Die Beziehungen der privaten, manchmal auch staatlichen Unternehmen in den Marktwirtschaften der entwickelten Staaten sind durch Rivalitäten geprägt, die sich auf alle Bereiche der Unternehmenspolitik erstrecken: Produktion, Absatz, Marktanteile, Finanzierung, Einsatz von Arbeit und vieles mehr. Diese Rivalitäten werden „Wettbewerb“ bzw. „Konkurrenz“ genannt. Das Bestehen in diesem Wettbewerb bestimmt ganz wesentlich den Erfolg von Unternehmen – sind sie starke Wettbewerber, können sie Marktpreise verlangen, die ihnen einen Überschuss („Gewinn“ oder „Profit“) über ihre Kosten einbringt, was wiederum ihre Marktposition stärkt. . Schwache Wettbewerber dagegen machen Verluste, sie leben von der Substanz, müssen alsbald den Markt verlassen und verlieren damit ihre Existenz.
Unternehmen – Streben nach Größe und Marktmacht
Im Wettbewerb sind Unternehmenserfolg und Existenzbedrohung wie die Vorder- und die Rückseite einer Münze: Sie lassen sich nicht trennen. Unternehmensleitungen („Managements“) stehen unter ständigem Druck, ihre Unternehmen wettbewerbsstark zu halten, um in der Rivalität mit der Konkurrenz zu überleben, diese vielleicht sogar zu beherrschen. Erfahrungsgemäß gelang Letzteres in der Vergangenheit besonders dann, wenn das Unternehmen wuchs und größere Marktanteile kontrollierte: Es ließen sich mit steigender Größe und erweiterten Produktionsanlagen Massenproduktionsvorteile („economies of scale“ oder „Skaleneffekte“) erzielen. Damit konnten die Kosten je produzierter Einheit (“Stückkosten“) gesenkt werden; die Gewinne stiegen weiter.
Warum will, ja muss, jedes Unternehmen im Wettbewerb „profitabel“ sein? Die Gewinne lassen sich einsetzen, um neue Produkte und Produktionsverfahren („Innovationen“) zu finanzieren, um wieder einen Schritt vor der Konkurrenz zu stehen. Die Stückkosten ließen sich verringern (= steigende „Produktivität“) und die Beschäftigung von Experten ausweiten. Große Gewinne sind hilfreich, wenn man bei Banken weitere Kredite benötigt, um Investitionsvorhaben zu finanzieren.
Alle diese Aktionen dienen dazu, sich an den Märkten besser zu behaupten und möglichst an Macht zu gewinnen. „Macht“ ist nach dem Soziologen Max Weber „jede Chance, in einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen“.
Wettbewerb – wozu?
Zu diesen sogenannten Wettbewerbsfunktionen in Marktwirtschaften gehören noch Anforderungen an den Wettbewerb aufgrund der freiheitlichen Verfassungen: Im Wettbewerb erfolgte (1) eine „leistungsgerechte Einkommensverteilung“ – machtbedingte Aneignung von Teilen der gesellschaftlichen Wertschöpfung ließe sich verhindern. Zudem steuerte der Wettbewerb (2) die Produktion (wer produziert was für wen?) im Sinne der Nachfrage – kein Monopolist kann den Märkten seinen Willen aufdrücken. Und (3) sorgte der freie Wettbewerb für einen optimalen Einsatz aller Produktionsmittel („optimale Faktorallokation“) in der marktgerechten Produktion: In einem funktionierenden Wettbewerb gibt es keinen Monopolisten, der wichtige Arbeitskräfte und Produktionsmittel hortet, damit sie nicht in die Hände von Konkurrenten gelangen.
Folgen von Kartellen, Fusionen und Monopolen
Der Konflikt zwischen einzel- und gesamtwirtschaftlicher Einschätzung der Wettbewerbsbedingungen bricht bei der Bewertung der Marktmacht auf. Unternehmen brauchen Macht, um erfolgreich zu handeln und Neuerungen durchzusetzen. Diese „prozessuale Macht“ ist stärker oder schwächer, sie kann im Konjunkturverlauf schwanken, mit erfolgreichen Innovationen zunehmen oder bei starkem Strukturwandel zu Lasten eines Industriezweigs abnehmen. Märkte blieben aber weiterhin offen und angreifbar durch dynamische Wettbewerber („contestable markets“).
Anders sähe es aus, wenn Unternehmen verabredeten, Preise, Mengen, Qualitäten einheitlich und ohne Alternative festzusetzen („Kartelle“) oder sich mit Wettbewerbern zu einem Unternehmen zusammenzuschließen („Fusion“ oder „merger“) oder Konkurrenten aufzukaufen („Übernahmen“ oder „acquisition“), bis kein Wettbewerb mehr vorhanden ist. Mit diesen Maßnahmen wären Märkte dauerhaft beherrscht („permanente Macht“). Hier müsste die Politik ernsthaft befürchten, dass die negativen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen für Verbraucher und Unternehmen auftreten, wie sie oben skizziert wurden. Damit stellte sich dringend die weitergehende Frage, ob der Schutz eines freien oder unbehinderten Wettbewerbs zu den Staatsaufgaben zählen sollte?
Wettbewerbsschutz in staatlicher Verantwortung
Das Problem der Konzentration privater Wirtschaftsmacht gibt es seit der „Industriellen Revolution“ in Europa und in den USA seit dem 19. Jahrhundert. Mit dem Aufkommen moderner Fertigungsanlagen und wachsender Arbeitsteiligkeit gab es Unternehmensgrößen und Produktionsmengen mit neuer Qualität bei der Produktion, aber auch der Beherrschung der Märkte durch immer weniger Großunternehmen (englisch: „trusts“). In der Regulierung führend waren im 19. Jahrhundert die USA, wo die Monopolisierung von Märkten durch Trusts 1890 zum weltweit ersten Gesetz zum Schutz des Wettbewerbs, dem „Sherman Antitrust Act“, geführt hatte. Da in den USA die Bedrohung durch Riesenkonzerne der Stahl- und Ölindustrie die größte Herausforderung darstellte, wurde dort der Begriff „Antitrust Policy“, Antitrustpolitik, umfassend als Synonym für Wettbewerbspolitik geprägt. Ziel war es, der Machtausdehnung durch die Trusts entgegenzuwirken; deren Maßnahmen wurden rechtlich gedeutet als „conspiracy“ – als Verschwörung mit dem Ziel, die Freiheit des Wettbewerbs durch monopolistische Praktiken auszuhebeln und andere Marktteilnehmer zu schädigen.
In Deutschland entwickelte sich eine Wettbewerbsgesetzgebung, die 1923 zur „Verordnung gegen den Missbrauch wirtschaftlicher Machtstellung“, kurz „Kartellverordnung“, führte. Nach Ende des 1. Weltkriegs gab es massive Wirtschaftskrisen – so auch die Hyperinflation von 1923 – mit erheblichen Existenzbedrohungen bei Arbeitnehmern und Unternehmen. Verabredungen von Unternehmern, die Konkurrenz gegeneinander auszuschließen („Kartelle“) und damit hoffentlich ihr Überleben zu sichern, fanden eine positive Resonanz. Kartelle wurden eher als „Kinder der Not“ (Friedrich v. Kleinwächter) wahrgenommen denn als Bedrohung wirtschaftlicher Freiheit. Sie blieben daher grundsätzlich legal und waren im Gegensatz zu den USA nicht an sich verboten. Die durch Kartelle bewirkte Einschränkung der Wettbewerbsfreiheit nahm die Politik als Preis für das Überleben der Betriebe hin. Wettbewerbspolitik wurde daher in Deutschland generell als „Kartellpolitik“ bezeichnet, mit „Kartellgesetz“ und Bundeskartellamt.
Es gab schließlich Hunderte legaler Kartelle in der Weimarer Republik; als Ironie der Geschichte ermöglichte deren Organisation den Nationalsozialisten die schnelle, „Gleichschaltung“ genannte Unterwerfung der deutschen Wirtschaft unter ihre Ziele, bis hin zur Kriegswirtschaft.
Moderne Wettbewerbsgesetzgebung
Derzeit haben praktisch alle Marktwirtschaften, insbesondere die der entwickelten westlichen Industriestaaten, Antitrust- bzw. Kartellgesetze. Betrachten wir die beiden führenden westlichen Wirtschaftsräume, die USA und die EU, so fällt eine grundlegende gemeinsame Bestimmung auf: In beiden Wirtschaftsräumen soll es keine Beschränkungen beim Handel zwischen den 50 Staaten der USA und den 27 Mitgliedsländern der EU geben. Sowohl USA wie EU sind jeweils als gemeinsame Märkte vielfach größer als jeder Teilmarkt und machen damit jeden möglichen Beherrscher eines kleineren nationalen Marktes im Verhältnis zum Gesamtmarkt zum kleineren Mitbewerber.
In den USA wacht die Federal Trade Commission, FTC, darüber, dass Unternehmen den Handel zwischen den US-Bundesstaaten nicht durch Wettbewerbsbeschränkungen behindern. In der EU verpflichtet Art. 101 AEUV die Europäische Kommission, wettbewerbsfeindliche Maßnahmen zu verhindern, die „den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind.“ Diese Maßnahmen erinnern an die „Prinzipien freien Handels“ – „Principles of free trade“ - der Welthandelsorganisation WTO. Freier Welthandel gilt als gute Voraussetzung, um den Wettbewerb zu schützen.
Unmittelbare wettbewerbspolitische Instrumente in EU und USA sind
(1) ein generelles Kartellverbot – wettbewerbsbeschränkende Verabredungen zwischen Unternehmen sind verboten und strafbar,
(2) eine präventive Fusionskontrolle – Unternehmenszusammenschlüsse („mergers & acquisitions“) sind zu untersagen, wenn sie zur Beherrschung auf dem gemeinsamen Markt führen,
(3) eine Missbrauchskontrolle bei Marktbeherrschern – existierenden Monopolen können Ausbeutung oder Behinderung anderer Marktteilnehmer verboten werden.
Aktuelle wettbewerbspolitische Herausforderungen
Worin bestehen die aktuellen Herausforderungen an den Schutz der Wettbewerbs? Es sind nicht mehr die Stahl- und Ölkonzerne, die vor fast 150 Jahren Anlass für den Sherman Antitrust Act gegeben hatten. Heute ist es die Macht auf den globalen digitalen Märkten, wo große Online-Plattformen als Beherrscher, Marktwächter oder „Gatekeeper“, auftreten.
Sichtbar wurde das in Kontrollverfahren gegen Google, Microsoft und Apple in den USA. Auch in der EU; hier half der 2024 beschlossene „Digital Markets Act, DMA“, beherrschende Online-Plattformen zu einem Verhalten zu verpflichten, als stünden sie im Wettbewerb: Sie müssen ihr Angebot zu marktüblichen Preisen ohne Diskriminierung auch Nachfragern anbieten, mit denen sie auf anderen Märkten („marktübergreifend“) konkurrieren.