Im Jahr 2021 hatten alle Privathaushalte in Deutschland zusammen ein Nettovermögen von rund 13,2 Billionen Euro, also 13.200.000.000.000 Euro. Eine derart riesige Summe kann sich wohl niemand vorstellen. Um die Größenordnung eher einschätzen zu können, hilft ein Rechenbeispiel: Wäre dieses Vermögen gleichmäßig verteilt, hätte jeder Haushalt in Deutschland ein Nettovermögen von gut 316.500 Euro. Eine solche vollkommene Gleichheit gibt es in keinem Staat. In Deutschland ist das Vermögen jedoch ungleicher verteilt als anderswo. Das hat auch historische Gründe.
Woraus das Nettovermögen besteht
Wenn von der Ungleichheit der Vermögen die Rede ist, geht es im Regelfall um das Nettovermögen der Privathaushalte. Dieses Nettovermögen setzt sich aus dem Bruttovermögen abzüglich eventueller Verbindlichkeiten zusammen. Zum Bruttovermögen zählen das selbst genutzte Wohneigentum, sonstiger Immobilienbesitz (zum Beispiel unbebaute Grundstücke, vermietete Objekte, Ferienwohnungen), das Betriebsvermögen und der Wert von Fahrzeugen, Sammlungen, Gold und Schmuck. Darüber hinaus zählt dazu das Finanzvermögen, bestehend aus Spar- und Girokonten, Bausparguthaben, Fondsanteilen, Aktien und Zertifikaten sowie Guthaben aus privaten Renten- und Lebensversicherungen.
Auf Seiten der Verbindlichkeiten finden sich Hypotheken auf selbst genutzte oder sonstige Immobilien, Konsumentenkredite, Kreditkartenschulden, Schulden unter Privatpersonen, Studienkredite sowie Kredite für Geschäftstätigkeiten.
Unberücksichtigt bleiben beim Nettovermögen der Wert des Hausrats sowie Anwartschaften an Alterssicherungssysteme, also etwa Rentenansprüche. Diese bilden zwar für die Mehrheit der Bevölkerung den grundlegenden Pfeiler der Altersvorsorge, aber Anwartschaften sind nicht beleihbar und können nicht verkauft werden. Damit sind sie nicht mit anderen Vermögenskomponenten vergleichbar.
Wie das Nettovermögen verteilt ist
Zur Beschreibung der Vermögenssituation privater Haushalte in Deutschland wird hier auf Daten der Umfrage „Private Haushalte und ihre Finanzen“ (PHF) zurückgegriffen, die seit 2010 von der Deutschen Bundesbank durchgeführt wird. Derzeit liegen Informationen aus vier Erhebungswellen vor, letztmalig für das Jahr 2021. Befragt wurden private Haushalte zum Haushaltsvermögen. Die Angaben zur Höhe von Vermögen oder der Schulden basieren also auf Selbsteinschätzungen und weisen damit Ungenauigkeiten auf. Ergänzt werden diese Angaben durch Informationen aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), das am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) angesiedelt ist. Das SOEP ist eine große Befragung von Personen in Privathaushalten, die seit 1984 läuft. Aktuell werden jedes Jahr rund Externer Link: 30.000 Menschen befragt.
Zählt man für das Jahr 2021 alle Vermögen der Privathaushalte in Deutschland zusammen, so ergibt sich das erwähnte Nettovermögen von rund 13,2 Billionen Euro, wobei Grund- und Immobilienbesitz mit 9,2 Billionen Euro den überwiegenden Anteil ausmachte. Die Verbindlichkeiten der privaten Haushalte beliefen sich auf rund 1,3 Billionen Euro, vorrangig bestehend aus Hypothekarkrediten in Höhe von rund 1,1 Billionen Euro. Legt man dieses aggregierte Nettovermögen auf alle Haushalte um, so betrug das durchschnittliche Nettovermögen pro Haushalt im Jahr 2021 gut 316.500 Euro (Tabelle 1).
Der Median lag im Jahr 2021 hingegen nur bei 106.600 Euro. Das heißt: Ein Haushalt mit einem Nettovermögen von 106.000 Euro liegt genau in der Mitte der Verteilung, die Hälfte der Haushalte hat ein höheres Vermögen, die andere Hälfte ein geringeres. Der Median ist wesentlich niedriger als der durch statistische Ausreißer verzerrte Durchschnitt – ein Indiz für die ungleiche Verteilung des Vermögens. Am unteren Ende der Verteilung gab es etwa sechs Prozent Haushalte, die entweder kein oder ein negatives Nettovermögen aufwiesen – die Verbindlichkeiten waren höher als das Bruttovermögen. Wer zu den reichsten fünf Prozent der Haushalte (95. Perzentil) gehört, verfügt über ein Nettohaushaltsvermögen von mindestens 1,1 Millionen Euro.
Von 2010 bis 2021 ist das durchschnittliche Nettovermögen deutlich angestiegen. Der Zuwachs beläuft sich nach Berücksichtigung der Preissteigerung auf 39 Prozent. Dies ist vor allem das Ergebnis von Wertänderungen bei Immobilien, denn die Preise für Häuser, Wohnungen oder Grundstücke sind im vergangenen Jahrzehnt stark gestiegen.
Wie das Vermögen zusammengesetzt ist
Das Vermögensportfolio – also die Zusammensetzung nach Vermögensarten – wird im Folgenden nach Vermögensdezilen beschrieben. Dezile ergeben sich, wenn man die Bevölkerung nach der Höhe des Vermögens sortiert und in zehn gleich große Gruppen aufteilt. Das unterste Dezil gibt die Vermögenssituation der ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung an, das oberste die Lage der reichsten zehn Prozent (Abbildung 1).
Im untersten Dezil ist das Nettovermögen negativ, da diese Personen Restschulden aus Konsumenten- oder Studienkrediten aufweisen – die Menschen sind verschuldet. Im zweiten und dritten Dezil fallen die Bruttovermögen gering aus und setzten sich primär aus Geldvermögen oder privaten Versicherungen zusammen. Ab dem vierten Dezil gewinnt der selbst genutzte Immobilienbesitz zunehmend an Bedeutung, während Hypothekenschulden parallel dazu an Relevanz verlieren. Das reichste Zehntel unterscheidet sich nicht nur in der absoluten Vermögenshöhe von den anderen Bevölkerungsgruppen. Das Portfolio hat auch eine andere Struktur. In dieser Gruppe verliert die selbst genutzte Immobilie relativ an Bedeutung und drei andere Komponenten gewinnen an Gewicht: der sonstige Immobilienbesitz, das Geldvermögen und das Betriebsvermögen. Auf Seiten der Verbindlichkeiten kommen Hypothekenrestschulden auf sonstige Immobilien hier besonders häufig vor.
Um die Vermögensungleichheit zu messen, wird häufig der Gini-Koeffizient berechnet. Dieser ist auf den Wertebereich zwischen 0 (vollkommene Gleichverteilung) und 1 (vollkommene Ungleichverteilung) normiert, das heißt, je höher der Wert ist, desto stärker ausgeprägt ist die Ungleichheit. Für 2021 ergab sich ein Gini-Koeffizient von 0,73. Über die vergangenen zehn Jahre ist die Vermögensungleichheit dabei leicht gesunken – die Vermögen sind dennoch wesentlicher ungleicher als die Einkommen verteilt, die 2021 einen Gini-Wert von 0,30 aufwiesen.
Alternativ lässt sich die Ungleichheit auch mittels der Anteile am Gesamtvermögen darstellen. Im Jahr 2021 hatte nach Angaben des PHF das reichste Zehntel der Privathaushalte einen Anteil am Nettogesamtvermögen von 55 Prozent. Das ist aber ein unterer Schätzwert, da Multimillionäre und Milliardäre oft in Datenquellen fehlen. Um diese Untererfassung zu korrigieren, hat das Sozio-oekonomische Panel 2019 eine gezielte Befragung von Multimillionären durchgeführt. Zudem wurden Angaben über Milliardäre in Deutschland aus dem Manager-Magazin herangezogen. Im Ergebnis zeigt sich, dass die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung einen Anteil am Nettogesamtvermögen von rund 67 Prozent halten und Externer Link: das reichste ein Prozent einen Anteil von 35 Prozent.
Im Gegensatz dazu verfügt die untere Hälfte der Bevölkerung über weniger als 1,5 Prozent des Gesamtvermögens. Im internationalen Vergleich ist Deutschland damit eines der Länder mit einer sehr großen Vermögensungleichheit. Innerhalb Europas weisen Lettland, Estland und die Schweiz ein vergleichbar hohes Ausmaß an Ungleichheit auf. Eines der wenigen Länder, in denen sie noch größer ist als in Deutschland sind die USA.
Warum die Vermögensungleichheit so hoch ist
Die hohe Vermögensungleichheit hierzulande hat verschiedene Ursachen. Zunächst sind historische Faktoren zu nennen: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind rund zwölf Millionen Menschen aus Mittel-, Ost- und Südosteuropa geflohen oder vertrieben worden. Diese mussten ihren Besitz hinter sich lassen und kamen oftmals nur mit einem Koffer ins heutige Deutschland, das selbst durch den Krieg gezeichnet war. Innenstädte waren teilweise vollständig zerstört und damit auch immense Vermögenswerte vernichtet worden. Andererseits gab es Menschen, deren Besitz durch den Krieg nur wenig beeinträchtigt worden war.
Eine andere historische Ursache ist die Wiedervereinigung. In der DDR war der Besitz von Betrieben systembedingt unerwünscht. Privater Immobilienbesitz wurde geduldet, aber nicht gefördert, so dass der Anteil selbst nutzender Immobilienbesitzer zur Zeit der Wende in Ostdeutschland bei rund 25 Prozent lag, Externer Link: während in Westdeutschland die Quote rund 40 Prozent betrug. Auch Geldanlagen in Form von Aktien oder Wertpapieren waren in der DDR nicht möglich. Im Ergebnis verfügen Menschen in Ostdeutschland bis heute über deutlich geringere Nettovermögen als in Westdeutschland.
Eine weitere Ursache liegt in der Struktur der Wirtschaft: 88 Prozent aller Firmen in Deutschland sind eigentümergeführte Familienunternehmen, ein Externer Link: im internationalen Vergleich hoher Wert. Zudem findet sich unter den größten Unternehmen in Deutschland ein höherer Anteil an Familienunternehmen als zum Beispiel Externer Link: in den USA. Da Unternehmensbesitz zum Vermögen der Privathaushalte zählt, führt dies zu einer hohen Vermögensungleichheit. In den USA wiederum spielt eine liberale Wirtschaftspolitik Externer Link: mit niedrigen Steuern und eine starke Konzentration des Aktienbesitzes eine Rolle bei der Ungleichheit.
Hinzu kommt, dass in den vergangenen 30 Jahren die Interner Link: Einkommensungleichheit in Deutschland Externer Link: zugenommen hat, was ein weiterer Treiber für eine höhere Vermögensungleichheit ist. Denn Vermögensaufbau wird von vielen primär über regelmäßiges Sparen betrieben. Hinzu kommt, die ärmere Hälfte der Bevölkerung legt ihre Ersparnisse eher auf Giro- oder Sparkonten an, die kaum eine Rendite abwerfen. Wohlhabendere haben hingegen bei der Zusammensetzung ihres Portfolios mehr Spielraum und lassen sich teils auch professionell beraten.
Auch das Steuersystem ist von Bedeutung. Im Externer Link: internationalen Vergleich werden Vermögen in Deutschland nur wenig mit Steuern belastet. So ist die Vermögensteuer seit 1997 in Deutschland ausgesetzt. Die derzeit geltende Grundsteuer hat nur ein sehr geringes Aufkommen und differenziert bisher kaum nach dem Wert eines Grundstücks. Des Weiteren werden Löhne mit einem Steuersatz von bis zu 45 Prozent stärker steuerlich belastet als Erträge aus Kapitalanlagen, für die nur die pauschale Abgeltungsteuer in Höhe von 25 Prozent zuzüglich des Solidaritätszuschlags in Höhe von 5,5 Prozent zu entrichten sind. Auch die Erbschaft- und Schenkungsteuer weist quantitativ keine große Relevanz auf, da es umfangreiche Befreiungen und Ausnahmeregelungen gibt. So kann Betriebsvermögen unter bestimmten Bedingungen unabhängig vom Wert des Unternehmens steuerfrei übertragen werden. Das gleiche gilt für das sogenannte Familienheim, wenn ein Erblasser verstorben ist, die Größe nicht 200 Quadratmeter Wohnfläche überschreitet und wenn ein Kind oder Ehepartner die Immobilien weiterhin bewohnen. In diesen Fällen gilt, dass unabhängig vom Wert der Immobilie keinerlei Erbschaftsteuern anfallen. Zudem gibt es Freibeträge bei der Übertragung von Vermögen. So kann jedes Elternteil einem Kind 400.000 Euro steuerfrei übertragen. Dieser Freibetrag kann zudem alle zehn Jahre erneut in Anspruch genommen werden. Das heißt zum Beispiel: Vermögende Eltern können ihren Kindern alle zehn Jahre 800.000 Euro steuerfrei schenken.
Wie ließe sich die Ungleichheit verringern?
Um die hohe Vermögensungleichheit zu verringern, werden immer wieder Steuerreformen gefordert, zum Beispiel die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Dabei ist aber zu beachten, dass bei den üblichen Szenarien wie einer Steuerpflicht ab einem Nettovermögen oberhalb von einer oder zwei Millionen und einem Steuersatz von einem Prozent der Effekt auf die Vermögensungleichheit vernachlässigbar wäre. Zwar käme es zu einem zusätzlichen Steueraufkommen Externer Link: zwischen 10 bis 20 Milliarden Euro pro Jahr, aber die Auswirkungen auf die Vermögensungleichheit wären gering. Legt man zum Beispiel den langjährigen durchschnittlichen Wertzuwachs des Aktienindex MSCI World zugrunde, der die Wertentwicklung von rund 1.500 großen Unternehmen weltweit abbildet, so belief sich dieser über einen Anlagezeitraum von 20 Jahren auf etwa sechs Prozent pro Jahr. Wenn der Steuersatz für eine Vermögenssteuer kleiner ist als die durchschnittliche Vermögensrendite, dann wird damit nur der Zuwachs am Ertrag, aber nicht das zugrundeliegende Kapital besteuert. Im Ergebnis wird damit bloß der Anstieg der Ungleichheit verringert, die Ungleichheit wird aber nicht reduziert. Steuersätze von mehr als zwei oder gar fünf Prozent werden in Deutschland nicht ernsthaft diskutiert.
Es wird auch wiederholt eine Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer gefordert. Insbesondere die Möglichkeit, Unternehmensbesitz unter bestimmten Bedingungen steuerfrei zu übertragen, wird kritisiert. Bei einer steuerlichen Belastung von Betriebsvermögen muss indes berücksichtigt werden, dass die Steuerlast alternativ nicht für Investitionen eingesetzt werden kann und damit dem Unternehmenserfolg schaden und Arbeitsplätze gefährden kann. Um diese potenziellen Belastungen abzumildern, könnte die Steuerlast auf einen längeren Zeitraum verteilt werden.
Ein alternativer Ansatz zur Reduktion von Vermögensungleichheit ist das Externer Link: Grunderbe. Demnach könnte jeder Erwachsenenkohorte im 20. Lebensjahr einmalig ein Kapital von beispielsweise 20.000 Euro gewährt werden, mit dem Investitionen wie ein Immobilienkauf, eine (weitere) Ausbildung oder eine Unternehmensgründung erleichtert werden kann. Externer Link: Simulationen zeigen, dass damit die Vermögensungleichheit in der mittleren Frist nachhaltig reduziert werden kann.
In eine ähnliche Richtung geht die Idee einer veränderten Vermögensbildungspolitik. Ausgangspunkt ist hierbei, dass ein großer Teil der Bevölkerung über kein nennenswertes eigenes Vermögen verfügt. Eine Förderung sollte so gestaltet werden, dass Anreize gesetzt werden, überhaupt mit dem Vermögensaufbau zu beginnen und ihn über eine längere Zeit zu betreiben. Das könnte beispielsweise durch Zuschüsse geschehen, wie dies bei der Wohnungsbauprämie stattfindet. Die gewährten Zuschüsse sind hier allerdings aktuell so niedrig, dass sie keinen relevanten Einfluss auf die Vermögensungleichheit entwickeln. Zwar hat der Staat in der Vergangenheit erhebliche Mittel für den Vermögensaufbau in die Immobilienförderung gesteckt, diese wiesen in der Regel aber das Problem auf, dass es zu Mitnahmeeffekten kam, da ein Immobilienerwerb ohne nennenswertes Eigenkapital nicht möglich ist. Eine zielgerichtete Vermögensbildungspolitik für die untere Hälfte der Bevölkerung steht damit weiterhin aus.