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Zwischen Verhärtung und Entspannung | 1953 | bpb.de

1953 Editorial Zwischen Verhärtung und Entspannung. Der Kalte Krieg im Jahr 1953 Der 17. Juni 1953. Trauma, Erinnerung, Aufarbeitung Entsichert, organisiert und erzogen. Die DDR-Gesellschaft der frühen 1950er Jahre Zwischen Konformität und Konflikt. Die westdeutsche Gesellschaft 1953 Ein iranisches Schicksalsjahr Stalins Tod und das Ende der Allmacht. Zur Transformation totalitärer Herrschaft

Zwischen Verhärtung und Entspannung Der Kalte Krieg im Jahr 1953

Christian F. Ostermann

/ 15 Minuten zu lesen

Der 17. Juni 1953 wird meist nur im europäischen Kontext betrachtet, doch es braucht eine Erweiterung des Blickwinkels. Das internationale System des Kalten Krieges war zwar verhärtet, aber es gab Hoffnungen auf Entspannung. Diese endeten mit dem Aufstand in der DDR.

Der Kalte Krieg war ein Konflikt zwischen Kapitalismus und Sozialismus – zwei europäischen Visionen der Moderne, die beide absolute Gültigkeit und universelle Anwendbarkeit für sich beanspruchten. Er bestimmte als entscheidender außenpolitischer Bezugsrahmen der führenden Weltmächte von 1947 bis 1989 das internationale politische System. Bis 1953 hatte sich die zunächst auf Europa konzentrierte bipolare Ordnung zusehends verfestigt. In Westeuropa hatten die Vereinigten Staaten, die als global führende Wirtschaftsmacht aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangen waren, den demokratischen Kapitalismus gerettet. Die Schwerpunktlegung auf Wiederaufbau, Sicherheit und die feste Einbindung Westeuropas (und Japans) als Teil einer Strategie zur Eindämmung der Sowjetunion hatte allerdings einen Preis: die Spaltung Deutschlands und Europas.

Durch wirtschaftliche, politische, militärische und kulturelle Beziehungen mit Westeuropa hatten die Amerikaner dafür gesorgt, dass die Idee "des Westens" Gestalt annahm. Der Wiederaufbau, die Rehabilitation und die Integration Westdeutschlands waren ein zentrales Element dieser Strategie. Im Frühjahr 1953 standen diese Bemühungen kurz vor dem krönenden Abschluss: Durch eine Reihe von Verträgen sollte die Bundesrepublik ein großes Maß an Souveränität erlangen und zugleich fest in westeuropäische Strukturen verankert werden.

Der Großteil Mittelosteuropas war in der Folge der sowjetischen Befreiung und Besetzung am Ende des Zweiten Weltkriegs durch die marxistisch-leninistischen Ideen, stalinistische Vorgehensweisen und die sowjetische Militärmacht zu einer Pufferzone aus kommunistisch dominierten und Moskau untergeordneten Satellitenstaaten verschmolzen worden. Bei Kriegsende war die Anziehungskraft des Kommunismus auf dem gesamten Kontinent noch groß gewesen, doch mittlerweile hatte die Sowjetisierung Mittelosteuropas zu Ernüchterung geführt, und das Schreckgespenst eines wachsenden sowjetischen Einflusses trieb seinerseits die Integration des Westens voran. Da er das besiegte Deutschland nicht vollständig unter seine Kontrolle hatte bringen können, genehmigte der sowjetische Staats- und Parteichef Josef Stalin die Schaffung eines sozialistischen Staates im sowjetisch besetzten Ostteil des Landes, der in den folgenden Jahren zunehmend nach sowjetischem Vorbild umgestaltet wurde. Anfang der 1950er Jahre hatten die Bestrebungen zur Verstaatlichung und zum Ausbau der Schwerindustrie, zur Enteignung der Landbesitzer und zur Kollektivierung der Landwirtschaft sowie zur Unterdrückung der politischen Opposition die Macht Moskaus als Epizentrum des kommunistischen Lagers gefestigt – und zugleich die Situation für die Bevölkerung in Osteuropa dramatisch verschlechtert.

Ausbreitung einer fatalen Logik

Der Wettbewerb zwischen den beiden grundlegend unterschiedlichen Weltsichten wurde verschärft durch das nukleare Wettrüsten zwischen den USA und der UdSSR, das praktisch mit dem Abwurf der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945 begonnen hatte. Die Bemühungen von Robert Oppenheimer, dem leitenden Kopf des Manhattan-Projekts, die Atomenergie unter internationale Kontrolle zu bringen, blieben erfolglos. Weder US-Präsident Harry S. Truman noch Stalin sahen in der Bombe eine allgemeine Bedrohung, der man durch gemeinsames Handeln begegnen müsse. Dem ehemaligen sowjetischen Außenminister Andrei Gromyko zufolge "wäre Stalin niemals von der Entwicklung seiner eigenen Atombombe abgerückt. Ihm war klar, dass Truman nicht auf Atomwaffen verzichten würde."

Der erste sowjetische Atombombentest fand im August 1949 statt. Die USA reagierten mit der Entwicklung der Wasserstoffbombe; im August 1953 zog die Sowjetunion nach. Atomwaffen wurden zentral für das strategische Denken beider Seiten im Kalten Krieg. Ihre schiere Zerstörungskraft löste Angst und Entsetzen aus, was die Entscheidungsträger im Westen wie im Osten vor einem Einsatz zurückschrecken ließ. Jeder Konflikt zwischen Supermächten trug das Risiko in sich, einen nuklearen Flächenbrand zu entfachen. Bereits lange vor dem Test der US-Bombe "Bravo" auf dem Bikini-Atoll im Pazifischen Ozean am 1. März 1954, der tiefen Eindruck bei den Staats- und Regierungschefs und der Weltöffentlichkeit hinterließ – ihre Sprengkraft überstieg mit 15 Megatonnen TNT-Äquivalent das Tausendfache der Hiroshima-Bombe –, schränkte das nukleare Wettrüsten die Mittel ein, mit denen der Kalte Krieg – vor allem in Europa – ausgetragen wurde. Die daraus erwachsenden Risiken machten ihn immer gefährlicher.

Die Geschichte des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 in der DDR wird meist nur im europäischen Kontext betrachtet, doch für ein tieferes Verständnis ist eine Erweiterung des Blickwinkels notwendig. Beide ideologischen Visionen beanspruchten universelle Anwendbarkeit, und obwohl sich das internationale System des Kalten Krieges zunächst in Mittelosteuropa und Deutschland herauskristallisiert hatte, prägte es 1953 schon die ganze Welt. Für die politischen Entscheidungsträger in Washington und Moskau standen die Ereignisse in Berlin im Juni 1953 in einem weiteren Kontext. Und nicht nur das: Das Geschehen in anderen Teilen der Welt war aus ihrer Sicht untrennbar mit den Ereignissen in Europa verbunden.

Am stärksten wurde das internationale System wohl durch den Zusammenbruch der europäischen Kolonialreiche als Folge des Zweiten Weltkrieges beeinflusst. Für viele der antikolonialen Bewegungen in Asien erschien die sozialistische Planwirtschaft zunächst als attraktives Modell zur Bewältigung der durch den Kolonialismus verursachten Ungerechtigkeiten und Verheerungen. Der Sieg der Kommunisten im Chinesischen Bürgerkrieg 1949 verstärkte das Gefühl, dass die Menschen in Asien in der Lage wären, gegen Fremdherrschaft "aufzustehen", und dass der asiatische Kommunismus einen erfolgreichen revolutionären Weg einschlagen könnte. Nicht minder entscheidend war, dass die britischen, französischen und niederländischen Regierungen die Unterstützung der USA suchten, um ihre zerfallenden Kolonialreiche nicht aus der Hand geben zu müssen. Gemeinsam gelang es ihnen, die Amerikaner für die Wiederherstellung ihrer Kolonialregime zu gewinnen, indem sie die antikolonialen Kämpfe als Konflikte des Kalten Krieges darstellten.

In ihrem Kampf gegen die kommunistischen Viet Minh, angeführt vom charismatischen Revolutionär Ho Chi Minh, spielten französische Politiker etwa mit der amerikanischen Angst vor innerer Instabilität in Frankreich, um die USA zur Hilfe in Indochina zu bewegen. Zugleich nutzten sie aus, dass die Amerikaner ein starkes Interesse an der Sicherung der französischen Unterstützung für die westdeutsche Wiederbewaffnung hatten. 1953 unterstützten die USA die Franzosen in Vietnam bereits in ähnlichem wirtschaftlichen Umfang wie zuvor im Rahmen des Marshall-Plans. Schon bald wurde der Kalte Krieg zur vorherrschenden Brille, durch die die Vereinigten Staaten die revolutionären Kämpfe im Globalen Süden betrachteten, von Asien bis zum Nahen Osten und Lateinamerika.

Aber es war in erster Linie der Koreakrieg ab Juni 1950, mit dem sich die Logik des Kalten Krieges auch auf Asien ausdehnte. Der von der UdSSR gebilligte nordkoreanische Angriff auf den Süden verschärfte die Spannungen des Kalten Krieges, schürte Kriegsängste, militarisierte das strategische Denken, fachte das Wettrüsten an und beschleunigte die Entwicklung immer leistungsstärkerer Atomwaffen. Der Krieg hatte auch tiefe Auswirkungen auf die gespaltene europäische Politik. Die Wiederbewaffnung Westdeutschlands bekam für die USA neue Dringlichkeit, und für Stalin ging es im Gegenzug darum, diese zu verhindern. Bis 1953 hatte sich im Koreakrieg eine ungute Pattsituation entwickelt. Da beide Seiten nicht in der Lage oder willens waren, sich auf einen Waffenstillstand zu einigen, wurde der Konflikt zur Chiffre für die verhärteten Fronten des Kalten Krieges.

Bewegungen im Osten

Trotz alledem war 1953 ein Jahr, in dem es auch Brüche im Verhärtungsprozess des Kalten Krieges gab – und zwar in einem solchem Ausmaß, dass führende Politiker und Menschen in Ost und West es zeitweise wagten, vielleicht nicht ein Ende, aber doch eine Entspannung der Systemauseinandersetzung für möglich zu halten. Ein Ende des Kalten Krieges war – rückblickend betrachtet – 1953 höchst unwahrscheinlich. Seine Logik, angetrieben von einem Nullsummendenken, war zu mächtig und der ideologische und geopolitische Einsatz zu hoch, um sie zu überwinden. Dennoch ließ sich bisweilen ein Blick auf eine Welt jenseits des seit 1945 entstandenen Konflikts erhaschen. Der Volksaufstand in Ostdeutschland im Juni 1953 und die internationalen Reaktionen darauf spiegelten sowohl das Gefühl wider, eine Veränderung des Kalten Krieges herbeiführen zu können – als auch einen neuen Grad der Verhärtung infolge der gewaltsamen Niederschlagung.

Der wichtigste Einschnitt des Jahres war der Tod Stalins. Der Schock traf viele Sowjetbürger tief: Die meisten hatten zu Lebzeiten keinen anderen sowjetischen Führer gekannt, und obwohl Stalin weithin gefürchtet war, hielt man ihm das Überleben und den Sieg der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg ebenso wie den Wiederaufbau nach dem Krieg und den Aufstieg zur Supermacht zugute. Stalin starb am 5. März 1953 und hinterließ keinen offensichtlichen Nachfolger. Offiziell trat eine kollektive Führung an seine Stelle, bestehend vor allem aus dem Vorsitzenden des Ministerrats Georgi Malenkow, Innenminister und Sicherheitschef Lawrenti Beria, Außenminister Wjatscheslaw Molotow und dem Ersten Sekretär der KPdSU Nikita Chruschtschow. Doch hinter dem Euphemismus "kollektive Führung" verbarg sich ein erbitterter Machtkampf, der mehrere Jahre andauern sollte. Mitte 1953 wurde Beria, der mächtige Chef des Geheimdienstes, verhaftet und Ende des Jahres hingerichtet; es dauerte aber noch bis 1956/57, bis Chruschtschow sich endgültig als neuer Kremlchef durchsetzte. So gerissen und mächtig Beria auch gewesen sein mag – weder er noch einer seiner Rivalen besaß das Charisma oder die Macht, um in gleicher Weise wie der frühere Diktator das Sowjetimperium zusammenzuhalten.

Stalins Nachfolger fürchteten den Zusammenbruch der sowjetischen Herrschaft im eigenen Land und in den Satellitenstaaten nicht weniger als sich gegenseitig und waren sich deshalb immerhin darüber einig, dass die Spannungen innerhalb des sowjetischen Machtbereiches und dem Westen gegenüber abgebaut werden mussten. Unmittelbar nach Stalins Tod wurde eine neue Runde von Säuberungen abgebrochen, die der Diktator noch eingeleitet hatte. Mit einer partiellen Amnestie begannen die neuen Kreml-Machthaber, nach und nach einen Teil der Gulag-Häftlinge freizulassen. Um dem sinkenden Lebensstandard in der UdSSR entgegenzuwirken, reduzierten sie die Produktionsziele der Schwerindustrie sowie der Rüstungsindustrie und verstärkten stattdessen die Produktion von Lebensmitteln und Konsumgütern. In ähnlicher Weise sollte der sogenannte Neue Kurs die mittelosteuropäischen Satellitenländer vor dem Abgrund einer allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Krise bewahren.

Die neue Führung bemühte sich außerdem um eine Deeskalation im Verhältnis zum Westen: In einer Rede am 15. März 1953 kündigte Malenkow eine "Friedensoffensive" an und beschwor die Erinnerung an die Allianz im Zweiten Weltkrieg. Moskaus Initiative zur Entspannung umfasste auch neue Flexibilität bei der Aushandlung eines Waffenstillstands in Korea, der Ende Juli 1953 schließlich unterzeichnet wurde. Unter anderem aufgrund von Berias Berichten über die sich verschlechternde Lage in Ostdeutschland und die hohe Zahl an Flüchtlingen, die über die offene Grenze in Berlin die DDR verließen, erörterte das Führungskollektiv die Möglichkeit, seine Deutschlandpolitik zu ändern. Bis heute ist es Historikern jedoch nicht gelungen, mit Sicherheit festzustellen, was die Beweggründe für die sowjetische Friedenskampagne waren und inwieweit die Führung damals tatsächlich bereit war, ihr außenpolitisches Konzept, insbesondere in der Deutschlandfrage, zu überdenken. Handelte es sich um eine grundsätzliche Abkehr vom militanten Kurs unter Stalin, die auch eine innere Stabilisierung ermöglicht hätte – einen ersten systematischen Versuch der Entstalinisierung –, oder ging es lediglich um neue Wege und Mittel für die alten Bemühungen, die drohende Wiederbewaffnung Deutschlands zu verhindern und die Einmütigkeit zwischen den westlichen Alliierten zu untergraben? Wie dem auch sei: Diskussionen über eine deutschlandpolitische Neuausrichtung Moskaus fanden im Juni mit dem Aufstand in der DDR und der Verhaftung Berias ein jähes Ende.

Der Führungswechsel in Moskau und die plötzlichen politischen Veränderungen verschärften auch die Schwierigkeiten in den Satellitenstaaten. Im Frühjahr 1953 kam es zu immer deutlicherer Kritik und gelegentlichen Ausschreitungen gegen die sich dramatisch verschlechternden Lebens- und Arbeitsbedingungen in Mittelosteuropa. Immer mehr Menschen begannen, sich den Behörden zu widersetzen, und zwar insbesondere die Arbeiter – also genau die Gruppe, die die Kommunisten zu vertreten vorgaben. Anfangs gelang es den osteuropäischen Führern, die Chruschtschow spöttisch "kleine Stalins" nannte, die Unzufriedenheit der Arbeiter und ihre aufgestauten Forderungen im Zaum zu halten. Doch gefangen zwischen dem Reformdruck der neuen Moskauer Führung einerseits und ihren eigenen stalinistischen Vorlieben für eine stete Steigerung der Industrieproduktion und ein hartes Durchgreifen andererseits, erschienen die von den kommunistischen Behörden in der gesamten Region ziemlich abrupt verordneten Veränderungen widersprüchlich und planlos.

Inmitten zunehmender Anzeichen von Unruhen in verschiedenen Regionen gingen die Arbeiter in der tschechoslowakischen Stadt Pilsen am 1. Juni 1953 auf die Straße, um gegen eine Währungsreform zu protestieren, die ihre wenigen Ersparnisse gefährdete. Die Proteste in Pilsen bereiteten den Boden für den noch folgenreicheren Aufstand in Ostdeutschland am 17. Juni. Die Demonstrationen und Streiks der Arbeiter in Berlin und Umgebung gegen die Erhöhung der Arbeitsnormen eskalierten zu landesweiten Protesten, wobei sich zu den Forderungen nach wirtschaftlichen Verbesserungen rasch auch die Rufe nach Freiheit und deutscher Einheit gesellten. Die Unruhen erfassten mehr als 700 Städte, Ortschaften und alle Bereiche der Gesellschaft. Erst ein massives Einschreiten der sowjetischen Militärmacht, in dessen Folge mindestens 55 Menschen starben und Tausende durch DDR-Sicherheitsorgane verhaftet wurden, brachte die Situation wieder unter Kontrolle des Regimes. Die Forderungen und Aktionen der Demonstranten zeigten aber, dass die Vision von einer alternativen Zukunft in Freiheit und nationaler Einheit zu dieser Zeit noch keineswegs verschüttet war. Solche Träume stellten das internationale System des Kalten Krieges ansatzweise infrage.

Überlegungen im Westen

So wie Stalins Tod und die Entspannungsinitiative seiner Nachfolger eine Bruchstelle im sich verhärtenden internationalen System bedeuteten, gilt dasselbe in anderer Weise auch für den Amtsantritt von Dwight D. Eisenhower als US-Präsident. Der erste Republikaner, der nach zwei Jahrzehnten demokratischer Herrschaft ins Weiße Haus gewählt wurde, war ein Held des Zweiten Weltkrieges, der nun als Kalter Krieger die Überzeugung vertrat, dass die Vereinigten Staaten die Sowjetunion und den Kommunismus weltweit bekämpfen müssten. Die Einstellung und Rhetorik, mit der er sich um die Präsidentschaft bewarb, spiegelten die allgegenwärtige, zuweilen hysterische antikommunistische Stimmung in den USA wider. Seine Wahl zeugte in erster Linie von einem Votum für innenpolitische Stabilität, nationale Einheit, Haushaltsdisziplin und eine starke Verteidigung.

Als außenpolitische Internationalisten hatten Eisenhower und sein wichtigster außenpolitischer Berater John Foster Dulles der antikommunistischen Stimmung im Wahlkampf Rechnung getragen, indem sie unter anderem mit der recht aktivistischen Idee einer "Zurückdrängung" (rollback) des Kommunismus in Mittelosteuropa und der "Befreiung" (liberation) der gefangenen Menschen hinter dem Eisernen Vorhang für sich warben. Doch ungeachtet ihrer Kritik am angeblich defensiven und unbeweglichen Charakter von Trumans außenpolitischem Ansatz setzte Eisenhower nach seinem Amtsantritt Trumans allgemeine Eindämmungsstrategie durchaus fort. Zweifellos waren Eisenhower und Dulles, der nun Außenminister war, von der Notwendigkeit überzeugt, den Kommunismus notfalls auch mit Gewalt zu bekämpfen, aber in Moskaus "Vorgarten" sollte die Befreiung mit friedlichen Mitteln erreicht werden. Der Präsident war sich des Potenzials und der Risiken des Nuklearzeitalters vollkommen bewusst und versuchte, die atomaren Kapazitäten der USA zu erhöhen, in Bereitschaft zu halten und so zu einer Politik der "massiven (nuklearen) Vergeltung" (massive retaliation) überzugehen, um eine kommunistische Aggression abzuschrecken. Zu seinem im Vergleich zu früher energischeren Ansatz in internationalen Angelegenheiten gehörte auch der Ausbau der verdeckten Tätigkeiten der CIA zur Unterwanderung und zum Sturz von Regimen, die den Interessen der USA zuwiderliefen. Mit C.D. Jackson holte er zudem einen Veteran der psychologischen Kriegsführung des Zweiten Weltkriegs in die Regierung, um die Strategie des Kalten Krieges besser zu koordinieren.

Stalins Tod überrumpelte auch die neue US-Regierung. Eisenhower misstraute den Nachfolgern des sowjetischen Diktators. Von Dulles und dessen Bruder, dem CIA-Direktor Allen Dulles, in der Annahme bestärkt, dass die sowjetische Einladung zur Normalisierung der Beziehungen lediglich eine Charmeoffensive sei, die die Einheit, Verbundenheit und Verteidigung des Westens schwächen sollte, hielt sich Eisenhower mit einem förmlichen Dialog auf Regierungsebene zurück. Stattdessen setzte er auf verstärkte psychologische Kriegsführung, in der Hoffnung, den Führungswechsel in Moskau zu erschweren.

In den politischen Zentren des Westens herrschte über diese Frage jedoch Uneinigkeit. Im Gegensatz zur eher zurückhaltenden Reaktion der USA war der britische Premierminister Winston Churchill der Ansicht, dass Stalins Ableben der Welt die Chance für eine Wende in den Ost-West-Beziehungen bot. Unbeeindruckt von der ablehnenden Haltung Washingtons drängte Churchill am 11. Mai 1953 in einer Rede vor dem Unterhaus auf einen trinationalen Ost-West-Gipfel zur Beilegung der drängendsten Probleme – es wäre der erste seit der Potsdamer Konferenz im Juli 1945 gewesen. Dabei erwähnte er die Deutsche Frage nur am Rande, aber es war klar, dass er sich eine Wiedervereinigung des Landes unter der Bedingung deutscher Neutralität vorstellen konnte – eine Idee, die sowohl in Washington als auch bei Bundeskanzler Konrad Adenauer tiefste Besorgnis erregte.

Auch die französische Regierung hatte mit der Idee eines Gipfeltreffens zur Erkundung der sowjetischen Absichten geliebäugelt, schlug aber, ausmanövriert durch Churchills Initiative, am 20. Mai ein westliches Gipfeltreffen auf den Bermudas vor, das die Teilnahme Frankreichs an solchen Ost-West-Treffen sicherstellen würde und möglicherweise Gelegenheit bot, auf die Bedingungen für eine Wiederbewaffnung Westdeutschlands zum Vorteil Frankreichs Einfluss zu nehmen. Churchills Vision ging jedoch weit über solche taktischen Manöver hinaus. Der Mann, der in seiner Rede zum "Eisernen Vorhang" im März 1946 eines der stärksten Bilder des Kalten Krieges geschaffen hatte, hatte sich nichts Geringeres als die Beendigung des Kalten Krieges zum Ziel gesetzt. Seine Beweggründe waren vermutlich komplex: Zweifellos wollte er sich wieder als internationaler Staatsmann in Szene setzen, nachdem seine Teilnahme an der Potsdamer Konferenz durch die überraschende Wahlniederlage im Juli 1945 ein jähes Ende gefunden hatte. Da er im Krieg mit Stalin Verhandlungen geführt hatte, setzte er bei seinen Plänen wohl auch auf seine persönlichen diplomatischen Fähigkeiten. Mit der Chance, das System des Kalten Krieges zu überwinden, verband sich aber auch die Hoffnung, Großbritannien wieder zu Macht und Ansehen zu verhelfen, das im Konflikt der zwei Supermächte nur die zweite Geige spielen konnte. Die sowjetischen Absichten mussten also auf die Probe gestellt werden. In dem Bestreben, Churchill zuvorzukommen, stimmte Eisenhower dem Bermuda-Treffen widerwillig zu.

17. Juni: Aufbruch und Stillstand

Der Aufstand in der DDR durchkreuzte Churchills Gipfelpläne. Angesichts der gewaltsamen Niederschlagung durch die sowjetischen Streitkräfte schloss Eisenhower bei einem Treffen mit seinem Nationalen Sicherheitsrat am 18. Juni jede Möglichkeit einer Konferenz mit der sowjetischen Führung aus. Der Knackpunkt war die Frage, inwiefern Washington bereit war, die deutschen Unruhen auszunutzen, "wenn die Sache wirklich Fahrt aufnimmt" ("if this thing really gets cracking"), wie es C.D. Jackson in der Sitzung des Sicherheitsrates ausdrückte. Für ihn waren die Ereignisse in Ost-Berlin der Moment, um für den lang ersehnten rollback der sowjetischen Macht zu plädieren: "Es wird vielleicht gerade der Zerfall des Sowjetimperiums eingeläutet. Sehen wir tatenlos zu, oder kommen wir dem Zerfall zu Hilfe?" Jackson betrachtete die ostdeutschen Unruhen sowohl aus einer regionalen als auch aus einer internationalen Perspektive. So sprach er sich für ein Eingreifen der USA aus, um ein Blutbad durch die sowjetischen Streitkräfte zu verhindern, und glaubte, dass einige der Satellitenstaaten bereit wären, dem jugoslawischen Beispiel von 1948 zu folgen und mit Moskau zu brechen. Er argumentierte zudem, dass die Ereignisse in Ostdeutschland mit einer überraschenden Wende in Korea in Zusammenhang standen, wo der südkoreanische Präsident Rhee Syng-man gerade rund 25.000 Kriegsgefangene, die sich weigerten, nach Nordkorea zurückzukehren, freigelassen hatte, um die Waffenstillstandsverhandlungen mit Pjöngjang zu torpedieren. Seiner Ansicht nach stellten Rhees Aktionen die kommunistische Entschlossenheit ebenso auf die Probe wie die Proteste in Ostdeutschland.

Für Eisenhower hing jede Entscheidung über ein militärisches Eingreifen in Deutschland davon ab, wie weit sich die Aufstände ausbreiteten – ob sie tatsächlich den Beginn des Zerfalls der kommunistischen Welt bedeuteten. "Greifen die Unruhen auf China oder sogar auf die UdSSR selbst über?", fragte der Präsident. "Sollte dies geschehen, hätten wir wahrscheinlich nie eine bessere Gelegenheit einzugreifen und wären gut beraten, beispielsweise Waffen zu liefern." Die Ausbreitung der Unruhen auf China waren für ihn der entscheidende Punkt, "denn für die UdSSR wäre es keine große Schwierigkeit, Aufstände in Europa niederzuschlagen, es wäre aber schwer für sie, mit Unruhen in Europa und im Fernen Osten gleichzeitig fertig zu werden". In den Überlegungen des Präsidenten zeigte sich der Druck, den das System des Kalten Krieges erzeugte. Die Gefahr, dass westliche Waffenlieferungen angesichts der überwältigenden sowjetischen Streitkräfte zu einem weiteren Blutbad führen könnten, gepaart mit der Befürchtung, dass ein direkter Konflikt zwischen den beiden Supermächten den Dritten Weltkrieg lostreten könnte, legte für Eisenhower die Messlatte für die Bedingungen, unter denen die USA innerhalb des sowjetischen Machtbereichs intervenieren würden, enorm hoch. Für ein Eingreifen der USA hätten die Unruhen erst noch China und die Sowjetunion erfassen müssen. Da es keine nachrichtendienstlichen Erkenntnisse gab, die darauf hindeuteten, hielt sich Eisenhower diesbezüglich zurück. Es sei "noch nicht an der Zeit", so schloss er, "sie endgültig rauszuwerfen" ("to roll them up for keeps").

Nach dem Aufstand in der DDR verstärkte die Eisenhower-Regierung ihre Bemühungen, die kommunistischen Behörden durch Propaganda und andere Maßnahmen der psychologischen Kriegsführung unter Druck zu setzen, und zwar nicht nur in Ostdeutschland, sondern in der gesamten Region. Durch ein Lebensmittelhilfsprogramm für die DDR, das humanitäre mit propagandistischen Zwecken verband, demonstrierte der Westen seine Fähigkeit, die DDR-Behörden nach dem 17. Juni weiter in Atem zu halten. Westliche Propaganda und subversive Bemühungen ermutigten zum Widerstand und zielten darauf, die mittelosteuropäischen Regierungen zu destabilisieren. Sehr zur Enttäuschung vieler Ostdeutscher und Osteuropäer konnten die amerikanischen Rollback-Bemühungen jedoch nicht verhindern, dass die kommunistischen Führer in den Satellitenstaaten die Kontrolle wiedererlangten und das Befreiungsversprechen solange hinauszögerten, bis ab Mitte der 1980er Jahre die Umwälzungen in der UdSSR und in Mittelosteuropa das internationale System des Kalten Krieges von innen heraus auflösten.

Aus dem Englischen von Birthe Mühlhoff, Dinslaken

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Odd Arne Westad, Der Kalte Krieg. Eine Weltgeschichte, Stuttgart 2019, S. 1.

  2. Vgl. Anatoli Gromyko, Andrei Gromyko: polet ego strely, Moskau 2009, S. 115f.

  3. Vgl. Mark Atwood Lawrence, Assuming the Burden. Europe and the American Commitment to Vietnam, Berkeley 2005, S. 19.

  4. Zum Tod und zur Nachfolge Stalins siehe auch den Beitrag von Martin Wagner in dieser Ausgabe (Anm. d. Red.).

  5. Vgl. Vladislav M. Zubok, A Failed Empire. The Soviet Union in the Cold War from Stalin to Gorbachev, Chapel Hill 2003, S. 86f., S. 91ff.

  6. Zur Rollback-Politik der USA vgl. Bernd Stöver, Die Befreiung vom Kommunismus. Amerikanische Liberation Policy im Kalten Krieg 1947–1991, Köln u.a. 2002.

  7. Vgl. Klaus Larres, Politik der Illusionen. Churchill, Eisenhower und die deutsche Frage 1945–1955, Göttingen 1995.

  8. Minutes of Discussion at the 150th Meeting of the National Security Council on 18 June 1953, 19. Juni 1953, Dwight D. Eisenhower Library, zit. in: Christian F. Ostermann, Between Containment and Rollback. The United States and the Cold War in Germany, Stanford 2021, S. 251f.

  9. Ebd., S. 252.

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Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autor/-in: Christian F. Ostermann für Aus Politik und Zeitgeschichte/bpb.de

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ist promovierter Historiker und Direktor des "History and Public Policy Program" am Wilson Center, Washington, D.C., wo er unter anderem das "Cold War International History Project" verantwortet.
E-Mail Link: christian.ostermann@wilsoncenter.org