Ein Einbrechen der Wirtschaftstätigkeit, fallende Einkommen, Pleitewellen, Massenarbeitslosigkeit und Finanzpanik – das sind Merkmale von Wirtschaftskrisen. Das bekannteste Beispiel aus der Geschichte ist die Große Depression in den 1930er Jahren. In den beiden Epizentren der Großen Depression – Deutschland und den USA – brach die Industrieproduktion um fast 50 Prozent ein. Die Arbeitslosenquote in der Industrie erreichte in beiden Ländern ihren Höhepunkt bei fast 40 Prozent.
Welche Kräfte führen dazu, dass Volkswirtschaften in Krisen abrutschen? Eine direkte Antwort bietet sich im Fall von Naturkatastrophen und Kriegen. Hier resultieren die wirtschaftlichen Schwierigkeiten unmittelbar aus der Schwere des Schocks, der das Wirtschaftssystem von außen trifft. Beispielsweise löste im Jahr 1816 ein Vulkanausbruch des Tambora in Indonesien einen vulkanischen Winter aus, ihm folgten Missernten in der nördlichen Hemisphäre, ein starker Anstieg der Lebensmittelpreise und Hunger.
Neben solchen externen Schocks haben Ökonomen Wirtschaftskrisen identifiziert, die ihren Ursprung innerhalb des Wirtschaftssystems haben. Dabei lassen sich zwei allgemeine Ansichten unterscheiden. Der einen Ansicht nach tendieren Märkte aus sich heraus zu einem stabilen Gleichgewicht, und Wirtschaftskrisen sind meistens das Ergebnis einer fehlgeleiteten Regierungspolitik. Der anderen Ansicht zufolge sind Marktwirtschaften von Natur aus instabil und führen, wenn sie nicht durch eine aufgeklärte Regierungspolitik stabilisiert werden, in gewisser Regelmäßigkeit zu Wirtschaftskrisen.
1. Fehlgeleitete Regierungspolitik?
a. Geldpolitik der Zentralbank
Zentralbanken agieren in einem Bankensystem, in dem Haushalte und Unternehmen Kredite bei Geschäftsbanken aufnehmen, um ihre Konsum- und Investitionsausgaben zu finanzieren. Geschäftsbanken erhalten Zinszahlungen auf die von ihnen gewährten Kredite und zahlen Zinsen an ihre Einleger und andere Gläubiger, von denen sie Geld leihen. Die Marge zwischen den Kreditzinsen der Geschäftsbanken und ihren Einlagenzinsen ermöglicht es ihnen, Gewinne zu erzielen – das ist ihr Geschäftsmodell. Allerdings können Haushalte ihr Einkommen verlieren und die Investitionspläne der Unternehmen scheitern – die Zukunft ist ungewiss. In diesem Fall können Kreditausfälle zu Bankverlusten führen, die, wenn sie schwerwiegend genug sind, die Existenz einer Bank bedrohen. Sobald der Fortbestand einer Bank in Frage steht, haben die Einleger dieser Bank einen Anreiz, "die Bank zu stürmen", um ihr Geld abzuheben, solange dies noch möglich ist. Wenn der Bank das Bargeld ausgeht, muss sie die Türen schließen. Infolgedessen erleiden Einleger, die ihr Geld noch nicht zurückbekommen haben, einen dauerhaften Verlust, und Unternehmen, die auf Kreditlinien dieser Bank angewiesen waren, können ihre Arbeiter und Lieferanten nicht mehr bezahlen – die Bankenkrise überträgt sich auf die Realwirtschaft.
Tatsächlich können sogar unbegründete Zweifel an der Solidität einer Bank einen Bankansturm auslösen. Lassen sich derartige unbegründete Bankenpaniken vermeiden? Die Antwort des Ökonomen Walter Bagehot aus dem 19. Jahrhundert lautete „Ja”. Nötig dafür ist eine staatliche Zentralbank, die in Krisenzeiten als Kreditgeber letzter Instanz fungiert und dem Bankensystem Geld (i) zu einem Strafzinssatz und (ii) gegen gute Sicherheiten zur Verfügung stellt. Die Idee: Sparer, die wissen, dass eine Zentralbank bereitsteht, um das Bankensystem mit ausreichend Geld zu versorgen, um ihre Sparer auszuzahlen, haben keinen Grund mehr, die Bank zu stürmen. Die Strafzinsen (i) sollen die Banken davon abhalten, in normalen Zeiten auf die Notfallunterstützung der Zentralbank zurückzugreifen. Die Bedingung guter Sicherheiten (ii) soll insolvente Banken von jenen trennen, denen nur vorübergehend Geld fehlt. Banken, die systematisch schlechte Investitionsentscheidungen getroffen haben, dürften Schwierigkeiten haben, Anforderung (ii) zu erfüllen. Auf diese Weise kann die Marktdisziplin weiterhin ihre Aufgabe erfüllen: Insolvente Banken gehen unter, die überlebensfähigen bleiben erhalten.
Dies führt uns zur ersten Art von geldpolitischem Versagen, das eine Wirtschaftskrise auslösen kann: das Versagen der Zentralbank, als Kreditgeber letzter Instanz zu fungieren, wodurch sich selbsterfüllende Bankenpaniken ausbreiten können. Einer einflussreichen Ansicht zufolge war dies einer der Haupttreiber der Großen Depression in den USA. Laut den neoliberalen US-Ökonomen Milton Friedman und Anna Schwartz versäumte das US-Zentralbanksystem, Bagehots Regel anzuwenden, obwohl sie sich in den vorangegangenen Jahrzehnten in vielen Ländern zu einer Standardpraxis der Zentralbankpolitik entwickelt hatte.
Die Zentralbank kann aber auch durch eine zu freigiebige Geldversorgung zur Entstehung einer Krise beitragen. Denn eine lockere Geldpolitik trägt zu einem Niedrigzinsumfeld bei, das Unternehmen und Haushalte dazu anregt, mehr Geld zu leihen, weil es billig ist. Dadurch besteht die Gefahr, dass sich Firmen und Haushalte zu stark verschulden. Wenn die Zinsen dann wieder steigen, stellen sich viele Investitionen, die mit billigem Kredit finanziert wurden, als nicht mehr rentabel dar. Die dann anfallenden Abschreibungen unrentabler Investitionsprojekte können eine Bankenkrise auslösen. In ähnlicher Weise wurde der US-Geldpolitik im Vorfeld der Finanzkrise von 2008 vorgeworfen, die Leitzinsen zu niedrig gehalten zu haben. Dieser Ansicht nach führten niedrige Zinsen in den frühen 2000er Jahren zu einem nicht nachhaltigen Boom bei Immobilienkrediten. Die Umkehrung dieses Booms in eine Krise und der Verfall der Immobilienpreise waren der Startschuss für die globale Finanzkrise, die sich ab 2008 entfaltete.
b. Staatsausgaben und Staatsschuldenkrisen
Eine weitere Möglichkeit, wie fehlgeleitete Regierungspolitik eine Wirtschaftskrise verursachen kann, ist durch eine Staatsschuldenkrise. In normalen Zeiten leiht sich ein Staat Geld, indem er Schuldscheine – Staatsanleihen – an Investoren verkauft. Eine Krise droht, wenn die Investoren daran zweifeln, dass der Staat seine Schulden bedienen kann, also Zins- und Kreditrückzahlung leisten kann. Wenn Investoren infolge dieser Zweifel ihre Staatsanleihen verkaufen, kann dies zu einem Einbruch der Staatsanleihenkurse führen. Angesichts der wichtigen Rolle von Staatsanleihen im Bankensystem – Banken halten große Mengen an Staatsanleihen – kann ein solcher Preisverfall wiederum eine Bankenkrise auslösen, wodurch sich die Staatsschuldenkrise nochmals verstärkt auf die Gesamtwirtschaft überträgt. Die griechische Schuldenkrise der 2010er Jahre ist ein Beispiel dafür, wie das Risiko eines Staatsbankrotts einen größeren wirtschaftlichen Zusammenbruch auslösen kann.
Jenseits von Fiskal- und Geldpolitik
Neben der Fiskal- und Geldpolitik können Regierungen das Krisenrisiko einer Volkswirtschaft auch auf andere Weise beeinflussen. Hier drei Beispiele:
Ein gut konzipiertes Einlagensicherungssystem kann einen Bankansturm verhindern, indem es den Einlegern die Sicherheit gibt, dass sie von der Regierung entschädigt werden.
Die Finanzregulierung kann den Banken finanzielle Sicherheitspuffer vorschreiben, wo Marktkräfte diese nicht etablieren.
Die Steuergesetzgebung beeinflusst, wie attraktiv die Finanzierung über Schulden ist (z. B. indem sie bestimmt, welche Zinsaufwendungen vom steuerpflichtigen Einkommen abgesetzt werden können).
Unterm Strich lässt sich sagen, dass die Regierungen die Krisenanfälligkeit moderner Volkswirtschaften maßgeblich beeinflussen. Die Qualität der Regierungsführung und der Institutionen ist entscheidend und erklärt zum Teil, warum manche Länder selten Wirtschaftskrisen erleben, andere dagegen immer wieder.
2. Marktversagen
a. Marktpsychologie und pro-zyklische Kreditvergabe
Laut der Finanziellen Instabilitäts Hypothese (FIH) von Hyman Minsky schwankt die Marktwirtschaft von sich aus zwischen Zuständen finanzieller Euphorie und finanzieller Depression.
Die Vorstellung, dass Marktwirtschaften anfällig für große wirtschaftliche Schwankungen sind, ist eng mit der Vorstellung verbunden, dass der Staat in die Wirtschaft eingreifen sollte, um sie zu stabilisieren. Diese Stabilisierungsbemühungen können verschiedene Formen annehmen, beispielsweise Finanzregulierung, Geldpolitik oder die staatliche Einnahmen- und Ausgabenpolitik. Letztere wird allgemein mit dem Namen des Ökonomen John M. Keynes in Verbindung gebracht, dem zufolge die Fiskalpolitik ein Schlüsselinstrument ist, um heftige Schwankungen der Marktwirtschaft auszugleichen.
3. Fazit
Wirtschaftskrisen schaden einer Gesellschaft in mehrerer Hinsicht. Neben den wirtschaftlichen Schäden kann das Gefühl, dass irgendwo ein Fehler begangen wurde, der die weitverbreitete wirtschaftliche Not hervorgerufen hat gesellschaftliches Vertrauen schwer belasten. Ein wichtiger Schritt bei der Aufarbeitung solcher Wirtschaftskrisen ist eine akkurate Diagnose der zugrunde liegenden Ursachen. In den obigen Abschnitten wurden verschiedene Arten von Wirtschaftskrisen beschrieben, die durch unterschiedliche Faktoren verursacht werden. Ein grundlegendes Verständnis dieser Krisentypen stellt eine notwendige Basis dar, auf der diese Episoden des ökonomischen Chaos besser fassbar werden, und auf der effektive wirtschaftspolitische Lösungsvorschläge formuliert werden können.