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Glossar DDR-Sprache Blaue Fliesen als sozialistische Errungenschaft der Planwirtschaft

Birgit Wolf-Bleiß

/ 8 Minuten zu lesen

ABV

Kurzform für Abschnittsbevollmächtigter / Angehöriger der Volkspolizei, der für ein bestimmtes Gebiet (Wohngebiet, Gemeinde) zuständig war und dort für Ordnung und Sicherheit zu sorgen hatte.

Aktivist

Kurzbezeichnung für einen staatlichen Ehrentitel, der an Werktätige (Arbeitnehmer) verliehen wurde, die über einen längeren Zeitraum sehr gute Arbeit geleistet hatten und politisch nicht als negativ eingeschätzt wurden.

Allseitig gebildeten sozialistischen Persönlichkeit

Vor allem im Sinne der Ideologie der SED propagiertes Idealbild von einem Menschen, der sein Ziel darin sah, sein hohes allgemeines, fachliches Wissen, seine politischen Überzeugungen sowie seine Erfahrungen bewusst in die Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft einzubringen.

Arbeiter- und Bauernschließfach

Spöttisch gebraucht für eine der DDR-weit typengleich gestalteten Wohnungen in den Plattenbausiedlungen.

Babyjahr

Umgangssprachliche Bezeichnung für das Jahr bis zum ersten Geburtstag des Kindes, in dem sich die Mutter zu seiner Betreuung von der Arbeit freistellen lassen konnte und zwanzig Wochen lang das volle Gehalt (Wochenurlaub) und anschließend Mütterunterstützung bekam. Nach Ablauf des Babyjahres konnte die Frau - dies war ihr gesetzlich garantiert - ihre frühere Arbeit wieder aufnehmen.

Betriebskollektivvertrag

(kurz: BKV) Neubedeutung DDR
Jährlich abzuschließender Vertrag zwischen der Betriebsgewerkschaftsleitung und der Betriebsleitung eines volkseigenen Betriebes, dessen Inhalt im Arbeitsrecht ausführlich geregelt war. Über den Betriebskollektivvertrag musste eine Mitglieder- oder Vertrauensleutevollversammlung abstimmen.

blaue Fliesen

Vom Volk geprägte Bezeichnung für einen 100-DM-Schein.

Brigade

/nach russ. Vorbild/ Neubedeutung DDR
Arbeitsgruppe in einem sozialistischen Betrieb, deren Mitglieder mit gleichen bzw. zusammengehörenden Arbeitsaufgaben betraut waren.

Broiler

Junges, industriemäßig gemästetes, fettarmes Hähnchen, das vorzugsweise gegrillt verzehrt wurde und das in der Bundesrepublik als (Brat)hähnchen bezeichnet wird.

Bruderpartei

Neuprägung DDR
In der Propagandasprache die Bezeichnung für eine mit der SED befreundete und auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus basierende kommunistische oder Arbeiterpartei.

Bückware

auch bück-dich-Ware
Mangelware, die nur für besondere Kunden oder gegen (O-Ton:) 'eine kleine Aufmerksamkeit, einen kleinen Aufpreis' von dem Verkäufer unter dem Ladentisch hervorgeholt wurde.

Bürgschaft

Seit1964 im DDR-Strafgesetzbuch verankerte Möglichkeit, für einen gerichtlich verurteilten Kollegen entweder als Einzelperson oder als Arbeitsgruppe gegenüber dem Gericht die Verpflichtung zu übernehmen, sich für die Zeit der Bewährung besonders um ihn zu kümmern, um die Chancen für eine Resozialisierung zu verbessern und Rückfällen vorzubeugen.

Dienstleistungskombinat

Neuprägung DDR
Für die Versorgung v. a. mit hauswirtschaftlichen Dienstleistungen zuständiges Unternehmen, bestehend aus mehreren kleinen Betriebe, Werkstätten und einem Netz von Annahmestellen.

Dispatcher

Neuwort DDR
Verantwortlicher für die Kontrolle und optimale Steuerung von Arbeitsabläufen in der Wirtschaft und im Verkehrswesen.

Dispensairebetreuung

Neuprägung DDR
Ärztliche Betreuung und Behandlung von Patienten mit der gleichen chronischen Erkrankung (Diabetes, Rheuma) oder mit gleichen gesundheitlichen Risikofaktoren (Schwangere) in speziellen Einrichtungen.

Ehekredit

Ursprünglich nicht offizielle, später auch offizielle Bezeichnung für einen seit 1972 einem jungen Paar nach der Eheschließung gewährten zinslosen Kredit in Höhe von 5.000, später 7.000 Mark, dessen Rückzahlung je nach der Zahl der in der Ehe geborenen Kinder teilweise oder ganz erlassen wurde.

Elternaktiv

Von den Eltern der Schüler einer Klasse oder der Kinder einer Vorschuleinrichtung für jeweils ein Schuljahr gewählte Vertretung von Eltern, die sich für die Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule einsetzte.

endversorgt

Verwaltungssprache und Allgemeinsprache

Nach den Vorschriften der Wohnungsbehörde über soviel Wohnräume verfügend, dass kein Anspruch auf eine größere oder bessere Wohnung bestand, es sei denn, die Familie vergrößerte sich. Eine vierköpfige Familie mit 2 1/2 Zimmern galt als endversorgt.

Erichs Krönung

Spöttische, in Anlehnung an "Jacobs Krönung" vom Volk geprägte Bezeichnung für eine Kaffeesorte, die offiziell "Kaffee-Mix" hieß, weil in Ermangelung von Devisen Kaffee mit Gerste gestreckt wurde.

Erntekapitän

Von den Medien überhöhend gebrauchtes Wort für den Fahrer eines Mähdreschers während der Ernte, die jedes Jahr zum erstrangigen propagandistischen Ereignis hochstilisiert wurde. In der Alltagssprache wurde das Wort höchstens spöttisch gebraucht, um sich über die Sprache der Medien lustig zu machen.

Facharbeiter

Offizielle Bezeichnung für verschiedene Facharbeiterberufe, besonders für solche, die aufgewertet werden sollten bzw. die früher gar keine Lehrberufe waren. Bei der Benennung der Berufe war man sehr erfinderisch und brachte es teilweise zu sprachlichen Meisterleistungen. Facharbeiter für die Be- und Verarbeitung von Körnern und Hülsenfrüchten (Müller); Facharbeiter für Fleischerzeugnisse (Fleischer); Facharbeiter für warenbewegende Prozesse (Transportarbeiter).

falten gehen/Zettel falten gehen

Vom Volk geprägte Bezeichnung für wählen gehen.

gesellschaftliche Gerichte

Sammelbezeichnung für die Gerichte, die ausschließlich mit gewählten, ehrenamtlich tätigen Laien besetzt waren, als Konflikt- oder Schiedskommission bezeichnet wurden und in Arbeitsrechtsstreitigkeiten sowie in geringfügigen Fällen des Zivil- und Strafrechts entscheiden durften.

Gliedermaßstab

Zollstock

Hausbuch

In jedem Haus mit mehreren Haushalten gemäß Meldeordnung von einem Hausbuchbeauftragten auf Weisung der Polizei geführtes Heft, in das die persönlichen Daten aller Bewohner (z. B. Geburtsdatum, Familienstand, Beruf) eingetragen wurden. Außerdem wurden auch die Daten aller übernachtenden ausländischen Gäste sowie inländischer Besucher, die sich mehr als drei Tage im Haus aufhielten, registriert.

Held der Arbeit

Neuprägung DDR / nach russ. Vorbild

Als hohe staatliche Auszeichnung seit 1950 verliehener Orden und Ehrentitel (O-Ton:) 'für besondere Verdienste um den Sozialismus sowie das Wachsen und Ansehen der DDR'.

Jugendobjekt

Neuprägung DDR

Zeitlich begrenzte Arbeitsaufgabe, deren Realisierung den Jugendlichen in eigene Verantwortung übertragen wurde. Das Engagement der Jugend sollte damit gezielt für betriebliche Aufgaben, besonders aber auch für die Realisierung volkswirtschaftlich bedeutender nationaler und internationaler Großvorhaben genutzt werden.

Kaderwelsch

Vom Volk geprägte und von Kauderwelsch abgeleitete Bezeichnung für den überall zu hörenden, aber in der Privatsphäre möglichst von allen vermiedenen Funktionärsjargon.

Kinderkombination

(offizielle Kurzform: KiKo)

Meist dreistöckiger Flachbau mit zwei separaten Eingängen, in dem sowohl Kindergarten als auch Kinderkrippe mit ihren Versorgungseinrichtungen (Küche) untergebracht waren und zu dem auch Spielplätze gehörten.

Kombine

[...'bain] nach russ. Vorbild / Neuwort DDR

Landwirtschaftliche Maschine, die gleichzeitig verschiedene Arbeitsgänge ausführen konnte. Ursprünglich die Bezeichnung für Mähdrescher, später auch für Vollerntemaschinen für Kartoffeln oder Rüben.

Kulturhaus

Neuprägung DDR

Für kulturelle Veranstaltungen und zur Freizeitbeschäftigung den DDR-Bürgern offenstehendes Gebäude, das meist mit einer Theaterbühne, einem Filmvorführraum, einer Bibliothek und Sportstätten ausgestattet und von staatlichen Stellen, Großbetrieben oder der Gewerkschaft finanziert wurde.

KWV

Kurzform für: Kommunale Wohnungsverwaltung. Institution mit der Aufgabe, das staatliche Wohneigentum zu verwalten.

Mumienexpress

Umgangssprachlich gebrauchte Bezeichnung für einen zwischen der DDR und der Bundesrepublik verkehrenden D-Zug, der fast ausschließlich mit DDR-Bürgern im westreisefähigen Alter, das heißt im Rentenalter, besetzt war.

Natschalnik

aus dem Russ.

Spöttisch gebraucht für einen Vorgesetzten

Neuerer

Neubedeutung DDR

Mitarbeiter eines sozialistischen Betriebes, der an der Entwicklung einer neuen, fortschrittlichen betrieblichen Lösung im Rahmen eines Vertrages außerhalb seiner Arbeitszeit beteiligt war.

Nomenklaturkader

Führender Mitarbeiter in Partei, Staat oder Wirtschaft

öffentlicher Tadel

Strafe, die bei geringfügigen Vergehen von einem Gericht als Ausdruck der Missbilligung ausgesprochen und anstelle einer Geld- oder Gefängnisstrafe verhängt wurde, wenn der Täter bisher noch nicht straffällig geworden war und Besserung versprach.

Parteitag

auch Parteitag der SED

1. Offiziell für die im Abstand von vier bis fünf Jahren tagende oberste beschlussfassende Konferenz der SED, die die politische Grundlinie bestimmte und das Zentralkomitee wählte. 2. Gebräuchlich in der vom Volk geprägten Verbindung 'das ist mir ein innerer Parteitag' für die v. a. von Nichtparteimitgliedern empfundene Freude, wenn es ihnen gelungen war, eine Parteileitung oder ein Staatsorgan zu übertölpeln. Später auch für andere alltägliche Freuden verwendet.

Patenbrigade

Arbeitsgruppe in einem Betrieb, die gegenüber einer Schulklasse, einem Kinderheim, einer Kinderkrippe oder einem Kindergarten eine Patenschaft übernommen hatte.

Patenschaft

Neubedeutung DDR

Zwischen einem Betrieb und einer Bildungseinrichtung vertraglich zugesicherte gegenseitige Hilfe und Mitverantwortung für die Unterstützung auf fachlichem, kulturellem und politisch-ideologischem Gebiet.

Personenkennzahl

(kurz: PKZ)

Im Personalausweis der DDR-Bürger stehende systematisch aufgebaute computerlesbare Zahlenfolge für die einheitliche Speicherung von Angaben zur Person

Pionier

nach russ. Vorbil

Kurzform für Junger Pionier oder Thälmannpionier/ Bezeichnung für ein Mitglied der Pionierorganisation "Ernst Thälmann".

Pionierauftrag

Aufgaben, die entweder der gesamten Pionierorganisation, Einheiten der Pionierorganisation, Gruppen oder einzelnen Pionieren gestellt wurden und die sie meist im Verlauf eines Schuljahres erfüllen sollten.

Plandiskussion

Neuprägung DDR

Jährliche propagandistische Aktion in Betrieben und staatlichen Verwaltungen, bei der alle Mitarbeiter aufgefordert worden, über die Planvorschläge zu diskutieren.

rübermachen

Verb mit sein gebildet

Umgangssprachlich für die DDR illegal in Richtung Bundesrepublik verlassen, in Richtung Westen abhauen: sie sind gestern rübergemacht

Schallplattenunterhalter

Von der DDR-Jugend kaum gebrauchte offizielle Bezeichnung für einen Diskjockey. S.: Diskomoderator, Diskosprecher

Schlenki

Regionale, vorwiegend berlinische Bezeichnung für Gelenkbus.

sozialpolitische Maßnahmen

Per Gesetz für bestimmte Bevölkerungsgruppen festgelegte staatliche Leistungen, um die Möglichkeit für alle zu schaffen, Familie und Berufsleben zu vereinbaren. Dazu gehörten z. B. großzügige Regelungen für Mütter und junge Familien, wie verkürzte Arbeitszeiten oder verbessertes Krankengeld bei Erkrankung des Kindes. Auch Rentenerhöhungen oder Erweiterung der Urlaubsregelungen für alle Arbeitnehmer wurden propagandistisch massiv als soziale Vergünstigungen dargestellt. Das unzureichende Wachstum der Produktivität machte die Finanzierung der sozialpolitischen Maßnahmen zunehmend schwierig und zu einer Ursache der schleichenden Inflation.

Sputnik

1. Neuwort DDR

1. Von der Sowjetunion gebauter künstlicher Erdsatellit 2. Bezeichnung für den Westberlin umrundenden Zug zwischen Berlin und Potsdam, dessen Strecke nach dem Mauerbau 1961 in kürzester Zeit gebaut wurde, um die unterbrochene S-Bahn-Verbindung zu ersetzen. Bereits vor dem 13. August 1961 mussten alle Funktionäre und Staatsangestellten diesen Zug benutzen, um nicht auf dem Arbeitsweg die für sie verbotene Stadt Westberlin zu durchqueren. S.: Bonzenschleuder

Stadtbilderklärer

Offiziell für Stadtführer. Mit der Neuprägung wurde versucht, das Wort "Führer" aus der offiziellen Sprache zu tilgen.

Straße der Besten

Meist am Betriebstor oder entlang der Hauptstraße im Betrieb auf Aufstellern angebrachte, mit lobenden Texten versehene großformatige Fotos von Betriebsangehörigen, deren hervorragende Arbeitsleistungen oder besonders wertvolle Neuerervorschläge auf diese Weise geehrt werden sollten.

Subbotnik

Neuwort DDR / nach russ. Vorbild

Vom russischen Wort Subbota (Sonnabend) abgeleitetes Wort für einen unbezahlten, freiwillig geleisteten Arbeitseinsatz. Die Nichtteilnahme galt als unkollegiale und negative Einstellung zum sozialistischen Staat.

Tal der Ahnungslosen

Vom Volk geprägte Bezeichnung für Gegenden, in denen kein Westfernsehen zu empfangen war.

Thälmannpionier

Bezeichnung für ein Mitglied der Pionierorganisation "Ernst Thälmann".

volkseigen

Neuprägung DDR

Im staatlichen Eigentum stehend und zum Bereich der Wirtschaft gehörend.

Werktätiger

Im offiziellen Sprachgebrauch Bezeichnung für einen Arbeiter, Angestellten oder Genossenschaftsbauern, der seinen Lebensunterhalt durch eigene Arbeit verdiente; auch die allgemein übliche Bezeichnung für einen Berufstätigen.

Wohnbezirk

Neubedeutung DDR

Aus mindestens zwei Wahlbezirken mit insgesamt ca. 1.000 bis 3.000 wahlberechtigten Bürgern bestehende politisch-organisatorische Einheit in größeren Städten.

Wohnklo mit Kochnische

Spöttisch gebraucht für eine unsanierte Altbauwohnung.

Wohnraumlenkung

Neuprägung DDR

Staatliche Erfassung des gesamten (auch in Privatbesitz befindlichen) Wohnraums und seine Verteilung an Wohnungssuchende aufgrund gesetzlicher Bestimmungen.

Zellstofftaschentuch

Tempotaschentuch

Fussnoten

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