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Editorial | Soziale Ungleichheit | bpb.de

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Informationen zur politischen Bildung Nr. 354/2023

Editorial

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„Jeder ist seines Glückes Schmied!“ – diesem geflügelten Wort wohnt der Glaube inne, dass jeder Mensch, wenn er nur will, das eigene Leben in die Hand nehmen und vom Tellerwäscher zum Millionär werden kann. Doch die Erkenntnisse des sechsten Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung von 2021 erzählen eine ganz andere Geschichte: Die Wahrscheinlichkeit, dass in Armut lebende Menschen auch fünf Jahre später immer noch arm sind, ist seit den 1980er-Jahren von 40 auf 70 Prozent gestiegen. Soziale Ungleichheit hat sich in Deutschland verstetigt.

Viele Menschen verbinden mit dem Begriff „soziale Ungleich­heit“ krasse Gegensätze, etwa reiche Industrienationen im Kontrast zu den ärmeren Ländern des Globalen Südens oder reiche Villenbesitzer im Kontrast zu Obdachlosen. Dabei schlägt sich Ungleichheit in vielen verschiedenen Bereichen nieder, mal mehr und mal weniger stark ausgeprägt. Neben Vermögensungleichheit zählt auch Chancenungleichheit dazu.

Immer dann, wenn Ressourcen wie Geld oder Eigentum und Lebensbedingungen wie Gesundheit oder soziale Kontakte ungleich verteilt sind, wird von sozialer Ungleichheit gesprochen. Dabei bedingt das jeweilige Gesellschaftssystem diese Ungleichheit, und die Ungleichheit beeinflusst die Gesellschaft dann wiederum wechselseitig, da sie Einfluss auf die Lebenschancen aller in der Gesellschaft lebenden Menschen nimmt. So hängen beispielsweise Gesundheit und Lebenserwartung vom Einkommen ab, und die Herkunft einer Person beeinflusst auch ihren beruflichen Werdegang.

Die Merkmale Geschlecht, Ethnie und soziale Herkunft haben von Geburt an einen großen Einfluss auf die Lebenschancen eines Menschen, da sie als „Zuweisungskriterien“ zu gesellschaftlichen Positionen fungieren. So kann von der sozialen Herkunft abhängen, ob ein Mensch im Laufe seines Lebens studieren wird. Das Geschlecht hat einen großen Einfluss darauf, ob eine Person in Teil- oder Vollzeit arbeitet, und die Hautfarbe eines Kindes kann dessen Schullaufbahn beeinflussen.

Bildung ist ein wichtiger Hebel, um soziale Ungleichheit zu bekämpfen und soziale Aufstiege zu ermöglichen. Schulabschlüsse bestimmen in Deutschland maßgeblich darüber, wer später in welchen Berufen arbeitet und wer welches Gehalt bekommt. Ohne Bildungsaufstiege würden Ungleichheiten immer wieder, von Generation zu Generation, reproduziert werden. Menschen mit gut verdienenden Eltern werden mit großer Wahr­scheinlichkeit später ebenfalls gut verdienen; Kinder, deren Eltern im Niedriglohnsektor ihr Geld verdienen, arbeiten als Erwachsene auch eher in diesem. Ein inklusives Schulsystem kann helfen, dieser Reproduktion von Ungleichheit entgegen­zuwirken.

Je ungleicher eine Gesellschaft ist, desto mehr scheint ihr Zusammenhalt gefährdet. Eine Politik, die dazu beiträgt, soziale Ungleichheit langfristig abzubauen und beispielsweise in Bildungsprogramme investiert, stärkt letztlich die gesamte Gesellschaft.

Laura Gerken