Von 1884 bis 1915 war das Deutsche Reich Kolonialmacht im heutigen
Mit dem Ende des
Jahrzehntelang weder Anerkennung noch Aufarbeitung
Jahrzehntelang erkannte Deutschland den
Als erster deutscher Kanzler nach dem Völkermord besuchte Helmut Kohl Namibia im Jahr 1995, noch ohne Verantwortung für die Verbrechen des
Gespräche begannen 2015
2006 forderte die namibische Nationalversammlung ihre Regierung auf, sich gegenüber Deutschland für die Anerkennung des Völkermords an den Herero und Nama einzusetzen. Es dauerte jedoch noch weitere neun Jahre, bis Regierungsgespräche um den Völkermord begannen. Noch 2012 betonte die Bundesregierung, dass die Niederschlagung des Aufstandes der Volksgruppen der Herero und Nama durch deutsche Kolonialtruppen „nicht nach den heute geltenden Regeln des humanitären Völkerrechts bewertet und daher auch nicht als Völkermord eingestuft werden“ könne.
Im Juli 2015 kamen zwei Ereignisse zusammen, die den Wiedergutmachungsprozess prägten: Zum einen reiste eine Gesandtschaft unter dem traditionellen Führer der Herero, Vekuii Rukoro, mit einer Petition zum Bundespräsidenten. In der Petition wurden eine umfassende Entschädigung und Wiedergutmachung gefordert und der Bundesregierung dafür bis Oktober Zeit eingeräumt. Zum anderen bezeichnete der damalige Präsident des deutschen Bundestages Norbert Lammert – als er den osmanischen Völkermord an den Armeniern kritisierte – auch die Verbrechen des Deutschen Reiches in Namibia in einer Zeitung als Völkermord, einige Wochen später gefolgt vom Auswärtigen Amt. Zum Ablauf der Frist für die Forderungen kritisierte Hereroführer Rukoro im Oktober die deutsche Regierung scharf und beklagte dabei unter anderem, dass Opferorganisationen bisher gar nicht in Gespräche einbezogen wurden. Die Debatte um die Anerkennung des Genozids wurde in der deutschen Öffentlichkeit zunehmend lauter geführt.
Ende 2015 begann schließlich der offizielle Dialog zwischen Deutschland und Namibia zur Aufarbeitung der deutschen Verbrechen in der Kolonialzeit. Beide Staaten ernannten dafür Sonderbeauftragte. Der langjährige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, vertrat Deutschland. Namibia wurde durch den früheren Diplomaten Zedekia Ngavirue repräsentiert. An den Gesprächen waren auch beratende Gremien beteiligt, die von der namibischen Regierung eingesetzt wurden und nach offiziellen Angaben für alle Nachkommen der Opfer offenstanden. Tatsächlich wurden die Vertreter/-innen aber von der namibischen Regierung ausgewählt.
Kritik von Opferorganisationen
Manche Volksgruppenvertreter/-innen lehnten die Verhandlungen ab. Andere fühlten sich im Laufe des Dialogprozesses zurückgestoßen oder ignoriert. Auch deswegen haben Vertreter von Herero und Nama im Januar 2017 an einem Bundesbezirksgericht in New York eine Sammelklage gegen Deutschland eingereicht – und berufen sich dabei auf eine
Einigung auf Seiten der Regierungen
Am 28. Mai 2021 gab das Auswärtige Amt schließlich bekannt, dass eine Einigung in den Gesprächen erzielt worden sei. Außenminister Heiko Maas sagte, dass Deutschland die Ereignisse von damals nunmehr als Völkermord bezeichnen werde. "Im Lichte der historischen und moralischen Verantwortung Deutschlands werden wir Namibia und die Nachkommen der Opfer um Vergebung bitten", sagte Maas.
Zudem will Deutschland, so wörtlich, als "Geste der Anerkennung des unermesslichen Leids, das den Opfern zugefügt wurde", insgesamt 1,1 Milliarden Euro für ein Programm "zum Wiederaufbau und zur Entwicklung" zahlen. "Bei dessen Gestaltung und Umsetzung werden die vom Völkermord betroffenen Gemeinschaften eine entscheidende Rolle einnehmen", hieß es von Seiten des Auswärtigen Amtes. Gleichzeitig leite sich daraus jedoch kein Entschädigungsanspruch ab.
Die von den Regierungen ausgehandelte Einigung stieß in Teilen der namibischen Zivilgesellschaft auf Kritik. Teile der Herero und der Stammesführerverband der Nama beharrten darauf, dass Deutschland Reparationszahlungen leisten sollte. Zudem wollen Herero und Nama die Rückgabe ihrer Ländereien erreichen. Ein Vertreter der Herero kündigte Massenproteste bei dem geplanten Besuch von Steinmeier in Namibia an.
Herero und Nama
Herero und Nama sind zwei Völker, die heute in Südwestafrika beheimatet sind.
Die Herero stammen aus Zentralafrika und wanderten im 16. Jahrhundert in ihr heutiges Siedlungsgebiet aus, das sich über Namibia, aber auch über Botswana und Angola erstreckt. Den Herero gehören heute 120.000 Menschen an, das sind etwa fünf Prozent der Gesamtbevölkerung.
Die Nama sind mit 100.000 Angehörigen das größte indigene Volk Namibias. Insgesamt werden etwa 200.000 Menschen zu den indigenen Völkern in Namibia gezählt, sie machen damit knapp acht Prozent der Gesamtbevölkerung aus.
Sowohl Herero als auch Nama sind im heutigen Namibia kleinere Minderheiten. Das war früher anders. Als die Deutschen sich 1884 die Kontrolle über das Gebiet des heutigen Namibias verschafften, stellten Herero und Nama etwa 80.000 bis 100.000 der gut 200.000 Bewohner/-innen des Gebiets, sie bildeten damit zusammengenommen etwa die Hälfte der Gesamtbevölkerung.
Rückblick auf 1904
Der Herero-Aufstand begann im Januar 1904, nachdem deutsche Siedler immer größere Teile des Landes aufkauften und die angestammte Bevölkerung vertrieben. Ein weiterer Grund, der zu dem Aufstand führte, waren Menschenrechtsverletzungen seitens der deutschen Kolonialherren: Etwa durch Misshandlungen, aber auch die von der Kolonialverwaltung eingeführte „Rassentrennung“.
Im Mai 1904 übernahm General Lothar von Trotha das Kommando über die Schutztruppe. Bei der Schlacht am Waterberg am 11. und 12. August 1904 versuchte von Trotha, die gegnerischen Herero einzukesseln. Der Plan schlug zwar fehl, aber die überlebenden Herero-Soldaten mussten mit ihren Familien in die Omaheke-Wüste fliehen. Von Trotha erließ Anfang Oktober den so genannten "Vernichtungsbefehl": "Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu Ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen." (Quelle: Externer Link: BArch R 1001/2089) Der deutsche General ließ die Omahekee-Wüste zudem monatelang abriegeln und die wenigen Wasserstellen bewachen, sodass zehntausende verdursteten.
Die Nama erhoben sich Ende 1904. Insgesamt zogen sich die Guerilla-Gefechte mit der deutschen Schutztruppe über vier Jahre. Gegen die Nama folgte am 22. April 1905 ein zweiter Vernichtungsbefehl.
Für gefangene Hereros und Nama ließ die Kolonialverwaltung Konzentrationslager bauen. Schätzungen gehen davon aus, dass von 1904 bis 1908 zwischen 54.000 und 74.000 Herero und Nama starben, andere Quellen sprechen von bis zu 100.000 Toten. Etwa 80 Prozent der Herero wurden dabei ermordet. Selbst im imperial-nationalistisch gesinnten Kaiserreich stießen die Verbrechen der Truppe von Trothas auf scharfe Kritik.