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Preise oder Verbote – wie schützt man das Klima? | Wirtschaftspolitik | bpb.de

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Preise oder Verbote – wie schützt man das Klima?

Claudia Kemfert

/ 8 Minuten zu lesen

Viele Ökonomen sagen: um den CO2-Ausstoß zu senken, muss der teurer werden. Andere fordern Verbote für den Klimaschutz. Energieprofessorin Claudia Kemfert sagt: nur ein Mix aus beidem hilft weiter.

Stau auf der A96 in München. Der Verkehrssektor gehört zu den Bereichen in Deutschland, die regelmäßig ihre Klimaziele verfehlen. (© picture-alliance/dpa, Matthias Balk)

Die Klimakrise stellt unsere Gesellschaft vor enorme Herausforderungen. Um das 1,5-bis-2-Grad-Ziel zu erreichen, zu dem sich Deutschland im Pariser Klimaabkommen 2016 verpflichtet hat, ist bis 2050 eine umfassende Dekarbonisierung unseres Wirtschaftssystems erforderlich. Und eigentlich fing alles ziemlich gut an.

Um Klimaschutzziele verbindlich zu machen, müssen sie in Gesetze überführt werden. Mit dem Klimaschutzgesetz von 2019 hat die Bundesregierung ihr Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent zu reduzieren, gesetzlich verankert. Jedes Ministerium war demnach für die Einhaltung jährlicher Emissionsziele in seinem Sektor verantwortlich. Nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts wurde das Gesetz 2021 an die Vorgaben des EU-Klimagesetzes angepasst und damit sogar noch verschärft.

Doch während Privathaushalte sowie Industrie und Gewerbe ihre Emissionen seit 1990 deutlich reduziert hatten, zeigten andere Sektoren wie Landwirtschaft, Energiewirtschaft und besonders der Verkehr nur geringe Fortschritte, oder sie haben ihre Emissionen sogar gesteigert. Das führte 2023 zu einer weiteren Novelle des Klimaschutzgesetzes, die die Regeln wieder aufweichte: Die Einhaltung der Klimaziele wird nun nicht mehr rückwirkend und nach Sektoren getrennt kontrolliert. So tragen nicht mehr die einzelnen Ministerien für ihre Fortschritte die Verantwortung, sondern die Bundesregierung insgesamt. Die Externer Link: Regierung argumentiert, dadurch werde die Flexibilität gestärkt: Die Emissionen würden insbesondere dort gemindert, wo die größten Einsparpotenziale vorhanden seien. Denn entscheidend seien die Gesamtemissionen aller Bereiche.

Die Novelle führt jedoch zu einer sogenannten Verantwortungsdiffusion: Wenn nicht klar definiert ist, wer genau was genau zu tun hat, ist niemand mehr richtig verantwortlich. Im Zweifel deutet jeder auf den Nächsten und sagt: Wieso ich, warum nicht er?

Und wenn mehrere Sektoren ihre Reduktionsziele nicht erfüllen, besteht für andere Sektoren ein noch höherer Handlungsdruck. Besonders problematisch ist es, wenn empirisch klar ist, dass andere Sektoren keine zusätzlichen weiteren Emissionsminderungen erfüllen können. So steigt die Gefahr, dass die Emissionsminderungsziele insgesamt nicht erreicht werden können.

Welchem Argument man auch immer zuneigt: Die Klimaziele Deutschlands bleiben durch die Reform jedenfalls unverändert. Es darf nicht eine Tonne mehr CO2 ausgestoßen werden als bisher. Die Uhr tickt und 2030 ist nah. Und noch ist Deutschland vom Ziel sehr weit entfernt.

Was also tun? Diese Frage stellt sich immer dringlicher.

Regulierung durch Preispolitik

Wenn umweltschädliches Verhalten teurer wird, werden Menschen und Unternehmen eher dazu neigen, klimafreundlichere Alternativen zu wählen. Das ist der einfache Grundgedanke hinter der Regulierung klimaschädlichen Verhaltens durch Preise.

Ein zentrales Instrument ist dabei die CO2-Bepreisung. Indem für jede ausgestoßene Tonne CO2 ein Preis gezahlt werden muss, werden die bisher versteckten Kosten des Klimawandels sichtbar gemacht und in wirtschaftliche Entscheidungen einbezogen. So werden fossile Brennstoffe teurer als erneuerbare Energien und der Umstieg auf nachhaltige Techniken wird attraktiver.

Die Preisregulierung schafft Anreize für Verbraucher:innen und Unternehmen, in energieeffizientere Technologien zu investieren oder ihr Verhalten anzupassen. Ein Autofahrer könnte sich etwa für ein sparsameres Fahrzeug entscheiden, ein Unternehmen in modernere, emissionsärmere Produktionsanlagen investieren. Gleichzeitig fördert dieser Ansatz Innovationen im Bereich klimafreundlicher Technologien, da diese wirtschaftlich attraktiver werden.

Allerdings ist die Preisregulierung kein Allheilmittel. Die Wirksamkeit hängt stark von der Höhe des CO2-Preises ab und davon, wie gut Ausweichmöglichkeiten wie beispielsweise Produktionsverlagerungen verhindert werden können. Zudem müssen soziale Aspekte berücksichtigt werden, da steigende Preise für Energie oder Konsumgüter einkommensschwache Haushalte besonders belasten können.

Daher sollte die Preisregulierung mit anderen Maßnahmen wie Förderprogrammen oder sozialen Ausgleichszahlungen kombiniert werden. Die soziale Ungerechtigkeit eines steigenden CO2-Preises ließe sich mit einem Klimageld abfedern, bei dem die Einnahmen des CO2-Preises als Pro-Kopf-Prämie an die Bevölkerung ausgezahlt werden. In dem Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP von 2021 ist das Klimageld erwähnt. Politisch ist es aber offenbar schwer umzusetzen. Die Einnahmen landen derzeit im sogenannten Klima-Transformation-Fonds, der aufgrund von Sparmaßnahmen überlastet ist. Dass die politisch Verantwortlichen das Geld in einzelne Förderaktionen ausschütten anstatt es dauerhaft an alle Bürger:innen auszuzahlen, ist aus sozialen und ökologischen Gründen problematisch: Die Politik verzichtet damit auf ein Instrument, um die Klimapolitik sozial gerecht zu gestalten. Damit riskiert sie, dass der Klimaschutz auf weniger gesellschaftliche Akzeptanz stößt und schwerer umzusetzen ist.

Gesetzliche Regelungen

Zudem zeigt die Erfahrung: Preise allein reichen oft nicht. Auch Aufklärung und Vernunft sind nicht immer der Schlüssel zur Verhaltensänderung. So hat man jahrzehntelang durch Aufklärung versucht, Menschen vom Rauchen abzuhalten – und zwar zu ihrem eigenen Schutz. Auch hat man sukzessive die Tabaksteuer und damit die Kosten des Rauchens erhöht. Alles vergebens. Erst das Rauchverbot an öffentlichen Plätzen hat für einen signifikanten Rückgang des Tabakkonsums gesorgt.

Wie unbeliebt Verbote und Vorschriften auch sein mögen: In manchen Fällen wirken nur sie – und zwar schnell und effizient. Das zeigen die Gesetze zur Begrenzung der Schwefeldioxidemissionen, zur Luftreinhaltung, die Vorschriften für die Abgaswerte von Autos, die Entschwefelung von Kraftstoffen und die Einführung von Katalysatoren, die in den 1980er-Jahren das drohende Waldsterben beendeten.

Zugleich kann das Parlament durch Gesetze und Verbote regeln, dass manche Produkte und Angebote gar nicht erst in Umlauf kommen, etwa gefährliche Chemikalien oder Waffen.

Andererseits lassen sich Menschen nur ungern durch Vorschriften zu bestimmtem Verhalten zwingen. Dagegen lassen sie sich gern durch Belohnungen, die nicht unbedingt finanzieller Art sein müssen, „verführen“. Zum Beispiel gehen Menschen seltener bei Rot über die Ampel, wenn die Wartezeit durch eine herunterzählende Anzeige transparent ist. Es gibt auch weniger Geschwindigkeitsüberschreitungen, wenn das Tempo durch eine Radartafel mit einem lächelnden oder einem garstigen Smiley kommentiert wird.

Kombination Preise und Gesetze

Insofern scheint eine Kombination aus Anreizen und ordnungspolitischen Vorgaben am sinnvollsten. Während positive Anreize und klare Preissignale das gewünschte Verhalten fördern, können Gebote und Verbote verhindern, dass bestimmte Produkte überhaupt in Umlauf kommen oder unerwünschtes Verhalten sanktionieren. Auch schaffen solche Gesetze Klarheit, die Preise oft verschleiern. Das zeigt das Beispiel der Wärmewende:

Im Jahr 2023 wurden trotz ansteigendem CO2-Preis über eine Million neue Gasheizungen in deutsche Keller gebaut. Der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie sprach sogar von einem „Rekordjahr bei Gasheizungen“. Das ist widersinnig. Denn erstens laufen Heizungen im Schnitt 20 bis 25 Jahre. Zweitens dürfen spätestens 2045 so gut wie keine fossilen Heizsysteme mehr im Einsatz sein. Wer heute noch neue Gasheizungen einbaut, wird die Lebenszeit der Geräte oft nicht mehr ausnutzen können. Zudem werden die Gaspreise durch den EU-Emissionshandel und den damit verbundenen CO2-Preis signifikant steigen. Es wird also Jahr für Jahr teurer, fossile Heizungen zu betreiben. Zahlreiche Studien belegen, dass auf diese Weise über die Jahre Zusatzkosten von insgesamt bis zu 15.000 Euro entstehen.

Weil die Kosten erst in der Zukunft anfallen, blenden viele Menschen sie offenbar aus. Durch die öffentliche Negativ-Kampagne gegen das Heizungsgesetz wurden viele Menschen stark verunsichert. Ein schon heute geltendes Verbot würde die Menschen davor schützen, mehr Geld als nötig auszugeben. Durch Fördermaßnahmen zur Umstellung auf klimaschützende Heizungen könnte man zugleich Versorgungssicherheit schaffen. Schon heute gibt es gezielte Fördermaßnahmen für den Ausbau von Öl- und Gasheizungen und den Einbau emissionsarmer Heizungstechnologien wie beispielsweise Solarthermie oder Wärmepumpenanlagen.

Entgegen mancher Annahmen lehnt die Bevölkerung Umwelt- und Klimaschutz keineswegs ab. Im Gegenteil: 90 Prozent der Menschen befürworten die Energiewende. 64 Prozent unterstützen den Kohleausstieg, selbst in Braunkohleregionen. 81 Prozent sehen Handlungsbedarf für eine Verkehrswende. Und über 90 Prozent wünschen sich eine umwelt- und tierfreundlichere Landwirtschaft. Es scheint, als seien die Menschen eher oft deshalb unzufrieden, weil die Politik zu wenig für den Klimaschutz unternimmt, nicht weil sie zu viel tut. Allerdings hängt die Akzeptanz stark von der konkreten Ausgestaltung und Kommunikation der Maßnahmen ab.

Zugleich klafft häufig eine Lücke zwischen Umweltbewusstsein und tatsächlichem Verhalten. Alltagsgewohnheiten haben enorme Beharrungskräfte, auch wenn bekannt und bewusst ist, dass sie umweltschädlich sind.

Demokratische Prozesse für den Klimaschutz

Die Erfahrung zeigt: Um wirksame Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen, braucht es demokratische Prozesse unter Einbeziehung aller Betroffenen. Wie ein divers zusammengesetztes Gremium aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft gemeinsam Lösungen erarbeiten kann, hat vor wenigen Jahren die Kohlekommission gezeigt. Trotz gegensätzlicher Positionen gelang es nach zwei Jahren Arbeit, Ende Januar 2019 einen einstimmigen Abschlussbericht zu verabschieden. Darin wurde ein vollständiger Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2038 festgelegt, der schrittweise mit konkreten Überprüfungsdaten im Drei-Jahres-Takt unterlegt war.

Die Bundesnetzagentur konnte dann sogar schon im Sommer 2024 verkünden, dass der Kohleausstieg schneller als geplant vorankommt. Wegen der hohen Zahl an marktgetriebenen Stilllegungen werde man im Jahr 2027 keine Steinkohlekraftwerke zwangsweise vom Netz nehmen müssen, so die Agentur. Die maximale Zahl war schon jetzt erreicht, weil bereits heute Strom aus erneuerbaren Energiequellen günstiger als Kohlestrom ist aufgrund des recht hohen CO2-Preises.

Daraus kann man lernen: Im demokratischen Verfahren sollten klare Instrumente und Regeln definiert werden, um dann dem Markt den Rest zu überlassen. Genauso könnte das auch mit der Wärme- und der Verkehrswende funktionieren.

Fazit

Die Umsetzung effektiver Klimaschutzmaßnahmen erfordert ein Zusammenspiel aus gesellschaftlichem Bewusstsein, demokratischen Prozessen und gesetzlichen Regelungen. Dabei zeigt die Erfahrung, dass der Gesetzgeber sowohl auf positive Anreize als auch auf notwendige Verbote und Vorschriften setzen sollte. Nur so können wir die ambitionierten Klimaziele erreichen und gleichzeitig eine breite gesellschaftliche Akzeptanz sicherstellen.

Die Herausforderung besteht darin, die richtigen Instrumente für jeden Sektor zu finden und diese so zu gestalten, dass sie sowohl wirksam als auch sozial verträglich sind. Dies erfordert einen kontinuierlichen Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sowie die Bereitschaft, bestehende Strukturen und Gewohnheiten zu hinterfragen und anzupassen.

Für eine nachhaltige Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft müssen wir sicherstellen, dass Bürgerbeteiligung nicht zur Alibi-Veranstaltung verkommt, sondern echte Mitsprache ermöglicht. So gelingt es auch, übermäßigen Lobbyeinfluss zu verhindern.

Unterm Strich geht es darum, unsere Wirtschaft und Gesellschaft so zu transformieren, dass sie innerhalb der planetaren Grenzen funktionieren und gleichzeitig ein gutes Leben für alle ermöglichen. Dies ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die wir nicht gegeneinander, sondern nur miteinander bewältigen können.

Weitere Inhalte

Claudia Kemfert ist Professorin für Energiewirtschaft und Energiepolitik an der Leuphana Universität und leitet seit April 2004 die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Die Wirtschaftswissenschaftlerin ist unter anderem Co-Vorsitzende im Sachverständigenrat für Umweltfragen sowie im Präsidium der deutschen Gesellschaft des Club of Rome. Kemfert hat mehrere Auszeichnungen erhalten, 2016 wurde ihr der Adam-Smith-Preis für Marktwirtschaftliche Umweltpolitik verliehen.