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Iran und Israel | Antisemitismus | bpb.de

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Iran und Israel

Peter Philipp

/ 9 Minuten zu lesen

Die iranische Führung, Hisbollah, Hamas und andere betrachten die Existenz Israels per se als "Besatzungsregime" – und Israel als Fremdkörper in der Region. Peter Philipp mit einer Analyse.

12. Dezember 2006: Mahmud Ahmadinejad begrüßt Rabbi Yisroel Dovid Weiss bei der pseudowissenschaftlichen Konferenz über den Holcoacaust in Teheran. (© AP)

Der iranische Staatspräsident, Mahmoud Ahmadinejad, war erst drei Monate zuvor ins Amt gewählt worden und der Überraschungssieger der Wahl schien das dringende Bedürfnis zu verspüren, sich schnell als "starker Mann" zu profilieren. Ihm kam dabei gelegen, dass der internationale Druck auf den Iran gerade mal wieder anstieg, um Teheran zur Aufgabe seiner Bemühungen zur Anreicherung von Uran zu zwingen. Ahmadinejad wies solche Versuche nicht nur entschlossen zurück, er ging zur Gegenoffensive über: Einem Angriff, der sich gegen die USA und – mehr noch – gegen Israel richtete und den der iranische Präsident seitdem unbeirrt fortsetzt, weil beide die Hauptbetreiber der Kampagne gegen den Iran sind.

Selbst im Iran meinen Skeptiker, dass der Präsident dabei ein "Eigentor geschossen" hat, weil er den Iran nun systematisch als Israels Gegner Nummer Eins hochzustilisieren begann und damit auch Regierungen und Menschen gegen den Iran aufbrachte, die bisher eher eine neutrale Rolle eingenommen hatten. So verschärfte er die öffentliche Kritik an Israel, stellte den Holocaust in Zweifel, kündigte eines Konferenz über den "angeblichen" Judenmord an und er rief – im Oktober 2005 – eine Konferenz in Teheran ein unter dem Titel "Eine Welt ohne Zionismus".

Hier führte er den großen Paukenschlag durch, der seitdem die Stellung des Iran international belastet, Israel und den USA Munition gegen Teheran liefert, Misstrauen und Angst gegenüber dem Iran international wieder verstärkt hat und nun – zumindest in Deutschland – zu einer Diskussion geführt hat, ob Ahmadinejad denn überhaupt gesagt (oder ob er gemeint hat), was ihm von Nachrichtenagenturen in den Mund gelegt und seitdem von Politikern – etwa der Bundeskanzlerin – wiederholt wird: Der iranische Präsident habe dazu aufgerufen, "Israel von der Landkarte zu tilgen". Also: Es zu zerstören.

Mitnichten, meint die prominente – und durchaus regimekritische – deutsch-iranische Orientalistin Katajun Amirpur: Die Übersetzung sei falsch, Ahmadinejad habe vielmehr gesagt - auf Deutsch: "Dieses Besatzungsregime muss von den Seiten der Geschichte verschwinden." Und sie kommt zu dem Schluss, Ahmadinejad habe zwar schon viel Verwerfliches gesagt, im vorliegenden Fall sei die Aussage aber doch eher harmlos: Es gehe hier nicht um eine Vernichtungs-Drohung, sondern um die Forderung, die Besatzung von Jerusalem zu beenden. So, wie der Revolutionsführer, Ayatollah Khomeini, es immer wieder gefordert hatte. Und diesen habe Ahmadinejad schließlich nur zitiert.

Alles also nur ein "gefundenes Fressen" für die Gegner Teherans? So möchte Amirpur es sehen und sie versucht sogar zu erläutern, der iranische Präsident habe nicht die "Zerstörung Israels" gemeint, sondern den "Wechsel des Regimes" in Israel. Eine Retourkutsche also für die Forderung Jerusalems und Washingtons nach Regimewechsel in Teheran? Das wäre denn doch wohl etwas zu leicht und oberflächlich argumentiert. Denn die "Islamische Republik" lehnt Israel prinzipiell ab - egal, welche Regierung oder welches Regime es dort gibt.

Die USA und Israel hingegen versichern, dass sie "natürlich" nichts gegen den Iran und das iranische Volk haben, sondern dass sie nur die Herrschaft der Mullahs und ihrer Verbündeten ablehnen. In der Vergangenheit haben beide Staaten dies durchaus auch demonstriert, wenn auch natürlich aus Gründen des eigenen Vorteils. So war Israel daran interessiert, im Rücken der Araber befreundete Staaten zu pflegen und der Iran war hierbei doppelt willkommen: Der westlich-orientierte Schah unterhielt zwar keine diplomatischen Beziehungen mit Israel, auf diversen Bereichen hätten die bilateralen Verbindungen aber kaum besser sein können. Ein zusätzlicher Bonus für Israel: Der Iran lieferte dem jüdischen Staat das erforderliche Öl – eine Tatsache, die in Israel jahrelang ein "offenes Geheimnis" war.

Mit der Islamischen Revolution fanden diese enge Beziehungen ein jähes Ende: Die engsten Verbündeten des Schah waren nun die größten Feinde: Die USA wurden als der "große Satan" verteufelt, Israel als der "kleine Satan". Teheran versuchte, enge Beziehungen mit anderen Schiiten, aber auch mit sunnitischen Regimen und Gruppen in der Region anzuknüpfen und hierbei kam ihm die offen zur Schau getragene Feindschaft gegenüber Israel sehr vonstatten: Denn über jede andere Meinungsverschiedenheit hinweg waren sich beide Gruppen in Nahost viele Jahre lang einig in ihrer Ablehnung Israels.

Gleichzeitig entsprach die Ablehnung Israels durch die "Islamische Republik" allerdings auch dem tief sitzenden Gefühl der Schmach, das sich in der muslimischen Welt insgesamt breit gemacht hatte, nachdem Israel gegründet worden war und sich auch noch in allen Kriegen hatte den Versuchen erwehren können, das Rad der Geschichte zurückzudrehen und den Staat zu vernichten, den man als illegalen "Vorposten des Westens" im Orient und damit als westliche Provokation empfand. Ein Gefühl, das von vielen Iranern geteilt wurde, die zwar wenig Mitgefühl für die Palästinenser hatten, noch weniger aber für die vermeintliche Kolonie der USA, die als Ausbund westlicher "Arroganz" empfunden werden.

In seiner aggressiven Rhetorik liegt aber Ahmadinejads Kardinalfehler: Indem er den Holocaust in Frage stellt und ihn als "Lüge der Zionisten" bezeichnet, die Israel als Druckmittel gegenüber der Welt diene, begibt er sich so sehr in die Nachbarschaft rechtsradikaler und antisemitischer Gruppen wie Ideologen, dass er den Vorwurf des Antisemitismus damit förmlich provoziert. Antisemitismus dürfte freilich kaum hinter der offen gezeigten Feindschaft stecken: Obwohl der größte Teil der einst florierenden jüdischen Gemeinde des Landes seit der Revolution geflohen ist, lebt im Iran weiterhin eine jüdische Restgemeinde ohne nennenswerte Einschränkungen ihrer Rechte. Sie sind – wie andere Minderheiten auch – im Parlament vertreten, haben ihre eigenen Gotteshäuser wie auch ein eigenes Krankenhaus und die Behörden schauen inzwischen sogar meist weg, wenn iranische Juden Verwandte in Israel besuchen fahren – zumindest, solange sie dies nicht an die große Glocke hängen.

Der iranische Präsident weiß nur zu gut, dass antiisraelische Erklärungen in der muslimischen Welt noch besser ankommen als Kritik an den USA. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Ägypten und Jordanien längst mit Israel Frieden geschlossen haben, die PLO mit Israel verhandelt – wenn auch bisher erfolglos – und selbst Teherans engster Freund in der arabischen Welt – Syrien – von Zeit zu Zeit betont, es sei zu Friedensverhandlungen mit Israel bereit. Auf der Straße herrscht weiterhin das Bild der "Zionistischen Weltverschwörung" vor, die Schuld sei an allem Übel. Selbst an den Terroranschlägen des 11. September. Ahmadinejad bedient diese Vorurteile und Ressentiments – in der nicht unbegründeten Hoffnung, damit an Popularität und Einfluss in der muslimischen Welt zu gewinnen.

Umfragen bestätigen ihn darin: Der libanesische "Hisbollah"-Führer Nasrallah und Ahmadinejad sind seit einiger Zeit die populärsten Figuren in der muslimischen Welt. Beide beziehen diese Popularität vor allem aus ihrer virulenten Ablehnung Israels. Und so sehr "Hisbollah" sich auch als innerlibanesische Partei und Widerstandsbewegung präsentiert: Wenn Nasrallah über Israel und den Nahostkonflikt spricht, dann klingt es wie bei Ahmadinejad - es könne keine Lösung des Konflikts geben, bevor Israel nicht verschwunden sei. Auch die Parole, "Hisbollah" wolle "Jerusalem befreien" muss ähnlich verstanden werden wie die Worte Khomeinis und Ahmadinejads über das "Besatzungsregime in Jerusalem": Mit "Befreiung" ist nicht "Regimewechsel" gemeint, sondern Zerstörung. Und "Jerusalem" steht stellvertretend für das ganze "Heilige Land" – "Palästina" für die einen, "Eretz Israel" für die anderen. Keine ungewöhnliche Sprache übrigens: Auch die Juden sprechen von "Zion" und meinen damit weder den einen Berg in Jerusalem, noch die Stadt insgesamt, sondern das ganze Land.

Analog betrachten die iranische Führung, Hisbollah, Hamas und andere die Existenz Israels per se als "Besatzungsregime" und Israel als Fremdkörper in der Region. Und das nicht erst seit Ahmadinejad, sondern – was den Iran betrifft – seit der "Islamischen Revolution" 1979. Selbst ein im Westen so umworbener Präsident wie Ahmadinejads Vorgänger, der Reform-orientierte Mohamad Khatami, verfolgte in diesem Punkt keine andere Linie: Auch er nahm an den Versammlungen des "Qods" (Jerusalem-) Tages teil, bei denen Demonstranten "marg bar israïl" ("Tod Israel") forderten. Khatami ließ sich nie selbst zu solch radikalen Forderungen hinreißen, sein Außenminister, Kamal Kharazi, zeigte sich da schon resoluter: Auf die Frage eines arabischen Journalisten, ob Teheran israelisch-palästinensische Verhandlungen zu unterstützen oder doch wenigstens nicht zu behindern gedenke, meinte der Minister in einer Pressekonferenz: "Wenn die Palästinenser mit Israel verhandeln, dann ist das ihre Sache. Wir werden Israel aber nie anerkennen. Für uns ist das eine illegale Einrichtung".

Bei der Einschätzung von Ahmadinejads Haltung gegenüber Israel kommt aber noch ein Aspekt ins Spiel, auf den (nicht nur) die Islamwissenschaftlerin Mariella Ourghi verweist: Der iranische Präsident scheint sich mehr als seine Vorgänger als Wegbereiter des "Mahdi" zu sehen: Die Schiiten pflegen einen messianischen Glauben an die Rückkehr des 12. Imam, der im 9. Jahrhundert verschwand und dessen Wiederkehr eingeleitet und begleitet sein wird von großen Katastrophen und Bedrohungen des Islam. Die Hochstilisierung Israels und der USA zu den großen Feinden nicht nur der iranischen Führung, sondern des Islam schlechthin könne als eine Vorbereitung dieser Endzeitstimmung interpretiert werden, die Ahmadinejad kaum noch erwarten könne.

Unter den Iranern sind solche Gedanken nicht sonderlich verbreitet und viele belächelten die Erklärungen Ahmadinejads, er habe Visionen gehabt. So will er bei seiner ersten Rede vor der UN-Vollversammlung einen grünen Lichtschimmer gesehen und vermerkt haben, dass die Delegierten ihm sämtlich fasziniert zugehört hätten. Solche Beschreibungen, vom iranischen Präsidenten allen Ernstes verbreitet, überzeugen die meisten Iraner nicht, sie scheinen aber zu belegen, dass Ahmadinejad selbst daran glaubt, zu Höherem bestimmt zu sein.

Ohne es zu merken, vielleicht auch ohne es zu wissen, befindet er sich damit in großer Nähe zu denen, die er so vehement ablehnt und verteufelt und denen sich auch US-Präsident George W. Bush zugehörig fühlt: Evangelikale in den USA, die Israel unterstützen, weil sie glauben, dass das Kommen des Messias sich durch die große letzte Schlacht ("Armageddon") ankündigt, dass diese Schlacht bereits in vollem Gange sei und dass Israel sie bestehen müsse, damit der Messias überhaupt kommen kann.

Der iranische Präsident nutzt gleichzeitig zu propagandistischen Zwecken, dass ultra-orthodoxe jüdische Kreise (etwa die "Neturei Karta") den Staat Israel ablehnen, weil ihrer Meinung nach die Errichtung eines jüdischen Staates erst nach dem Kommen des Messias vorgesehen ist und der Mensch nicht dem göttlichen Zeitplan vorgreifen darf. Vertreter dieser Gruppen treten gelegentlich auch auf Konferenzen in Teheran auf, sie sind aber nicht mehr als "nützliche Idioten" im strategischen Planspiel Ahmadinejads, der sich natürlich nicht mit ihrer Vision vom Ergebnis der "großen Katastrophe" identifiziert, sondern der schiitischen von der Wieder-Erscheinung des "Mahdi".

Ob Ahmadinejad den "göttlichen Zeitplan" hierfür aktiv zumindest beschleunigen, wenn nicht sogar umsetzen will, bleibt eine Sache der Interpretation. Seine Gegner, besonders in Jerusalem und Washington, unterstellen ihm das jedenfalls und nehmen seine provokativen Erklärungen gegenüber Israel deswegen sehr ernst. Besonders in Verbindung mit seiner sturen Beharrlichkeit, sich allen Forderungen des Auslandes nach Beendigung der Uran-Anreicherung zu widersetzen.

Hieraus eine iranische Strategie zur Vernichtung Israels abzuleiten, ist auch trotz der aktiven Unterstützung Teherans für Gruppen wie "Hisbollah" und "Hamas" nicht zu belegen, anhand seiner bisherigen Atompolitik erst recht nicht: Der Iran, auch Ahmadinejad, betonen immer wieder, dass sie keine Atomwaffen anstreben und selbst Washington hat für solche Ambitionen bisher keine Beweise.

Der iranische Präsident gefällt sich aber darin, die von ihm ausgemachten Hauptgegner - Israel und USA – zu provozieren und ihren Niedergang vorherzusagen. Vielen Iranern ist das gar nicht recht, weil sie unter den Folgen zu leiden haben: Internationales Misstrauen, Druck, Sanktionen und Mangel an Sympathie – in internationalen Umfragen rangieren Iran und Israel am Ende der Beliebtheits-Skala – und einer latenten Kriegsgefahr: Präsident Bush wird seine Amtszeit wohl nicht noch mit einem Iran-Krieg beenden wollen, aber Jerusalem und Teheran schaukeln sich immer wieder gegenseitig hoch: Noch sind es Warnungen, dass ein Angriff katastrophale Folgen für die Gegenseite haben würde, aber bei manchem verstärkt sich das ungute Gefühl, dass die "Endzeit-Katastrophe" nicht mehr abgewartet werden muss, sondern dass sie bereits in vollem Gange ist.

Fussnoten

Geb. 1944 in Wiesbaden, war zwischen 1968 und 1991 Nahostkorrespondent mit Basis in Jerusalem, u.a. für die Süddeutsche Zeitung und den Deutschlandfunk. Seit 1991 Redakteur beim Deutschlandfunk in Köln, später Leiter der Nah- und Mittelostabteilung, dann der Afrika/Nahostabteilung von Deutsche Welle Radio. Von 1998 bis zu seiner Pensionierung 2009 Chefkorrespondent und Nahostexperte von Deutsche Welle Radio.