Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Editorial | Träume | bpb.de

Träume Editorial Eine Rede und ihre Folgen. 60 Jahre "I Have a Dream" Politik der Träume. Herrschaftseingebungen und Gemeinschaftsvisionen seit der Antike "Ich glaube an einen German Dream der Vielen". Ein Gespräch über "Integration", deutsche Debatten – und deutsche Träume – Interview Schöne neue Arbeitswelt – Essay Vom Ende der Welt. Apokalypse als kulturpolitische Methode Klimaschutz neu geträumt. Was der Staat und der Einzelne tun können, um effizient zu sein - Essay Der Traum von der freien Straße – noch nie so wertvoll wie heute

Editorial

Sascha Kneip

/ 2 Minuten zu lesen

Martin Luther Kings "I Have a Dream"-Rede, die er am 28. August 1963 beim "Marsch auf Washington" am Lincoln Memorial hielt, zählt zu den ikonischen Reden des 20. Jahrhunderts. Vielleicht handelt es sich bei ihr sogar um die prägende Rede jener Zeit, brachte sie doch wie keine andere vor oder nach ihr so eindringlich den Anspruch der liberalen Demokratie zum Ausdruck, rassistische Diskriminierungen zu bekämpfen und alle Bürgerinnen und Bürger rechtlich und faktisch gleich zu behandeln.

Doch die Rede, die seinerzeit nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch nach Europa übertragen wurde, war nicht nur eine Proklamation der Emanzipation und der Selbstermächtigung einer unterdrückten gesellschaftlichen Gruppe. Sie legte zugleich den Finger in die Wunde der US-amerikanischen, aber auch der europäischen Gesellschaften. Denn von der Verwirklichung des Anspruchs auf Gleichberechtigung und Gerechtigkeit waren die demokratischen Gesellschaften dies- und jenseits des Atlantiks noch weit entfernt – und sind es teilweise noch heute. Deshalb ist es kein Zufall, dass die Rede Kings bis heute Referenzpunkt geblieben ist für die Kritik an illiberalen, diskriminierenden und undemokratischen Zuständen – und eine stete Aufforderung, etwas dagegen zu tun.

Der Traum von einer anderen, einer besseren Gesellschaft umfasst aber nicht nur die Hoffnung auf ein diskriminierungsfreies Zusammenleben, sondern auch den Wunsch nach inklusiver Bildung, geschlechtergerechten Gesellschaftsstrukturen, einer wertschätzenden Arbeitswelt, legitimen Verteilungsmechanismen oder einem wirksamen Umwelt- und Klimaschutz. Gemeinsam ist all diesen Träumen, dass sie sich nicht von alleine verwirklichen. Erfüllen werden sie sich nur dann, wenn wir für unsere Überzeugungen einstehen, selbst nach ihnen handeln – und auch andere von unseren Träumen, Utopien und Visionen überzeugen. "Let freedom ring", lautete das zentrale Motiv von Martin Luther Kings Rede vor 60 Jahren. Eine Aufforderung auch an die liberalen Demokratien von heute und morgen.