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Wohnungsnot, Mietenwahnsinn – über die Besonderheiten des Immobilienmarktes | Wirtschaftspolitik | bpb.de

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Wohnungsnot, Mietenwahnsinn – über die Besonderheiten des Immobilienmarktes

Gustav Horn

/ 7 Minuten zu lesen

Einen großen Teil ihres Geldes geben die meisten Menschen für das Wohnen aus. Und es wird immer teurer. Das liegt an Eigenarten des Immobilienmarkts – ein Markt mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung.

Luftbild von Berlin-Kreuzberg – dicht bebaute Innenstadt zwischen Verkehr, Wohnen und Verdrängung. (CC) Lizenz: cc publicdomain/zero/1.0/deed.de

Auf einem besonderen Markt

Jeder braucht eine Wohnung. Dieser Satz begründet ein strukturelles Machtgefälle zwischen Anbietern und Nachfragern auf diesem besonderen Markt. Zu wohnen gehört neben dem Essen zu den Grundbedürfnissen des Menschen. In eine ökonomische Gedankenwelt übersetzt bedeutet das, dass die Elastizität der Nachfrage nach Wohnungen in Bezug auf den Preis relativ gering ist. Das heißt: Wenn die Preise steigen, geht die Nachfrage nach Wohnungen allenfalls schwach zurück. Lieber wird dann auf andere, leichter entbehrliche Güter wie eine Reise oder ein schönes Auto verzichtet. Es ist daher kein Wunder, wenn die Preise auf dem Wohnungsmarkt unter sonst gleichen Umständen relativ hoch sind, da die Nachfrager auf der Suche nach notwendigem Wohnraum den Preis nach oben konkurrieren.

Am Bodenmarkt reagiert die Nachfrage extrem schwach auf Preisänderungen. Denn Boden ist kein beliebig vermehrbares Gut. Geografische, ökologische oder soziale Gründe beschränken die Möglichkeiten, immer mehr und schnell Land für Bauvorhaben auszuweisen. Das bedeutet, selbst wenn der Preis für Bauland steigt, wird nicht viel mehr Bauland auf den Markt kommen. Das treibt die Preise weiter nach oben, da die Nachfrager in harter Konkurrenz um das knappe Gut stehen.

Anders sieht es beim Angebot an Wohnraum aus. Dessen Angebot ist leichter gestaltbar, da Größe und Qualität einer Wohnung, eines Hauses oder eines Gebäudes je nach ökonomischer Lage und möglicher Erlöse aus dem Verkauf oder Vermietung verändert werden können. Auf diesem Markt ist die Preiselastizität des Angebots höher. Damit ist besteht hier grundsätzlich eine ausgewogenere Konkurrenzsituation zwischen Anbietern und Nachfragern.

Der Markt für Boden

Der Bodenmarkt ist also durch eine starke Marktstellung der Anbieter geprägt. Dies ist aus mehreren Gründen problematisch. Anders als auf vielen anderen Märkten entsteht diese Stellung nicht durch Leistung, in dem etwa ein Unternehmen ein besonders innovatives Produkt entwickelt, für das es zumindest für eine gewisse Zeit eine Monopolstellung aufweist. In diesem Fall wird etwas am Markt Wertvolles geschaffen, und das Unternehmen erhält den Gewinn daraus. Anders beim Boden: Hier entsteht der Wert, indem die zuständige Kommune beschließt, Bauland auszuweisen. Der Wert entsteht durch einen staatlichen Verwaltungsakt und nicht durch eigene Leistung des Eigentümers. Das steht nicht im Einklang mit Prinzipien, nach denen marktwirtschaftlicher Erfolg vor allem auf Leistung beruhen sollte.

Darüber hinaus haben hohe Bodenpreise Konsequenzen für die Gesamtkosten eines Gebäudes und damit für die Kosten des Wohnens. Sind die Bodenpreise hoch, steigen die Baukosten und diese werden am Ende auf den Käufer oder Mieter überwälzt. Steigende Bodenpreise sind eine der wesentlichen Quellen für die Preissteigerungen für Wohnen.

Teures Wohnen

Der flexiblere Markt für Wohnraum nimmt eine zentrale Stellung im volkswirtschaftlichen Gefüge ein. Das gilt zu einem für seine Produktionsleistung. Das Baugewerbe hat immerhin einen Anteil von gut sechs Prozent an der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung, der von Vermietungen und Verpachten beträgt sogar etwa zehn Prozent. Beide zusammen sind damit fast so groß wie die gesamte Industrie.

Wichtiger ist aber die ökonomische Ausstrahlung dieses Sektors auf alle anderen Bereiche der Wirtschaft. Wenn jeder eine Wohnung braucht, kommt jeder mit diesem Teil der Wirtschaft in Kontakt und wird von dessen ökonomischen Verhältnissen betroffen. Steigen die Mieten, betrifft das die Budgets aller Haushalte. Bei den Vermietern führt dies zu zusätzlichen Einnahmen, aber bei der weitaus größeren Zahl von Mietern werden die Einkommen stärker durch die höheren Mietzahlungen belastet. Das schränkt deren finanziellen Spielraum für andere Ausgaben ein. Sie können also weniger für Reisen oder Autos ausgeben. Dieser Konsumverlust aus der breiten Masse der Bevölkerung wird in der Regel nicht durch den erhöhten Konsum der Vermieter ausgeglichen. Diese haben zumeist eine höhere Sparquote, geben die zusätzlichen Einnahmen zumindest nicht vollständig wieder aus. Damit wird der gesamtwirtschaftliche Konsum durch steigende Mietkosten in der Summe gedrückt.

Höhere Mieten wirken sich zudem über die Beschäftigung auf andere Bereiche der Wirtschaft aus. Mieten entwickeln sich in der Regel nicht in allen Regionen gleichmäßig. Dort, wo ein ökonomischer Boom mit neuen hochproduktiven Arbeitsplätzen entsteht, steigen sie besonders stark an. Das sind meist Metropolen wie Berlin, München oder Hamburg. Hohe Mietpreispreissteigerungen mindern allerdings die Bereitschaft von dort dringend benötigten Fachkräften, in diese Städte zu ziehen. Schließlich drücken die hohen Mieten ihr frei verfügbares Einkommen. Entweder müssen die Unternehmen dann entsprechend mehr zahlen oder sie verzichten auf die ihnen am besten qualifiziert erscheinenden Arbeitskräfte. Beides mindert die Effizienz des Produktionsprozesses und schwächt die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft.

Auch ökologisch und sozial sind solche urbanen Inseln hoher Mietpreissteigerungen problematisch. Ökologisch problematisch sind sie, weil sie Bezieher guter Einkommen, die sich auf dem Land möglicherweise ein Eigenheim leisten, ins Umland treiben. Die Konsequenz ist erhöhter Pendelverkehr und stärkere Zersiedlung. Ebenso problematisch ist, dass Bezieher niedriger Einkommen in Wohngebiete minderer Attraktivität verdrängt werden und dort soziale Brennpunkte mit weitreichenden Folgen für das Zusammenleben in der ganzen Stadt entstehen. Der Wohnungsmarkt ist also kein isolierter Markt, sondern strahlt spürbar auf die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft aus. Damit darf dieser Markt nicht einfach sich selbst überlassen bleiben. Es bedarf immer wieder politischer Eingriffe, die den gesamtwirtschaftlichen Erfordernissen Rechnung tragen.

Woher kommt der Preisauftrieb?

Ein Bündel von Gründen hat dazu geführt, dass die Mieten seit gut 15 Jahren derart gestiegen sind. Ein naheliegender Grund ist eine stärker als erwartet wachsende Bevölkerung. Tatsächlich gingen die Bevölkerungsprognosen zu Beginn des Jahrhunderts noch von einer schrumpfenden Bevölkerung aus. Entsprechend waren die Baupläne insbesondere im preiswerten sozialen Wohnungsbau auf Stagnation oder gar in einigen Gegenden Ostdeutschlands auf Rückbau gerichtet. Tatsächlich aber stieg die Geburtenrate und es setzte im Zuge der Krise des Euroraum ein Zustrom an Bevölkerung aus vielen Staaten nach Deutschland ein, die sich hier bessere Beschäftigungsmöglichkeiten erhofften. Hinzu kam, dass die Migration insbesondere nach 2015 stark zunahm. Dies verstärkte die ohnehin vorhandene Grundströmung in Richtung der urbanen Zentren.

Aber es war nicht nur die Bevölkerungsentwicklung, die die Knappheit an Wohnraum verschärfte. So sind die Ansprüche an die Größe des Wohnraums im Trend gestiegen. Das hat nicht zuletzt demografische Gründe, weil die Tendenz zu Single-Haushalten zugenommen hat. Selbst bei konstanter Bevölkerung würde also die Nachfrage nach Wohnraum steigen.

Ein weiterer Grund liegt in der gestiegenen Bedeutung der Finanzmärkte. Wohnungen und Gebäude sind relativ sichere Finanzanlagen. Gerade in Zeiten von Krisen mit hoher Unsicherheit bei anderen Anlageformen und niedrigen Zinsen wie im vorigen Jahrzehnt lohnt sich der Erwerb von Immobilien. Sie dienen gleichsam als Wertspeicher, da sie nicht mobil und wegen des begrenzten Bodens nur schwer vermehrbar sind. Außerdem versprachen sie aus den vorher genannten Gründen prächtige Renditen.

Neben der erhöhten Nachfrage ist aber auch ein verteuertes Angebot für die erhöhten Preise mitverantwortlich. Gründe hierfür sind neben der allgemeinen Inflation in den letzten Jahren vor allem verschärfte Regulierungen und Auflagen, die das Bauen kostenintensiver gemacht haben.

Wie wird Wohnen wieder preiswerter?

Die Probleme der Immobilienmärkte sind allseits erkannt. Strittig ist, wie ihnen begegnet werden kann. Generell besteht die Hoffnung, dass eine erhöhte und effizientere Bautätigkeit das Angebot verbilligen und ausweiten könnte. Beides sollte Druck auf die Preise ausüben. Hierfür sind zum einen günstige Rahmenbedingungen wie niedrigere Zinsen und niedrigere Baukosten erforderlich. Weiterhin müsste, was aus den geschilderten Gründen schwierig ist, rasch mehr Bauland zur Verfügung stehen. Schließlich müssten preistreibendende Regulierungsvorschriften zurückgenommen werden. Die Bundesregierung hat 2024 ein Maßnahmenpaket beschlossen, das in diese Richtung wirken soll.

Umstritten ist, ob eine Erhöhung des Wohngeldes, das der Staat ärmeren Haushalten zahlt, hilfreich ist. Zwar stützt man auf diese Weise gezielt untere Einkommensschichten auf dem Wohnungsmarkt. Aber diese höhere Kaufkraft könnte sich primär in höheren Mieten niederschlagen anstatt in einem höheren Wohnungsangebot für Bezieher niedrigerer Einkommen.

Grundsätzlich erscheint es wegen der Bedeutsamkeit des Bodens und des Wohnungsmarktes – und dessen Ausstrahlung auf andere Märkte (externe Effekte) – sinnvoll, dass der Staat wieder eine aktivere Rolle in diesem Sektor übernimmt. Diese besteht zum einen in einer Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus, der in den vergangenen Jahrzehnten gleichsam völlig zum Erliegen gekommen war mit der Folge, dass immer mehr Wohnungen aus der Preisbindung fallen und ein preiswertes Marktsegment schrumpft, das eigentlich ausgedehnt werden müsste.

Daneben kann der Staat mit indirekten Mitteln zur Preisdämpfung beitragen. So kann er genossenschaftliches und gemeinnütziges Bauen steuerlich fördern. Vor allem kann er über städtebauliche Verträge den Markt steuern, indem sich Investoren verpflichten, sich an den Infrastrukturkosten zu beteiligen und zudem einen bestimmten Anteil an preisgünstigen Wohnungen anzubieten. Ein solches Vorgehen dämpft im Übrigen die Bodenpreise, da die Investoren ihre absehbar höhere Kostenbelastung bei teilweise vertraglich festgeschriebenen Mieten durch niedrigere Angebote an die Bodeneigentümer abzuwälzen versuchen.

Ganz generell geht es bei der Wohnungsmarktpolitik heute darum, dass der Marktanteil preiswerter Wohnungsangebote deutlich ausgedehnt wird. Dies strahlt auf den restlichen Markt aus und dämpft den Preisanstieg.

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Prof. Dr. Gustav Horn ist außerplanmäßiger Professor am Institut für Sozioökonomie an der Universität Duisburg-Essen. Von 2005 bis 2019 war er wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.