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Ein iranisches Schicksalsjahr | 1953 | bpb.de

1953 Editorial Zwischen Verhärtung und Entspannung. Der Kalte Krieg im Jahr 1953 Der 17. Juni 1953. Trauma, Erinnerung, Aufarbeitung Entsichert, organisiert und erzogen. Die DDR-Gesellschaft der frühen 1950er Jahre Zwischen Konformität und Konflikt. Die westdeutsche Gesellschaft 1953 Ein iranisches Schicksalsjahr Stalins Tod und das Ende der Allmacht. Zur Transformation totalitärer Herrschaft

Ein iranisches Schicksalsjahr

Katajun Amirpur

/ 14 Minuten zu lesen

Im August 1953 wurde der gewählte iranische Ministerpräsident Mohammad Mossadegh mit westlicher Beteiligung aus dem Amt geputscht. Es folgte die Schah-Diktatur, die 1979 von der Islamischen Revolution abgelöst wurde. Das Trauma von 1953 wirkt bis heute nach.

Vor bald 70 Jahren wurde Irans demokratisch legitimierter Premierminister Mohammad Mossadegh aus dem Amt geputscht. Während seiner Amtszeit ab 1951 war es ihm gelungen, die Verstaatlichung der Erdölindustrie durchzusetzen und damit das fast 50 Jahre währende britische Monopol auf die Gewinnung, Förderung, Erforschung, Vermarktung und den Verkauf des iranischen Erdöls zu beenden. In einer verdeckten Militäroperation setzten britische ("Operation Boot") und US-Geheimdienste ("Operation TPAJAX") Teile des iranischen Militärs ein und entfernten ihn am 19. August 1953 aus dem Amt.

Von manchen gar als die Urkatastrophe Irans beschrieben, sollte der Putsch von 1953 die iranische Geschichte in der Folge maßgeblich bestimmen. Ohne ihn sind weder die Islamische Revolution von 1979 noch das islamistische Regime noch der anhaltende, identitätsstiftende Antiamerikanismus in Iran denkbar. Doch gehen wir zunächst einige Jahre zurück. Denn das Trauma des Jahres 1953 ist auch stark durch seine Vorgeschichte bedingt – der Putsch markierte nur den Höhepunkt einer quasi-kolonialen Abhängigkeit, die schon lange vorher eingesetzt hatte und das Land de facto zu einem Spielball der Großmächte machte.

Zäher Kampf ums eigene Öl

Mit der militärischen Besatzung durch britische und sowjetische Truppen im Zuge des Zweiten Weltkriegs ist Irans schlimmster Albtraum wahr geworden. Um den persischen Herrscher Reza Schah loszuwerden, der ihnen als zu Deutschland-freundlich gilt, heben die Besatzungsmächte 1941 den 21 Jahre alten Kronprinzen Mohammad Reza auf den Thron. Mit dem Sturz des Vaters, der Iran mit harter Hand regiert hat, setzt zunächst eine gewisse Liberalisierung ein: Die Presse blüht auf, Gewerkschaften werden gegründet, politische Gefangene freigelassen. Es kommt sogar zur Gründung einer kommunistischen Partei, der Tudeh-Partei, zu Deutsch "Massen-Partei". Abgeordnete nutzen die sich erstmals bietende Möglichkeit zur politischen Teilhabe. Allerdings ist das gesamte System der konstitutionellen Monarchie in Iran in den 1940er Jahren von Instabilität und zahlreichen Regierungswechseln geprägt. Denn der neue Schah, Mohammad Reza Pahlavi, zugleich Oberbefehlshaber der Armee, sabotiert jeden stark erscheinenden Ministerpräsidenten, um die Machtfülle seines Vaters zu erreichen. Im Ausland erscheint er so als der einzige stabile Pol im politischen System des Landes.

Nach Kriegsende hat es für die iranische Regierung oberste Priorität, das Vereinigte Königreich und die Sowjetunion auf einen Abzug zu verpflichten. Dazu bemüht man sich, die USA als weiteren Player ins Boot zu holen. Die Amerikaner erscheinen als der ideale Partner, denn sie haben keine koloniale Vergangenheit in Iran und verfolgten dort – bis auf den Schutz ihrer Missionare und vergebliche Versuche der US-Ölindustrie, im Land Fuß zu fassen – bis dato keine eigenen Interessen. Zwar kann die iranische Regierung die USA nicht zur Verurteilung der völkerrechtswidrigen Besatzung bewegen, aber Washington kommt der Bitte um Hilfe bei der Modernisierung des Landes nach. Iran braucht vor allem Fachleute, es kommen jedoch auch Zehntausende amerikanische Soldaten ins Land, unter anderem, um den Betrieb des südlichen Teils der Eisenbahnlinie, der Transitstrecke zur Sowjetunion, zu übernehmen. Zwischen den "alteingesessenen" Ausländern, den Briten, und den neu hinzukommenden gibt es immer häufiger Spannungen, insbesondere ab 1944, als nicht nur britische, sondern auch US-Firmen sich für Ölvorkommen im Norden Irans zu interessieren beginnen. Die Sowjetunion macht ebenfalls bald Forderungen geltend, diese Vorkommen auszubeuten. Iran befindet sich damit vollständig im Fadenkreuz der Großmächte. Hier hat Mohammad Mossadegh nun seinen ersten großen Auftritt: Als Abgeordneter im 14. iranischen Parlament stellt er sich der Expansion entgegen und erreicht im Dezember 1944, dass ein von ihm eingebrachtes Gesetz verabschiedet wird, das die Erteilung von Ölkonzessionen in Kriegszeiten untersagt.

Als der Krieg vorbei ist, beauftragt das iranische Parlament 1947 die Regierung, Verhandlungen mit der britischen Anglo-Iranian Oil Company (AIOC) aufzunehmen. Bis dato ist Iran nicht an der Gesellschaft beteiligt, welche die Ölvorkommen ausbeutet; ihm fließen lediglich 10 Prozent der Konzessionsabgaben und 16 Prozent der Gewinne zu. Das neu ausgehandelte Abkommen erhöht zwar den Ertragsanteil, aber nicht auf die geforderten 50 Prozent. Auch die anderen iranischen Forderungen werden nicht berücksichtigt – die AIOC stellt sich so lange stur, bis die iranische Seite schließlich komplett einlenkt. In der iranischen Öffentlichkeit wird das Abkommen mit großer Empörung aufgenommen. Man sieht darin einen Ausverkauf des Landes an Großbritannien und fühlt sich an das 19. Jahrhundert erinnert, als der damalige Schah dem britischen Major Gerald F. Talbot das Tabakmonopol überließ. Einige Abgeordnete verhindern daraufhin durch endlose Reden die Ratifizierung im Parlament, das ohnehin kurz vor dem Ende der Legislaturperiode steht. Bis zur nächsten Legislaturperiode ist die öffentliche Stimmung so aufgeheizt, dass die Regierung es nicht wagt, dem Parlament das Gesetz erneut zur Ratifizierung vorzulegen. Die Briten versuchen sich daraufhin wieder an ihrer Strategie, einen gefügigen Ministerpräsidenten zu installieren.

Doch auch die Gegenseite wird aktiv: Im Vorfeld eines USA-Besuches des Schahs und der bevorstehenden Parlamentswahl flüchtet sich eine Gruppe Politiker, unter ihnen Mossadegh, in einen Schrein, um gegen die zu erwartende Fälschung der Wahlergebnisse zu protestieren. Dort genießt sie Asyl und ist für die Staatsmacht unantastbar. Aus dieser Protestgruppe entsteht die sogenannte Nationale Front (Jebhe-ye Melli), ein Bündnis aus verschiedenen Oppositionsgruppen, dessen Führung Mossadegh übernimmt. Er profitiert dabei von seinem Ruf als furchtloser und – was selten genug ist – unbestechlicher Politiker. Erklärtes Ziel des Bündnisses sind zunächst freie Wahlen und dann die Verstaatlichung der Ölindustrie. Zweitwichtigster Mann der Nationalen Front ist Ayatollah Abol-Qasem Kaschani, der als hochrangiger Mullah die Bewegung vor dem gefährlichen Vorwurf der Gottlosigkeit bewahrt und imstande ist, die religiösen Massen zu mobilisieren. Einigendes Band der Nationalen Front ist jedoch im Grunde nur ihre Haltung in der Ölfrage und die Ablehnung des Schahs.

Der Schah selbst bleibt ebenfalls nicht untätig und versucht, seine eigenen Leute zu installieren. 1950 gelingt es ihm, General Ali Razmara als Ministerpräsidenten durchzusetzen. Da dieser als stark gilt, erwarteten die Briten, dass er es schaffen wird, das Parlament zur Ratifizierung des Ölabkommens zu bewegen. Doch selbst Razmara wagt nicht, dem Parlament das Abkommen vorzulegen und bemüht sich – vergeblich – um Zugeständnisse seitens der AIOC. Zur Lösung der Ölfrage setzt er eine Parlamentskommission ein und versucht, die Nationale Front für sich zu gewinnen, indem er ihr in der Kommission mehr Sitze zugesteht als es ihrer parlamentarischen Stärke entspricht. Da sich die AIOC weiterhin uneinsichtig zeigt, radikalisiert sich die iranische Position. Als Razmara dann Anfang März 1951 von den Fedajin-e Islam, einer islamistischen Gruppe mit Verbindungen zu Kaschani, ermordet wird, sind die Gegner der Ölverstaatlichung erheblich eingeschüchtert – nur einen Tag später leitet die Parlamentskommission die Verstaatlichung der iranischen Ölindustrie ein.

Zuspitzung unter Mossadegh

Nach Razmaras Tod und der folgenden Parlamentswahl wird Mossadegh iranischer Premierminister. Seine Regierungszeit ist von Anfang an vom anhaltenden Konflikt mit der AIOC geprägt. Er und die Nationale Front haben zwar keine Mehrheit im Parlament, sie profitieren aber davon, dass auch ihre politischen Gegner von der öffentlichen Stimmung beeindruckt sind. Die Bevölkerung steht mit überwältigender Mehrheit hinter der Verstaatlichung, wie auch der damalige ARD-Korrespondent Horst Scharfenberg berichtet: "Liebe Hörer, vor einer halben Stunde, als ich zum Studio von Radio Teheran fuhr, kam ich an einer großen Menschenmenge vorbei, die rund um ein mächtiges Bürogebäude die Straßen verstopfte und allen Verkehr lahmlegte. Es war das Gebäude der britischen Ölgesellschaft, der Anglo-Iranian Oil Company. Und auf seinem Dach waren etwa ein Dutzend Männer damit beschäftigt, mit kräftigen Hammerschlägen das riesige Firmenschild der Gesellschaft zu demontieren, um an seiner Stelle die neue Firmenbezeichnung der nationalisierten Gesellschaft, nationale Petroleumgesellschaft Irans, zu setzen. Jedes Mal, wenn eine der blechernen Lettern mit großem Getöse zu Boden fiel, ging eine Welle der Begeisterung durch die Menge, ein Jubelschrei, ein Händeklatschen. Man feierte in diesem symbolischen Akt gewissermaßen das Wahrzeichen für den Beginn einer neuen Ära persischer Geschichte."

London reagiert empört. Obwohl die Briten immer betont haben, dass Downing Street nicht zuständig sei, da die AIOC ein Privatunternehmen ist, wird der Konflikt nun auf Regierungsebene gehoben. Zudem werden umgehend Vorkehrungen für eine militärische Besetzung der Ölfördergebiete getroffen. Die USA verhindern diese jedoch. In den Vereinigten Staaten gibt es durchaus Sympathie für die iranische Position im Ölstreit – das Magazin "Time" wählt Mossadegh 1952 gar zum "Mann des Jahres". Das Veto der USA ist für die Briten eine tiefe Demütigung – und genau hier dürfte der Kern des Konflikts liegen. Die Verstaatlichung trifft Großbritannien zunächst wirtschaftlich, was die britische Regierung jedoch einigermaßen kompensieren kann. Nicht zu kompensieren ist jedoch der Statusverlust: War Großbritannien vor dem Zweiten Weltkrieg noch eines der mächtigsten Länder der Welt, ist es danach, obwohl Siegermacht, nur noch ein Schatten seiner selbst und finanziell auf US-Hilfe angewiesen. Den USA und deren Engagement im Koreakrieg verdanken die Briten auch, dass sie sich in Iran weiterhin als Großmacht gebärden dürfen. Zu Beginn des Kalten Krieges überlässt Washington ihnen die Verteidigung Irans gegen die Sowjetunion. Dass sie der Juniorpartner ihrer ehemaligen Kolonie Amerika sind, ist unangenehm genug – dass aber ein "Kolonialvolk" wie die Iraner es wagt, eine gleichberechtigte Position zu beanspruchen, können die Briten nicht zulassen. In London befürchtet man, ein Erfolg Irans werde eine fatale Signalwirkung für andere Länder haben, und beginnt einen Propagandakrieg, in dem Mossadegh als nicht zurechnungsfähiger Fanatiker dargestellt wird. In regierungsnahen Medien werden skurrile Angewohnheiten des iranischen Premiers in den Vordergrund gerückt, mit denen er westliche Gesprächspartner mitunter irritiert. Diplomatisches Protokoll gilt ihm nichts, ausländische Botschafter empfängt er bisweilen an seinem Bett. Doch gerade wegen seines selbstsicheren, fast schon herablassenden Umgangs mit den Mächtigen der Welt wird er für viele Iraner zu einer Identifikationsfigur.

Den USA kommt in dem Ölkonflikt die entscheidende Rolle zu. Militärisch im Koreakrieg gebunden, befürchtet man in Washington, dass Moskau versuchen könnte, seinen Machtbereich auf Iran auszudehnen. Angefacht durch den republikanischen Senator Joseph McCarthy, erreicht die in den USA bereits seit dem 19. Jahrhundert kursierende Furcht vor dem Sozialismus in den frühen 1950er Jahren ungekannte Ausmaße und führt zu einer Hatz auf alles, was als links wahrgenommen wird. Dies bestimmt auch die US-Außenpolitik maßgeblich. In Iran lehnt die kommunistische Tudeh-Partei die Mossadegh-Regierung im Grunde zwar ab, kooperiert aber im Konflikt mit den Briten mit ihr. Die Opposition genießt unter Mossadegh relativ große Freiheit, inklusive der Tudeh – was für Washington einem deutlichen Flirt mit dem Kommunismus gleichkommt. Als Mossadegh mit einer Annäherung an Moskau droht, löst dieser Bluff in Washington Alarmstimmung aus. Dabei hegen Teile der US-Administration unter Präsident Harry S. Truman angesichts des arroganten kolonialen Auftretens der Briten durchaus Sympathie für Iran. So wird die angestrebte Verstaatlichung begrüßt, allerdings soll die AIOC entschädigt werden. Die Sympathie der USA aber hat Grenzen: Mehr als den 50-Prozent-Anteil am Ertrag sollen die Briten den Iranern nicht gewähren. So wird die Truman-Administration immer stärker in den Konflikt hineingezogen.

Zugleich versucht das Vereinigte Königreich, Iran durch Anrufung des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag und des UN-Sicherheitsrates in die Knie zu zwingen – scheitert aber vor beiden. Der Internationale Gerichtshof entscheidet im Juli 1952, dass der Vertrag zwischen Iran und der AIOC keine Angelegenheit für die britische Regierung sei und Iran deshalb das Recht zur Verstaatlichung habe. Doch die Briten möchten so rasch nicht aufgeben, schließlich geht es nicht nur um Iran: Das Vereinigte Königreich beutet vier Fünftel aller Erdölvorkommen am Persischen Golf aus, Iran ist bis dahin der viertgrößte Ölexporteur der Welt, 90 Prozent des in Europa verbrauchten Öls kommen von dort. London befürchtet, andere Staaten könnten es Iran gleichtun – eine Befürchtung, die Washington mit Blick auf eigene Beziehungen in andere ölfördernde Länder der Region durchaus teilt. Die Briten reagieren daher mit einem Boykott, zu dem sie auch ihre Verbündeten überreden, um Mossadegh wirtschaftlich unter Druck zu setzen. Dieser aber gibt Volksanleihen aus und verkündet, die iranische Wirtschaft müsse von nun an völlig ohne den Verkauf von Öl auskommen. Und das Volk steht hinter ihm. So auch das Fazit von ARD-Korrespondent Scharfenberg in seinem Bericht aus Teheran: "Ob die Nationalisierung für Persien gut oder schlecht ist, will ich nicht zu entscheiden wagen. Dass sie das ist, was die Perser wollen, darüber kann es keinen Zweifel geben. ‚Wir wollen nicht mehr Geld, wir wollen unsere Unabhängigkeit‘: Das ist es, was heute jeder Perser – gleich welcher politischen Richtung – jedem Fremden immer und immer wieder versichert."

Der Putsch

Zwischen 1951 und 1953 beschäftigt kaum ein anderes weltpolitisches Ereignis die Welt mehr als der britisch-iranische Konflikt. Ein "Volksführer" der "Dritten Welt" fordert eine Weltmacht heraus. Der Boykott trifft Iran empfindlich. Mehrere Verhandlungsmissionen bemühen sich vergeblich um eine Einigung. Im Juli 1952 spitzt sich auch der Konflikt zwischen dem Schah und Mossadegh über die Kontrolle der Armee zu. Als Regierungschef will Mossadegh, dass die Armee ihm und nicht dem Schah untersteht. Der jedoch weigert sich, seine Machtbefugnisse abzugeben. Am 16. Juli 1952 tritt Mossadegh demonstrativ zurück, und sein Kalkül geht auf: Das Volk geht auf die Straße, skandiert "Tod oder Mossadegh". Gezwungenermaßen bittet der Schah Mossadegh, sein Amt wieder zu übernehmen. Doch der Sieg erweist sich als ein Pyrrhussieg, nun bröckelt die Nationale Front. Insbesondere mit Ayatollah Kaschani kommt es zum Konflikt, der nun ebenfalls auf den Sturz Mossadeghs hinarbeitet. Im Oktober bricht Iran die diplomatischen Beziehungen zum Vereinigten Königreich ab, womit 150 Jahre britischer Dominanz enden. Allerdings fällt in den Herbst 1952 auch der Anfang vom Ende der Ära Mossadegh, denn im November wird Dwight D. Eisenhower zum US-Präsidenten gewählt – und dieser gibt kurz nach seinem Amtsantritt grünes Licht zum Sturz Mossadeghs.

Die Planung übernehmen der MI6 und die CIA, der britische und der US-Auslandsgeheimdienst. Man entscheidet sich für einen Putsch, an dessen Spitze General Fazlollah Zahedi stehen soll, der schon mehrfach versucht hat, Mossadegh zu stürzen. Am 19. Juli 1953 reist der CIA-Agent Kermit Roosevelt unter falschem Namen nach Iran. Nach langem Hin und Her gelingt es ihm, den zaudernden Schah zur Teilnahme am Putsch zu bewegen. Die vom Schah unterzeichnete Entlassungsurkunde wird Mossadegh am 15. August von Oberst Nematollah Nassiri überbracht. Mossadegh aber lässt Nassiri verhaften und erklärt am folgenden Morgen im Rundfunk, dass ein Staatsstreich abgewehrt worden sei. Der Schah flieht daraufhin aus dem Land, General Zahedi verbringt die nächsten Tage in einem Versteck der CIA.

Die darauffolgenden Ereignisse sind auch für Historikerinnen und Historiker noch immer ein Mysterium. Denn obwohl ihm klar gewesen sein muss, dass ein Putsch bevorsteht, schreitet Mossadegh nicht zur Gegenwehr, sondern lässt den Dingen ihren Lauf: Am 17. August findet eine Demonstration gegen den Schah statt; ursprünglich von CIA-Provokateuren begonnen, schließen sich ihr später echte Tudeh-Anhänger an. Ziel dieser CIA-Inszenierung ist es, den Eindruck zu erwecken, ein kommunistischer Umsturz stünde bevor. So will man die Bevölkerung zur Verteidigung der Monarchie mobilisieren. Tags darauf organisiert Kaschani den Marsch eines bezahlten Mobs gegen Mossadegh, dem sich Soldaten und Teile der Bevölkerung anschließen. Am 19. August stürmt General Zahedi für den Schah schließlich das Haus Mossadeghs, der in der Folge festgenommen wird.

Der Putsch wäre ohne amerikanische Orchestrierung nicht möglich gewesen. Mit ihm bringen die USA den Schah, der vor Mossadegh nach Rom geflüchtet war, wieder zurück an die Macht. Der inszenierte Aufstand wird uminterpretiert in einen spontanen Ausdruck des Willens des Volkes, das sich hinter den Herrscher gestellt habe. General Zahedi wird Ministerpräsident und regiert mit Kriegsrecht sowie massiver finanzieller Unterstützung der USA. Die vordringliche Aufgabe seiner Regierung ist die Beilegung des Konfliktes mit der AIOC. Die Briten erwarten, dass die Iraner nun endlich alle ihre Forderungen erfüllen. Doch auch Zahedi weiß, dass dies sein politischer Selbstmord wäre, weil die Haltung der iranischen Öffentlichkeit in der Ölfrage unverändert ist. Um die Lage zu stabilisieren, machen die USA nun ihren Einfluss auf die Briten geltend. Gemeinsam wird ein internationales Konsortium gebildet, an dem die AIOC 40 Prozent der Anteile hält. Mossadegh wird derweil wegen versuchter Rebellion der Prozess gemacht. Er kommt für Jahre ins Gefängnis und steht anschließend bis zu seinem Tod 1967 unter Hausarrest.

Die Menschen in Iran verehren ihn jedoch bis heute als Märtyrer: Er ist zu einem Mythos geworden, nicht zuletzt, weil die Parteinahme für das wehrlose Opfer in der schiitischen Tradition ein zentrales Motiv ist. Mossadegh wusste das; ihm war klar, dass er zum Märtyrer der nationalen Sache werden würde. Als die Militärs ihn abführten, soll ein Vertrauter zu ihm gesagt haben: "So schlecht ist alles gelaufen, so schlecht." Woraufhin Mossadegh lächelnd erwidert habe: "Und doch ist es so gut gelaufen – wirklich gut."

Was auf 1953 folgte

Von den Bevölkerungen der westlichen Staaten wurde kaum wahrgenommen, dass Mohammad Mossadegh für die Bevölkerung ein Held war und fast alle seine Politik der Verstaatlichung mittrugen. In der Bundesrepublik galt er in seiner Amtszeit als Inkarnation des Bösen, als der Alte, der den jungen sympathischen Schah vom Pfauenthron vertreiben wollte. In den Augen vieler Deutscher hatte er den – wie die Linke ihn später ironisch nannte – "letzten deutschen Kaiser" stürzen wollen. Während der Regierungszeit Mossadeghs bangte die deutsche Öffentlichkeit mit dem Schah und seiner schönen Frau Soraya, der Halbdeutschen aus Bonn. In ihr hatte Deutschland wieder so etwas wie eine eigene Prinzessin. Und deren Glück bedrohte Mossadegh – so die einhellige Meinung der deutschen Boulevard-Presse. Es sollte dauern, bis sie revidiert wurde. Erst als der Schah auf dem Höhepunkt seiner Macht 1967 nach Berlin kam, hatte sich kurz vorher die öffentliche Meinung zu seinen Ungunsten gewandelt.

In Iran folgte auf den Putsch die Etablierung der Schah-Diktatur: Während seines kurzen Exils 1953 hatte der Schah begriffen, dass das Volk beziehungsweise ein vom Volk gestützter Ministerpräsident ihm gefährlich werden konnte. So riss er in der Folge immer mehr Macht an sich und hebelte die Verfassung peu à peu aus. In einem ersten Akt verbot er die Nationale Front, als nächstes gründete er 1957 mit amerikanischer Hilfe den SAVAK, einen Geheimdienst, der unter seiner Herrschaft zum Inbegriff von Terror und Repression werden sollte. Ab den frühen 1960er Jahren begann das Schah-Regime dann, jegliche politische Opposition vollständig mundtot zu machen, womit es die Unzufriedenen immer stärker in die Arme Ayatollah Ruhollah Khomeinis trieb, der 1979 die Islamische Revolution anführte und der Monarchie in Iran ein Ende bereitete. Zwei Jahre zuvor, im November 1977, war der Schah noch in die USA gereist und von US-Präsident Jimmy Carter ausdrücklich gelobt worden: "Iran ist dank der großartigen Staatsführung des Schahs eine Insel der Stabilität in einer der problemreichsten Regionen der Welt." Doch mit der Stabilität war es nicht weit her – und mit der Gründung der Islamischen Republik als schiitischer Gottesstaat kam das Land vom Regen in die Traufe.

Im Geschichtsverständnis vieler Iraner kamen sie von einer Diktatur zur nächsten, weil westliche Mächte den einzig jemals demokratisch legitimierten Ministerpräsidenten Irans weggeputscht hatten, weil er tat, was alle Iraner wollten. Der iranische Weg hat von Mossadegh über den Schah in ein System geführt, dem eine große Mehrheit der Bevölkerung inzwischen den Rücken gekehrt hat. Ohne den Putsch im Schicksalsjahr 1953 wäre es niemals dazu gekommen.

ist Professorin für Islamwissenschaft an der Universität zu Köln. 2023 erschien von ihr "Iran ohne Islam. Der Aufstand gegen den Gottesstaat" bei C.H. Beck.
E-Mail Link: katajun.amirpur@uni-koeln.de