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Das Verhältnis von Islamisten und Rechtsextremisten | Antisemitismus | bpb.de

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Das Verhältnis von Islamisten und Rechtsextremisten Droht eine gemeinsame extremistische Front über den Antisemitismus?

Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber Armin Pfahl-Traughber

/ 5 Minuten zu lesen

Im Hass vereint: Islamisten und Rechtsextreme erkennen in Israel und "den Juden" einen gemeinsamen Feind. Welche Gefahr geht von ihnen aus?

Neonazi-Demonstration am 11.02.2006 in Dresden. (© Juri Eber / Agentur Ahron)

Bekannte Mitglieder der NPD nahmen an einer Tagung der "Hizb at-Tahrir" teil. Im Anschluss gab ein Sprecher dieser islamistischen Organisation dem Parteiorgan "Deutsche Stimme" ein langes Interview. Ein niederländischer Neonazi demonstriert mit einem T-Shirt mit dem Konterfei von Osama bin Laden. Ein türkischer Islamist beruft sich bei der Holocaust-Leugnung auf rechtsextremistische Revisionisten. Ein rechtsextremistisches Plakat zeigt einen Steine werfenden Palästinenser und die Aufschrift "Gemeinsam gegen Zionisten". Arabische Studenten nahmen an einer NPD-Demonstration unter dem Motto "Friede und Freiheit für Palästina" teil. Diese Schlaglichter lassen die Fragen aufkommen: Droht eine Kooperation von Islamisten und Rechtsextremisten? Bildet der Antisemitismus ein einigendes Band? Und weiter: Worin bestehen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen diesen beiden Lagern?

Ideologische Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Gemeinsamkeiten im ideologischen Bereich bestehen zunächst einmal in der Ablehnung der Normen und Spielregeln der offenen Gesellschaft und des demokratischen Verfassungsstaates. Beiden politischen Bestrebungen schwebt als Ideal ein autoritärer oder totalitärer Staat vor, in dem das Individuum mit seinen Grundrechten dem homogenen politischen Kollektiv untergeordnet werden soll. Hinzu kommen identische Feindbilder wie insbesondere Israel und die USA, die pauschal für den Nahost-Konflikt und die Weltprobleme verantwortlich gemacht werden. Ein in beiden Bestrebungen ausgeprägter Antisemitismus und Antizionismus geht mit der direkten oder indirekten Akzeptanz von Sterotypen wie der "jüdischen Weltverschwörung" einher. Und schließlich findet man im islamistischen wie rechtsextremistischen Lager Auffassungen im Sinne einer Leugnung oder Relativierung des Massenmords an den Juden im Zweiten Weltkrieg. Es handelt sich insgesamt also ausschließlich um negative Gemeinsamkeiten.

Sie basieren auf gegensätzlichen Ideologien: Der diktatorische Staat der Islamisten soll auf der besonderen Interpretation des Islams, der der Rechtsextremisten auf einer ethnischen Homogenität gründen. Für die erstgenannten Bestrebungen spielen nationale oder rassische Zugehörigkeiten keine Rolle. Ihnen geht es nur um die Akzeptanz der besonderen Interpretation des angeblich richtigen Glaubens. Für die Rechtsextremisten ist die ethnische Zugehörigkeit als Deutscher oder Weißer von herausragender Bedeutung, was aufgrund der anderen Abstammung der meisten Islamisten notwendigerweise mit deren Abwertung verbunden ist. Insofern lassen sich zwar ideologische Gemeinsamkeiten hinsichtlich formaler Merkmale und zahlreicher Feindbilder ausmachen. Daraus ergibt sich aber nicht zwangsweise eine positive inhaltliche Übereinstimmung, die auch längerfristig gesehen zu einer politischen Kooperation im Sinne eines gemeinsamen extremistischen Blocks führen muss.

Historisches Beispiel einer Kooperation von Islamisten und Rechtsextremisten

Diese Tatsache schließt allerdings zeitweilige Kooperationen nicht aus, wofür folgende historischen Beispiele stehen: Bereits vor der Machtübertragung an die Nationalsozialisten näherten sich bedeutende islamistische und nationalistische Strömungen von arabischer Seite dem deutschen Nationalsozialismus. Nach einer taktisch bedingten zeitweiligen Zurückhaltung von deutscher Seite entwickelte sich daraus eine engere Kooperation auf Basis gemeinsamer Feindbilder. Sie wurden insbesondere in den Briten als Kolonial- bzw. Konkurrenzmacht und den Juden als Einwanderer bzw. Gegenbild gesehen. Die als "Mutterorganisation" des heutigen Islamismus geltende "Muslimbruderschaft" führte etwa 1938 gewalttätige Proteste mit Parolen wie "Nieder mit den Juden" oder "Juden raus aus Ägypten" durch. Im gleichen Jahr verteilte man auf einer "Islamischen Parlamentarierkonferenz für Palästina" arabische Übersetzungen von "Mein Kampf" und der "Protokolle der Weisen von Zion".

Insbesondere der Mufti von Jerusalem, Muhammad Amin el-Husseini, spielte ab 1937 eine wichtige Rolle als Kooperationspartner der Nationalsozialisten. Im November 1941 empfing ihn sogar Hitler persönlich in Berlin. Obwohl dabei bezogen auf die "kompromisslose Bekämpfung der Juden" Übereinstimmung bekundet wurde, gab Hitler keine Versprechen hinsichtlich der arabischen Angelegenheiten ab. Trotz dieser Enttäuschung stellte sich der Mufti weiterhin in den propagandistischen Dienst der Nationalsozialisten und warb etwa für das Eintreten in die Waffen-SS. Darüber hinaus versuchte er immer wieder die jüdische Auswanderung aus Europa zu verhindern, womit zumindest ein indirekter Beitrag zur Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten geleistet wurde. Der Mufti floh erst im Mai 1945 aus dem zerfallenden nationalsozialistischen Deutschland. Später engagierte er sich für die Aufnahme von ehemaligen SS-Angehörigen in Ägypten, wo sie ihre antisemitische Propaganda unter anderen Vorzeichen fortsetzten.

Keine enge Kooperation zwischen Islamisten und Rechtsextremisten

Zu einer derart engen Zusammenarbeit kam es später nicht mehr. Gleichwohl bedienten sich arabische Islamisten und Nationalisten fortan auch der von den Nationalsozialisten propagierten antisemitischen Auffassungen und Schriften, fanden doch Behauptungen über "jüdische Ritualmorde" ebenso große Verbreitung wie Übersetzungen der gefälschten "Protokolle der Weisen von Zion". Einige bedeutende Politiker sahen die letztgenannte Schrift in öffentlichen Erklärungen als echt an und deuteten die Politik Israels in deren Licht. Hierzu gehörten u.a. der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser, der lybische Staatschef Muammar al Qadhafi und König Faisal von Saudi Arabien. Auch wenn es vereinzelt zu Kontakten mit deutschen Rechtsextremisten kam – so gab etwa Nasser der "Deutschen Nationalzeitung" ein Interview mit israelfeindlichen Inhalten – so entwickelte sich daraus keine engere Zusammenarbeit mit bedeutenden Vertretern des islamistischen oder nationalistischen Spektrums der arabischen Welt.

Gleiches gilt für die Gegenwart: Bei den Kontakten zwischen Islamisten und Rechtsextremisten handelt es sich um Einzelfälle oder Einzelpersonen. Hierzu gehört der Besuch des NPD-Vorsitzenden Udo Voigt und des NPD-Mitglieds Horst Mahler bei einer Tagung der "Hizb at Tahrir" 2002. Darüber hinaus bewegte sich im deutschen Rechtsextremismus der Schweizer Muslim und Rechtsextremist Ahmed Huber etwa als Referent bei der NPD. Und in Schweden betrieb lange Jahre Ahmed Rami sein "Radio Islam" mit antisemitischen und holocaustleugnenden Inhalten. Von einem wirklichen Bündnis zwischen Islamisten und Rechtsextremisten lässt sich allerdings nicht sprechen. Dem stehen neben den ideologischen Differenzen auch unterschiedliche Interessen und Strategien entgegen. Islamisten sehen in Rechtsextremisten keine bedeutsame politische Kraft, welche für sie als Bündnispartner attraktiv sein könnte. Und bei den Rechtsextremisten gibt es nur eine Minderheit, die ein Interesse an einer solchen Kooperation hat.

Die Holocaust-Leugnung als stärkste Gemeinsamkeit

Der stärkste gemeinsame Bezugspunkt besteht gegenwärtig in der Leugnung oder Relativierung des Holocaust. Nachdem Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad sich in mehreren Erklärungen und Interviews in diesem Sinne geäußert hatte, jubelten ihm viele deutsche Rechtsextremisten zu. So bemerkte etwa die Zeitschrift "Nation & Europa" auf ihrem Titelblatt "Danke, Herr Präsident!". Auch die während der Fußballweltmeisterschaft beabsichtigten Solidaritätsdemonstrationen der NPD für die iranische Mannschaft erklären sich so. Insgesamt betrachtet handelte es sich aber noch um eine sehr einseitige Sympathiebekundung, die von der anderen Seite nicht mit einer Akzeptanz als Kooperationspartner erwidert wurde. Ob sich dies mit der für Dezember 2006 in Teheran geplanten Holocaust-Konferenz ändert, bleibt abzuwarten. Zumindest plante man hier auch die Einladung bekannter rechtsextremistischer Revisionisten aus Deutschland und anderen Ländern als Referenten einer staatlich organisierten Tagung.

Trotz der Gemeinsamkeiten insbesondere in der antisemitischen Grundeinstellung dürfte es längerfristig nicht zu einer verstärkten Kooperation zwischen Islamisten und Rechtsextremisten kommen. Dem stehen zum einen die erwähnten ideologischen Unterschiede entgegen, gibt es doch auch für die Rechtsextremisten nur eine Basis im gemeinsamen Feindbild Israel und USA unter Beibehaltung einer grundsätzlich ausländerfeindlichen Grundposition. Zum anderen wird die von Teilen der Rechtsextremisten in Richtung einer Kooperation ausgestreckte Hand von den Islamisten nicht ergriffen. Sie bedienen sich mitunter in deren antisemitischem Agitationsarsenal und laden möglicherweise auch Holocaust-Leugner zu Konferenzen ein. Basis für die Bildung eines gemeinsamen politischen Blockes müsste allerdings mehr sein. Je höher ideologisiert die Anhänger der beiden extremistischen Weltbilder sind, desto stärker dürfte trotz der gemeinsamen Feindbilder letztendlich die Ablehnung sein.

Fussnoten

Geb. 1963, studierte Politikwissenschaft und Soziologie. Von 1994 bis 2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referatsleiter in der Abteilung Rechtsextremismus des Bundesamtes für Verfassungsschutz, seit 2004 Prof. an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung Brühl und Heimerzheim.