Transfer und Transformation
Das alte China und die Seidenstraße
Thomas O. Höllmann
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Die Geschichte der "Seidenstraße" reicht bis in die Antike zurück. Auf den Land-und Seerouten wurden nicht nur Güter weitergegeben, sondern auch Religionen, Ideen und technologische Errungenschaften.
Die Geschichte der "Seidenstraße", jenes weitverzweigten Verkehrsnetzes, das Ostasien mit Europa und Nordafrika verband, reicht bis weit in die Antike zurück. Auf den unter diesem Begriff zusammengefassten Land- und Seerouten wurden nicht nur Güter weitergegeben, sondern auch Religionen, Ideen und technologische Errungenschaften. Eine kleine Auswahl davon wird in diesem Beitrag präsentiert; er umfasst die gesamte chinesische Kaiserzeit (von 221 v. Chr. bis 1911), ein Schwerpunkt liegt aber auf der weltoffenen Dynastie Tang (618–907).
Ohne viel voneinander zu wissen, standen spätestens im ersten nachchristlichen Jahrhundert die beiden "Weltmächte" miteinander in Kontakt: das chinesische und das römische Imperium. Allerdings erreichten die Waren und Erkenntnisse ihre Bestimmungsorte in der Regel erst nach mehreren Jahren und zahlreichen Zwischenstationen. Die Reichweite der einzelnen Karawanen blieb nämlich stets begrenzt, da das von unermesslichen Wüsten und Gebirgsketten durchzogene Territorium zwischen den Großreichen zumeist in viele kleinere Staaten und Konföderationen aufgesplittert war. Noch mehr als die lokalen Herrscher und die mit ihnen konkurrierenden Räuberbanden erschwerten die brütende Hitze im Sommer und die klirrende Kälte im Winter ein kontinuierliches Fortkommen. Durch Sandstürme und Schneetreiben war der Transport eine große Herausforderung für die Menschen, aber auch für die ansonsten genügsamen Lasttiere wie Kamele und Esel.
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In der Wüste [Taklamakan] gibt es viele Dämonen und heiße Winde. Wer ihnen begegnet, kommt bis auf den letzten Mann um. Man sieht weder einen Vogel in der Luft, noch irgendein Tier auf der Erde. Wenn man angestrengt nach allen Richtungen Ausschau hält, um den Weg für die Durchquerung zu finden, sucht man vergeblich; die einzigen Wegzeiger sind die ausgedörrten Knochen der Toten.
Der Begriff "Seidenstraße" ist relativ jungen Datums. Er wird häufig dem Geografen Ferdinand von Richthofen zugeschrieben, der ihn 1877 bei einer vielbeachteten Vortragsveranstaltung in Berlin verwendete. Die Wortschöpfung muss jedoch schon einige Jahrzehnte früher stattgefunden haben: spätestens 1838, als Carl Ritter in seiner vielbändigen "Erdkunde" davon Gebrauch machte. Immerhin kommt aber Richthofen das Verdienst zu, das Konzept eines kohärenten Verkehrsnetzes damit zu verbinden, das zwei Kontinente umfasste und auf große Resonanz in der Öffentlichkeit stieß.
Unabhängig von den jeweiligen Machtverhältnissen lässt sich der wichtigste Strang der Landrouten in mehrere aufeinanderfolgende Sektoren untergliedern. Von Ost nach West waren das: das Tal des Wei; der Hexi Korridor; die Wüsten Gobi und Taklamakan; die im Pamirknoten zusammenlaufenden Gebirgszüge; die Turanische Niederung; das iranische Hochland; das Zweistromland; die Syrische Wüste mit Zugängen zum Mittelmeer. Der Ausgangpunkt war häufig Chang'an, über viele Jahrhunderte hinweg die Hauptstadt des chinesischen Kaiserreichs, der Endpunkt, zumindest zeitweilig, Rom. Zur See wurde der Rhythmus der Fernreisen im Wesentlichen durch die Windverhältnisse bestimmt: In den Wintermonaten segelte man von den chinesischen Hafenstädten, begünstigt durch den Nordostmonsun, nach Süden und Westen, bis man schließlich den Persischen Golf und die afrikanische Küste erreichte. Im Sommer fuhr man mit dem Südwestmonsun im Rücken in die umgekehrte Richtung.
Tribut und Handel
Zu den wichtigsten Verpflichtungen des chinesischen Kaisers gehörte es, die Harmonie zwischen der Menschheit und dem Kosmos aufrechtzuerhalten. Sein Machtanspruch war demnach zumindest formal nicht auf ein fest umrissenes Territorium beschränkt, sondern erstreckte sich im Prinzip auf die ganze zivilisierte Welt: lediglich abgestuft nach dem Ausmaß, in dem man sich der konfuzianisch geprägten Staatsdoktrin unterwarf.
In diesem Zusammenhang wurde die Überbringung von Gütern durch die Repräsentanten anderer Länder nicht zuletzt als Bestätigung imperialer Legitimation bewertet. Blieben die Gaben aus, konnte das den Entzug des himmlischen Mandats ankündigen, denn nicht nur Naturkatastrophen, Aufstände und unglückverheißende Vorzeichen kündigten das Ende einer Dynastie an, sondern auch die unzureichende Akzeptanz außerhalb des Reichs der Mitte.
Umgekehrt konnte die huldvolle Entgegennahme der Präsente von den fremden Potentaten als Bestätigung ihres eigenen Herrschaftsanspruchs gedeutet werden. Zudem war der "Sohn des Himmels" gehalten, sich mit Gegengaben für den Tribut zu revanchieren: zumeist in Form von Seide, nicht selten aber auch durch die Verleihung wohlklingender, aber wertloser Titel. Zwar wurde bei dieser Art des diplomatischen Verkehrs grundsätzlich Reziprozität erwartet, doch setzte dies nicht zwingend einen kontinuierlichen Zustand der Balance voraus. Ohnehin beschränkte sich der jeweilige Nutzen der Beteiligten keineswegs auf den materiellen Zugewinn. Das war beim privaten grenzüberschreitenden Handel, der trotz strikter Verbote nie völlig unterbunden werden konnte, natürlich anders.
Allerdings ist eine differenzierte Beurteilung der häufig diskret getätigten Geschäfte fast unmöglich. Die Kaufleute selbst scheuten nämlich im Allgemeinen die schriftliche Niederlegung ihrer Kenntnisse. Schließlich bestand immer die Gefahr, dass die Aufzeichnungen in falsche Hände gelangen konnten: sei es an die Konkurrenz, sei es an die Steuerbehörde. Es ist also zu erwarten, dass das Handelsvolumen – auch der grenzüberschreitenden Transaktionen – weitaus höher war als dessen Niederschlag in der Literatur. So bleiben als Quellen häufig nur die Schilderungen, die Vertreter einer konfuzianisch geprägten Beamtenschaft festhielten, die keinerlei Interesse an der Vermittlung objektiver Daten hatten, sondern lieber das Stereotyp vom gierigen Händler am untersten Rand der Gesellschaft pflegten.
Lebende Präsente
Unter den Geschenken für den Kaiser spielten auch einzelne Personen und Gruppen eine wichtige Rolle: darunter Kleinwüchsige, Wahrsager, Gaukler, Musiker, Tänzerinnen und Artisten. Weitaus häufiger als die Verschleppung von Menschen war jedoch die Überbringung von Pflanzen und Tieren. Nashörner und Löwen konnten dann in den kaiserlichen Zoos bestaunt werden, Schoßhündchen und Papageien in den Palastanlagen; Geparden und Greifvögel setzte man bevorzugt bei der Jagd ein, Elefanten und Pferde bei der Kriegsführung.
Allerdings waren die Verwendungsmöglichkeiten der Rösser weitaus größer. Vor allem unter der Herrschaft von Kaiser Xuanzong (reg. 712–756) erlangte die Begeisterung für das aus West- und Zentralasien stammende Polospiel und für perfekt inszenierte Dressurakte ein bis dahin ungekanntes Ausmaß. Nicht zuletzt der Herrscher selbst ergötzte sich an Vorstellungen, die ganze Herden von Pferden einbezogen. Bei den Vorführungen bewegten sich die Tiere nach einer festen Choreografie, die dem Rhythmus der oftmals eigens dafür komponierten Musik folgte und auch verschiedene Kunststücke einbeziehen konnte. Besonders eindrucksvoll müssen die Darbietungen bei den Feierlichkeiten gewesen sein, die jährlich aus Anlass des Kaisergeburtstags gegeben wurden, und es verwundert daher nicht, dass die "tanzenden Pferde" zu einem wichtigen Motiv in der Literatur wurden.
Auch Löwen wurden mit der Verbreitung des Buddhismus zunehmend besungen und in der Kunst dargestellt. Allerdings hielt sich die Freude über die Ankunft der Raubkatzen zuweilen in Grenzen. Schließlich mussten Unmengen an Fleisch zur Ernährung bereitgestellt werden, und das in einer Epoche, in der zeitweilig die strikte Einhaltung religiös motivierter Speisevorschriften – mit dem vollständigen Verzicht auf tierische Nahrung – propagiert wurde.
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Die Araber ersuchten darum, dem Hof einen Löwen zu offerieren. In einem Gesuch (…) wurde hierzu [im Jahre 693] vermerkt: "Die Löwen, die aus fernen Gebieten überbracht werden, ernähren sich ausschließlich von Fleisch. Das ist schwer zu beschaffen und überdies Geldverschwendung. Eure Majestät hat bereits die Aufzucht von Greifvögeln und Hunden untersagt und der Fischerei wie der Jagd ein Ende gesetzt. Wie könnt Ihr selbst ein frugales Leben führen, während den wilden Tieren die besten Speisen vorgesetzt werden?"
Vor allem aus verschiedenen Regionen Südostasiens – unter anderem aus Vietnam, Sumatra und Java – wurden regelmäßig Sittiche und Papageien nach China gebracht. Der Ausgangspunkt der Tributgesandtschaft und die Herkunftsregion der Vögel müssen jedoch dabei nicht identisch sein, in einigen Fällen ist eher die Weitergabe von Tieren zu vermuten, die ursprünglich von den Molukken stammten. Manche Papageien und Sittiche erregten zudem die Bewunderung berühmter Maler und, wenn sie sprechen konnten, die Aufmerksamkeit namhafter Dichter.
Gelegentlich vermochten die Vögel sogar das Herz des Kaisers zu bewegen. So sollen zwei aus dem Königreich Linyi im südöstlichen Küstenbereich Vietnams präsentierte Papageien im Jahre 631 so sehr über den kühlen Winter in der Hauptstadt geklagt haben, dass der Herrscher sie schließlich freiließ.
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[Die beiden Vögel] waren verständig, klug und geschickt in ihren Antworten. Kaiser Taizong [reg. 627–649] hatte Mitleid mit ihnen und erteilte den Auftrag, sie in der gewohnten Umgebung wieder auszusetzen. (…) Sie hatten [nämlich] bekundet, dass sie unter Kälte litten und gerne in ihr Herkunftsland zurückkehren würden.
Seide
Das mit Abstand am häufigsten erwähnte kaiserliche Präsent war über viele Jahrhunderte hinweg die Seide. Unter diesem Begriff werden im Allgemeinen Gewebe zusammengefasst, deren Fäden aus den Drüsensekreten hergestellt werden, die beim Verpuppen verschiedener Schmetterlingsarten entstehen. Eine besonders hochwertige Qualität garantiert dabei der Seidenspinner, der sich im Raupenstadium bevorzugt von den Blättern des Weißen Maulbeerbaums ernährt und in China lange vor der Gründung des Kaiserreichs domestiziert wurde.
Bis die Textilien auf dem Webstuhl Gestalt annahmen, waren mehrere Arbeitsschritte nötig: angefangen mit dem Kochen der Kokons (zum Abtöten der Puppen) über das Haspeln (dem Zusammenführen von Fäden zu dickeren Strängen) bis hin zum Entbasten (der Befreiung vom Seidenleim). Die Palette an Stoffen schloss unter anderem Samit, Gaze, Krepp, Damast und Brokat ein; Muster wurden vor allem durch die Verwendung unterschiedlich eingefärbter Fäden sowie durch nach dem Weben aufgebrachte Drucke oder Stickereien erzielt.
Für den Fernhandel war das Material schon deshalb hervorragend geeignet, weil es vergleichsweise leicht, einfach zu verpacken und gut zu transportieren war; außerdem ließ es sich als Währung nutzen. In welchem Umfang die Moden im Rom der frühen Kaiserzeit von der Verwendung der Seide geprägt wurden, bezeugen nicht zuletzt die Bemerkungen namhafter Denker. Allerdings gab die Transparenz des Stoffes immer wieder Anlass zu kritischen Kommentaren.
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Ich sehe seidene Gewänder – wenn sie die Bezeichnung Gewänder überhaupt verdienen –, an denen nichts ist, womit man entweder den Körper oder überhaupt die Scham schützen kann. Wenn eine Frau sie anlegt, wird sie mit gutem Gewissen behaupten, sie sei nicht nackt. Diese [Seidengewänder] werden für einen riesigen Betrag von Völkern herbeigeschafft, die für ihren Handel nicht bekannt sind: [nur] damit unsere Frauen der Öffentlichkeit genauso viel von sich zu sehen geben wie den Ehebrechern im Schlafzimmer.
Manche Historiker machen die große Nachfrage nach dem teuren Luxusgut für den wirtschaftlichen Niedergang – oder gar für den Zusammenbruch – des Römischen Reiches verantwortlich. Dass diese These nicht haltbar ist, zeigt sich unter anderem daran, dass das Gewebe auch dann noch einen entsprechenden Absatz fand, als Orient und Okzident bereits durch die Hinwendung zu Islam und Christentum gekennzeichnet waren. So soll der abbasidische Kalif Harun ar-Raschid bei seinem Tod im Jahre 809 zahllose Gewänder sowie Unmengen von Kissen, Vorhängen und Teppichen aus Seide hinterlassen haben.
Pilger und Provokateure
Die Verbreitung von Religionen erfolgte fast durchweg in östlicher Richtung. Während die Mehrzahl unter ihnen – Zoroastrismus, Nestorianismus, Manichäismus, Judentum und Islam – in China in erster Linie von Zuwanderern aus Zentralasien gepflegt wurde, fand der Buddhismus seine Anhänger allmählich in allen Regionen des Landes und in allen sozialen Schichten.
Zeitweilig dominierte er sogar die Politik, wurde aber trotz massiver Unterstützung durch das Kaiserhaus nicht zu einem für die gesamte Bevölkerung verbindlichen Staatskult. Zumeist hatte die Bevölkerungsmehrheit ohnehin keinen Grund, sich ostentativ zu einer bestimmten Religion zu bekennen. Lediglich Priester, Mönche und Nonnen machten einen derartigen Ausschließlichkeitsanspruch für sich geltend. Jenseits der Tempel- und Klostermauern merkte man davon jedoch wenig; denn die Menschen machten die Konsultation eines religiösen Spezialisten im Falle einer Krankheit oder Lebenskrise in erster Linie von dessen Fähigkeiten als Heiler oder Exorzist abhängig, nicht von seiner Qualifikation als Exeget und Dogmatiker.
Dass sich der Buddhismus in China festsetzen und zeitweilig zur dominanten religiösen Strömung werden konnte, war überraschend. Viele Wesenszüge waren kaum mit den Normen vereinbar, die bis dahin Weltbild und Ritus bestimmten. Für den chinesischen Hof muss er im Grunde eine Provokation gewesen sein: Der individuelle Rückzug in klösterliche Abgeschiedenheit und der um sich greifende Reliquienkult unterminierten die soziale Dominanz der Familie und den Ahnenkult. Daneben schwächte der Bau von Pagoden, die weiter in die Höhe ragten als die Palastanlagen, genauso die herausgehobene Stellung des Kaisers wie die Errichtung monumentaler Plastiken.
Dazu gab es in China eigentlich keine profanen Gegenstücke. Allerdings war zuvor auch in Nordindien, dem Heimatland des religiösen Lehrers, geraume Zeit vergangen, bevor sich seine Anhänger dazu entschlossen, anthropomorphe Darstellungen in den Kult einzubeziehen. Und es dauerte noch länger, bis Werke von Rang daraus hervorgingen.
Eine wichtige Vermittlungsrolle spielte in China eine Kunstrichtung, die nach ihrem einstigen Zentrum in Gandhara benannt ist: einer Region, die als archäologische Einheit im Norden Pakistans und im Osten Afghanistans verortet wird. Von dort aus wurden Elemente weitergegeben, die auf westliche Vorbilder zurückzuführen sind und Abwandlungen von späthellenistischen, parthischen und römischen Gestaltungsprinzipien dokumentieren.
Bei den figürlichen Darstellungen zeigt sich dies insbesondere an den Proportionen, dem Faltenwurf der Kleidung und einem Profil, bei dem gewelltes Haar, offene Augen und ein deutlich konturierter Mund auffallen. Diese Komponenten wurden in den folgenden Jahrhunderten bis weit nach Osten verbreitet, wo sie durch die Begegnung mit chinesischen Traditionen weiter modifiziert wurden.
Sieht man einmal von Plastiken, Skulpturen und Reliefs ab, dann ist die religiöse Kunst vor allem durch Wandmalereien repräsentiert, die das transzendente Reich des Buddha in einem physisch fassbaren Raum visualisieren sollten. Vor allem die Klosterkomplexe in den Randzonen von Gobi und Taklamakan vermitteln bis in die Gegenwart einen lebendigen Eindruck von antiker und mittelalterlicher Frömmigkeit. Alleine in den knapp 500 erhaltenen "Grotten" von Dunhuang (Provinz Gansu) summiert sich die bemalte Fläche auf rund 45000 Quadratmeter.
Die dort anzutreffenden Darstellungen sind aber nicht nur als Zeugnisse tiefempfundener Religiosität von Bedeutung. Szenen aus dem Alltagsleben – darunter Märkte, Karawanen und Musikanten – ermöglichen überdies die Rekonstruktion von sozialen Bedingungen und historischen Zusammenhängen.
Lange Zeit waren die Glaubensinhalte, die die verschiedenen Schulen und Lehrmeinungen den Anhängern der neuen Religion vermittelten, relativ inkohärent. Daher hielten es die Klöster nicht zuletzt zur Legitimierung ihrer eigenen Tradition für sinnvoll, Mönche zu jenen Kultstätten Zentral- und Südasiens zu senden, denen man eine möglichst unverfälschte Überlieferung unterstellte. Vor allem galt es, eine möglichst große Zahl an sakralen Schriften – und wohl auch die eine oder andere Reliquie – mitzubringen.
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Ich habe diese weite Reise unternommen, um nach dem Gesetz [des Buddha] zu suchen. Steh mir bei mit Deiner ehrfurchtgebietenden Kraft, damit ich [heil] in meine Heimat zurückkehren werde.
Die bekanntesten Pilger waren Faxian und Xuanzang, die 399 und 629 nach Westen aufbrachen. Ihnen verdanken wir umfangreiche Aufzeichnungen, die nicht nur theologische Spitzfindigkeiten enthalten, sondern auch Beschreibungen von Routen, Sehenswürdigkeiten und örtlichen Gepflogenheiten im Einzugsbereich der Seidenstraße; lange bevor von Westen kommende Reisende – wie der Brabanter Wilhelm von Rubruk (ab 1253), der Venezianer Marco Polo (ab 1271) und der Maghrebiner Ibn Battūta (ab 1332) – ihre Eindrücke festhielten.
Papier und Druckkunst
Erleichtert wurde der kulturelle Austausch durch die Gründung des mongolischen Weltreichs im 13. Jahrhundert. Dessen Herrschaftsanspruch reichte zeitweilig vom Chinesischen Meer bis zur Ostsee und erlaubte den Händlern, Missionaren und Diplomaten eine bis dahin unbekannte Mobilität. Das hatte – zumindest indirekt – Auswirkungen auf die Verbreitung von Erfindungen, die im "Reich der Mitte" schon lange zuvor ihren Ursprung hatten.
Auch wenn der überwiegende Teil der Bevölkerung des Lesens und Schreibens nicht mächtig war, bedurfte es für die überregionale Verbreitung von Nachrichten eines Mediums. Dies hatte einige Voraussetzungen zu erfüllen, vor allem mit Blick auf die Dauerhaftigkeit des Materials, die Versorgung mit den nötigen Rohstoffen, die Kosten der Produktion und die Einfachheit des Transports. Holzleisten waren für die Beschriftung auf Dauer zu sperrig, Seide war im Allgemeinen zu teuer.
Die Historiografie will nun, dass der als Direktor der kaiserlichen Werkstätten amtierende Eunuch Cai Lun im Jahre 105 n. Chr. erstmals ein Verfahren zur Papiererzeugung präsentierte. Die exakte Datierung der Erfindung ist indes nicht richtig. Vermutlich wurde damals bei Hofe lediglich eine ausgeklügeltere Herstellungsmethode vorgestellt; denn aus Pflanzenfasern – insbesondere Hanf – produziertes Papier ist durch archäologische Funde schon aus vorchristlicher Zeit belegt. Zwar diente dieses zunächst wohl primär als Verpackungsmaterial, doch lässt sich eine Verwendung als Informationsträger schon im 1. Jahrhundert v. Chr. nachweisen.
Immerhin ist es aber wohl nicht zuletzt der Experimentierfreude und der Umtriebigkeit Cai Luns zu verdanken, dass das Material sich ab dem 2. Jahrhundert n. Chr. wachsender Beliebtheit erfreute. Danach wurde das Verfahren im Grunde nur noch geringfügig verfeinert und ausdifferenziert. Neben Sorten, bei denen der Brei, aus dem die Bögen lagenweise geschöpft wurden, im Wesentlichen aus den Fasern von Maulbeerbaum oder Bambus bestand, gab es auch Mischungen, denen zerkleinerte Stoffreste beigemengt waren. So verfügte man über einen Schriftträger, der nicht nur leicht, haltbar, saugfähig und preiswert war, sondern der sich überdies problemlos rollen, falten und zuschneiden ließ.
Aus der Perspektive der Länder, in denen sich das Papier im Lauf der Zeit verbreitete, lassen sich im Allgemeinen drei aufeinanderfolgende Stadien festmachen: die erste Begegnung mit entsprechenden Schriftstücken; die gezielte Einfuhr von Bögen; sowie die Produktion in dafür errichteten Papiermühlen.
In der islamischen Welt entstanden ab dem 10. Jahrhundert mehrere bedeutende Manufakturen, die jeweils auch eine ansprechende Exportqualität produzierten: darunter die damals weithin gerühmte charta damascena. Spätestens unter der Herrschaft der Almoraviden gelangte das Know-how schließlich von Nordafrika aus auf die spanische Halbinsel. So ist aus dem Jahre 1056 im unweit von Valencia gelegenen Xàtiva erstmals eine Papiermühle belegt, die 20 Mitarbeiter beschäftigt haben soll.
Vermutlich über Sizilien erreichte das Papier Süditalien, wo unter den weltoffenen Staufern so manche Errungenschaft aus der arabischen Welt genutzt wurde, auch wenn Kaiser Friedrich II. (reg. 1220–1250) wichtige Dokumente weiterhin auf Pergament festhalten ließ. Lange Zeit war man daher auf Importe angewiesen, und die erste bedeutsame Mühle entstand erst 1276 in Mittelitalien: in dem Städtchen Fabriano, das auf halbem Wege zwischen Ancona und Perugia liegt.
Darüber hinaus könnte auch Byzanz eine Vermittlerrolle gespielt haben, doch sind die Anhaltspunkte dafür eher vage. Keinen Zweifel gibt es hingegen daran, dass die erste Papiermanufaktur nördlich der Alpen 1390 von dem Nürnberger Ratsherren und Großunternehmer Ulman Strohmer an der Pegnitz gegründet wurde, wobei er sich bei der Planung und Errichtung nicht zuletzt auf die Hilfe italienischer Mitarbeiter verließ.
Der Name, den das Unternehmen trug, war im Übrigen "Hadermühle" und spielte auf die Lumpen an, die den wichtigsten Werkstoff bei der Produktion bildeten. Anders als in China, wo in erster Linie Baum- und Bambusfasern verwendet wurden, setzte sich die Verarbeitung von Holzpulpe in Europa erst an der Schwelle zum 19. Jahrhundert durch.
Die Drucktechnik hatte im Reich der Mitte mindestens drei Wurzeln: Steinstelen, von denen sich Abreibungen anfertigen ließen; Siegel, die zur Legitimation von Personen und Institutionen dienten; sowie Stempel, mit deren Hilfe einfache Bildmotive und Amulette in großer Stückzahl vervielfältigt wurden.
Allerdings wurden größere Auflagen längerer Texte erst durch den Einsatz von Holzstöcken möglich, in die die Vorlage als seitenverkehrtes Relief eingeschnitten war. Ab dem 7. Jahrhundert wurden auf diese Weise zunächst religiöse Werke, Erörterungen und Enzyklopädien hergestellt und ab dem 11. Jahrhundert ein neues, aber bald in riesiger Stückzahl benötigtes Produkt: der Geldschein.
Ebenfalls während der Song-Zeit (960–1279) kam die Verwendung beweglicher Lettern auf, die zunächst aus Keramik, dann aus Holz und schließlich aus Kupfer gefertigt wurden. Zu einer vollständigen Ablösung des Blockdrucks kam es dadurch jedoch nicht.
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Während der Regierungsdevise qingli [1041–1051] entwickelte Bi Sheng, ein Mann aus dem Volke, den Druck mit beweglichen Lettern. Für dieses Verfahren ritzte er jeweils ein Zeichen mit großer Präzision in eine Type aus Ton, die anschließend im Feuer gebrannt und gehärtet wurde. (…) Um für den Fall gewappnet zu sein, dass sich ein Zeichen auf einem Blatt wiederholte, fertigte er von jedem mehrere Lettern an, von besonders geläufigen Exemplaren sogar über zwanzig.
Nach Westen wurde die Schwarze Kunst in großem Stil erst unter der Mongolenherrschaft vermittelt, wobei den kulturbeflissenen Uiguren, die bis zum 13. Jahrhundert weite Teile des heutigen Xinjiang kontrollierten, eine entscheidende Rolle zukam. Die Mehrzahl der in Zentralasien verbreiteten Drucke hatte zunächst vor allem buddhistische Inhalte und war in sogdischer Schrift verfasst.
In Westasien und Nordafrika sollten hingegen noch Jahrhunderte vergehen, bis umfangreiche und komplexe Texte wie der Koran in großen Auflagen hergestellt wurden. Das mag damit zusammenhängen, dass man das unmittelbare Wort Gottes nicht mithilfe eines profanen Mediums verbreiten wollte, doch sollte man die besondere Bedeutung der mündlichen Überlieferung, die starke Position der Schreiber und Rezitatoren sowie den Wunsch nach Exklusivität nicht unterschätzen.
Ganz anders verlief die Entwicklung in Mitteleuropa, wo der Buchdruck, angefangen mit der Veröffentlichung einer lateinischen Ausgabe der Bibel im Jahre 1454, mit rasender Geschwindigkeit um sich griff. Dabei waren die Voraussetzungen – die Verwendung von Stempeln und beschnitzten Holzplatten bei der Gestaltung von Einzelblättern und Textilien – durchaus ähnlich. War es folglich ein einsamer Geniestreich, als Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg, damit begann, ganze Bücher mit Hilfe beweglicher Lettern zu produzieren?
Einsam bestimmt nicht; denn für einen derart aufwendigen Herstellungsprozess benötigte man zweifellos ein größeres Team von Spezialisten – und einen aufmerksamen Geldgeber. Dennoch kann man wohl davon ausgehen, dass es letztlich einer Person bedurfte, die die wichtigsten Kenntnisse zusammenführte: darunter das Wissen um eine haltbare Legierung bei der Produktion der Metalllettern, die Erfahrung bei der Herstellung von Pressen und das Geschick bei der Entwicklung einer geeigneten Farbkonsistenz.
Ob die Grundidee nur ihm und seinen Helfern geschuldet war, oder ob dazu nicht doch die eine oder andere indirekte Anregung beitrug, die ihren Ursprung in weiter Ferne hatte, lässt sich heute nicht mehr eindeutig klären. Es wäre aber überraschend, wenn der Buchdruck völlig unabhängig von dem in den vorangegangenen Jahrhunderten nicht immer ganz freiwilligen Kontakt mit den Mongolen entstand, deren Weltreich zeitweilig auch das heutige China einschloss.
Wechselwirkungen
Die richtungweisende Eigenschaft des Magneteisensteins war in China bereits seit vorchristlicher Zeit bekannt, sie wurde zunächst wohl nur von Geomanten verwendet, um geeignete Plätze für die Anlage von Gräbern zu bestimmen. Erst im 11. Jahrhundert ist mit einiger Sicherheit die Verwendung eines davon abgeleiteten Instruments zur Orientierung auf See anzusetzen. Zumindest erregte sie in einer auf das frühe 12. Jahrhundert zurückgehenden Beschreibung, die sich auf die Region um Kanton bezieht, keinerlei Aufsehen mehr.
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Mit den küstennahen Gewässern sind die Lotsen vertraut. Bei Nacht orientieren sie sich an den Sternen, bei Tag an der Sonne. Bei schlechtem Wetter behelfen sie sich jedoch mit der südweisenden Nadel. Außerdem verwenden sie noch ein rund dreißig Meter langes Schlepptau mit einem Haken am Ende; denn [auch] durch das Aussehen und den Geruch der Proben, die damit dem Meeresgrund entnommen werden, können die Lotsen die Position bestimmen.
Für die Navigation wurde damals wahrscheinlich bereits eine durch das Thermoremanenzverfahren magnetisierte Metallnadel eingesetzt, die – durch Kork oder Holz an der Oberfläche gehalten – auf einer Flüssigkeit schwamm. Von China aus gelangte das Instrument im Verlauf des 12. und 13. Jahrhunderts in die arabisch-persische Welt und in das Abendland. In Europa wurde die Erfindung rasch weiterentwickelt, und mit der Kombination von Magnetnadel und Windrose entstand die Bussole: ein Trockenkompass, der schließlich durch die westlichen Seemächte in der Gegenrichtung verbreitet wurde und um die Mitte des 16. Jahrhunderts als Neuerung im Reich der Mitte auftauchte.
Nach dem Zerfall der mongolischen Herrschaft im 14. Jahrhundert waren die Landrouten zwischen Orient und Okzident zunehmend unattraktiv geworden: vor allem wegen des rapide ansteigenden Sicherheitsrisikos, vielleicht auch wegen der Pest, die sich entlang der Verkehrswege ausbreitete. Zudem sorgte die Einrichtung regelmäßiger Schifffahrtsverbindungen zwischen den Häfen Europas und Asiens für eine räumliche Verlagerung des Fernhandels und der damit verbundenen Kontakte.
Daher entschieden sich die christlichen Missionare im 17. Jahrhundert fast ausschließlich für den Seeweg. Vor allem die Jesuiten verfügten über einen weiten Bildungshorizont, der neben theologischer und philosophischer Kompetenz auf ausgezeichnete Kenntnisse der exakten Wissenschaften gründete und einen souveränen Umgang mit chinesischer Sprache und Schrift einschloss. Daher veröffentlichten sie in der Diaspora nicht nur fromme Traktate, sondern wirkten überdies als Verfasser und Übersetzer maßgeblicher Werke, die sich dem aktuellen Forschungsstand von Mathematik, Geografie und Medizin widmeten und vor allem die einheimischen Eliten ansprechen sollten.
Zudem erhielt eine ganze Reihe von ihnen hohe Posten in der kaiserlichen Administration: unter anderem als Leiter des wichtigen Kalenderamts. Andere profilierten sich zeitweilig als Maler bei Hofe, hinterließen aber langfristig nur wenige Spuren. Umgekehrt vermittelten die Missionare aber ausführliche Informationen über die chinesische Handwerkskunst nach Europa und lösten damit eine Welle der Begeisterung für Chinoiserien aus. Ganze Schiffsladungen voll mit Porzellan, Lackarbeiten und anderen Exotika erreichten in der Folgezeit Europa und erhöhten den sozialen Status ihrer neuen Besitzer.
Die Landrouten der Seidenstraße gelangten erst im im Rahmen der kolonialen Expansion im 19. Jahrhundert wieder verstärkt in den Fokus der politischen Wahrnehmung: Russland expandierte nach Süden und erschloss die islamisch geprägten Gebiete zwischen dem Kaspischen Meer und dem Pamir-Gebirge. Großbritannien wandte sich von Indien aus den nördlich des Karakorum gelegenen Steppen- und Wüstenzonen zu. China gliederte schließlich weite Teile der nordwestlichen Einflusszone zwischen Altai und Kunlun wieder fest in das Reich ein.
An dem "Great Game" waren durchaus auch Wissenschaftler beteiligt, von deren Beobachtungen man sich nicht zuletzt politisch und ökonomisch verwertbare Erkenntnisse versprach. Zunächst kam es dabei oft eher zufällig zur Entdeckung antiker Stätten und zu Gelegenheitskäufen von Antiquitäten, die eine bis dahin ungeahnte kulturelle Blüte in der Region dokumentierten.
Erst kurz vor der Jahrhundertwende erweckten vor allem vielsprachig verfasste Handschriften und buddhistische Wandmalereien das philologische und kunstwissenschaftliche Interesse europäischer Forscher und Abenteurer: darunter Sven Hedin (1865–1952), Aurel Stein (1862–1943), Paul Pelliot (1878–1945) und Albert von Le Coq (1860–1930), die sich nunmehr in den Nordwesten des heutigen China begaben. Archäologische Kompetenz, die für belastbare Analysen vor Ort zwingend nötig gewesen wäre, fehlte jedoch bei den meisten Expeditionen in die Randzonen von Gobi und Taklamakan. Darüber hinaus war die Selbsteinschätzung der beteiligten Forscher zuweilen so realitätsfern, dass manche Ausgrabung mehr Zerstörung bewirkte als Erkenntnisgewinn.
Das ist einer der Gründe, warum die chinesischen Regierungen diese Aktivitäten nach dem Ende der Kaiserzeit (1911) bevorzugt als imperialistische Raubzüge betrachteten. Dem setzte Xi Jinping relativ rasch nach der Machtübernahme 2012 ein völlig anderes geopolitisches Modell entgegen, das – mit China als Zentrum – den an der einstigen Seidenstraße liegenden Staaten Frieden und wirtschaftliche Blüte verhieß. Heute geht der Anspruch weit darüber hinaus.
ist Professor em. für Sinologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. E-Mail Link: thomas.hoellmann@lmu.de
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