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Die Vorbereitungsgespräche in Helsinki für eine „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" | APuZ 36/1973 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 36/1973 Gesamteuropäische Kooperation 1970-1973. Versuch einer Zwischenbilanz Die Vorbereitungsgespräche in Helsinki für eine „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" Möglichkeiten und Grenzen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Osteuropa Zur Praxis der wirtschaftlichen Zusammenarbeit *) Die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit mit Osteuropa Die wissenschaftlichen Austauschbeziehungen zu den osteuropäischen Ländern Die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR Intersystemare Kooperation und Frieden in Europa. Hypothesen zum gesamteuropäischen Regionalismus Zur Aufgabenstellung einer gesamteuropäischen Kooperations-Politik Auswahlbibliographie zu Fragen der Zusammenarbeit zwischen Ost und West in Europa

Die Vorbereitungsgespräche in Helsinki für eine „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa"

Jürgen Diesel

/ 12 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Jürgen Diesel: Die Vorbereitungsgespräche in Helsinki für eine „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" Das Verfahren, der Inhalt und der Stellenwert der geplanten KSZE nach dem Abschluß der multilateralen Vorbereitungen und der Verabschiedung der Schlußempfehlungen durch die Außenminister Anfang Juli in Helsinki werden beschrieben.

Europa hat bereits vor Abschluß der „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" (KSZE) eine erste bedeutsame Etappe auf dem Weg zu Entspannung und Friedenssicherung zurückgelegt: Anfang Juni gingen in Helsinki die multilateralen Konsultationen zur Vorbereitung der KSZE zu Ende. Es wur-

Prozeduren

Erinnern wir uns: Mitte vergangenen Jahres hatte die finnische Regierung 32 europäische Staaten sowie die USA und Kanada zu multilateralen Vorbereitungsgesprächen nach Helsinki eingeladen. Nur Albanien folgte dieser Einladung nicht. Die Gespräche begannen mit Grundsatzerklärungen der in Helsinki anwesenden Missionschefs in ihrer Rolle als Delegationsleiter, gefolgt von intensiven Beratungen über eine gemeinsame Verfahrensregelung. Die Teilnehmer einigten sich auf den Abstimmungsmodus des Konsens, wonach ein Beschluß gefaßt ist, wenn keiner der Teilnehmer förmlich widerspricht. Deutsch wurde offizielle Sprache der Konsultationen, zusammen mit Englisch, Französisch und Russisch; Italienisch und Spanisch wurden mit besonderem Status zugelassen (keine Übersetzungen in diese Sprachen aus den offiziellen Arbeitssprachen). Ferner wurde der Grundsatz gebilligt, daß die teilnehmenden Staaten im Wege des Konsens Arbeitsgruppen für bestimmte Aufgaben einsetzen konnten. Die Sitzordnung am Verhandlungstisch wurde nach französischer alphabetischer Reihenfolge geregelt, was dazu führte, daß die Delegationen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR Nachbarn am Verhandlungstisch wurden.

So wichtig das Einvernehmen in diesen Fragen in der ersten Runde war, die Auseinandersetzungen in der Sache standen erst noch bevor. Sie begannen in der zweiten Runde und gingen im wesentlichen um die Frage, was Aufgabe der Vorbereitungsgespräche sein sollte. Die finnische Regierung hatte in ihrem Aide-Memoire vom 24. November 1970 hierzu erklärt: „Der Zweck dieser Konsultaden ausgewogene „Schlußempfehlungen" erarbeitet, die von den Außenministern während der ersten Phase der Konferenz in Helsinki Anfang Juli verabschiedet wurden und nun die Basis für die Arbeit der Kommissionen bilden, die in Kürze in Genf zusammentreten werden. tionen würde sein, in unverbindlicher Form den Austausch relevanter Informationen zu intensivieren." Wie intensiv dieser „Informationsaustausch" sein sollte, blieb offen.

Die osteuropäischen Staaten, voran die Sowjetunion, machten gleich zu Beginn der Gespräche deutlich, daß ihnen an einer gründlichen Vorbereitung der Konferenz nicht gelegen sei. Sie forderten, die Teilnehmer sollten sich in den noch verbleibenden Wochen bis Weihnachten auf einen Konferenztermin, den Tagungsort und knapp formulierte Tagesordnungspunkte zu den Themen „Sicherheit, Zusammenarbeit, Ständiges Organ" einigen. Die Vorbereitungen dürften nicht zur Vorkonferenz werden. Die vertiefte Sacherörterung der'Tagesordnung sollte den Ministern auf der Konferenz vorbehalten bleiben.

Die westlichen Staaten und viele Ungebundene vertraten demgegenüber die Auffassung, bevor sich die Teilnehmer auf Konferenztermin und Tagungsort einigten, müsse in gründlicher Substanzdiskussion zu den Konferenz-themen — die übrigens nicht vorgegeben, sondern noch zu vereinbaren seien — deutlich werden, ob sich die Konferenzeinberufung überhaupt lohne. Der NATO-Ministerrat hatte in seinem gemeinsamen Kommunique vom 31. Mai 1972 in Bonn erklärt, „daß das Ziel der verbündeten Regierungen während der multilateralen Vorbereitungsgespräche darin bestehe, zu gewährleisten, daß ihre Vorschläge auf einer Konferenz ausführlich erörtert würden, und festzustellen, daß unter den Teilnehmern eine genügende Gemeinsamkeit der Auffassungen besteht, um in angemessener Weise die Erwartung zu rechtfertiB gen, daß auf einer Konferenz befriedigende Ergebnisse erzielt werden. ” Damit war klargestellt, daß der Westen eigene Vorschläge präsentieren und auf ihrer gründlichen Erörterung bestehen werde.

Die osteuropäischen Staaten lenkten ein. Die westlichen Vorschläge zu einer gemeinsamen Tagesordnung und für Mandate an Kommissionen der Konferenz wurden — wie es der NATO-Ministerrat gefordert hatte — „ausführlich erörtert". Statt einer Vorbereitung von wenigen Wochen dauerten die Ost-West-Gespräche in Helsinki über ein halbes Jahr.

Diese Gespräche ohne sachfremden Zeitdruck im Plenum, in Arbeitsgruppen, in „Minigruppen" und in inoffiziellen Gruppen ohne Status (etwa für Mittelmeerfragen) haben eine gründliche, ergebnisreiche und qualitativ solide Arbeit erst ermöglicht. Sie haben in der Tat die Erwartung gerechtfertigt, daß auf der Konferenz befriedigende Ergebnisse erzielt werden.

Vorklärung der Konferenzsubstanz

Welcher Art waren nun die Ergebnisse der Gespräche in Helsinki?

Das Schlußdokument der Vorbereitungsgespräche enthält Empfehlungen an die Regierungen zur Organisation der Konferenz, zu Tagesordnung und Mandaten der Kommissionen und Unterkommissionen, zu Teilnahme, Datum, Ort, Verfahren und zur finanziellen Regelung.

Die Substanz der Konferenz wird unter „Tagesordnung und Mandate" vorgeklärt. Die Mandate bestimmen, was von den Kommissionen an Thematik behandelt wird. Damit wurden für die Kommissionsarbeiten die Weichen gestellt. Die Mandatstexte nehmen kein Ergebnis vorweg, sagen also nicht, wie die Maßnahmen zur Lösung eines der Probleme konkret aussehen sollen. Aber die Texte gehen in vielen Bereichen schon so weit ins Detail, daß sie die Richtung festlegen, in der die Kommissionen das Ergebnis zu suchen haben. Ein Beispiel unter vielen: Die Unterkommission für die „menschlichen Kontakte" soll u. a. die Regelung von „Kontakten und regelmäßigen Begegnungen auf der Grundlage familiärer Bindungen, Familienzusammenführung, Eheschließungen zwischen Angehörigen verschiedener Staaten" prüfen.

Ferner haben die Teilnehmer mit der Einigung auf gemeinsame Mandate zu Protokoll gegeben, daß es im Ost-Westverhältnis umstrittene Probleme gibt. Eine solche Bestandsaufnahme, die bis zum „harten Kern" vordringt, ist notwendig, wenn die Konferenz etwas leisten soll.

über dieses Eingeständnis existenter Probleme hinaus, das ja zugleich auch das Eingeständnis für Erfordernis und Dringlichkeit von Lösungen schon weitgehend impliziert, haben die Mandatstexte zwischen Ost und West umstrittene Begriffe definiert, d. h. sie haben erläutert, was Begriffe wie „Sicherheit, Zusammenarbeit, menschliche Kontakte, Informationsaustausch, Kultur" inhaltlich ausfüllt.

Zur klaren Definition gehört eine klare Sprache. Die multilateralen Konsultationen waren daher auch eine notwendige „philologische Einübung" in die europäische Entspannung. Sprache wurde zum Verständigungsmittel, in deutlicher Distanz zu dem auf Abgrenzung bedachten Abtausch von Freund-Feind-Klischees in der Zeit des Kalten Krieges.

Die in Helsinki beschlossenen Mandatstexte werden den Kommissionen reichlich Diskussionsstoff liefern. Im einzelnen:

Sicherheit

Die Konferenz soll ein Dokument mit Prinzipien zwischenstaatlicher Beziehungen ausarbeiten, die für alle Bereiche der Zusammenarbeit gelten. Bei den Gesprächen in Helsinki zu diesem Thema ging es im wesentlichen um die Zuordnung der Prinzipien „Gewaltverzicht" und „Unverletzlichkeit der Grenzen", ferner um die Rechtsquellen der Prinzipien. Die Sowjetunion und ihre Verbündeten drangen mit ihrer Forderung, die „Unverletzlichkeit der Grenzen" als zentrales Prinzip eines angeblich nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen „modernen europäischen Völker-rechts" an die Spitze des Katalogs zu setzen, nicht durch. Bei der Aufzählung der Prinzipien im Mandat folgt die „Unverletzlichkeit der Grenzen" unmittelbar auf den „Gewaltver9 zieht", womit die innere Zuordnung beider Prinzipien verdeutlicht wird. Als Rechtsquellen des Prinzipienkatalogs nennt das Mandat die Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen sowie „insbesondere" die Deklaration über die Prinzipien des Völker-rechts betreffend die freundschaftlichen Beziehungen und die Zusammenarbeit der Staaten in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen. Damit wurde klargestellt, daß die Konferenz die universell geltenden völkerrechtlichen Prinzipien bekräftigen, nicht aber „moderne" europäische Grundsätze verabschieden wird. Die Bundesregierung hatte damit ein wichtiges Ziel erreicht: Zu verhindern, daß das Prinzipienmandat über das Ergebnis des Moskauer Vertragswerks hinausgeht, daß also friedliche Grenzänderungen durch das Prinzip der „Unverletzlichkeit der Grenzen" nicht ausgeschlossen werden. — Das Mandat führt das Selbstbestimmungsrecht sowie die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Katalog als selbständige und gleichwertige Prinzipien auf, gleichfalls eine Forderung des Westens.

Die Konferenz ist ferner beauftragt, eine Methode zur friedlichen Regelung von Streitfällen auszuarbeiten, wobei die schweizerischen Vorschläge eine maßgebliche Rolle spielen werden, wenn es auch verfrüht ist, von der KSZE ein „System zur friedlichen Streitbeilegung" zu erwarten.

Bei den militärischen Aspekten der Sicherheit einigten sich die Teilnehmer, daß Vorschläge zu „vertrauensbildenden Maßnahmen" ausgearbeitet werden sollen. Kleinster erreichbarer gemeinsamer Nenner: Die vorherige Ankündigung von größeren militärischen Manövern und der Austausch von Manöverbeobachtern. Die — vor allem von den ungebundenen Staaten vorgetragene — Forderung, nicht nur Manöver, sondern auch „größere militärische Bewegungen" anzukündigen, wurde nach langem Widerstand der Sowjetunion in abgeschwächter Form in das Mandat übernommen: Die Unterkommission soll diese Frage immerhin „prüfen". Eine weitergehende Behandlung militärischer Aspekte auf der KSZE wäre nicht unbedingt zweckmäßig, da die Fragen der gegenseitigen und ausgewogenen Truppenverminderungen in Mitteleuropa (in der NATO-Terminologie: MBFR) Gegenstand der Wiener Gespräche sind. Zwischen KSZE und MBFR besteht ein innerer Zusammenhang; denn politische und militärische Sicherheit bedingen und ergänzen einander. Doch folgen beide Entspannungsprojekte eigenen Gesetzen und haben unterschiedliche Teilnehmer. Es wäre deshalb nicht glücklich, zwischen beiden Projekten eine formale, starre Verbindung herzustellen.

Zusammenarbeit

Hier geht es um Handel, industrielle Kooperation, Verkehr, Tourismus und „Wanderarbeiter", um die Ausbildung von Fachkräften, um Wissenschaft und Technik und schließlich um den Umweltschutz.

Diese Kommission soll, dem Mandat zufolge, den Beitrag berücksichtigen, den die Zusammenarbeit „zur Festigung des Friedens und der Sicherheit in Europa leisten könnte". Die Kommission soll „Mittel und Wege prüfen .. ., unter Berücksichtigung der Unterschiede der wirtschaftlichen und sozialen Systeme sowie unter Bedingungen der Gegenseitigkeit der Vorteile und Verpflichtungen die Entwicklung des Handels und der Zusammenarbeit in den verschiedenen Bereichen der Wirtschaftstätigkeit, der Wissenschaft und Technik, sowie in Umweltfragen zu erleichtern". Beim Handel geht es konkret darum, den Waren-und Dienstleistungsverkehr durch verbesserte Geschäftskontakte und durch Informationsaustausch ausweiten. Die Sowjetunion konnte ihre Forderung, allgemein gültige Prinzipien der Meistbegünstigung und der Nichtdiskriminierung in das Mandat aufzunehmen, nicht durchsetzen. Das Mandat spricht statt dessen von der Erörterung allgemeiner Probleme, „die mit der Meistbegünstigungsbehand1ung verbunden sind".

Bei der industriellen Kooperation forderte der Osten ein europäisches Programm der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Der Begriff „Programm" war für den Westen nicht akzeptabel, da er die beteiligten Regierungen zur Mitarbeit hätte verpflichten können, wo die praktische Zusammenarbeit im Westen zum wesentlichen Teil Sache privater Unternehmen ist. Die Mandatsformulierung, wonach Maßnahmen geprüft werden sollen, „welche die Regierungen ergreifen könnten, um vorteilhafte Bedingungen für diese Kooperation zwischen den kompetenten Organisationen, Gesellschaften und Unternehmen der Teilnehmerstaaten zu schaffen", zeigt, daß der Unter-kommission noch intensive Erörterungen bevorstehen. Auch der Zusatz „europäisch" war nicht annehmbar, da sich ein solches Pro-gramm gegen die gemeinsame Wirtschaftspolitik der Europäischen Gemeinschaft gerichtet und eine Beteiligung der USA und Kanadas ausgeschlossen hätte.

Die Europäische Gemeinschaft (EG) hat bei den KSZE-Vorbereitungen eine wichtige Rolle gespielt. Bei Fragen, die den Bereich der EG-Kompetenzen betrafen, trat die Präsidentschaft der EG (durch den Vertreter Belgiens) am Verhandlungstisch als Sprecher der Gemeinschaft auf. Die EG-Kommission war bei der internen Abstimmung der „Neun" in Brüssel und Helsinki laufend beteiligt. Auf der KSZE-Außenministerkonferenz gab der dänische Präsidentschaftsvertreter eine Erklärung im Namen der Gemeinschaft ab.

„Humanitäre" und andere Fragen

Die erfolgreiche Durchsetzung westlicher Vorstellungen und die mancher ungebundener Länder schlägt sich besonders deutlich im Mandat zu den menschlichen Kontakten, zum Informationsaustausch, zur Kultur und zur Bildung nieder. Der Mandatstext verrät in allem die westliche Handschrift. Die westlichen Forderungen sind in das Mandat eingegangen. Schon der Titel dieses Mandats „Zusammenarbeit auf humanitärem und auf anderen Gebieten" setzt sprachlich — wenn auch nicht sonderlich glücklich — den Akzent auf den humanitären Komplex. Die Konferenz soll sich nicht nur bestehender Formen der Zusammenarbeit bedienen, „sondern auch neue, diesen Zielen gemäße Mittel und Wege ausarbeiten".

Die Unterkommission für die „Kontakte" wird sich mit regelmäßigen Begegnungen auf der Grundlage von Familienbindungen, mit der Familienzusammenführung, der Eheschließung zwischen Angehörigen verschiedener Staaten, dem Fremdenverkehr und Jugendbegegnungen befassen. Dies soll „durch die betroffenen Staaten unter für alle Seiten annehmbaren Bedingungen" geregelt werden — ein auf östliches Drängen eingeführter Gedanke, der — nach Lage der Dinge im Ost-Westverhältnis — Selbstverständliches wiedergibt, daß nämlich mehr Kontakte ohne oder gegen den Willen der Staaten nicht zu verwirklichen sind.

Eine weitere Unterkommission soll Vorschläge für die „freiere und umfassendere Verbreitung von Informationen aller Art" erarbeiten. Hier geht es um den besseren Zugang zur gesprochenen, geschriebenen, gefilmten und gesendeten Information und um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Journalisten.

Im Bereich der Kultur geht es u. a. um mehr Kontakte zwischen allen Einrichtungen, die sich mit kulturellen Fragen befassen, aber auch um erweiterte Kontakte zwischen Künstlern und Kulturschaffenden. Der Beitrag nationaler Minderheiten soll dabei berücksichtigt werden.

Bei der Bildung schließlich geht es um die Förderung des Studiums der Sprachen und der Zivilisation anderer Völker, um erweiterte Beziehungen zwischen Einrichtungen des Bildungswesens und der Wissenschaft, um den besseren Zugang von Studenten, Lehrern und Wissenschaftlern zu den Institutionen in anderen Teilnehmerstaaten und um Absprachen zum Vergleich akademischer Grade und Diplome.

Koordinationsausschuß und Konferenzfolgen

Nach den Verfahrensregeln der Konferenz, die gleichfalls bei den Vorbereitungsgesprächen in Helsinki erarbeitet wurden, wird die Konferenz neben den Kommissionen und Unterkommissionen auch einen „Koordinationsausschuß" einsetzen, der die Arbeiten der drei Sachkommissionen koordiniert und der „auf der Grundlage der während der Konferenz erzielten Fortschritte" Maßnahmen prüfen soll, die sich als notwendig erweisen könnten, um die Beschlüsse der Konferenz durchzuführen und den Entspannungsprozeß zu fördern. Der Ausschuß soll auch prüfen, welche bestehenden internationalen Organisationen zur Fortsetzung der Arbeiten herangezogen werden könnten.

Die Sowjetunion hatte vor Beginn der Vorbereitungsgespräche die Errichtung eines „Organs" vorgeschlagen, auf die reservierte westliche Haltung hin ihren Vorschlag in Helsinki dann auf die Bildung eines „Konsultativ-Komitees" reduziert. Aufgabe dieses Komitees sollte es sein, nach der Konferenz Informationen und Meinungen der Konferenz-teilnehmer auszutauschen und weitere Konferenzen vorzubereiten. Erst am Ende der zweiten Phase in Genf wird sich zeigen, wieweit diese abgeschwächte Version von den anderen Konferenzpartnern akzeptiert wird.

Konferenzablauf

Die „Schlußempfehlungen der Helsinki-Konsultationen" äußern sich ferner zur Organisation, zu Datum und Ort der Konferenz. Danach soll die KSZE — nach einem französischen Vorschlag — in drei Phasen verlaufen: Nach dem Außenministertreffen, das Anfang Juli in Helsinki stattfand, die Arbeit der Kommissionen in Genf und die Schlußkonferenz, wiederum in Helsinki, auf noch zu bestimmender Ebene, wobei die Länder des Warschauer Pakts für ein Gipfeltreffen „auf höchster Ebene" eintreten. Weitere Themen der Schlußempfehlungen: — Teilnahme. An der Konferenz können alle europäischen Staaten sowie die USA und Kanada teilnehmen. Staaten aus benachbarten Regionen, insbesondere Mittelmeerstaaten, können der Konferenz und ihren Arbeitsorganen ihre Auffassungen zu den einzelnen Punkten der Tagesordnung darlegen. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen war, wie es die Schlußempfehlungen vorsahen, Ehrengast der KSZE-Eröffnungskonferenz. •— Verfahrensregeln. Sie gleichen weitgehend denen der Vorbereitungsgespräche. Wichtigste Regel ist der Konsens. Das Rotationsprinzip gilt für den Fall, daß der Vorsitzende verhindert ist. Die Arbeitssprachen sind Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch und Spanisch — Italienisch und Spanisch sind, im Unterschied zu den Vorbereitungsgesprächen, nun gleichwertige Konferenzsprachen. — Finanzielle Regelung. Die Bundesrepublik Deutschland trägt, ebenso wie Frankreich, Italien, die Sowjetunion, Großbritannien und die USA, 8, 8 °/o der Gesamtkosten der Konferenz. Es folgen die übrigen Staaten, abgestuft nach ihrer finanziellen Leistungskraft (zum Vergleich: DDR 3, 48 °/o).

Erfahrungen in Helsinki

Die Vorbereitungsgespräche haben für alle Beteiligten manche neue Erfahrung gebracht. Für den Westen geht eine Erfahrung an Relevanz allen anderen voran: die in Helsinki erfolgreich erpobte Solidarität unter den Partnern der Atlantischen Allianz und unter den neun Mitgliedsländern der Europäischen Gemeinschaft. In Bündnis und Gemeinschaft hat sich durch die intensive KSZE-Vorbereitung und ständige Abstimmung der innere Zusammenhalt nicht nur erhalten, sondern noch verfestigt. Die politische Zusammenarbeit der neun Gemeinschaftsländer hat greifbare Substanz gewonnen. Die Abstimmung unter den „Neun" im Politischen Komitee, im Unterausschuß KSZE und in der Ad-hoc-Gruppe, an deren Sitzungen die EG-Kommission beteiligt war, war unter zwei Aspekten lohnend: sie hat dazu beigetragen, die westliche Linie in wesentlichen Bereichen durchzusetzen; und sie hat, als Reflex ihres Erfolges, den Gemeinschaftsgeist gestärkt. Die Solidarität der Gemeinschaftsländer hat sich nicht zuletzt auch „vor Ort" in Helsinki bewährt. Es gelang, trotz der gegen Ende der Vorbereitungsgespräche zunehmenden Hektik, die Abstimmung kontinuierlich zu verdichten, wodurch es möglich wurde, ohne wesentliche Verzögerungen auf neue Verhandlungslagen zu reagieren. Der hier praktizierte Gemeinschaftsgeist hat sich auch förderlich auf die Abstimmung gemeinsamer Positionen im Atlantischen Bündnis ausgewirkt.

Auch für die Sowjetunion war Helsinki eine neue Erfahrung. Ganz gegen ihr Selbstverständnis als Großmacht gehörte sie nicht zu einer Klasse privilegierter Staaten. Sie spielte zwar den Sprecher der Warschauer Vertragspartner, aber nicht eine Rolle vergleichbar der eines Ständigen Mitglieds im UN-Sicherheitsrat, also mit besonderem prozeduralem Vorrang. Sie war in Helsinki nicht mehr und nicht weniger souverän und gleichberechtigt als andere Teilnehmer auch. Die Bereitschaft der Sowjetunion, dem Westen und Ungebundenen gegenüber in Sachfragen entgegenzukommen oder tragfähige Kompromisse möglich zu machen, gehörte auch zu den positiven Erfahrungen von Helsinki.

Auch die Präsenz gleichberechtigter deutscher Delegationen in einem internationalen Forum war für beide Beteiligten eine neue Erfahrung. Es gelang, gute Nachbarschaft zu praktizieren.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Jürgen Diesel, geb. 4. 1. 1926, Dr. jur., Ministerialdirigent im Auswärtigen Amt.