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Vor 10 Jahren: Kroatien wird EU-Mitglied

Redaktion

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Am 1. Juli 2013 trat Kroatien der EU bei. Das Land hat vor allem wirtschaftlich stark von der Mitgliedschaft profitiert.

Eine Flagge der Europäischen Union und eine Flagge Kroatiens flattern im Wind vor einem weiß-blauen Himmel. (© picture-alliance, Zoonar | Valerio Rosati)

Seit dem 1. Juli 2013 ist Kroatien Mitglied der Interner Link: Europäischen Union. Bereits 2003 hatte die Regierung des Landes ein Beitrittsgesuch gestellt. Aufgrund eines Grenzstreits mit Interner Link: Slowenien verzögerte sich der Beitrittsprozess jedoch zunächst. Die damalige kroatische Regierungschefin Jadranka Kosor unterzeichnete schließlich im Dezember 2011 den Beitrittsvertrag für ihr Land. Damit wurde Kroatien 2013 als damals 28. Staat Mitglied der Europäischen Union.

Referendum über EU-Beitritt

Der EU-Beitritt war zuvor von der kroatischen Bevölkerung bestätigt worden: 2012 stimmten rund zwei Drittel der Kroatinnen und Kroaten für den Beitritt. An der Abstimmung nahmen allerdings nur 43,6 Prozent der Stimmberechtigten teil.

Aufnahme an Bedingungen geknüpft

Für die Aufnahme in die EU musste Kroatien verschiedene Bedingungen erfüllen. Große Hindernisse stellten die im Land grassierende Korruption, die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz sowie die mangelhafte Kooperation mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemaligen Jugoslawien dar. Die EU forderte auch eine effizientere Verwaltung und eine Privatisierung von Staatsbetrieben.

Kroatien profitierte von EU-Beitritt

Wirtschaftlich war Kroatien vor dem EU-Beitritt angeschlagen. Im Zuge der Interner Link: Finanzkrise von 2008/9 war das Land in eine Rezession geraten. Auch nach dem EU-Beitritt schrumpfte die Wirtschaft zunächst leicht weiter, doch seit 2015 wächst Kroatien kräftig. Lediglich 2020 gab es bedingt durch die Interner Link: Corona-Pandemie einen kurzzeitigen Einbruch. Das Interner Link: Bruttoinlandsprodukt legte von rund 50 Milliarden US-Dollar im Jahr 2015 auf knapp 68 Milliarden US-Dollar (62 Milliarden Euro) im Jahr 2021 zu. Auch 2022 wuchs die Wirtschaft des Landes trotz des Ukrainekriegs auf etwa 71 Milliarden Dollar. Kroatien profitiert von der Interner Link: Zollunion innerhalb der Europäischen Union. Rund zwei Drittel der Exporte gehen in EU-Staaten. Deutschland war 2020 mit 13 Prozent aller Ausfuhren der wichtigste Exportmarkt des Landes, knapp vor Italien (12 Prozent).

Arbeitslosigkeit massiv gesunken

Das Wirtschaftswachstum in den Jahren seit dem EU-Beitritt spiegelt sich auch in den Arbeitslosenzahlen wider. Vor dem Beitritt zur EU war knapp jeder fünfte Kroate arbeitslos, unter Jugendlichen sogar mehr als zwei von fünf. Viele gut qualifizierte Menschen verließen damals das Land. Zuletzt lag die Arbeitslosenquote dagegen mit 6 bis 7 Prozent in etwa auf dem Niveau anderer EU-Staaten. Auch die Nettolöhne stiegen seit dem EU-Beitritt, liegen jedoch noch immer unter dem Niveau anderer europäischer Länder.

Stabiles politisches System

Kroatien gilt politisch als relativ stabil. Nicht zuletzt durch den Annäherungsprozess an die EU wurden die demokratischen Institutionen bereits in den 2000er-Jahren gestärkt. Die Zusammensetzung des Parlaments ist seit jeher heterogen. Immer wieder wechselten die Regierungsmehrheiten zwischen Nationalkonservativen und Sozialdemokraten. Seit 2016 regiert die nationalkonservative HDZ mit wechselnden Koalitionspartnern. Neu im Parlament sind Interner Link: seit den letzten Wahlen 2020 die rechtspopulistische „Heimatbewegung“, die mit 10,9 Prozent auf dem dritten Platz landete, sowie das links-grüne Bündnis Možemo ("Wir können"), das als erste grüne Partei ins Parlament einzog.

Außenpolitische Positionen

Der kroatische Präsident Milanović geriet im letzten Jahr international mehrfach in die Schlagzeilen. Die Entscheidung der EU, wegen ungarischen Verstößen gegen das Rechtsstaatsprinzip Milliarden-Zahlungen aus dem EU-Budget nicht nach Budapest zu überweisen, kritisierte er als ungerechtfertigte Überschreitung europäischer Kompetenzen. Milanović warnte, dass die EU nicht zu den "Vereinigten Staaten von Europa" werden dürfe. Die kroatische Regierung hatte zwar vor dem Einfrieren der EU-Mittel die Hoffnung geäußert, dass Brüssel und Budapest den Konflikt durch einen Kompromiss beilegen würden. Gleichzeitig hatte sie aber betont, dass sie die Anwendung des Rechtsstaatsmechanismus bei EU-Mitteln gutheiße.

Für Irritationen sorgten aber insbesondere Milanovićs Äußerungen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der kroatische Präsident hält den Konflikt für einen Stellvertreterkrieg der USA gegen Russland und wurde dafür vom russischen Außenminister Lawrow gelobt. Der kroatische Präsident versuchte bereits mehrfach, die pro-ukrainische Politik der Regierung zu konterkarieren. Er drohte beispielsweise, den NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens zu blockieren und sprach sich gegen die Ausbildung ukrainischer Soldaten in Kroatien aus. Die Frage der Ausbildung legte die Regierung dem Parlament vor, dort verfehlte der Vorschlag allerdings knapp die nötige Zweidrittelmehrheit. Die Skepsis gegenüber der Teilnahme am Ausbildungsprogramm spiegelt sich auch in der Bevölkerung wider: laut einer Umfrage aus dem Dezember 2022 lehnten knapp 60 Prozent der Kroatinnen und Kroaten eine Beteiligung des Landes ab. In anderen Fragen wiederum steht die kroatische Bevölkerung den im Zuge des Ukrainekriegs getroffenen Maßnahmen sehr positiv gegenüber: sie unterstützt die Wirtschaftssanktionen gegen Russland mit konstanten Zustimmungsraten von rund 80 Prozent.

Schwierige Beziehung zu Nachbarstaaten

Die Beziehungen zu den anderen ehemaligen Teilrepubliken Jugoslawiens sind bis heute schwierig. Mit Serbien streitet das Land über eine konsequente juristische Aufarbeitung der Interner Link: Jugoslawienkriege, insbesondere hinsichtlich der Vermisstenfälle und Kriegsverbrechen. Mit Interner Link: Bosnien-Herzegowina gibt es oft Dispute um den Status der dort lebenden Kroaten. Und auch der Grenzkonflikt mit Slowenien um eine Adria-Bucht schwelt weiter.

Korruption bleibt großes Problem

Kroatien hat noch immer viele Probleme: Das Gerichtssystem gilt als langsam, die Bürokratie als ausufernd. Bestechung ist bis heute verbreitet. Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International landete das Land 2022 auf dem 58. Platz.

2023: Euro löst Kuna als Währung ab

Das Verhältnis vieler Kroatinnen und Kroaten zur EU ist positiv. Hatten im Frühjahr 2014, kurz nach dem EU-Beitritt, etwa die Hälfte der Menschen angegeben, sie fühlten sich "voll und ganz" oder zumindest "teilweise als Bürger der Europäischen Union", waren es zuletzt fast drei von vier. Dies geht aus Umfragen der Europäischen Kommission hervor.

Am 1. Januar 2023 löste der Euro die bisherige kroatische Währung Kuna als offizielles Zahlungsmittel ab. Die neue Währung wurde von manchen Kroatinnen und Kroaten mit Skepsis begrüßt. Viele dieser Kritikerinnen und Kritiker befürchten vor allem steigende Preise. Schon vor zwei Jahren hatte es eine Unterschriftenaktion gegeben, die sich für ein Referendum über die Währungsfrage einsetzte. Diese von einer euroskeptischen Partei initiierte Aktion scheiterte nur knapp am Quorum von 370.000 Unterschriften.

Kroatien im Schengen-Raum

Die europäische Integration Kroatiens schritt zuletzt in schnellem Tempo voran: Am 1. Januar 2023 trat Kroatien außer dem Euro- auch dem Interner Link: Schengen-Raum bei. Diesem gehören der Großteil der EU-Staaten sowie die Nicht-EU-Mitglieder Schweiz, Liechtenstein, Norwegen und Island an. Für Kroatien bedeutet dies konkret, dass die Passkontrollen zu den Nachbarstaaten Slowenien und Ungarn weggefallen sind.

Vom Schengen-Beitritt profitiert der Tourismussektor massiv. Die Branche rechnet 2023 mit einem Rekordjahr. Etwa zwanzig Prozent mehr Übernachtungen werden erwartet. Immer mehr Menschen machten zuletzt an der Adriaküste Urlaub. Bereits 2022 hatte der Tourismussektor Rekordeinnahmen von über 13 Milliarden Euro generiert. Der Sektor macht ein Fünftel der kroatischen Wirtschaftsleistung aus.

Im Vorfeld des Schengen-Beitritts war Kroatien für seinen Grenzschutz in die Kritik geraten. Dem Land wurden Pushbacks von Flüchtlingen an der kroatisch-bosnischen Grenze vorgeworfen. Das Anti-Folter-Komitee des Europarates sowie verschiedene Nichtregierungsorganisationen sahen darin Menschenrechtsverstöße und beklagten, dass es bei den Pushbacks zu Gewaltausbrüchen gegenüber den Migrantinnen und Migranten gekommen sei. Das Europarat-Komitee berichtet beispielsweise, dass es am 16.10.2020 glaubhafte Berichte erhalten habe, nach denen kroatische Polizisten Migranten mit Schlagstockschlägen dazu gezwungen hätten, nach Bosnien-Herzegowina zurückzukehren. Von Regierungsseite wurden die Vorwürfe dementiert. Die EU-Kommission forderte eine Untersuchung der Vorfälle und mahnte die Einhaltung der Menschenrechte an. Im Bericht eines von der kroatischen Regierung eingesetzten unabhängigen Untersuchungsmechanismus aus dem Juli 2022 heißt es, dass die Migranten von der Grenzpolizei überwiegend korrekt behandelt wurden. Nachbesserungsbedarf wurde bei der Unterbringung von Migranten gesehen. Beobachterinnen und Beobachter verweisen mitunter auf die spannungsreichen Erwartungen der EU: einerseits verlange man einen effektiven Grenzschutz, andererseits eine genaue Einhaltung humanitärer Bedingungen.

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