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Klimawandel – wenn der Markt versagt | Wirtschaftspolitik | bpb.de

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Klimawandel – wenn der Markt versagt

Sonja Peterson Till Requate

/ 7 Minuten zu lesen

Der Klimawandel verursacht hohe Kosten. Klimaschutz ist also ökonomisch vernünftig. Dennoch findet er nicht ausreichend statt. Das, so heißt es, liegt an einem Marktversagen. Worin versagt der Markt?

Dampf steigt aus dem Braunkohlekraftwerk Weisweiler bei Aachen. Braunkohle zählt zu den klimaschädlichsten Arten der Stromgewinnung. (© picture-alliance/dpa, Oliver Berg)

Der schwedische Physiker und Chemiker Svante Arrhenius hat bereits 1896 nachgewiesen, dass Treibhausgase die globale Temperatur erhöhen. Und spätestens seit dem ersten Bericht des Weltklimarates im Jahr 1990 besteht ein breiter wissenschaftlicher Konsens darüber, dass ein vom Menschen verursachter Klimawandel stattfindet und erhebliche negative Folgen hat. Dennoch steigen die globalen Treibhausgasemissionen mit wenigen Ausnahmen Jahr für Jahr weiter an. Gleichzeitig werden Klimaschäden durch extreme Wetterereignisse immer spürbarer. Zahlreiche Studien zeigen, dass es kostengünstiger wäre, den Klimawandel zu begrenzen als mit seinen Folgen zu leben. Ökonomisch spricht also alles für Klimaschutz – der dennoch hinter dem zurückbleibt, was notwendig wäre.

In der Ökonomie werden diese scheinbar widersprüchlichen Beobachtungen einerseits durch das Vorhandensein Interner Link: externer Effekte erklärt: Das Verbrennen fossiler Ressourcen wie Kohle, Gas und Öl erzeugt einen unmittelbaren Nutzen, indem es Wärme und Strom erzeugt. Die (externen) negativen Klimafolgen werden von den Nutzenden jedoch ignoriert. Andererseits hat die Vermeidung von Treibhausgasen den Charakter eines Interner Link: öffentlichen Gutes und erzeugt ein Interner Link: Trittbrettfahrerproblem: Es wäre für alle besser, Treibhausgase zu vermeiden, aber die einzelnen Länder, die dies tun, profitieren selbst kaum davon. Also vermeiden alle zu wenig. Nach den gängigen Ansätzen der Wirtschaftswissenschaften, insbesondere der oft als neoklassisch bezeichneten Sichtweise, liegt das Kernproblem darin, dass externe Effekte und öffentliche Güter zu Interner Link: Marktversagen führen.

Märkte als Garanten für Wohlfahrt

Bereits in der Antike gab es Kontroversen über individualistische versus kollektivistische Auffassungen von Wirtschaft und Staatsaufgaben. Der Philosoph Platon entwarf eine Staatstheorie, in der sich der Einzelne dem Wohl der Gemeinschaft unterzuordnen hatte. Sein Schüler Aristoteles betonte dagegen die Anreize des Privateigentums: „Wenn jeder für sich selbst sorgt, wird es keine Anklagen gegeneinander geben, und man wird besser vorankommen, weil jeder für sich selbst arbeitet“. Der Schotte Adam Smith (1776) griff diesen Gedanken später auf, indem er die Vorteile dezentraler Entscheidungen und des Wettbewerbs auf Märkten als ein für alle vorteilhaftes System pries. Seine noch etwas vage Argumentation wurde von neoklassischen Ökonomen wie Vilfredo Pareto (1906) und Léon Walras (1954) geschärft und mündete im ersten Hauptsatz der Wohlfahrtsökonomie. Dieser besagt im Kern, dass ein marktwirtschaftliches System unter bestimmten Voraussetzungen in folgendem Sinne für alle vorteilhaft ist: In einem Interner Link: Marktgleichgewicht, in dem alle unabhängig voneinander entscheiden und sich Angebot und Nachfrage auf allen Märkten ausgleichen, kann keine Person bessergestellt werden, ohne eine andere schlechter zu stellen.

Wo Märkte versagen

Die eingangs skizzierten Eigenschaften des Klimawandels führen allerdings dazu, dass Märkte nicht in der Lage sind, gesamtgesellschaftlich erwünschte Ergebnisse hervorzubringen. Die Preise, die auf Märkten normalerweise dafür sorgen, dass der individuelle Nutzen und die Kosten der konsumierten Güter und Dienstleistungen gegeneinander abgewogen werden, können in diesem Fall keine Lenkungswirkung entfalten oder sind gar nicht vorhanden.

Lokale Umweltprobleme sind ein altes Phänomen: Schon die Römer klagten über stinkende Schornsteine. Der Brite Arthur Pigou (1920) beschäftigte sich als einer der ersten Ökonomen mit diesen Problemen. Er beschäftigte sich mit sogenannten öffentlichen Gütern – das sind Güter, von deren Nutzung niemand ausgeschlossen und für deren Nutzung also kein Entgelt verlangt werden kann. Pigou stellte fest, dass öffentliche Güter in der Regel nicht oder nur unzureichend über Märkte bereitgestellt werden. Ein Leuchtturm zum Beispiel ist für viele nützlich, gleichzeitig aber wird kein Unternehmen einen Leuchtturm bauen, ohne eine Gebühr von den Seeleuten verlangen zu können. Öffentliche Güter werden daher in der Regel vom Staat bereitgestellt. Ähnliches gilt für öffentliche Übel wie Umweltverschmutzung. Einzelne, die beispielsweise einen Nutzen aus einem Kohleofen ziehen, ignorieren die negativen Auswirkungen wie Feinstaub auf die Nachbarschaft. Ähnlich ist es bei einem Stahlwerk, das gratis COCO2 ausstoßen und daher die Klimafolgen auf zukünftige Generationen ignorieren kann. Solche Auswirkungen werden in der Ökonomie als externe Effekte bezeichnet. Auch hier versagen Märkte, da die Preise diese externen Kosten der Umweltbelastung nicht widerspiegeln. Hier bedarf es daher zusätzlicher staatlicher oder gemeinschaftlicher Regelungen.

Betrachten wir zunächst die externen Effekte von Feinstaub und nehmen an, dass in einem Dorf alle mit Kohleöfen heizen. Dann könnten alle erkennen, dass sie gegenseitig negative externe Effekte aufeinander ausüben und sich auf eine Regelung einigen, die alle besserstellt als vorher. Der amerikanische Ökonom Ronald Coase (1960) hat gezeigt, wie bilaterale Verhandlungen, in denen gegebenenfalls auch Kompensationszahlungen vereinbart werden, zu einer für alle besseren Lösung führen. Die Verhaltenswissenschaftlerin Elinor Ostrom (1999) untersuchte in Feldstudien, in welchen Zusammenhängen solche Einigungen zustande kommen. Dies ist insbesondere bei sehr lokalen Problemen der Fall.

Bei globalen Problemen hingegen sind individuelle Einigungen nicht möglich. Pigou schlug daher als weitergehende Lösung die Einführung von Preisen für Schadstoffemissionen als vor. Wenn etwa CO2-Emissionen mit einem Preis versehen werden, berücksichtigen Einzelne diesen bei ihren Entscheidungen, weil die Emission ihnen Kosten verursacht. So werden die externen Effekte auf ein vertretbares Maß reduziert.

Bei großen Umweltproblemen wie dem Klimawandel hat sich in vielen Ländern das Pigou-Paradigma durchgesetzt, nach dem diejenigen einen Preis bezahlen, die den Ausstoß von Schadstoffen verursachen. Ein solcher Preis kann in diesem Fall etwa durch eine CO2-Steuer festgesetzt werden, oder es kann – wie in der EU – ein neuer Markt für CO2-Zertifikate geschaffen werden, die jene kaufen müssen, die Treibhausgase ausstoßen wollen. Hier bildet sich ein CO2-Preis durch Angebot und Nachfrage auf dem Markt.

Besonderheiten des Klimawandels

Der Ausstoß von Treibhausgasen hat Parallelen zu dem oben erwähnten Problem der gegenseitigen Feinstaubbelastung, weist jedoch Besonderheiten auf, die Lösungen zusätzlich erschweren. Auch wenn wir die Auswirkungen des Klimawandels schon heute zum Teil drastisch spüren, so ist dies auf den Treibhausgasausstoß vor vielen Jahrzehnten zurückzuführen. Umgekehrt werden von den heutigen Vermeidungsanstrengungen primär künftige Generationen profitieren. Anders als bei der Lösung des Feinstaubproblems gibt es hier keine Win-Win-Situation für alle Beteiligten, und es bestehen wenig Anreize für heutige Generationen, hohe Kosten für einen Klimaschutz auf sich zu nehmen, dessen Früchte sie kaum ernten dürften. Um Anstrengungen zur Eindämmung des Klimawandels zu rechtfertigen, bedarf es eines Verantwortungsgefühls – in den Verhaltenswissenschaften spricht man auch von Altruismus – gegenüber zukünftigen Generationen. Altruistisches Verhalten wurde in verschiedenen Kontexten bereits nachgewiesen. Gegenüber abstrakten Personen, insbesondere solchen, die noch nicht geboren sind, ist es jedoch weniger wahrscheinlich.

Eine weitere Besonderheit ist, dass es keine Weltregierung gibt, die beispielsweise ein CO2-Bepreisungssystem international durchsetzen könnte. Freiwillige Vereinbarungen zur Begrenzung des Klimawandels wie das Kyoto-Protokoll oder das Pariser Abkommen sind bisher wenig wirksam. Unterschiedliche nationale Interessen erschweren solche Abkommen. Was bleibt, sind Koalitionen der Willigen wie die EU-Staaten, die versuchen, den CO2-Ausstoß auf ihrem Territorium zu begrenzen, in der Hoffnung, weltweit Nachahmung zu finden. Solche Staaten sehen sich allerdings mit Verlagerungseffekten konfrontiert: Eine Erhöhung des CO2-Preises in Europa führt dazu, dass die Produktion von Gütern hier teurer wird und ein Teil dieser Produktion samt CO2-Ausstoß ins Ausland verlagert wird. Wenn dort mit älteren, auf fossilen Brennstoffen basierenden Technologien produziert wird, können die globalen Treibhausgasemissionen sogar steigen. Studien über den ökologischen Fußabdruck des Konsums in der EU zeigen, dass zwar die CO2-Emissionen in Europa zurückgegangen sind, sich der implizite CO2-Gehalt unserer Konsumgüter jedoch kaum verändert hat.

Alternative Sichtweisen

Wir haben argumentiert, dass Märkte allein Umweltprobleme zwar nicht lösen, dass aber geeignete Markteingriffe wie die Bepreisung von Schadstoffen oder die Schaffung neuer Märkte Umweltprobleme erheblich eindämmen können.

Alternative Ansätze glauben nicht an die heilende Kraft entsprechender Markteingriffe, sondern sehen im Klimawandel ein grundsätzlicheres Versagen des gegenwärtigen Wirtschaftssystems, das über Märkte als Teil des Systems hinausgeht. Die Frage ist allerdings, worin dann die Alternativen bestehen? Nicht marktwirtschaftlich organisierte Volkswirtschaften wie die der ehemaligen Sowjetunion haben in der Vergangenheit gezeigt, dass Umweltprobleme eher mehr als weniger ignoriert wurden. Zudem ist fraglich, was mit dem zu verändernden „System“ gemeint ist. Negative externe Effekte zu ignorieren ist möglicherweise weniger ein systemisches als ein menschliches Versagen. Die Beschränkung des internationalen Handels und damit der internationalen Arbeitsteilung kann Umweltprobleme sogar verstärken.

Eine weitere Denkschule, die die Standardlösungen zum Klimawandel kritisiert, ist die Postwachstums- oder Degrowth-Bewegung. Diese sieht im Streben nach ständigem Wirtschaftswachstum das Hauptproblem, da mit steigender Produktion auch der Ressourcenverbrauch und damit der Ausstoß von Treibhausgasen zunimmt. Daher müsse zu einem negativen Wachstum übergegangen werden: die Wirtschaftsleistung müsse schrumpfen. Dem wird entgegengehalten, dass Wirtschaftswachstum in Geld gemessen wird und nicht gleichzusetzen ist mit dem Wachstum des Material- und Ressourceneinsatzes. Ziel müsse daher eine sogenannte Entkopplung von wertmäßigem Wachstum und Ressourcenverbrauch sein. Solch eine Entkopplung konnte empirisch jedoch bislang nicht in ausreichendem Maße nachgewiesen werden. Abgesehen davon, dass den Ländern des Globalen Südens ein materielles Wachstum zugestanden werden muss, ist auch in Industrieländern fraglich, ob ein Schrumpfen der Wirtschaft gesellschaftlich akzeptiert würde. Nach wie vor wird selbst ein minimaler Rückgang der Wirtschaftsleistung von vielen Seiten als Katastrophe gebrandmarkt. Auch bei Lohnverhandlungen fordern Gewerkschaften stets mindestens einen Inflationsausgleich und halten Reallohnverluste für inakzeptabel. Angesichts des Erstarkens populistischer Parteien erscheint ein gesellschaftlicher Konsens über ein Schrumpfungsziel der Wirtschaft wenig realistisch.

Beim Klimawandel versagen unregulierte Märkte darin, gesamtgesellschaftlich sinnvolle Ergebnisse zu erzielen. Dies liegt nach ökonomischer Auffassung daran, dass es keine Anreize gibt, negative Externalitäten bei individuellen Entscheidungen zu berücksichtigen. Gleichzeitig dämpfen intergenerationale Effekte und das Fehlen einer weltweit regulierenden Instanz die Hoffnung auf eine globale Reduktion von Treibhausgasen. Gleichwohl erweisen sich klimapolitische Instrumente wie eine CO2-Bepreisung in Staaten, die diese anwenden, als durchaus effektiv.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen, im Original: Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, Oxford 1976 [1776].

  2. Vgl. Vilfredo Pareto, Manuale di Economia Politica [1906], übersetzt ins Englische als: Manual of Political Economy. London 1971.

  3. Vgl Léon Walras, Élements d'économie politique pure, übersetzt ins Englische: Elements of Pure Economics, Homewood IL 1954.

  4. Vgl. Arthur Pigou, The Economics of Welfare, London 1952 [1920].

  5. Vgl. Ronald Coase, The Problem of Social Cost, in: Journal of Law and Economics 3/1960, S. 1-44.

  6. Vgl. Elinor Ostrom, Die Verfassung der Allmende: Jenseits Von Staat Und Markt, Tübingen 1999.

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Weitere Inhalte

Prof. Dr. Sonja Peterson leitet den Bereich Forschungsmanagement & Transfer am Kieler Institut für Weltwirtschaft und ist Honorarprofessorin für Kima und Energiepolitik an der Universität Kiel.

Prof. Dr. Till Requate ist Professor für Innovations-, Wettbewerbs- und Neue Institutionenökonomik an der Universtität Kiel.