Aufnahmeprogramme genau beziffert werden: Bis Anfang März 2025 sind 34.881 Ortskräfte und besonders schutzbedürftige Personen nach Deutschland gekommen – von insgesamt 42.857, denen bis zur Beendigung der Programme im April 2025 eine Aufnahme in Deutschland Externer Link: zugesagt worden war. Die Aufnahmeprogramme und die aus ihnen abgeleitete Schutzverantwortung gingen davon aus, dass die Betroffenen im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund ihrer Verbindung zu bestimmten politischen Gruppen und Aktivitäten vor 2021 gefährdet sind.