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Zur Praxis der wirtschaftlichen Zusammenarbeit *) | APuZ 36/1973 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 36/1973 Gesamteuropäische Kooperation 1970-1973. Versuch einer Zwischenbilanz Die Vorbereitungsgespräche in Helsinki für eine „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" Möglichkeiten und Grenzen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Osteuropa Zur Praxis der wirtschaftlichen Zusammenarbeit *) Die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit mit Osteuropa Die wissenschaftlichen Austauschbeziehungen zu den osteuropäischen Ländern Die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR Intersystemare Kooperation und Frieden in Europa. Hypothesen zum gesamteuropäischen Regionalismus Zur Aufgabenstellung einer gesamteuropäischen Kooperations-Politik Auswahlbibliographie zu Fragen der Zusammenarbeit zwischen Ost und West in Europa

Zur Praxis der wirtschaftlichen Zusammenarbeit *)

Winfried Nolde

/ 8 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Winfried Nolde: Zur Praxis der wirtschaftlichen Zusammenarbeit über den wichtigen politischen Implikationen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Ost und West sollten die praktischen Probleme nicht übersehen werden. Die Formen der Geschäftsanbahnung, der Verträge und der Organisation der Zusammenarbeit zwischen westdeutschen Firmen und ihren osteuropäischen Geschäftspartnern werden geschildert.

I. Geschäftsanbahnung

Die am Beginn einer jeden Kooperation stehende Suche nach einem geeigneten Partner wird durch die geringen Informationsmöglichkeiten über den technischen und wirtschaftlichen Leistungsstand der RGW-Länder erschwert. Da Einkaufspläne der zentralen Planungsbehörden nicht eingesehen werden können, bieten die Fünfjahrespläne und Einjahrespläne, die jedenfalls die Zielprojektionen angeben, östliche Wirtschaftsstatistiken und eine Reihe westlicher Veröffentlichungen von Marktforschungsunternehmen die sich auch auf die Auswertung der Landespresse stützen, erste Anhaltspunkte.

Die Schwierigkeiten bei der Partnersuche werden zum Teil dadurch aufgehoben, daß von einer Zentralstelle des östlichen Partner-landes eine erste Initiative ausgeht bzw. regelrechte Vermittlungsinstanzen in Ost und West geschaffen wurden.

So hat der Deutsche Industrie-und Handels-tag im Zusammenwirken mit der polnischen Außenhandelskammer ein Kooperationsvermittlungssystem eingerichtet, das insbesondere mittleren und kleinen Unternehmen die Kontaktanbahnung erleichtern soll. Ähnliche Funktionen gegenüber sämtlichen RGW-Ländern übt auch die Bundessstelle für Außenhandelsinformation aus, deren Eigeninitiative aber aus wettbewerbsrechtlichen Gründen beschränkt bleibt. Der Kooperationsanknüpfung auf westdeutscher Seite dienen ferner das Rationalisierungskuratorium der Deutschen Wirtschaft, der Ostausschuß der Deutschen Wirtschaft und leistungsstarke westliche Unternehmen

In den Ostblockländern gehen erste Kontakte in der Regel von den Außenhandelsgesellschaften aus, die grundsätzlich auch die durchführenden Organe für Fragen der Kooperation bilden; aufgrund des in fast allen sozialistischen Ländern herrschenden staatlichen Außenhandelsmonopols unterstehen sie direkt dem Außenhandelsministerium. Die Anzahl der Außenhandelsunternehmen, deren Bedeutung als Ausgangsbasis für erfolgreiche Vertragsabschlüsse nicht hoch genug veranschlagt werden kann, variiert in den einzelnen Ländern. Deshalb ist es für den westlichen Interessenten oft schwierig festzustellen, welche Warennomenklatur den jeweiligen Außenhandelsunternehmen zugeordnet wurde Daneben werden östliche Vermittlungsagenturen eingeschaltet die als Tochterunternehmen den jeweiligen Außenhandelsunternehmungen unterstehen.

Die nach westlicher Methode üblichen Akquisitionsformen erweisen sich dagegen weitgehend als wirkungslos.

— Anzeigen, Fachartikel etc. gelangen zwar in die einschlägigen Betriebe, die aber aufgrund des staatlichen Außenhandelsmonopols eben nur sehr begrenzten Einfluß besitzen.

— Firmenprospekte und Kataloge bleiben dagegen meist schon bei den Außenhandels-gesellschaften liegen und erreichen nicht die echten Interessenten.

— Besuche enden vorwiegend bei den „abschirmenden" Außenhandelsgesellschaften, so daß Gespräche mit Betriebsangehörigen nur selten zustande kommen.

II. Organisationsformen

1. Lohnveredelung

Bei der Kooperationsform der „verlängerten Werkbank" werden meist lohnintensive, technisch einfache Arbeiten dem östlichen Partner übertragen, während der westliche Betrieb die Vormaterialien stellt. Diese Kooperationsform, die auch mit der Übergabe von Fertigungseinheiten, Lizenzen und technischem Know-how verbunden sein kann, wird besonders in den verschiedenen Konsumgüterbereichen praktiziert.

2. Kooperation im Dienstleistungsbereich

Diese Form intersystemarer wirtschaftlicher Zusammenarbeit dient dem gegenseitigen Personalaustausch zwischen den einzelnen Betrieben, wenn auch derartige Abkommen oft nicht selbständig, sondern als Teil einer umfangreichen Vereinbarung abgeschlossen werden. Während über Behinderungen bei der Entsendung von Personal in RGW-Länder selten berichtet wird, treten öfter Störungen auf, wenn Ostfirmen ihr Personal zu Schulungs-oder Dienstleistungszwecken (z. B. Bau-oder Montagetrupps) in die Bundesrepublik verpflichtet haben.

Die Natur der Sache macht das Fehlen einer gesetzlichen Regelung nicht so sehr bemerkbar, da eine juristische Fixierung in jedem Falle nur ganz allgemeine Prinzipien umfassen könnte.

3. Vertriebskooperation

Die Zusammenarbeit beim Vertrieb wirft geringe Probleme auf. Gemeinschaftlich gefertigte Produkte werden in der Bundesrepublik, den RGW-Ländern oder auf dritten Märkten vertrieben. Diese wechselseitige Öffnung von Märkten erübrigt den Aufbau von parallelen Verkaufsorganisationen; die teilnehmenden Firmen aus Ost und West können den guten Namen der Partnerbetriebe nutzen, und auch die Devisenabrechnungen werden erleichtert.

4. Zusammenarbeit in Drittländern

Das Zusammengehen auf dritten Märkten wird relativ häufig praktiziert, obwohl auch hier noch nicht von einer Systematisierung des Geschäftes gesprochen werden kann. Tatsächlich bestehen vielfältige Möglichkeiten der Drittland-Kooperation: gemeinsame Forschung und Entwicklung, gemeinsame Bau-ausführung, Entsendung von Spezialisten. Die meist konsortiale Durchführung kann die Errichtung kompletter Industrieanlagen im selbständigen Lieferantenverhältnis oder als Haupt-bzw. Zulieferant umfassen und bietet sich besonders bei der Durchführung von Entwicklungsprojekten an.

Die unterschiedlichen Bedingungen, mit denen die Kooperationspartner in den einzelnen Drittländern konfrontiert werden, werfen natürlich zusätzliche wirtschaftlich-technische Probleme auf; andererseits scheint bei dem Auftreten systembedingter Schwierigkeiten auf beiden Seiten eine größere Kompromißbereitschaft zu bestehen. Vornehmlich für den östlichen Partner besteht hier eine Chance, sowohl den Firmennamen ohne kostspielige Marketingaktionen bekanntzumachen — und damit extern und auch landesintern das Prestige zu erhöhen — als auch die Kenntnis dritter Märkte zu verbessern.

5. Produktionskooperation und Spezialisierungsverträge

Die Erscheinungsformen sind vielfältig und hängen u. a. von den Bedürfnissen der einzelnen Branchen ab. In den Bereich der industriellen Koproduktion fallen die Verträge, in denen die Erstellung von Erzeugnissen in bereits existierenden oder in den RGW-Ländern noch zu errichtenden Anlagen vereinbart wird. Bisher wurden nur Übereinkünfte bekannt, in denen die Technologie und alle oder ein Teil der für die Produktion erforderlichen Maschinen vom westlichen Kooperationspartner gestellt wurden.

Intensiver als in den bisher genannten Fällen gestaltet sich die Zusammenarbeit bei dem Abschluß von Spezialisierungsabkommen, da jeder der beiden Partner seine Produktion technisch und zeitlich auf die des anderen abstimmen muß.

Hier sind zwei Sonderfälle der Zusammenarbeit möglich:

1. Die Partnerunternehmen stellen nach einem festgelegten Plan ergänzende Teile eines gemeinsamen Endproduktes her; die Endmon18 tage erfolgt dann, den Erfordernissen der Absatzmarktlage entsprechend, bei einem der Kooperationspartner oder in einem dritten Unternehmen.

2. Die gegenseitige Abstimmung des Produktionsprogrammes. Die Kooperationspartner produzieren jeweils nur einen Teil des gesamten Fertigungsprogrammes (sog. Produktbereinigung), zusammen stellen sie jedoch das Gesamtprogramm her.

6. Gemischte Gesellschaften a) Gemeinsame Unternehmen in RGW-Ländern

Die in der Praxis am wenigsten durchgeführte Form der Kooperation bildet die Gründung eines im gemeinsamen Eigentum beider Partner stehenden Unternehmens mit Sitz in einem sozialistischen Land. Haupthindernis für „echte" Gemeinschaftsunternehmen war das Verbot westlicher Kapitalbeteiligungen an Produktionsmitteln. Als mögliche Rechtsgrundlage zur Sicherung der Interessen des westlichen Partners dienten bisher hauptsächlich die Außenhandelsgesetze der einzelnen Staatshandelsländer, die aber keine ausdrückliche Regelung für gesellschaftliche Organisationsformen vorsahen. Die Beteiligten versuchten vielmehr, den Spielraum dieser Gesetze auszunutzen, gesellschaftsähnliche Ersatzformen zu finden, oder auch über die Rechtsfiguren des Leih-, Mietoder Pachtvertrages Teilbereiche der Kooperation rechtlich zu fixieren.

Um die Zusammenarbeit im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten reibungslos zu gestalten, strebten westliche Betriebe die Vereinbarung insbesondere folgender Punkte an:

— Genaue Bestimmung der Rechtsform des Gemeinschaftsunternehmens.

— Einflußsicherung auf die Geschäftsführung, vor allem bezüglich des Einsatzes von Produktionsmitteln, der Absatzpolitik sowie der Ermittlung und Verteilung des Gewinnes. — Schutz gegen Enteignung oder enteignungsgleiche Eingriffe.

— Statusregelung der ausländischen Arbeitskräfte. — Freier Transfer der Gewinnanteile, Lizenz-entgelte und Liquidationserlöse.

In einzelnen RGW-Ländern wird nun den Bedürfnissen der westlichen Unternehmer weitgehend Rechnung getragen, indem eine Rechtsgrundlage auch für die Fälle westlicher Kapitalinvestitionen geschaffen wurde.

Rumänien Das neue rumänische Außenhandelsgesetz vom 17. März 1971 sieht die Errichtung gemischter Kapitalgesellschaften mit maximal 49prozentiger ausländischer Beteiligung vor; es unterscheidet nicht zwischen Gesellschaften mit Sitz im In-oder Ausland. Vorbehaltlich der Genehmigung der zuständigen Fachministerien werden unter anderem die Art und Weise der Vermögensbildung, die Zurückziehung der Anteilquoten und die Kriterien der Gewinnaufteilung vertraglich festgesetzt. Darüber hinaus garantiert der rumänische Staat dem ausländischen Partner, daß er die Amortisations-und Gewinnquoten überwiesen erhält, sobald er seinen steuerlichen und sonstigen vertraglichen Verpflichtungen nachgekommen ist.

Ungarn Auch Ungarn steht neuerdings westlichen Kapitalbeteiligungen an inländischen Unternehmen positiv gegenüber und hat die wesentlichen rechtlichen Fragen geklärt. Seit Veröffentlichung der Verordnung Nr. 28/1972 vom 3. Oktober 1972 können wirtschaftliche Vereinigungen mit Zustimmung des ungarischen Finanzministeriums in der Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft, Aktiengesellschaft, GmbH oder als gemeinsames Unternehmen gegründet werden.

Der gemeinsamen Unternehmung steht ein Verwaltungsrat vor, der die Mitglieder entsprechend ihren Anteilen am Gesellschaftskapital vertritt. Auch in Ungarn wurde der Umfang der ausländischen Kapitalbeteiligung auf 49 Prozent begrenzt und der Gewinn-und Kapitalrücktransfer ausdrücklich geregelt.

Diesen Sicherungen des ausländischen Kapitalgebers stehen allerdings noch Einschränkungen bei Abschluß der Vereinigungsverträge gegenüber. Es wurde eine Höchstgrenze der gemeinsamen Gewinne festgelegt. Die gemischte Gesellschaft ist verpflichtet, aus dem Gewinn einen Risikofond zu bilden, der jedes Jahr so weit aufgestockt wird, bis seine Höhe zehn Prozent des Vermögens der Vereinigung erreicht. Der verbleibende Jahresgewinn wird in einen Anteilfond eingebracht, dessen jähr19 liehe Höhe fünfzehn Prozent der im Lauf des Jahres ausgezahlten Löhne nicht übersteigen darf.

Diese Organisationsform der gemischten Gesellschaft wurde in erster Linie für die Gründung gemeinsamer Vertriebs-und Dienstleistungsunternehmen geschaffen. Die Kapitalbeteiligung im Produktionsbereich soll dagegen nur dann zulässig sein, wenn sich eine für Ungarn wichtige Kooperation nicht anders realisieren läßt und der Ministerrat seine Zustimmung erteilt hat. Es entspricht also dem Wunsch der ungarischen Seite, nach Möglichkeit auf Produktionseigentum zu verzichten und „einfachere" Formen der Kooperation zu vereinbaren.

Polen Zwei Formen der Kooperation bleiben in Polen ausdrücklich ausgeschlossen.

Firmen der Bundesrepublik können an polnischen Industriewerken keine Kapitalbeteiligung erwerben, und auch der Abschluß von Managementverträgen ist nicht möglich. Polen verfolgt einen eher konservativen Kurs und möchte die Erfahrungen der übrigen sozialistischen Länder abwarten. Die Kooperationsform der gemischten Gesellschaften soll also für die Zukunft nicht unbedingt ausgeschlossen werden. Ein erster Versuch in dieser Richtung scheint die Genehmigung zur Eröffnung technischer Konsultationsbüros für solche deutsche Firmen zu sein, welche bereits die übrigen Formen der Kooperation in Polen betreiben.

Andere RGW-Länder Bulgarien, die Tschechoslowakei und die Sowjetunion nehmen bezüglich der Gründung von gemischten Gesellschaften im Mutterland eine eindeutig ablehnende Haltung ein. Von diesen Ländern wird der Standpunkt vertreten, daß Eigentumsbeteiligungen dem ausländischen Partner keine zusätzlichen Sicherheiten bieten und daß die bisher üblichen Formen der Kooperation ausreichen. An der Aufnahme von Kapital besteht zwar Interesse; dabei wird jedoch dem Anleihekapital der Vorzug gegenüber dem arbeitenden Kapital gegeben.

b) Gemeinsames Unternehmen im westlichen Partnerland

Hat das gemeinsam gegründete Unternehmen seinen Sitz im westlichen Partnerland oder einem Drittland, so treten keine zusätzlichen Belastungen auf, da der sozialistische Partner die im Gastland geltende Rechtsordnung akzeptiert. Grundsätzlich strebt er die Kapital-mehrheit an dem Gemeinschaftsunternehmen an, während Aufsichtsrat und Management meist paritätisch besetzt werden.

Daß die RGW-Länder von der Möglichkeit, sich durch Kauf von Aktien an Produktionsunternehmen zu beteiligen, nicht verstärkt Gebrauch machen, liegt weitgehend an ihrem Devisenmangel.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die Darstellung beruht im wesentlichen auf Informationen von Wirtschaftsverbänden, Industrieunternehmen und osteuropäischen Handelsmissionen. 1) Einige unterhalten Büros in den osteuropäischen Ländern, in denen sie besonders gut eingeführt sind. Andere arbeiten mit Reisenden, die für einen ständigen Kontakt zu den staatlichen Außenhandelsunternehmungen sorgen. Manche Firmen setzen eigene Verkaufsingenieure ein, die aber auf privater Basis nur unter Einschränkungen in den Staatshandelsländern tätig sein dürfen.

  2. Östliche Außenhandelskammern bemühen sich neuerdings verstärkt um jährliche Veröffentlichungen entsprechender Verzeichnisse.

  3. Der Nutzen ihrer Tätigkeit bleibt umstritten, besonders wenn die Vertragsvorbereitung Spezial-kenntnisse voraussetzt, über welche die dort tätigen Angestellten selten verfügen, da sie für eine Vielzahl von Unternehmen westlicher Länder zuständig sind. Die gleichzeitige Vertretung von Konkurrenzfabrikaten bedingt schließlich auch die Gefahr der Interessenkollision. Die Provision muß nicht unbedingt ein direkter Anreiz sein, da sie in der Regel einem Gemeinstchaftsfonds aller Vermittlungsfirmen zufließt, aus dem diese entsprechend ihren Etats finanziert werden.

  4. Zwischen der Bundesrepublik und der DDR gibt es überhaupt keine wirtschaftliche Kooperation.

Weitere Inhalte

Winfried Nolde, geb. 11. 2. 1941, Doktorand am Seminar für Politische Wissenschaft der Universität Bonn.